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Die Bedeutung der Bahn im 3. Reich - Ihr Zugbegleiter

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IMHO war es einfach zu schade, die während des <strong>Bahn</strong>Netz-Themas "<strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong> während<br />

<strong>der</strong> Zeit des Faschismus" geschriebenen Mails einfach dem Tosser zu überlassen und dann irgendwann<br />

<strong>im</strong> Nirvana zu verschwinden. Ich habe daher mal alle gesammelt, aufbereitet und in <strong>der</strong> vorliegenden<br />

Form "wie<strong>der</strong>veröffentlicht".<br />

Natürlich konnte dieses grosse Thema letztlich nur angerissen werden. Ich hoffe aber, daß das Thema<br />

<strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> mal auftaucht und weitere interessante Beiträge kommen werden. Wenn es sich<br />

lohnt, werde ich natürlich auch diese Reihe fortschreiben.<br />

Neben den Diskussionsbeiträgen habe ich auch noch an<strong>der</strong>es Material aufgearbeitet und werde dies<br />

weiterhin machen. Als Indiz sei die in diesem Paket enthaltene Datei SD1.TXT genannt. Da wird noch<br />

einiges kommen :-)<br />

Zu einem solchen Thema gehören natürlich auch die offiziellen Verlautbarungen <strong>der</strong> damaligen<br />

Machthaber, sei es in Form von <strong>Die</strong>nstanweisungen, Aufrufen o<strong>der</strong> aber - wie diesem Paket beigefügt<br />

- eine Rede von Goebbels am "Tag deutschen Eisenbahners". Dass hiermit nicht eine Verbreitung<br />

von nationalsozialistischen Zielen o<strong>der</strong> gar irgendwelcher Fascho-Ideologie <strong>der</strong> Weg bereitet werden<br />

soll, dürfte sich schon allein aus dem Sinnzusammenhang und den an<strong>der</strong>en Texten ergeben. Aber um<br />

ein <strong>der</strong>artiges Thema richtig beleuchten und verstehen zu können, gehört das nunmal dazu.<br />

(Klaus Köppen (121:4945/0))<br />

Für Interessierte habe ich hier einen Ausschnitt aus <strong>der</strong> "Allgemeinen <strong>Die</strong>nstanweisung für die<br />

<strong>Reich</strong>sbahnbeamten" (ADA) vom 1.April 1938, S.5 :<br />

"<strong>Die</strong> vorbildliche nationalsozialistische Gesinnung drückt sich in einer entsprechenden Haltung aus.<br />

Deshalb gelten u.a. folgende Grundsätze:<br />

a) Der <strong>Reich</strong>sbahnbeamte grüsst in und ausser <strong>Die</strong>nst mit dem Deutschen Gruss durch Erheben des<br />

rechten Armes und den deutlichen Zuruf: "Heil Hitler".<br />

b) Der <strong>Reich</strong>sbahnbeamte liest die nationalsozialistische Tagespresse und sucht sich auch auf an<strong>der</strong>e<br />

Weise politisch zu schulen.<br />

c) Seine Opferbereitschaft beweist er beson<strong>der</strong>s gegenüber <strong>der</strong> NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt)<br />

und dem WHW (Winterhilfswerk). Wenn irgend möglich, wird er auch Mitglied <strong>der</strong> NSV<br />

d) Er sorgt für den Eintritt seiner Kin<strong>der</strong> in die Jugendglie<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> NSDAP.<br />

e) Der <strong>Reich</strong>sbahnbeamte darf sich nicht mit Juden in Geschäfte einlassen, beson<strong>der</strong>s nicht in jüdischen<br />

Geschäften einkaufen o<strong>der</strong> zu jüdischen Ärzten, Rechtsanwälten usw. gehen und dies auch<br />

nicht von <strong>der</strong> Angehörigen seines Hausstandes dulden. Persönlicher Verkehr mit Juden ist zu vermeiden.<br />

f) Er schickt seine Kin<strong>der</strong> nicht in private Schulen und lässt sich nicht in die Verwaltungsräte o<strong>der</strong> Kuratorien<br />

privater Schulen berufen. Ausnahmen sind nur aus zwingenden zulässig. Darüber entscheidet<br />

<strong>im</strong> Zweifel die <strong>Reich</strong>sbahndirektion <strong>im</strong> Einvernehmen mit <strong>der</strong> zuständigen Schulaufsichtsbehörde.<br />

g) Der <strong>Reich</strong>sbahnbeamte hat auch <strong>im</strong> Ausland eine deutschbewusste Haltung zu zeigen.<br />

(Pierre-Nöl Rietsche (121:4180/111))<br />

Seite 1


Dann eine Mitteilung des <strong>Reich</strong>sbundes <strong>der</strong> Deutschen Beamten:<br />

"Der Generalappell am 5.12 und 12.12. gibt uns Veranlassung, die RDB-Walter und -Walterinnen darauf<br />

hinzuweisen, daß sie wie die Politischen Leiter verpflichtet sind, an <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Fachschaft angeordneten<br />

Veranstaltungen unbedingt teilzunehmen. Wir for<strong>der</strong>n von jedem RDB-Walter ganzen Einsatz.<br />

Sollte eine begründete Entschuldigung vorgebracht werden können, so ist diese spätestens 1<br />

Tag vor <strong>der</strong> Veranstaltung schriftlich an den zuständigen Hauptvertrauensmann zu leiten. Wir erwarten<br />

von ihnen unbedingte Befolgung <strong>der</strong> Anordnung."<br />

(Appell <strong>der</strong> Fachschaft 1 an die RDB-Walter und -Walterinnen vom Januar 1939)<br />

Noch 'ne <strong>Die</strong>nstanweisung:<br />

"Der Beamte hat je<strong>der</strong>zeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat einzutreten und sich in<br />

seinem gesamten Verhalten von <strong>der</strong> Tatsache leiten zu lassen, das die Nationalsozialistische Deutsche<br />

Arbeiterpartei in unlöslicher Verbundenheit mit dem Volk die Trägerin des deutschen Staatsgedanken<br />

ist. [.....]<br />

Beför<strong>der</strong>t kann nur ein Beamter werden, <strong>der</strong> neben <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Eignung und restlosen Erfüllung<br />

<strong>der</strong> allgemeinen Beamtenpflichten unter Berücksichtigung seiner früheren politischen Einstellung<br />

die unbedingte Gewähr dafür bietet und seit dem 30. Januar 1933 bewiesen hat, daß er je<strong>der</strong>zeit<br />

rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintritt und ihn wirksam vertritt."<br />

(Allgemeine <strong>Die</strong>nstanweisung für die <strong>Reich</strong>sbahnbeamten (ADA) vom 1. April 1938, S. 5 f)<br />

(Klaus Köppen (121:4945/0))<br />

Hier einige Kriegserinnerungen, die ich persönlich von ehemaligen Lokführern und <strong>Bahn</strong>arbeitern<br />

aus Frankreich gehört habe:<br />

I - Allgemeines<br />

Man kann sagen, daß die Eisenbahnerwi<strong>der</strong>stand <strong>im</strong> Frankreich zwei Seiten hatte: einerseits ein organisiertes<br />

Netz namens "Resistance-Fer" (Wi<strong>der</strong>stand - Eisen (-<strong>Bahn</strong>)), mit aktiver Unterstützung<br />

aus London, die mehr 'spektakuläre' Aktionen führte, wie Brückensprengungen, Streckensperrungen<br />

und sogar Überfälle auf deutsche Militärzüge, und an<strong>der</strong>erseits eine Unmenge Einzelinitiativen mit<br />

viel "Systeme D" (könnte man als "Do-it-yourself" übersetzen), die vor allem eine manchmal entscheidende<br />

Bremswirkung auf die Wehrmacht ausübte. <strong>Die</strong> Kombination <strong>der</strong> beiden stiftete von allem<br />

während <strong>der</strong> Befreiung (6. Juni 1944 - Frühling 1945) zeitweise recht chaotische Zustände auf <strong>der</strong><br />

deutschen Seite, während es auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Seite komischerweise etwas besser ging...<br />

Aufgrund meiner Quellen werde ich vor allem über die 2. Seite berichten, mit vielen Anekdoten, die<br />

allerdings viel zu häufig ein tragisches Ende nahmen. Es wurde in diesem Brett berichtet, daß die<br />

deutsche Besatzungsmacht <strong>im</strong> Österreich aus praktischen Überlegungen die Eisenbahner mehr o<strong>der</strong><br />

weniger 'schonte'. Sowas fehlte <strong>im</strong> Frankreich (und, ich nehme an, auch in den an<strong>der</strong>en besetzte<br />

Län<strong>der</strong>) völlig. Bei Sabotageverdacht könnte je<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Stelle hingerichtet werden, o<strong>der</strong> mindestens<br />

<strong>im</strong> KZ verschwinden. Bei tatsächlich erfolgten Sabotageakten wurden nicht nur die 'Schuldigen',<br />

Seite 2


son<strong>der</strong>n auch die anwesenden <strong>Bahn</strong>arbeiter und <strong>im</strong> Voraus designierte Geisel (Bürgermeister, Geistliche,<br />

Lehrer, usw...) als Vergeltung hingerichtet.<br />

Kein Wun<strong>der</strong>, daß die Deutschen von viele Leute in Frankreich, die das alles erlebt haben, noch regelrecht<br />

gehasst werden. Gott sei Dank hat sich die Lage seither grundlegend geän<strong>der</strong>t!<br />

II - Kleine Bremskunde<br />

Wenn deutsche Züge o<strong>der</strong> Güter unterwegs waren, hiess es einfach "C'est pas presse !" (Es pressiert<br />

nicht!). So kriegten die Dampfloks min<strong>der</strong>wertiger Kohle, die die Heizarbeit zur Hölle machte. Natürlich<br />

war <strong>der</strong> Heizer manchmal auch beson<strong>der</strong>s ungeschickt be<strong>im</strong> feuern, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Rost war blö<strong>der</strong>weise<br />

halb offen geblieben (so daß ein guter Teil <strong>der</strong> Kohle direkt <strong>im</strong> Aschkasten landete...), o<strong>der</strong> man<br />

hatte den Wasseraufbereitungssalz (ACFI) vergessen o<strong>der</strong> tatsächlich gar nicht erhalten, usw...<br />

Das alles musste natürlich diskret erfolgen, da es überall deutsche militärische Betriebsüberwacher<br />

gab, die "les <strong>Bahn</strong>hofs" (Übersetzung wahrscheinlich überflüssig...) genannt wurden. Es waren aber<br />

in den meisten Fälle normale Soldaten, häufig Verwundete, die vom <strong>Bahn</strong>betrieb fast keine Ahnung<br />

hatten, und dazu noch fast nie französisch sprachen. So war es manchmal einfach, sie an <strong>der</strong> Nase<br />

herumzuführen, ohne daß sie's nur bemerkt haben.<br />

Kleines Beispiel dazu:<br />

Ein Güterzug kommt <strong>im</strong> <strong>Bahn</strong>hof Troyes (östlich von Paris) an. Der Lokführer meldet, daß er zu wenig<br />

Kohle und Wasser zum Weiterfahren hat. Der "<strong>Bahn</strong>hof" ist natürlich nicht einverstanden, ein Blick in<br />

den Ten<strong>der</strong> bestätigt den Eindruck: noch circa 1/3 voll. Trotz Proteste vom Lokführer und Heizer bleibt<br />

es bei "NEIN!" be<strong>im</strong> Kohlefassen. Nur zum Wasserfassen ist er einverstanden. Das ist ein fataler Fehler...<br />

<strong>Die</strong> Lok manövriert sich unter den Wasserkran. Der Heizer steigt auf den Ten<strong>der</strong> und macht die Klappen<br />

auf, <strong>der</strong> Lokführer steigt aus <strong>der</strong> Lok aus, dreht den Kran und stellt sich an den Wasserhahn. Lei<strong>der</strong><br />

öffnet er den Kram etwas zu früh, so daß <strong>der</strong> Wasserstrahl nicht wie (normalerweise) vorgesehen<br />

<strong>im</strong> Wasserkasten landet, son<strong>der</strong>n direkt <strong>im</strong> Kohletrichter. Lokführer und Heizer beginnen eine<br />

meisterhaft inszenierte Fast-Schlägerei und besch<strong>im</strong>pfen sich aufs übelste. Der <strong>Bahn</strong>hof krümmt sich<br />

dabei vor Lachen vor diesen "blöden Franzosen", und muss kurz darauf einsehen, daß <strong>der</strong> Ten<strong>der</strong><br />

blitz-blank-sauber ist: es bleibt kein einziger Stück Kohle auf <strong>der</strong> Lok! Wohl o<strong>der</strong> übel muss man halt<br />

zum Bekohlungsanlage...<br />

Bei <strong>der</strong> Bekohlungsanlage angekommen, geht es nicht besser: die einzige zuständige Person ist<br />

be<strong>im</strong> Zahnarzt (Ärzte halfen häufig gern bei solche "Streichen"), und kommt erst eine Stunde später<br />

mit einem (nicht s<strong>im</strong>ulierten) noch halb betäubter Mundwerk zurück. Dabei waren alle seine mündliche<br />

Befehle und Anweisungen kaum verständlich, was weitere Verzögerungen zur Folge hatte.<br />

Schlussendlich hatte <strong>der</strong> Zug knapp 3 Stunden Verspätung, als die Lok endlich wie<strong>der</strong> ankuppelte.<br />

Und erst dann merkte <strong>der</strong> Heizer, daß die Wasserkasten fast leer waren (da vorher fast kein Tropfen<br />

hereinkam!). Der <strong>Bahn</strong>hof lachte lange nicht mehr... <strong>Die</strong>smal klappte es aber, und <strong>der</strong> Zug konnte mit<br />

jetzt 3 1/2 Stunden Verspätung Richtung Strasbourg (und wahrscheinlich - Deutschland) weiterfahren.<br />

<strong>Die</strong>se Geschichte wird vielen vielleicht zu lustig vorkommen, um wahr zu sein, es ist mir aber so vom<br />

Lokführer selbst erzählt worden. Mag sein, daß die Erinnerungen mit <strong>der</strong> Zeit <strong>im</strong>mer "dekoriert" wer-<br />

Seite 3


den: be<strong>im</strong> Diskutieren kommen <strong>im</strong>mer so listig-lustige Geschichten heraus. Von schlechte Erinnerungen<br />

spricht man gewöhnlich viel weniger...<br />

III - "Notversorgungsmassnahmen"<br />

Während des Krieges wurde es für die städtische Zivilbevölkerung <strong>im</strong>mer schwieriger, die einfachsten<br />

Lebensmittel zu kriegen (auch zunehmend sogar in Deutschland!). <strong>Die</strong> Bauern hingegen, solange<br />

nicht von Zwangsrequisitionen getroffen, waren vergleichsweise gut versorgt. Als Transportmittel zwischen<br />

beiden war die <strong>Bahn</strong> natürlich wie prädestiniert...<br />

So kam es regelmässig jeden Sonntag Abend in gewissen ländliche <strong>Bahn</strong>höfe beson<strong>der</strong>s südlich von<br />

Paris vor, daß die Lok <strong>der</strong> Züge Richtung Paris be<strong>im</strong> Ankunft von Passagieren <strong>im</strong> Sturm erobert wurde,<br />

je<strong>der</strong> mit einem Sack Kartoffeln, Gemüse o<strong>der</strong> Fleisch, <strong>der</strong> irgendwo auf <strong>der</strong> Lok befestigt wurde.<br />

Ich habe mal persönlich in einem Museum ein Bild einer so beladenen Lok gesehen: <strong>Die</strong> sah aus wie<br />

irgend etwas, war als Dampflok aber nicht mehr zu erkennen. Im Paris nahm je<strong>der</strong> seinen Sack zurück<br />

von <strong>der</strong> Lok und verschwand eiligst in <strong>der</strong> Nacht. Einige hatten da schlechte Überraschungen,<br />

als sie sahen, daß sich ihr Sack während <strong>der</strong> Fahrt von <strong>der</strong> Lok gelöst hatte und dann irgendwo auf<br />

<strong>der</strong> Strecke lag...<br />

<strong>Die</strong> Bauern gaben natürlich ihre Lebensmittel nicht umsonst: Es passierte gewöhnlich auf Tauschbasis.<br />

Beson<strong>der</strong>s begehrt waren dabei Seidenstrümpfe, Kaffee- und Tabakwaren, sowie Brennmaterialen...<br />

Wenn unbewachte Benzin- o<strong>der</strong> Kohlezüge <strong>der</strong> Wehrmacht unterwegs waren, gehörten zur Standartausrüstung<br />

3 Schubkarren <strong>im</strong> <strong>Zugbegleiter</strong>wagen. Der Lokführer fand dann irgend einen guten<br />

Grund, um in einem gewissen <strong>Bahn</strong>hof auf dem Lande anzuhalten. Da gingen Lokführer, Heizer und<br />

<strong>Zugbegleiter</strong>, je<strong>der</strong> mit sein Schubkarren voll (deutscher) Kohle zum nächstgelegenen Bauern, <strong>der</strong><br />

manchmal als "Zwischenhändler" für's ganzer Dorf fungierte, und kamen zurück mit dem gleichen<br />

Schubkarren, diesmal randvoll mit Lebensmittel. Das alles wurde dann sorgfältig auf <strong>der</strong> Lok versteckt,<br />

häufig unter <strong>der</strong> Kohle (Da schaute sogar die deutsche Polizei nie, ausser wenn sie einen<br />

konkreten Verdacht auf sog. "Terroristen" hatten) o<strong>der</strong> <strong>im</strong> Sandkasten.<br />

IV - Menschenschmuggel<br />

Während <strong>der</strong> deutschen Besetzung wurde Frankreich in 2 Zonen geteilt: Nördlich von <strong>der</strong> Loire war<br />

es die "besetzte Zone" (direkt von Deutschland verwaltet), südlich davon war es die "freie Zone" (unter<br />

Verwaltung vom "Etat Francais", auch "Vichy-Regierung" genannt. Theoretisch frei unter <strong>der</strong> Regierung<br />

von Marechal Petain, in <strong>der</strong> Tat von Deutschland straff kontrolliert.). Auch wenn's dort von<br />

weitem nicht rosig war, war es für aktive Wi<strong>der</strong>standskämpfer o<strong>der</strong> Verfolgte um einiges weniger gefährlich<br />

als in <strong>der</strong> besetzten Zone.<br />

Eine <strong>der</strong> Kanäle war es, <strong>im</strong> Wasserkasten <strong>der</strong> Ten<strong>der</strong> zu reisen. Gewisse Lokführer hatten dafür<br />

Brettgestelle <strong>im</strong> Wasserkasten installiert, und füllten sie nur bis ca. 3/4 aus. Das funktionierte wenige<br />

Monate, bis die Gestapo Wind von <strong>der</strong> Sache bekam. In einer Blitzaktion <strong>im</strong> Februar 1942 wurden<br />

alle Ten<strong>der</strong> <strong>der</strong> Depots Villeneuve St.Georges (Ehem. PLM) und Paris PO (Ehem. PO-Midi) kontrolliert.<br />

Wenige mitbeteiligte Lokführer und Heizer könnten gerade rechtzeitig gewarnt werden und<br />

tauchten unter, die an<strong>der</strong>en haben es mit <strong>der</strong> Leben bezahlt...<br />

Seite 4


Allerdings wurde auch nach diesen Ereignissen eine einzige Lok für solche Transporte verwendet:<br />

Regelmässig jede Woche fuhr ein Son<strong>der</strong>zug von Paris nach Vichy und Retour, vollgepackt mit hohen<br />

deutschen "Funktionären" und hochplatzierten Kollaborateuren (Verräter gibt's lei<strong>der</strong> überall...) vollbeladen,<br />

die zum "Kuraufenthalt" gingen. Da sich we<strong>der</strong> die Gestapo noch die reguläre Polizei grosse<br />

Sorgen um die Passagiere dieses Zuges machten, wurde an <strong>der</strong> Zonengrenze nur sehr oberflächlich<br />

kontrolliert. Man wollte alle diese wichtige Leuten (heute würde man VIPs sagen...) ja nicht mit lästigen<br />

Kontrollen verärgern, das hätte Folgen haben können... Aus Sicherheitsgründen wurde <strong>der</strong> Zug<br />

<strong>im</strong>mer von <strong>der</strong> gleichen Lok gezogen, das heisst auch <strong>im</strong>mer von gleicher Lokführer-Heizer- Mannschaft.<br />

<strong>Die</strong> wurden vom Resistance-Fer umworben, und machten mit: jede Woche fuhr gewöhnlich<br />

ein blin<strong>der</strong> Passagier <strong>im</strong> Ten<strong>der</strong> mit.<br />

Nach <strong>der</strong> Befreiung wurde allerdings <strong>der</strong> Lokführer von einem "Fünf-vor- Zwölf"-Wi<strong>der</strong>stands-"Kämpfer"<br />

<strong>der</strong> Kollaboration beschuldigt, weil er <strong>im</strong>mer diesen "Bonzenzug" fuhr. Nach Überprüfung wurde<br />

diese Anschuldigung allerdings schnell fallengelassen...<br />

V- Geisterwagen<br />

Es waren auch einzelne Güterwagen für die deutsche Besatzungamacht unterwegs. Im schl<strong>im</strong>mster<br />

Fall Waffen, häufig Champagner und Delikatessen für diese Herren, manchmal auch gestohlene Kulturgüter<br />

für deutsche "Kunstfreunde" (beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sminister Herrmann Göring war dafür berüchtigt).<br />

Falls so ein Wagen erobert wurde, wurde er systematisch entführt durch Entfernen <strong>der</strong> Wagenlaufzettel,<br />

und eiligst an einen Zug nach nirgendwo (ausser <strong>der</strong> normalen Richtung natürlich) angehängt.<br />

So sind u.a. Waffen zum Wi<strong>der</strong>stand gelangen. Auch Kulturgüter wurden versteckt und nach<br />

<strong>der</strong> Befreiung wie<strong>der</strong> an die Oberfläche gebracht. Champagner und Delikatessen wurden unter Eisenbahnern<br />

und ihren Familien (beson<strong>der</strong>s die, die Opfer gehabt hatten... Witwen und Weisen wurden<br />

dabei nicht vergessen.) verteilt.<br />

VI - Bermuda-Dreieck in Arras<br />

Bis zum Ende <strong>der</strong> Dampfzeit wurden die Dampfloks <strong>der</strong> französischen Eisenbahnen <strong>im</strong> Titularbetrieb<br />

gefahren: <strong>der</strong> Trio Lok-Lokführer-Heizer bildete eine fest geschlossene Einheit, und nie hätte ein Lokführer<br />

geduldet, daß ein an<strong>der</strong>er "seine" Lokomotive fährt!<br />

Während des Krieges erfuhr dieses System eine kleine Än<strong>der</strong>ung: angesichts <strong>der</strong> steigenden Anzahl<br />

unbrauchbarer Loks (Sabotage, Bomberangriffe, "schlampiger" Unterhalt, usw. ) einerseits, und angesichts<br />

des <strong>im</strong>mer länger werdenden <strong>Die</strong>nstes (es herrschte ein regelrechtes Chaos auf die meisten<br />

Strecken) an<strong>der</strong>erseits, wurde das System <strong>der</strong> "Double Equipe" (Doppelte Lokmannschaft) eingeführt.<br />

Es bestand daraus, daß jede Lok 2 Lokmannschaften mit sich hatte: die eine fuhr die Lok, die<br />

an<strong>der</strong>e erholte sich <strong>im</strong> sog. "Camping-Wagen" am Schluss des Zuges. Beide Lokmannschaften lösten<br />

die an<strong>der</strong>en regelmässig ab. So wurden mehrtägige Zugumläufe gefahren. Natürlich wurden die<br />

Campingwagen auch für diverse Transporte, von Lebensmittel bis zu verfolgten Personen o<strong>der</strong> Juden,<br />

verwendet...<br />

Mehrmals war es am Anfang passiert, daß deutsche Offiziere den Campingwagen für sich requiriert<br />

hatten, was die Lokmannschaften nicht annehmen konnten. Nach vehemente Protesten jeweils be<strong>im</strong><br />

diensthabenden "<strong>Bahn</strong>hof" wurde in diese Wagen eine Eintrittsverbottafel für Wehrmachtsangehörige<br />

angehängt. Der war mit <strong>der</strong> "Pigeon a roulettes" (auf französisch: "Taube auf Rollen", <strong>der</strong> Hoheitszeichen<br />

mit Adler auf Kranz und Hakenkreuz) versehen. Manchmal kamen Soldaten, die Transporte be-<br />

Seite 5


gleiteten, zum Campingwagen und baten um Eintritt, um sich zu erwärmen. Falls es <strong>der</strong> Lokmannschaft<br />

nicht passte, genügte ein Fingerzeig zur Tafel, und <strong>der</strong> Soldat konnte nur noch salutieren und<br />

verschwinden. Allerdings waren die Lokmannschaften manchmal barmherzig für die ehemalig stolzen<br />

arischen Krieger, die jetzt vor Kälte stotterten, und liessen sie ein, mit <strong>der</strong> Aufgabe, den Kohleofen<br />

warm zu halten und Kaffee (besser gesagt: ein Ersatz von Kaffee) zu brühen...<br />

So ist es <strong>im</strong> Winter 1943 passiert, als ein Güterzug Paris - Lille, <strong>der</strong> unter an<strong>der</strong>en einen Plattformwagen<br />

mit einem Panzer transportierte, unterwegs war. Be<strong>im</strong> Halt in Creil kam <strong>der</strong> durchgefrorene Begleitungssoldat<br />

zum Campingwagen und bettelte um etwas Wärme. Der Lokführer <strong>der</strong> Ablösemannschaft<br />

wollte schon einen Wink in Richtung Verbotstafel machen, als er auf eine Idee kam. Er liess<br />

dann den Soldat hinein, sehr zur Erstaunen seiner Heizers, <strong>der</strong> die "Doryphores" ("Kartoffelkäfer",<br />

Spitzname <strong>der</strong> Wehrmachtssoldaten <strong>im</strong> Frankreich) genausowenig wie er vertragen konnte. Der Soldat<br />

dankte ergiebig, hielt die traditionelle Litanei von "Ach, Krieg grosss Malheur!" auf, und legte sich<br />

ins Schlafabteil. Der Lokführer weihte seiner Heizer ein, und beide gingen be<strong>im</strong> nächsten Halt das<br />

alles mit <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Lokmannschaft diskutieren. Im Arras wurde dann auch <strong>der</strong> Fahrdienstleiter eingeweiht,<br />

<strong>der</strong> die Idee toll fand und mitmachte: Kupplung hinter dem Plattformwagen lösen, den auf ein<br />

Stumpengleis manövrieren, den Zug wie<strong>der</strong> ankoppeln, fertig! Nur fehlte halt <strong>der</strong> Plattformwagen mit<br />

seinem Panzer... Der Soldat, <strong>der</strong> seelenruhig <strong>im</strong> Campingwagen schlief, hatte nix bemerkt. Erst be<strong>im</strong><br />

Ankunft in Lille wurde er wach, dankte die "Soo freundlichen französischen Eisenbahner", die ein<br />

Grinsen kaum verkneifen könnten, und ging zu seinem Wagen... <strong>der</strong> überhaupt nicht mehr <strong>im</strong> Zug<br />

war! Was mit ihm dann passierte, weiss kein Mensch. Der Plattformwagen wurde langer Zeit vom<br />

Rangierbahnhof zu Rangierbahnhof ziellos verschoben, bis er spurlos verschwand...<br />

(Pierre-Nöl Rietsch (121:4180/111))<br />

Kopfzeile: <strong>Bahn</strong> <strong>im</strong> Wi<strong>der</strong>stand<br />

Sand <strong>im</strong> Getriebe<br />

Er hat ein paar Zähne zuwenig. Er hat einen schlohweissen Bart. Er ist sicher über achtzig. Und er<br />

hat nichts vergessen. Nennen wir ihn Karl. In unserer Geschichte gibt es viele Helden wie ihn. Aber<br />

nur wer inkognito blieb, hat lange genug überlebt, um späteren Generationen erzählen zu können.<br />

Aus einer Zeit, als das Eisenbahnfahren lebensgefährlich war. Und das Eisenbahnbauen ebenso.<br />

"Karls" Teil war das Bauen. Als Dreher in einer Lokomotivfabrik. In einem Land, das es nicht mehr<br />

gab. Und das einen Krieg führte, den eigentlich keiner wollte. Das Land hatte vorher Österreich geheissen.<br />

Aber jetzt war es die "Ostmark". Der Krieg war <strong>der</strong> Zweite Weltkrieg. Und wie viele hun<strong>der</strong>t<br />

an<strong>der</strong>e Eisenbahner hat auch "Karl" seinen Teil dazu beigetragen, daß dieser Krieg nicht von den<br />

Falschen gewonnen wurde: "Wir haben's fertiggebracht, daß monatelang nicht eine Lokomotive aus<br />

<strong>der</strong> Fabrik gefahren ist. Waasst (Weisst Du, DH), was Steuerstangen san (sind, DH), Bua? <strong>Die</strong> hob i<br />

gedreht. Zu schnell und mit viel Öl. Damit bei <strong>der</strong> ersten Probefahrt das lager hin is." Karl hat den<br />

Krieg überlebt. Und weiter gedreht. Langsamer, denn die neue OEBB brauchten funktionierende Lokomotiven.<br />

"Karls" Geschichte kann man glauben o<strong>der</strong> nicht. Er hat überlebt, weil sie nie aktenkundig geworden<br />

ist. Aktenkundig dagegen ist das Schicksal von 1635 österreichischen Eisenbahnern, die mit ihrem<br />

Wi<strong>der</strong>stand gegen den ideologisch verbrämten Massenmord weniger Glück hatten. 155 wurden abgeurteilt<br />

und hingerichtet. 1438 landeten in Konzentrationslagern. Und nur 1299 kamen lebend von<br />

Seite 6


dort zurück. 44 landeten in Strafkompanien an <strong>der</strong> Front. Überlebensrate: nur 50%. Man hatte sie<br />

gewarnt und eingeschüchtert: Man hatte sie auf "Volk und Führer" vereidigt und jeden von ihnen einen<br />

hektographischen Zettel unterschreiben lassen: "Ich erkläre hiermit, daß ich über die Best<strong>im</strong>mungen<br />

<strong>der</strong> Verordnung, Gesetzblatt Nr. 221/38, betreffend Einführung <strong>der</strong> Vorschriften über Hochverrat<br />

und Landesverrat <strong>im</strong> Lande Österreich eingehend belehrt worden bin. Unterschrift."<br />

Man hatte ihre Gewerkschaftsfunktionäre verhaftet durch SS- und SA-Männer. Sie waren einzeln o<strong>der</strong><br />

in kleinen Gruppen isoliert und meist ohne Verbindung zu grösseren Wi<strong>der</strong>standsgruppen. Und einzeln<br />

o<strong>der</strong> in kleinen Gruppen entschlossen sie sich zu einem zähen, lautlosen, unspektakulären und<br />

trotzdem lebensgefährlichen Kampf. Natürlich spielte die <strong>Bahn</strong> eine zentrale Rolle in den Aufmarsch-<br />

und Versorgungsplänen einer Diktatur, die sich aufgemacht hatte, die Welt zu erobern. Sie war und ist<br />

ein verlässliches, höchst leistungsfähiges und deshalb strategisch unersetzliches Transportmittel. A-<br />

ber genau diese Tatsache hat vielen Eisenbahnern <strong>im</strong> Wi<strong>der</strong>stand das Leben gerettet:<br />

<strong>Die</strong> Gestapo fand Namen heraus. <strong>Die</strong> Anzeigen häuften sich. <strong>Die</strong> Verhaftungen blieben aus. <strong>Die</strong><br />

<strong>Reich</strong>sbahndirektion intervenierte: Bei 300 bis 400 Verhaftungen müsse man <strong>im</strong> Eisenbahnverkehr<br />

mit empfindlichen Stockungen zu rechnen. Zum ersten Mal beugte sich eine Gewaltherrschaft, die in<br />

<strong>der</strong> Weltgeschichte kein Parallele kennt, vor <strong>der</strong> Macht und <strong>Bedeutung</strong> <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong> und <strong>der</strong> Menschen,<br />

die sie <strong>im</strong> Rollen hielten.<br />

Österreichs Eisenbahner wussten schon längst um ihre Rolle <strong>im</strong> Spiel <strong>der</strong> Weltmächte. Schon 1848<br />

hatten revolutionäre <strong>Bahn</strong>arbeiter ein ganzes Infantrie-Battalion auf dem Weg nach Wien kurzerhand<br />

an die Luft gesetzt. Schon 1920 hatte die Eisenbahnergewerkschaft einen Verkehrsboykott gegen das<br />

gewalttätige ungarische Horthy-Reg<strong>im</strong>e durchgesetzt. Schon 1933 hatten Eisenbahner in Hirtenberg<br />

einen Waffenschmuggel aus dem faschistischen Italien nach Ungarn aufgedeckt und gestoppt.<br />

"<strong>Die</strong> Rä<strong>der</strong> müssen rollen für den Sieg!" hiess die Parole, die das Reg<strong>im</strong>e auf die Waggons malen<br />

liess.<br />

<strong>Die</strong> Eisenbahner liessen sie rollen. Nur etwas langsamer. Und oft in die falsche Richtung. Am 19. November<br />

1941 meldete die Stapoleitstelle Wien: "Vor <strong>der</strong> Station Breitenstetten musste ein sehr langer<br />

Güterzug anhalten, bis ein Gegenzug auf einem Ausweichgleis anhielt. Während dieser Zeit wurden<br />

unbemerkt 27 Waggons des Güterzuges abgekoppelt und blieben auf <strong>der</strong> Strecke stehen. Kurz darauf<br />

fuhr <strong>der</strong> Gegenzug auf die abgekoppelten Waggons auf. Sabotage wird vermutet.<br />

Ab Juni 1941 wurde die Liste <strong>der</strong> Anschläge <strong>im</strong>mer länger: Kupplungsschläuche wurden durchschnitten,<br />

Kupplungsringe entfernt, Sand geriet auf gehe<strong>im</strong>nisvolle Weise in die Achslager <strong>der</strong> Waggons,<br />

Schmierbüchsen von Lokomotiven wurden verstopft, brennende Putzwolle landete in vollbeladenen<br />

Munitionswaggons, Lokomotivführer meldeten Militär- und Gütertransporte an Partisanenverbände.<br />

Jäger und gejagte lernten dazu. <strong>Die</strong> Todesrate in den Wi<strong>der</strong>standsorganisationen stieg unaufhaltsam.<br />

<strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong> erfolgreichen Sabotageakte auch. Sieben Jahre dauerte <strong>der</strong> zähe, stille Kampf. Dann<br />

rückte die Front näher. Auf Mauern und Zäunen tauchte <strong>im</strong>mer öfter das Zeichen "Freiheit 05" (Ö für<br />

Österreich) auf, 5 für das e, den fünften Buchstaben des Alphabets. An die Eisenbahner <strong>im</strong> Wi<strong>der</strong>stand<br />

ergingen über die "Feindsen<strong>der</strong>" dramatische Appelle wie dieser: "Eisenbahner <strong>der</strong> Westfront,<br />

die Freiheitsfront ruft Euch! Unser Wien ist in äusserster Gefahr und droht, <strong>der</strong> Zerstörung ausgeliefert<br />

zu werden. Bei Euch liegen die Hauptschlaga<strong>der</strong>n für die Wiener Fronten. Im Namen des Volkes<br />

seid <strong>Ihr</strong> verpflichtet, alles zu tun für die Rettung Wiens. Eisenbahner, lasst kein Geschütz, kein Geschoss,<br />

keinen Panzer nach Wien durch. Helft den Kampfgruppen <strong>der</strong> Freiheitsfront, wenn sie zu<br />

euch kommen. Bildet selbst Sabotagegruppen. Eisenbahner <strong>der</strong> Westbahner, lasst Wien nicht <strong>im</strong><br />

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Stich!" Wenige Tage später war in Österreich <strong>der</strong> Krieg zu Ende. <strong>Die</strong> Sieger begannen, neue Grenzen<br />

zu ziehen. Im Abkommen von Jalta hatten sie die Unabhängigkeit Österreichs vereinbart. Unter <strong>der</strong><br />

Bedingung, daß die Österreicher selbst ihren Beitrag zur Befreiung leisten würden. Sie haben ihn geleistet.<br />

Männer wie <strong>der</strong> "Karl". Und die namentlich bekannten Helden <strong>der</strong> Eisenbahn. <strong>Die</strong> <strong>Bahn</strong> macht<br />

Geschichte. Manchmal, indem sie an<strong>der</strong>s rollt, als die Mächtigen sich's vorstellen.<br />

Dazu hätte ich einige Anmerkungen:<br />

1) Ungefähr lässt sich dieser Artikel auch auf Deutschland umlegen, obwohl er sehr auf Österreich<br />

zugeschnitten ist.<br />

2) <strong>Die</strong> Lokomotivfabrik, in <strong>der</strong> "Karl" arbeitete, wird höchstwahrscheinlich die WLF (Wiener Lokomotivfabrik<br />

Floridsdorf) sein. <strong>Die</strong>se war neben Henschel, Borsig,.... einer <strong>der</strong> Lokomotivfabriken des Dritten<br />

<strong>Reich</strong>es und produzierte 50, 86, 44, 52 und schliesslich 42, die von <strong>der</strong> WLF konstruiert wurde. Auch<br />

bestanden schon Pläne für eine dritte Kriegslokomotive. Nach Kriegsende produzierte man die Reihe<br />

42 für die ÖBB und CFL weiter. Nach <strong>der</strong> Lieferung von Breitspurloks an die Indischen Staatsbahnen<br />

beendete die WLF als letzte Lokomotivfabrik den Bau von Dampfloks nach über 100 Jahren von beachtlicher<br />

Aktvität (Gölsdorf, Reihe BBÖ 214/OEBB 12,...). <strong>Die</strong> WLF gehörte seit 1958 dem SGP-<br />

Konzern an. Mit <strong>der</strong> Auslieferung <strong>der</strong> letzten Loks <strong>der</strong> Reihe 1042.500 (1042.707 glaub ich) schloss<br />

das Werk Floridsdorf für <strong>im</strong>mer die Werkstore.<br />

3) Der Diktion nach war <strong>der</strong> "Feindsen<strong>der</strong>" ein sowjetischer. <strong>Die</strong>ser Aufruf wurde wahrscheinlich kurz<br />

vor <strong>der</strong> "Schlacht um Wien" 6.4.-14.4.1945 verlautbart.<br />

4) Der Wunsch <strong>der</strong> späteren Sieger nach Unabhängigkeit Österreichs war schon in <strong>der</strong> "Moskauer<br />

Deklaration" vom 1.11.1943 vorhanden. <strong>Die</strong> Bedingung ist aber richtig.<br />

(<strong>Die</strong>ter Horwatitsch (121:4310/5))<br />

Anmerkung:<br />

2) <strong>Die</strong> Lokomotivfabrik, in <strong>der</strong> "Karl" arbeitete, wird höchstwahrscheinlich die WLF (Wiener Lokomotivfabrik<br />

Floridsdorf) sein. <strong>Die</strong>se war neben Henschel, Borsig,.... einer DER Lokomotivfabriken des Dritten<br />

<strong>Reich</strong>es und produzierte 50, 86, 44, 52 und schliesslich 42, die von <strong>der</strong> WLF konstruiert wurde.<br />

Auch bestanden schon Pläne für eine dritte Kriegslokomotive.<br />

Richtig, die WLF kam <strong>im</strong> Prinzip als zehnte Lokomotivfabrik dazu. Neben den von dir genannten Baureihen<br />

wurden auch noch Elektrolokomotiven <strong>der</strong> Reihen E18.2, E44, E45.2, E61.1 und E94 produziert.<br />

Weiter standen auf <strong>der</strong> Produktpalette: - Teile für die 1Bo1-Schmalspurdieselloks <strong>der</strong> Reihe<br />

2041/s;<br />

- schwere Abraumloks 900 mm;<br />

- 1B1-Dampftriebwagen <strong>der</strong> Reihe M27<strong>3.</strong>1;<br />

- 1D1h2-Ten<strong>der</strong>loks <strong>der</strong> Reihe 431.0;<br />

- zwei 1F1-Zahnradloks (DRB 97 401 und 402);<br />

- Industrieloks (Bt, Ct und Dt);<br />

- Hochdruck-Dampfspeicherloks einer eigenen, patentgeschützen Bauart.<br />

Als letzte Lokomotive vor Kriegsende verliess übrigens am 9.<strong>3.</strong>45 die 42 2579 das Werk....<br />

(Klaus Köppen (121:4945/0))<br />

Seite 8


Richtig, die WLF kam <strong>im</strong> Prinzip als zehnte Lokomotivfabrik dazu. Neben den von dir genannten Baureihen<br />

wurden auch noch Elektrolokomotiven <strong>der</strong> Reihen E18.2, E44, E45.2, E61.1 und E94 produziert.<br />

1018 ? ? ? 1020<br />

- Teile für die 1Bo1-Schmalspurdieselloks <strong>der</strong> Reihe 2041/s; jetzt ÖBB 2091<br />

- 1B1-Dampftriebwagen <strong>der</strong> Reihe M27<strong>3.</strong>1; Lieferung an SZ nach Plänen <strong>der</strong> BBÖ DT 1 (ÖBB 3071)<br />

- 1D1h2-Ten<strong>der</strong>loks <strong>der</strong> Reihe 431.0; Lieferung an SZ nach Plänen <strong>der</strong> BBÖ 378 (ÖBB 93); Loks <strong>der</strong><br />

Ursprungs-ÖBB-Reihe blieben Reserve über das offizielle Ende des Dampfbetriebes 1976 bis 1982<br />

- zwei 1F1-Zahnradloks (DRB 97 401 und 402); ÖBB 297.401 und 297.402; stärkste Dampfloks <strong>der</strong><br />

Welt hatten wegen Problemen mit <strong>der</strong> Zahnstange (zu schwach) nie bewähren können. die 297.401<br />

steht als Denkmal in Vor<strong>der</strong>nberg.<br />

Als letzte Lokomotive vor Kriegsende verliess übrigens am 9.<strong>3.</strong>45 die 42 2579 das Werk....<br />

Das st<strong>im</strong>mt. <strong>Die</strong> erste 42 für die ÖStB/OEBB war die 42.2701<br />

(<strong>Die</strong>ter Horwatitsch (121:4310/5))<br />

Teilthema 1: Wirtschaftlicher Stand/Daten zur DRG in <strong>der</strong> Zeit zwischen 1933 und 1940<br />

<strong>Die</strong> Deutsche <strong>Reich</strong>sbahn hatte 1937 958.000 Arbeiter, Angestellte und Beamte beschäftigt.<br />

<strong>Die</strong> weitere Entwicklung verlief so:<br />

1940 > 1.145.600<br />

1941 > 1.25<strong>3.</strong>100<br />

1942 > 1.386.000<br />

1943 > 1.529.000<br />

1944 > 1.581.000<br />

1945 > ?<br />

<strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong> Güter- und Personenwagen stieg bis 1943 an. Von da an ging es stets zurück, bedingt<br />

durch die stärkeren Luftangriffe, die hastigen Absetzbewegungen <strong>im</strong> Osten und die Bodenkämpfe.<br />

Aber auch Sabotage und eigene Zerstörungen bei Rückzügen sind ausschlaggebend für die teils<br />

starken Bestandseinbrüche <strong>der</strong> letzten Kriegsmonate. Der Wagenpark stieg bei <strong>der</strong> DRG von 46,1<br />

Millionen Einheiten 1939 auf 48,6 Millionen Einheiten 194<strong>3.</strong> Ab 1944 ging es dann bergab. So war <strong>der</strong><br />

Bestand '44 auf 43,3 Millionen und Anfang '45 auf ca. 20 Millionen Einheiten geschrumpft. (Achtung:<br />

Einheiten entsprechen nicht den Wagenzahlen! 1 Einheit = ein Transport. Ein Wagen kann, wenn er<br />

jeden Tag einen Transport macht, 365 Einheiten darstellen)<br />

1940 zog die DRG ca. 100000 Wagen aus Frankreich und Belgien ab, um sie in ihren eigenen Bestand<br />

einzureihen, während <strong>der</strong> Rest bei den "eigenständigen" <strong>Bahn</strong>verwaltungen blieb. In Polen und<br />

<strong>der</strong> UdSSR verfuhr man an<strong>der</strong>s. <strong>Die</strong> <strong>Bahn</strong>verwaltungen und das gesamte rollende Material wurden<br />

<strong>im</strong>mer <strong>der</strong> DRG eingeglie<strong>der</strong>t.<br />

Gesamtübersicht <strong>der</strong> Wagenbestandes (Voll- und Schmalspur)<br />

31.12...! 1941! 1942! 1943<br />

Dampflokomotiven! 27859! 30035! 33982<br />

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Loks m. Verbrennungsmotor! 2! 5! 5<br />

elektrische Loks! 913! 962! 1008<br />

el. Triebwagen! 1440! 1438! 1421<br />

Dampftriebwagen! 30! 29! 26<br />

Triebwagen m. Verbrennungsmotor! 908! 909! 885<br />

Speichertriebwagen! 194! 193! 187<br />

Trieb/Steuer/Beiwagen! 5568! 5516! 5425<br />

Kleinlokomotiven! 1237! 1241! 1334<br />

Personenwagen! 70529! 72448! 71018<br />

Gepäckwagen! 22438! 23293! 24793<br />

Güterwagen! 794952! 852270! 938184<br />

<strong>Die</strong>nstgüter/<strong>Bahn</strong>dienstwagen! 29233! 33638! 34861<br />

1942 wurden von <strong>der</strong> DRG 152000 km Strecke betrieben.<br />

Längenentwicklung <strong>der</strong> elektrisch betriebenen Strecken <strong>der</strong> DRG (in Km):<br />

1930: 1550<br />

1931: 1680<br />

1932: 1720<br />

1933: 1900<br />

1934: 2170<br />

1935: 2210<br />

1936: 2360<br />

1937: 2380<br />

1938: 3100 (Zugang Alpen- Donaureichsgaue (Österreich))<br />

1939: 3410 (Zugang Alpen- Donaureichsgaue (Österreich))<br />

1940: 3600 (Zugang Alpen- Donaureichsgaue (Österreich))<br />

1941: 3700<br />

(Andreas Adlhoch (121:4980/16))<br />

Anmerkungen:<br />

Interessant ist an dieser Stelle, woher diese Bestandssteigerung bis rd. 1943 gekommen ist. Sicher<br />

ist erheblich mehr geor<strong>der</strong>t und gebaut worden, insbeson<strong>der</strong>e in den ersten Kriegsjahren, als <strong>der</strong> Bedarf<br />

enorm stieg und solange die Lokomotiv- und Waggonfabriken noch voll produzieren konnten. A-<br />

ber es gibt auch noch weitere Gründe für die Steigerung des Bestandes. Ab 1938 erweiterte die DRB<br />

ihr Schienennetz und natürlich auch ihren Bestand an Lokomotiven und Waggons durch die Einverleibung<br />

<strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>en in den annektierten / besetzten / eroberten Gebiete.<br />

Am 18.0<strong>3.</strong>1938....<br />

gingen die Österreichische Bundesbahnen in <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn auf. Auch die innere Struktur<br />

<strong>der</strong> Östereichischen Bundesbahnen wurde daraufhin (teilweise) zerschlagen. So wurde am<br />

Seite 10


15.07.1938 die <strong>Bahn</strong>direktion Innsbruck auf die <strong>Reich</strong>sbahndirektionen Augsburg und München aufgeteilt,<br />

so daß es auf dem ehemals östereichischen Staatsgebiet nur noch die Direktionen Linz, Villach<br />

und Wien gab.<br />

Am 10.10.1938....<br />

wurden die übernommenen CSD-Strecken, Anlagen und Bestände (sog. "Rest-Tschechei") auf die<br />

Direktionen Wien, Linz, Regensburg, Dresden, Breslau und Oppeln verteilt.<br />

Am 2<strong>3.</strong>0<strong>3.</strong>1939....<br />

wurden die <strong>Bahn</strong>en des Memelgebietes <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahndirektion Königsberg angeglie<strong>der</strong>t.<br />

Im Oktober 1939....<br />

wurden die <strong>Reich</strong>sbahndirektionen Posen und Danzig neu gegründet, die Direktionen Oppeln, Breslau<br />

und Königsberg erhielten einen erheblichen Gebietszuwachs. Das Gebiet erstreckte sich dabei<br />

nicht nur auf die 1918/20 abgetretenen Gebiete Westpreussens, <strong>der</strong> Provinz Posen und Ost-Oberschlesiens,<br />

son<strong>der</strong>n reichte jetzt bis kurz vor Warschau und Tschenstochau. Das restliche Polen<br />

("Generalgouvernement") erhielt eine eigene <strong>Bahn</strong> - die "Ostbahn" - mit Sitz in Krakau und den Direktionen<br />

Krakau, Lublin, Radom und Warschau.<br />

Am 10.05.1940....<br />

gingen die <strong>Bahn</strong>en Eupen-Malmedys an die RBD Köln.<br />

In den Jahren 1942 und 194<strong>3.</strong>...<br />

gingen die <strong>Bahn</strong>en Luxemburgs an die RBD Saarbrücken über.<br />

Das hat sicher auch einiges gebracht......<br />

((Klaus Köppen (121:4945/0)))<br />

Titelthema 2: techn. Entwicklungen<br />

Das herausragende dieser Epoche auf dem Fahrzeugsektor war die Vielfalt neuer technologischer<br />

Entwicklungen in <strong>der</strong> Zugför<strong>der</strong>ungstechnik. Auf <strong>der</strong> Nürnberger Jubiläumsausstellung 1935 präsentierte<br />

sich die <strong>Reich</strong>sbahn als fortschrittliches Unternehmen mit Prototypen, die sämtlich unter <strong>der</strong> Hitler-Diktatur<br />

entwickelt wurden. Von 25 Triebfahrzeugen und Triebwagen waren nur noch 9 Dampflokomotiven,<br />

aber bereits 10 <strong>Die</strong>selfahrzeuge und 6 elektrische Einheiten. <strong>Die</strong> drei Traktionsarten konkurierten<br />

in dieser Zeit in mehreren Einsatzbereichen: Für den Schnellzugverkehr <strong>im</strong> Wettbewerb mit<br />

dem Flugzeug gab es die Stromliniendampflok 05 (03, 06), den Henschel-Wegmann-Zug, die <strong>Die</strong>sel-<br />

Schnelltriebwagen "Fliegen<strong>der</strong> Hamburger" und "Leipzig" sowie den Wechselstrom-Schnelltriebwagen<br />

ET11. Für den Schnellzugdienst führte man verstärkt die Baureihen 01 und 02 ein, sowie die E-<br />

Loks E04, E18. Für Nebenbahnen entwickelte man die Leichttriebwagen. Im Güterzugdienst setzte<br />

man auf die schwere Einheitslok 44 sowie <strong>der</strong>en "kleine" Schwester 50. Und für den gemischten<br />

<strong>Die</strong>nst wurde die E44 eingeführt. Aber auch Kleindieselloks (Köf's, V36,...) wurden entwickelt und gelangten<br />

in kleineren Zahlen zum Einsatz. <strong>Die</strong> <strong>im</strong> Jahr 1920 von <strong>der</strong> DRG übernommenen 250 Län<strong>der</strong>bahnloks<br />

sind bereits bis 1930 auf 130 Typen vermin<strong>der</strong>t worden. Während <strong>der</strong> 30er Jahre wurde<br />

<strong>der</strong> Fuhrpark weiter stark "vereinheitlicht", was zum Wegfall weiterer Typen führte. Beginnend 1925<br />

mit <strong>der</strong> Einheitsschnellzuglok 01 wurden bis 1943 insgesamt 20 Typen von leistungsfähigen Einheits-<br />

Seite 11


dampfloks in Betrieb genommen. Als schnellste die BR05, als stärkste die BR45. Das die <strong>Reich</strong>sbahn<br />

den Wettbewerb mit dem LKW ernsthaft aufgenommen hatte, bzw. musste, zeigen die Entwicklungen<br />

von Klein- und Mittelbehälterwagen sowie von Strassenrollern.<br />

Ab 1933 folgte eine neue Generation von Schnellzugwagen, jetzt in geschweißter Bauart und erheblich<br />

windschnittiger (Schürzenwagen). Bei den Güterwagen ist beson<strong>der</strong>s die Entwicklung des vierachsigen<br />

Grossraumselbstentladewagens "Saarbrücken" 00t, <strong>der</strong> vierachsigen Kesselwagen sowie<br />

<strong>der</strong> schweren Transport-Flachwagen "Köln" SSys, die es in 4-achsiger sowie 6-achsiger Version gab.<br />

Aber auch Grossraumgüterwagen, wie <strong>der</strong> "Bromberg" GGths wurden entwickelt und gebaut. Teilweise<br />

zeigte sich bei den Entwicklungen schon ein "kriegerischer" Hintergrund, da auf die Normen und<br />

Transportgewichte <strong>der</strong> Militärs geachtet wurde. "Köln"->Panzer. Während <strong>der</strong> Kriegsjahre wurde die<br />

Produktion ganz auf den Krieg eingestellt. <strong>Die</strong> BR44 wurde zu gunsten <strong>der</strong> BR50 in den Produktionszahlen<br />

stark zurückgenommen und später ganz ausgesetzt. Der Übergang von <strong>der</strong> BR50 zur stark<br />

vereinfachten BR52 (Kriegslok) verlief fliessend. Bei den Kriegsloks wurde darauf geachtet, daß sie<br />

aus min<strong>der</strong>wertigeren Materialien bestanden und in <strong>der</strong> Konstruktion "entkernt" wurden, um somit<br />

fronttauglich zu werden. <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>sellok V36 wurde ab 1943 in grösseren Stückzahlen direkt für die<br />

Wehrmacht gebaut. Ab 1943 wurde das Beschriftungs und Farbschema geän<strong>der</strong>t. Dampfloks wurden<br />

von nunan (nur Neubauloks) grau gestrichen und das runde DRG-Logo durch einen <strong>Reich</strong>sadler mit<br />

<strong>der</strong> Aufschrift DR ersetzt. Ab 1944 wurde ausschliesslich die BR50/52 gebaut. In Frankreich wurde<br />

die BR44 weitergebaut. Neben den grüngrauen 50/52ern gab es auch grauen 86er und vereinzelte<br />

Neubauten, die aus dem "Programm" <strong>der</strong> DRG herausfielen, da dringen<strong>der</strong> Bedarf (z.B. an kleinen<br />

Rangierdampfloks) bestand. <strong>Die</strong> Entwicklungen standen von nun an ganz unter <strong>der</strong> Regie des Krieges.<br />

1945 war dann <strong>der</strong> Endpunkt erreicht. Projekte, wie z.B. die BR53 o<strong>der</strong> neue Antriebsarten wie<br />

bei <strong>der</strong> Stromlinien 19 1001 wurden durch den Krieg nicht weiter verfolgt.<br />

((Andreas Adlhoch (121:4980/16)))<br />

Anmerkung:<br />

"Auf <strong>der</strong> Nürnberger Jubiläumsausstellung 1935 präsentierte sich die <strong>Reich</strong>sbahn als fortschrittliches<br />

Unternehmen mit Prototypen, die sämtlich unter <strong>der</strong> Hitler-Diktatur entwickelt wurden."<br />

Prototypen ja - die Produktion sah an<strong>der</strong>s aus. Anfang <strong>der</strong> 30er Jahre musste über die Hälfte <strong>der</strong><br />

deutschen Lokomotivfabriken aufgrund <strong>der</strong> mangelhaften Auftragslage dicht machen. Und auch die<br />

verbliebenen neun Fabriken hatten eine Kapazitätsauslastung von gerade mal 10 - 15 Prozent. <strong>Die</strong><br />

DRB vergab damals nur kleine bis kleinste Lose - bis hin zu Einzelbestellungen. Das än<strong>der</strong>te sich zunächst<br />

auch nach <strong>der</strong> Machtergreifung Hitlers nicht, da die neuen braunen Herrscher die Eisenbahn<br />

nicht beson<strong>der</strong>s ernst nahmen und vielmehr voll auf die Autobahnen und den motorisierten Verkehr<br />

setzten. Erst 1937/38 wurde das an<strong>der</strong>s, als die DRB grössere Stückzahlen <strong>der</strong> Reihen 50 und 44<br />

bestellte. Noch 1938 ging dann auch ein Grossauftrag von 190 Lokomotiven <strong>der</strong> Reihe 41 an die Fabriken.<br />

(Klaus Köppen (121:4945/0))<br />

1940 zog die DRG ca. 100000 Wagen aus Frankreich und Belgien ab,<br />

<strong>Die</strong> <strong>Reich</strong>sbahn-Gesellschaft wurde IMHO 1926 (?) aufgelöst.<br />

Bis zum Ende <strong>der</strong> Monarchie 1918 gab es ja keine einheitliche Staatsbahn in Deutschland, son<strong>der</strong>n<br />

nur die hinlänglich bekannten Län<strong>der</strong>bahnen. Nun gut, während des Ersten Weltkrieges wurden die<br />

Seite 12


Län<strong>der</strong>bahnen unter ein einheitliches Oberkommando gestellt, sie existierten aber als eigenständige<br />

"Län<strong>der</strong>-Staatsbahnen" weiter.<br />

Das än<strong>der</strong>te sich erst mit <strong>der</strong> We<strong>im</strong>arer Verfassung. Dort steht nämlich <strong>im</strong> Artikel 89:<br />

"Aufgabe des <strong>Reich</strong>es ist es, die dem allgemeinen Verkehr dienenden Eisenbahnen in sein Eigentum<br />

zu übernehmen und als einheitliche Verkehrsanstalt zu verwalten."<br />

Der Artikel 171 <strong>der</strong> Verfassung gibt sogar das Jahr an, wann es zu geschehen hat: am 01.04.1921.<br />

Tatsächlich aber wurde die "Deutsche <strong>Reich</strong>sbahn" bereits zum 01.04.1920 aus den einzelnen Län<strong>der</strong>bahnen<br />

neu gegründet. An Streckennetz steuerten die einzelnen Län<strong>der</strong>bahnen folgenden Kilometer<br />

bei:<br />

Preussen:!<br />

Bayern:!<br />

Sachsen:!<br />

Würtemberg:!<br />

Baden:!<br />

Hessen:!<br />

Mecklenburg:!<br />

Oldenburg:!<br />

34.443 km<br />

8.526 km<br />

<strong>3.</strong>370 km<br />

2.156 km<br />

1.893 km<br />

1.307 km<br />

1.177 km<br />

681 km<br />

1923 kam es dann aufgrund <strong>der</strong> Inflation in Deutschland (BTW: auch die <strong>Reich</strong>sbahn druckte eigene<br />

Geldscheine!!) zu Stockungen bei den Reparationslieferungen an die Siegermächte. Aus diesem<br />

Grund wurde am 01.10.1924 - manifestiert <strong>im</strong> sog. "Dawes-Plan" - <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>betrieb in die Deutsche<br />

<strong>Reich</strong>sbahn-Gesellschaft überführt, die als Pfand für einen Teil <strong>der</strong> Reparationslieferungen diente -<br />

nämlich den Teil, <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn auferlegt war. <strong>Die</strong> Sachwerte blieben als Son<strong>der</strong>vermögen <strong>im</strong><br />

Besitz des <strong>Reich</strong>es, dafür mussten dann hypothekarisch gesicherte Reparationsschuldverschreibungen<br />

in Höhe von 11 Milliarden Goldmark ausgegeben werden. Für Zins und Tilgung waren jährlich<br />

660 Millionen Goldmark aufzubringen. Was heute kaum noch vorstellbar ist: die <strong>Bahn</strong> war zu <strong>der</strong> Zeit<br />

ein extrem profitabler Betrieb......<br />

Eigentümer <strong>der</strong> Eisenbahn aber blieb das <strong>Reich</strong> (<strong>Reich</strong>seisenbahnvermögen). <strong>Die</strong> gesetzliche Grundlage<br />

hierfür bildete das <strong>Reich</strong>sbahngesetz vom 30.08.1924 in Verbindung mit <strong>der</strong> Gesellschaftssatzung.<br />

Zur Wahrung <strong>der</strong> Gläubigerrechte unterstand die Gesellschaft <strong>der</strong> ständigen Kontrolle durch einen<br />

ausländischen Kommissar. Ausserdem erhielten die Gläubigervertreter die Hälfte <strong>der</strong> 18 Verwaltungsratssitze,<br />

vier davon wurden mit einem Englän<strong>der</strong>, einem Franzosen, einem Italiener und einem Belgier<br />

besetzt.<br />

Zwar wurde durch Neufassung dieses Gesetzes vom 1<strong>3.</strong>0<strong>3.</strong>1930 <strong>der</strong> ausländische Einfluss auf die<br />

DRG beseitigt, es war aber noch nicht ihr Ende. Der Young-Plan hatte auch für die <strong>Reich</strong>bahn neue<br />

Verhältnisse geschaffen. So wurden die Reparationsschuldverschreibungen aufgehoben und duch<br />

eine jährliche Reparationsschuld in Höhe des bisherigen Zins- und Tilgungsbetrages von 660 Mil.<br />

Goldmark ersetzt. Der Betrag war weiterhin von <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn-Gesellschaft aufzubringen<br />

und an die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel zu überweisen. <strong>Die</strong> Reparationspflicht<br />

<strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahhn-Gesellschaft endete erst am 01.07.1932 durch den Vertrag<br />

von Lausanne.<br />

Seite 13


Erst durch die Gesetze vom 10.02.1937 und 04.07.1939 wurde die Deutsche <strong>Reich</strong>sbahn-Gesellschaft<br />

wie<strong>der</strong> als Deutsche <strong>Reich</strong>sbahn unmittelbar <strong>der</strong> Hoheit des <strong>Reich</strong>es unterstellt.<br />

Ein Mann hat BTW alle Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Form schadlos überstanden: Julius Dorpmüller. Er wurde<br />

1926 Generaldirektor <strong>der</strong> DRG, später Verkehrsminister und hatte ganz *erheblichen* Anteil an <strong>der</strong><br />

Einbindung <strong>der</strong> Staatsbahnen in die Nazi-Ideologie. Nach dem Zweiten Welkrieg wollte diese Tatsache<br />

zunächst bei <strong>der</strong> Bundesbahn keiner so recht sehen und so kam es, daß noch bis Anfang <strong>der</strong> 60-<br />

ger Jahre in mehreren Bundesbahndirektionen Büsten von diesem Herrn rumstaubten. Als jedoch<br />

<strong>im</strong>mer mehr Fakten über diesen "sauberen Herrn" an die Oberfläche kamen, wurden die Büsten still<br />

und leise - klammhe<strong>im</strong>lich sozusagen - entfernt. Bevor sich die Ammis Herrn Dorpmüller zwecks Wie<strong>der</strong>aufbau<br />

<strong>der</strong> <strong>Bahn</strong> - nicht zur Aburteilung!! - krallen konnten, verstarb er <strong>im</strong> Juli 1945. Heute ist<br />

Dorpmüller eine "Unperson" - man kann fast glauben, es hätte ihn nie gegeben. Ein Mann, <strong>der</strong> von<br />

1926 bis 1945 - also fast 20 Jahre - Chef <strong>der</strong> Eisenbahnen in Deutschland war - erst als ihr Generaldirektor,<br />

dann als Verkehrsminister -, wird man selbst in den Lexika <strong>der</strong> gehobenen Klasse (ab 20<br />

Bände bis Abwinken) vergeblich suchen....<br />

Dorpmüller? Nie gehört.......<br />

(Klaus Köppen (121:4945/0))<br />

Anmerkung:<br />

<strong>Die</strong> Rolle Dorpmüllers ist vielleicht nicht so klar. Laut A. Joach<strong>im</strong>stalers Buch "<strong>Die</strong> Breitspurbahn" ü-<br />

ber Hitlers größenwahnsinnige (aber eigentlich technisch voll realisierbare ) <strong>Bahn</strong>bauprojekte, wird<br />

erwähnt, daß Dorpmüller NIE Parte<strong>im</strong>itglied wurde, und bekam das Parteiabzeichen in Gold nur ehrenhalber<br />

auf direkte Anweisung vom Hitler.<br />

An<strong>der</strong>erseits war er lange Zeit <strong>im</strong> Clinch mit verschiedenen Parteiorganisationen, beson<strong>der</strong>s mit dem<br />

"<strong>Reich</strong>sbund <strong>der</strong> Deutschen Beamten" (RDB), <strong>der</strong> mehrmals versuchte, Dorpmüller fortzujagen. Nur<br />

die Verleihung <strong>der</strong> Parteiabzeichen (ehrenhalber!) liess sie verstummen.<br />

(Pierre-Nöl Rietsch (121:4180/111))<br />

Auch aus <strong>der</strong> "dunklen" Zeit gibt es durchaus positives zu melden:<br />

Rekorde <strong>im</strong> Olympiajahr<br />

11.5.36<br />

15 Grad Celsius, 757 mm auf dem Barometer, bedeckter H<strong>im</strong>mel, leichter Wind. Ein Tag, <strong>der</strong> Eisenbahngeschichte<br />

machen soll:<br />

Als Oberlokführer Oscar Langhans den Lok-Probezug Nr. 4317 <strong>im</strong> Hamburger Hbf langsam in Bewegung<br />

setzt, hat er einen prominenten Gast auf dem Führerstand seiner 05002, nämlich Dr. Ing. Julius<br />

Dorpmüller, Generaldirektor <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn.<br />

Der Anlass für den hohen Besuch auf <strong>der</strong> ein Jahr zuvor von Borsig an die <strong>Bahn</strong> ausgelieferten<br />

Dampflok, die -überall wo sie auftaucht- mit ihrer windschnittigen Verkleidung Aufsehen erregt, ist rd.<br />

200 km weiter erreicht: Als <strong>der</strong> kurze Zug, bestehend aus einem Messwagen und drei normalen D-<br />

Zug-Wagen den Bf Neustadt an <strong>der</strong> Dosse durcheilt, zittert die Tachonadel <strong>der</strong> 180er Marke entgegen.<br />

Dann geht alles schnell, <strong>im</strong>mer schneller. 20 km ebener, gera<strong>der</strong> Schienenweg liegt vor <strong>der</strong><br />

05002. 190 km/h, 195 km/h und dann 200,4 km/h! Nie wie<strong>der</strong> sollte eine Dampflokomotive auf deutschen<br />

Schienen so schnell sein.<br />

Seite 14


Allerdings war schon am 17.2.1936 auf <strong>der</strong>selben Strecke einer <strong>der</strong> dreiteiligen dieselelektrischen<br />

Schnelltriebwagen 205 km/h gefahren. Bemerkenswert an dieser Rekordleistung war vor allem, daß<br />

es sich um ein ganz gewöhnliches Serienfahrzeug handelte.<br />

In aller Deutlichkeit zeigte sich die <strong>Reich</strong>sbahn als Verkehrsträger Nr. 1 während <strong>der</strong> XI. Olympischen<br />

Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen und in Berlin und Kiel. Zu den Winterspielen beför<strong>der</strong>te die<br />

<strong>Bahn</strong> vom 5. bis 17.2.1936 in über 1800 Zügen eine runde halbe Million Reisende.<br />

<strong>Die</strong> Leistung <strong>der</strong> Eisenbahner in Oberbayern wird an folgendem deutlich: Am Schlusstag <strong>der</strong> Winterspiele<br />

wurden zwischen München und Garmisch neben den fahrplanmässig verkehrenden Verbindungen<br />

40 Son<strong>der</strong>züge gefahren; zwischen <strong>3.</strong>00 und 8.00 verliess alle 7 Minuten ein Zug den<br />

Münchner Hbf in Richtung Alpen und zurück lief es ähnlich. Um die aus allen Teilen des <strong>Reich</strong>sgebiets<br />

zusammengezogenen Fahrzeuge überhaupt abstellen zu können, wurde z.B. die Nebenbahnlinie<br />

Garmisch-Griesen gesperrt und als Leerzug-Parkplatz genutzt.<br />

Während <strong>der</strong> olympischen Sommerspiele zählte man vom 28.7. bis 18.8. rund 4,1 Mio Fernreisende;<br />

<strong>der</strong> zusätzliche Olympiaverkehr wurde mit rd 2,7 Mio Reisenden beziffert, die zum grossen Teil mit<br />

fast 2250 Son<strong>der</strong>zügen von und nach Berlin beför<strong>der</strong>t wurden. <strong>Die</strong> Berliner S-<strong>Bahn</strong> beför<strong>der</strong>te vom 1.<br />

bis 16. August rund 8 Mio zusätzliche Fahrgäste, davon allein am 9.8. 2,22 Mio Reisende!!!<br />

Quelle: Offizieller Jubiläumsband <strong>der</strong> Deutschen Bundesbahn, 150 Jahre Deutsche Eisenbahn, S. 40<br />

- 41 (in Auszügen).<br />

(Rudolf Schüller (121:4940/303))<br />

Anmerkung:<br />

[....] prominenten Gast auf dem Führerstand seiner 05002<br />

Dann ist es ja wirklich ein übler Witz <strong>der</strong> Lokomotivgeschichte, daß ausgerechnet die ihrer Stromlinienverkleidung<br />

beraubte und umgebaute 05 003 als letzte Lokomotive <strong>im</strong> März 1945 die Werkshallen<br />

von Borsig verliess...<br />

(Klaus Köppen (121:4945/0))<br />

Anmerkung:<br />

"Dann ist es ja wirklich ein übler Witz <strong>der</strong> Lokomotivgeschichte, daß ausgerechnet die ihrer Stromlinienverkleidung<br />

beraubte und umgebaute 05 003 als *letzte* Lokomotive <strong>im</strong> März 1945 die Werkshallen<br />

von Borsig verliess..."<br />

Nicht ganz richtig! <strong>Die</strong> letzte unter Borsig-Fabriknummer (16352/55) ausgelieferte Lok war die *65<br />

1002* ! <strong>Die</strong> Lok gammelt lei<strong>der</strong> noch heute ungeschützt in einem Betonwerk in Giersleben (nahe<br />

Stassfurt) vor sich hin. Wenn sich nicht bald jemand darum kümmert, droht ihr dasselbe Schicksal wie<br />

65 1027 in Stassfurt ...<br />

(Hans-Ulrich Walzer (121:4945/46))<br />

Teil 3: politischer Stand <strong>der</strong> DRG während des <strong>3.</strong> <strong>Reich</strong>es<br />

Also, viel hab' ich nicht herausbekommen. Ich glaube aber, daß die DRG anfangs dem Nationalsozialismus<br />

verschlossen gegenüberstand. Betrachteten die Nazis die <strong>Bahn</strong> doch als "veraltert" und "zu<br />

klein". Dadurch, daß sich aber die Machtstrukturen 1933 verfestigten und weiter ausgebaut wurden,<br />

Seite 15


ist die DRG mit ideologischen Hardlainern infiltriert worden. <strong>Die</strong> Partei übernahm mehr und mehr die<br />

Kontrolle über das Personal. Nach Kriegsausbruch wurde die DRG verstärkt in die Kriegsmaschenerie<br />

eingespannt. Personal und Maschinen mussten mehr leisten. Der Partei dürfte es nicht schwer<br />

gefallen sein, in den Aparat "DRG" einzudringen, da unter den Eisenbahnern ein sehr heroisches<br />

Denken herrschte. Man war stolz auf sich, seine Arbeit und die <strong>Bahn</strong>. Das mag an sich ja keine<br />

schlechte Sache sein, sehen wir doch heute 'mal auf das TQM-Management (TotalQualityManagement:<br />

Wir sind die Besten, wir sind die Nummer eins, Fehler und Leute die Fehler machen müssen<br />

el<strong>im</strong>iniert werden, die Firma ist Dein Herr, Durch Arbeit kommst Du in den TQM-H<strong>im</strong>mel... (Das ist<br />

kein Scheiss! Na, nicht das was ich geschrieben hab', <strong>der</strong> Inhalt von TQM eher... Aber lei<strong>der</strong><br />

"herrscht" TQM in sehr vielen Großbetrieben. Und zur Scientology isses auch nicht weit) Ich hab' da<br />

schon Sachen erlebt... Aber das gehört nicht direkt hier hin, es gibt aber <strong>im</strong> Grundsatz Parallelen zu<br />

Damals...)) aber es ist <strong>im</strong>mer leicht, "blinde" Mitarbeiter, die von <strong>Ihr</strong>em Betrieb total überzeugt sind<br />

und sich total mit ihm identifizieren, auf ein an<strong>der</strong>es Gleis, bzw. Ideologie, zu lenken. Nun, man war<br />

halt stolz.<br />

Mitarbeiter, die schon in den 30er Jahren gegen die aufkommenden Judendeportationen in die Lager<br />

"aufmuckten", wurden oft von Kollegen "politisch aufgeklärt" o<strong>der</strong> verschwanden sehr schnell in untere<br />

<strong>Die</strong>nstränge.<br />

Überhaupt war <strong>der</strong> Apparat "<strong>Bahn</strong>" sehr militärisch aufgebaut. Ja, sogar die DB und DR waren bis in<br />

die 60er/70er Jahre noch sehr stark an militärisch anmutende Strukturen gebunden...<br />

Während <strong>der</strong> Kriegszeit wurde es an<strong>der</strong>s. Wollte ein Eisenbahner sich einem "Befehl" wie<strong>der</strong>setzen,<br />

stillen Wi<strong>der</strong>stand leisten (z.B. durch bummeln) o<strong>der</strong> gar Kritik üben, so war er sehr schnell für die<br />

Front entbehrlich. Sehr viele Eisenbahner gingen diesen Weg, <strong>der</strong> oftmals geradeaus in den Tod führte.<br />

Man war kriegswichtig und wollte es auch bleiben, das ersparte einem halt die Front. Ich denke, ab<br />

1941 dürfte das <strong>der</strong> Hauptgrund für das ewige "Wegsehen" und hirnlose "Führer befiehl, wir folgen<br />

dir"-Verhalten sein. 1943/44 war fast je<strong>der</strong> Eisenbahner in <strong>der</strong> NSDAP... Zum Kriegsende hin war die<br />

DRG ein reiner NS-Betrieb.<br />

(Andreas Adlhoch (121:4980/16))<br />

Anmerkung:<br />

In diesem Zusammenhang(?) ist es vielleicht auch interessant <strong>der</strong> Frage nachzugehen, warum es bei<br />

den Nazis, die ja für alle möglichen Berufsgruppen eigene Massenverbände gegründet haben, dies<br />

bei den Eisenbahnern nicht getan haben.....<br />

<strong>Die</strong> <strong>Reich</strong>sbahn war als staatliches Unternehmen per se ein solcher Massenverband. Zudem war das<br />

militärische System von Befehl und Gehorsam Bestandteil <strong>der</strong> Organisation, von den Schulterklappen<br />

bis zur "Meldung" an den Vorgesetzten, die bis zum Schluss in <strong>der</strong> DDR noch üblich war; selbst bei<br />

<strong>der</strong> Bundesbahn habe ich das Anfang <strong>der</strong> 70er Jahre noch erlebt. <strong>Die</strong> Eisenbahn war neben <strong>der</strong> Post<br />

auch <strong>im</strong>mer ein "Soldatenfriedhof"; einen solchen Z 12er-Feldwebel, <strong>der</strong> per ordre Mufti "untergebracht"<br />

werden musste, habe ich noch 1989 in den Stellwerksdienst eingewiesen. ,-) Vor 60 Jahren<br />

war das aber noch mehr die Regel als die Ausnahme. Alles in allem: <strong>Die</strong> Nazis brauchten sich bei <strong>der</strong><br />

vorhandenen Struktur um nichts beson<strong>der</strong>s kümmern, das lief alles wie von selbst. :(Auch für die Eisenbahner<br />

gilt: Kein Ruhmesblatt! Und die einzig bekannte Literatur zu dem Thema, das Buch "Mit<br />

<strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn in den Tod" weiß auch nur von funktionierenden Geschichten zu berichten: Es wäre<br />

leicht möglich gewesen, die berüchtigten Judentransporte zu verzögern, indem man behauptet hätte,<br />

alle Kapazitäten für die Wehrmacht zu brauchen. Nicht einmal ist sowas ist bekannt geworden. Von<br />

Wi<strong>der</strong>stand kann man wohl nicht sprechen. :(<br />

Seite 16


(Stefan Rückwald (121:4920/0))<br />

Anmerkung:<br />

"Der Partei dürfte es nicht schwer gefallen sein, in den Apparat "DRG" einzudringen, da unter den Eisenbahnern<br />

ein sehr heroisches denken herrschte."<br />

Hinzufügen möchte ich lediglich noch die Rolle Dorpmüllers: Im folgenden einen Aufruf Dorpmüllers<br />

an die <strong>Reich</strong>sbahner aus dem Jahre 1939 (kurz nach Kriegsbeginn):<br />

"Deutsche Eisenbahner!<br />

In schicksalsschwerer Stunde hat uns <strong>der</strong> Führer zum Einsatz für die Sicherheit und den Frieden unseres<br />

Großdeutschen Vaterlandes aufgerufen. Ich bin gewiss, daß Euer <strong>im</strong>mer bereiter Opfermut und<br />

Euer stets bewährtes Pflichtbewusstsein sich auch in den kommenden Tagen bewähren werden, und<br />

daß ihr, gleich ob auf dem gewohnten Arbeitsplatz in <strong>der</strong> He<strong>im</strong>at o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Waffe in <strong>der</strong> Hand, Euch<br />

bis zum letzten hingeben werdet!<br />

[....]<br />

Deutsche Männer des Flügelrades! Wir alle stehen entschlossen in unzerbrächlicher Treue hinter<br />

dem Führer <strong>im</strong> Kampf für die Zukunft unseres herrlichen <strong>Reich</strong>es!<br />

Dorpmüller, <strong>Reich</strong>sverkehrsminister und Generaldirektor <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn" 6. September<br />

1939<br />

(Klaus Köppen (121:4945/0))<br />

Teil 4. DRG und die Judentransporte<br />

<strong>Die</strong> DRG wurde, mit steigendem Einfluss <strong>der</strong> NSDAP in die <strong>Bahn</strong>gesellschaft, <strong>im</strong>mer mehr zu "Son<strong>der</strong>transporten"<br />

herangezogen. Ab 1941 wurden regelmässig von <strong>der</strong> DRG Judentransporte aus dem<br />

Altreich und später aus den besetzten Gebieten durchgeführt.<br />

Es gab <strong>im</strong> <strong>Reich</strong>sverkehrsministerium 8 Abteilungen, die für die DRG zuständig waren. Von diesen<br />

Abteilungen war die Gruppe E1 (Verkehrs- und Betriebsabteilung) für diese Son<strong>der</strong>aufgaben verantwortlich.<br />

<strong>Die</strong> Abt. E1 wurde vom 1.6.1942 bis 1945 von Dr. Fritz Schelp geleitet. Aufgabe war es, die<br />

Transportkapazität, den Fahrplanumlauf und die Mittel bereit zu stellen. Das Verschleiern <strong>der</strong> Transporte<br />

vor den an<strong>der</strong>en Abteilungen war wohl nicht son<strong>der</strong>lich schwierig, da die Züge nicht als beson<strong>der</strong>e<br />

Fahrt gekennzeichnet wurden und bei einem Tagesvolumen von etwa 300000 Wagenfahrten<br />

25000-30000 Zugfahrten gar nicht auffielen. Als einziges weiteres Referat hatte die Abt. E2 einen<br />

kleinen Einblick. Und zwar dann, wenn die Angehörigen des <strong>Reich</strong>ssicherheitsamtes, Abt. Judenreferat<br />

IV b4, zu den gemeinsamen Fahrplankonferenzen mit E1 und E2 anreisten. Dann wurden die Pläne<br />

für die "Son<strong>der</strong>zugumläufe" gestaltet...<br />

<strong>Die</strong> DRG verdiente recht gut an den Fahrten. Berechnete sie pro Juden den <strong>3.</strong> Klasse Fahrpreis für<br />

Personenzüge. Es gab Mengenrabatte und Rabatte bei regelmässiger Durchführung <strong>der</strong> Transporte.<br />

Als Material wurden in <strong>der</strong> Regel schadhafte gedeckte Güterwagen eingesetzt, die für die Belastungen<br />

des normalen Güterverkehrs nicht mehr zu gebrauchen waren. Ab dem 28.01.1940 wurden dann<br />

die Judentransporte regelmässig durchgeführt. Je<strong>der</strong> Transport musste mindestens 1000 Personen<br />

Seite 17


einhalten! Massgeblich an den Planungen als verantwortliche <strong>Die</strong>nststellenleiter waren: H<strong>im</strong>mler,<br />

Eichmann, Schlepp, Kemper, Heydrich, Ganzenmüller, Spiess...<br />

Anfangs wurden die Züge als gelegentliche Son<strong>der</strong>fahrten getarnt, später hießen sie Umsiedlerzüge<br />

und zuletzt Son<strong>der</strong>züge. Für die Durchführung wurde darauf geachtet, daß nur partei- und linienkonforme<br />

<strong>Reich</strong>sbahnangehörige eingesetzt wurden. Leute, die als "Quertreiber" zu erwarten seien, wurden<br />

aus den betroffenen <strong>Die</strong>nst- und Einsatzstellen entfernt. Dadurch sollte eine möglichst genaue<br />

Einhaltung des Fahrplanes und ein reibungsloser Ablauf gewährleistet werden. Bis Ende 1941 wurden<br />

etwa 23000 Juden mit <strong>der</strong> DRG aus dem Altreich deportiert.<br />

Nachweisbar sind folgende Fahrten:<br />

von! am! nach<br />

Berlin! 18.10.1941! Lodz<br />

Berlin! 24.10.1941! Lodz<br />

Berlin! 27.10.1941! Lodz<br />

Berlin! 01.11.1941! Lodz<br />

Berlin! 14.11.1941! Minsk<br />

Berlin! 17.11.1941! Kowno<br />

Berlin! 27.11.1941! Riga<br />

Düsseldorf! 27.10.1941! Lodz<br />

Düsseldorf! 10.11.1941! Minsk<br />

Düsseldorf! 11.12.1941! Riga<br />

Frankfurt a.M.! 19.10.1941! Lodz<br />

Frankfurt a.M! 11.11.1941! Minsk<br />

Frankfurt a.M.! 22.11.1941! Riga<br />

Hamburg! 25.10.1941! Lodz<br />

Hamburg! 08.11.1941! Minsk<br />

Hamburg! 18.11.1941! Minsk<br />

Hamburg! 04.12.1941! Riga<br />

Kassel! xx.12.1941! Riga<br />

Köln! 21.10.1941! Lodz<br />

Köln! 30.10.1941! Lodz<br />

München! 15.11.1941! Riga<br />

München! 27.11.1941! Riga<br />

Württemberg/Hohenzollern! 01.12.1941! Riga<br />

Für die späteren Jahre liegen nur ungenauere Zahlen vor.<br />

Tatsache ist. daß es kaum <strong>Reich</strong>sbahner gab, die sich den Anordnungen wi<strong>der</strong>setzten. Sie hatten<br />

wohl alle Angst vor <strong>der</strong> Partei und einem Fronteinsatz. An<strong>der</strong>s sah es <strong>im</strong> Ausland aus, ausgenommen<br />

die Ostmark (Österreich). Hier ist es öfters zu Sabotageakten gekommen. Beson<strong>der</strong>s in den Nie<strong>der</strong>landen,<br />

Frankreich, Belgien, Polen, UDSSR. Aber hierzu habe ich keine Unterlagen.<br />

<strong>Die</strong> Transporte fanden bis kurz vor Kriegsende statt und ermöglichten den Nazis ein schnelleres Erreichen<br />

<strong>der</strong> Endlösung. Somit trägt die DRG und ein Grossteil <strong>der</strong> Mitarbeiter, sei es in <strong>der</strong> Postabteilung<br />

o<strong>der</strong> in den AW's... eine Mitschuld an den Verbrechen, die an den ausgestossenen Menschen<br />

<strong>der</strong> Nazizeit geschahen. Man darf bei den Fahrten auch nicht die Politischen Gefangenen, Zigeuner,<br />

Fremdarbeiter......<br />

vergessen!<br />

Seite 18


(Andreas Adlhoch (121:4980/16))<br />

"Kriegsmaschinerie und die Eisenbahn"<br />

<strong>Die</strong> Nazis bauten stets auf eine rasche und "blitzartige" Kriegsführung.<br />

Demzufolge wurde die Eisenbahn anfangs nicht als kriegswichtig eingestuft. Es wurden vielmehr taktisch<br />

günstige Autobahnen gebaut. <strong>Die</strong>ses än<strong>der</strong>te sich, nachdem sich das Unternehmen "Barbarossa"<br />

(Russlandfeldzug) mehr und mehr in die Länge zog. Plötzlich wurde die Eisenbahn als lebensnotwendige<br />

A<strong>der</strong> <strong>der</strong> Armee angesehen. Das wirkte sich auf die Produktion von rollendem Material<br />

aus. Anfangs wurden Altloks aus dem Stammreich abgezogen (38er, 74er, 58er...), die aber durch ihre<br />

kompliziertere Bauart sehr störanfällig waren und durch einfach konstruierte Loks ersetzt werden<br />

mussten. <strong>Die</strong> Kriegskoks <strong>der</strong> Baureihe (44), (43), 50, 52 für die Normalspur entstanden. Aber auch<br />

Güterwagen wurden in vereinfachter Konstruktionsweise entwickelt.<br />

Ab 1943 wurde mit höchster Prioritätsstufe an dem Neubau von Loks und Wagen gearbeitet. <strong>Die</strong> Produktion<br />

von Personenwagen und an<strong>der</strong>em hochwertigem Rollmaterial kam in den späten 40er Jahren<br />

fast völlig zum erliegen.<br />

Nun etwas zum Einsatz.<br />

<strong>Die</strong> DRG war <strong>im</strong> <strong>Reich</strong> den <strong>Reich</strong>sbahndirektionen unterstellt. Sie leiteten die Züge bis an ihre Randbezirke.<br />

<strong>Die</strong> "neu" besetzten Gebiete wurden durch eine provisorische RBD mit Wehrmachtsbeteiligung<br />

verwaltet. An diese wurden die Züge übergeben. Bis zu dieser Übergabe wurden die Züge von<br />

"blauen" <strong>Reich</strong>sbahnern geführt - also reine <strong>Reich</strong>sbahner. Aber von nun an ging es unter Wehrmachtsregie<br />

weiter. "Graue" Eisenbahner - <strong>Reich</strong>sbahner <strong>im</strong> Wehrmachtseinsatz - übernahmen die<br />

Züge und brachten Sie in Frontnähe. Teilweise gehörten die Loks nun auch <strong>der</strong> Wehrmacht. So hat<br />

die DRG z.B. nie eine V36 <strong>Die</strong>sellok besessen. Auch besass die Wehrmacht einige 50/52er für ihre<br />

normalspurigen Strecken. In Frontnähe wurde das Material entladen, teils auf LKW's, teils auf Feldbahnen.<br />

Im Osten existierte ein mehrere Hun<strong>der</strong>t km grosses, zusammenhängendes Feldbahnnetz,<br />

was die <strong>Bahn</strong>höfe mit den Frontstellungen verband. Hier wurde ebenfalls standardisiertes Rollmaterial<br />

eingesetzt. Manch einem wird <strong>der</strong> Name "Heeresfeldbahnlok" best<strong>im</strong>mt schon einmal begegnet<br />

sein... <strong>Die</strong>ses Material unterstand absolut <strong>der</strong> Wehrmacht mit ihren Pionier/Fronteisenbahntruppen.<br />

Letztere Transportmöglichkeit verschwand mit dem vorrücken <strong>der</strong> Roten Armee und wurde durch<br />

LKW's gänzlich ersetzt. Mit den Selbstauflösungserscheinungen <strong>der</strong> Wehrmacht 1945 kam auch ein<br />

geregelter Nachschub <strong>der</strong> DRG zum erliegen (Ausgenommen Sabotage/Kriegseinwirkungen).<br />

(Andreas Adlhoch (1214980/16))<br />

Es steht ausser Zweifel, daß die <strong>Reich</strong>sbahn bei <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> "Endlösung" eine entscheidende<br />

Rolle spielte. 1942 waren eine halbe Mil. Beamte und 900.000 an<strong>der</strong>e Angestellte bei <strong>der</strong> dem<br />

<strong>Reich</strong>sverkehrministerium unterstellten <strong>Reich</strong>sbahn beschäftigt. Eine wichtige Figur war dabei <strong>der</strong> <strong>im</strong><br />

Mai 1942 zum Staatssekretär ernannte Albert Ganzenmüller. <strong>Die</strong>ser junge Technokrat - ein Freund<br />

von Albert Speer - war u.a. zuständig für die Verkehrs- und Tarifabteilung, die für die Bereitstellung<br />

<strong>der</strong> Züge verantwortlich war, die Betriebsabteilung, die die Strecken festlegte und die sog. "Gruppe<br />

L.", die die Wehrmachtserfor<strong>der</strong>nisse zu regeln hatte.<br />

Seite 19


Grob kann man das damalige Eisenbahnnetz in zwei Bereich unterteilen: zum einen das Netz <strong>im</strong><br />

<strong>Reich</strong>, zu dem auch Österreich und die an<strong>der</strong>en annektierten Gebiete zählten und zum an<strong>der</strong>en das<br />

Netz in den besetzten Län<strong>der</strong>n. In den besetzten Län<strong>der</strong>n wie<strong>der</strong>um gab es drei verschiedene <strong>Bahn</strong>systeme:<br />

das unter <strong>der</strong> direkten Kontrolle <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn, angeblich "selbständige" Eisenbahnen und<br />

die dem Chef des Transportwesens <strong>der</strong> Wehrmacht unterstehenden <strong>Bahn</strong>behörden. Im <strong>Reich</strong> selbst<br />

gab es drei Generalbetriebsleitungen: Ost, West und Süd. Von <strong>der</strong> in Berlin liegenden Generalbetriebsleitung<br />

Ost fuhren die meisten Züge an die Ostfront - und in die Vernichtungslager. Obwohl die<br />

Juden mit Güterwagen in die Lager transportiert wurden, verlangte die <strong>Reich</strong>sbahn für die Fahrt den<br />

Tarif für eine Fahrkarte <strong>der</strong> <strong>3.</strong> Klasse, Kin<strong>der</strong> zwischen 4 und 10 Jahre zahlten die Hälfte, Kin<strong>der</strong> unter<br />

4 Jahren fuhren kostenlos. Um dem Zynismus die Krone aufzusetzen, gab es regelrechte "Gruppentarife":<br />

Gruppen von 400 und mehr Personen zahlten nur den halben Preis.<br />

Obwohl <strong>der</strong> Versorgung <strong>der</strong> Streitkräfte vorrangig zu behandeln war und es <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> zu Verzögerungen<br />

und Pannen kam - nicht zuletzt auch durch Sabotageakte -, wurde durch eine eigens eingerichtete<br />

<strong>Die</strong>nststelle dafür gesorgt, daß die Deportationen <strong>der</strong> Juden so abliefen, wie sie geplant waren.<br />

Verantwortlich in dieser <strong>Die</strong>nststelle für die Fahrten und Koordination <strong>der</strong> Transporte war SS-<br />

Hauptsturmführer Franz Novak, <strong>der</strong> <strong>im</strong> Büro von Adolf Eichmann (Referat IV B 4a des <strong>Reich</strong>sicherheitshauptamtes)<br />

arbeitete. Zuständig für die Bereitstellung von Zügen für die Lagertransporte war<br />

<strong>der</strong> Beamte Otto Stange bei <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>verwaltung. Auch wenn die Transporte in einem besetzten Land<br />

ihren Ausgangspunkt hatten, stellte die <strong>Reich</strong>sbahn aus dem dortigen Kontingent Züge bereit. <strong>Die</strong><br />

Sektion IV B 4a hatte Zweigstellen in Paris, Bratislava und Saloniki. In den an<strong>der</strong>en Gebieten, wie<br />

z.B. <strong>im</strong> Generalgouvernement o<strong>der</strong> den besetzten Teilen <strong>der</strong> Sowjetunion waren es die Befehlshaber<br />

<strong>der</strong> Sicherheitspolizei, die <strong>im</strong> Namen des <strong>Reich</strong>sicherheitshauptamtes die Transporte anordnete und<br />

die Züge bereitstellte. Dabei war die Priorität <strong>der</strong> Deportationszüge trotz <strong>im</strong>mer schwieriger werden<strong>der</strong><br />

Frontlage sehr hoch.<br />

Ein Beispiel:<br />

Im Juli 1942 wurde die <strong>Bahn</strong>strecke zum Vernichtungslager Sobibor wegen Reparaturarbeiten geschlossen.<br />

Gleichzeitig war aber die Deportation von 300.000 Juden aus Warschau zum Vernichtungslager<br />

Treblinka geplant. Am 16.07.1942 wandte sich <strong>der</strong> SS-Obergruppenführer Karl Wolff, <strong>der</strong><br />

Chef von Heinrich H<strong>im</strong>mlers persönlichem Stab, um Hilfe an Ganzenmüller. <strong>Die</strong>ser informierte ihn,<br />

daß vom 22.07.42 an täglich ein Zug für 5.000 Juden zur Verfügung stünde, um sie von Warschau zu<br />

dem neu gebauten Vernichtungslager Treblinka zu deportieren. Wenn auch in den Verwaltungsakten<br />

und Planungen die Juden offiziell als "Menschen" geführt wurden, so wurden sie jedoch transportiert<br />

wie Vieh. So wurde die Zahl <strong>der</strong> zu transportierenden Juden pro Zug schon nach kurzer Zeit von<br />

1.000 auf 2.000 verdoppelt, um Lokomotiven zu sparen und die Häufigkeit <strong>der</strong> Fahrten zu verringern.<br />

Pro Person betrug <strong>der</strong> Platz in den Zügen weniger als 0,2 Quadratmeter, durch das enorme Gewicht<br />

verringerte sich die Durschnittsgeschwindigkeit <strong>der</strong> Züge von 65 auf 50 Stundenkilometer, oft standen<br />

sie tagelang irgendwo rum und Essen und Wasser gab es nicht. Viele alte und junge Menschen starben<br />

bereits, bevor die Züge ihr Ziel erreichten.<br />

Von Ende 1941 bis Ende 1944 transportierte die <strong>Reich</strong>sbahn Millionen Menschen in den Tod, trotz<br />

aller Hin<strong>der</strong>nisse und Verzögerungen wurde nicht ein Jude mangels Transportmöglichkeiten verschont.<br />

Es besteht auch kein Zweifel, daß die <strong>Bahn</strong>beamten, die die Züge auf abgelegene <strong>Bahn</strong>höfe<br />

geleitet hatten, über ihren Zweck Bescheid wussten. Zahlreiche Mitarbeiter <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn gaben in<br />

Nachkriegsvernehmungen zu, daß sie über den Zweck <strong>der</strong> Transporte informiert waren. Nach dem<br />

Kriege wurde nicht ein Beamter <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn vor ein Gericht gestellt. Ganzenmüller wurde zwar<br />

Seite 20


1945 verhaftet, aber kurz danach wie<strong>der</strong> freigelassen. Erst 1973 wurde gegen ihn ein Verfahren eingeleitet,<br />

das aber wegen Verhandlungsunfähigkeit wie<strong>der</strong> eingestellt wurde. An<strong>der</strong>e Beamte - unter<br />

ihnen auch Organisatoren <strong>der</strong> "Son<strong>der</strong>züge" - wurden nach dem Krieg bei <strong>der</strong> Deutschen Bundesbahn<br />

in wichtige Positionen beför<strong>der</strong>t.<br />

Literatur:<br />

R. Hilberg: "Son<strong>der</strong>züge nach Auschwitz", Mainz, 1981<br />

H. Lichtenstein: "Mit <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn in den Tod", Düseldorf, 1985<br />

(Klaus Köppen (121:4945/0))<br />

Albert Speer, 1942 bis 1945 <strong>Reich</strong>sminister für Bewaffnung und Munition und <strong>im</strong> Nürnberger Kriegsverbrecherprozess<br />

zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, schreibt in seinen Memoiren über Hilters Son<strong>der</strong>zug:<br />

"Aus Sicherheitsgründen wurde <strong>der</strong> Zug von zwei schweren Lokomotiven gezogen, ein gepanzerter<br />

Spezialwagen mit leichten Flakgeschützen folgte hintendrein. Auf ihm standen vermummte Soldaten,<br />

während <strong>der</strong> ganzen Reise feuerbereit, dann kam Hitlers Wagen, dessen Mittelteil ein grosser Salon<br />

bildete, die Wände waren in Rosenholz und Palisan<strong>der</strong> furniert. Natürlich war eine Küche vorhanden,<br />

Abteile für Hitlers persönliche Bedürfnisse, ein Schlafraum, ein reich ausgestattetes Bad, Gar<strong>der</strong>obe,<br />

Vorraum und <strong>Die</strong>nstz<strong>im</strong>mer. Unmittelbar an diesen Wagen schloss sich <strong>der</strong> "Befehlswagen" an, über<br />

den nicht nur die vielfältigen Verbindungen zur Aussenwelt liefen, <strong>der</strong> vielmehr auch einen militärischen<br />

Lagerraum enthielt und gewissermassen als "fliegendes" Führerhauptquartier diente. Unmittelbar<br />

darauf folgte <strong>der</strong> Wagen mit dem ständigen Begleitkommando Hitlers, das aus mehr als 20 Mann<br />

bestand, dann kamen die Gästewagen, dann zwei Schlafwagen erster Klasse, ein Presse- und ein<br />

Gepäckwagen; ein zweiter Spezialwagen mit Flakgeschützen bildete den Schluss des Zuges."<br />

Im Detail hatte <strong>der</strong> Zug folgende Glie<strong>der</strong>ung (laut Speer April 1943):<br />

Führerzug (2 Lokomotiven, 14 Waggons)<br />

1. Erste Lokomotive<br />

2. Zweite Lokomotive (aus Sicherheitsgründen)<br />

In <strong>der</strong> Regel zwei Tfz <strong>der</strong> BR 01.10 (bis etwa 1939 gehörte die heutige Nürnberger Museumslok *01<br />

150* zum Regierungsson<strong>der</strong>park).<br />

<strong>3.</strong> Gepanzerter Spezialwagen (2 cm-Flakzug, 26 Mann Besatzung)<br />

4. Gepäckwagen<br />

5. Führerwagen mit grossem Mittelsalon und Nebenräumen für einen Oberstleutnant, einen Obergruppenführer<br />

und einen <strong>Die</strong>ner. Berlin 10206, Salon 4ü-37, Crede 1937, RZA Berlin Fw 2409b 1945<br />

bei Zell am See von <strong>der</strong> Wehrmacht gesprengt<br />

6. Befehlswagen (ein Heeresnachrichtenoffizier, zwei Schreiber)<br />

7. Begleitkommandowagen (11 Abteile für 22 Mann Begleitkommando und Kr<strong>im</strong>inalpolizei)<br />

Seite 21


8. Erster Speisewagen, Berlin 10242, Salon R4ü-37, Crede 16552/1937<br />

1945 Britischer Hochkommissar<br />

1955 Beiwagen zum Bundeskanzlerwagen, letzte Nr.: 51 80 89-40 342-3 Süg(e)801.5<br />

9. Erster Gästewagen (10 Abteile: Hauptmann von Below, Sturmbannführer Dr. Brandt, Hauptmann<br />

Engel, Korvettenkapitän Albrecht, Generaloberst Keitel, Adjudant Chef OKW, Generalstabsoffiziere<br />

OKW, Heer und Luft, Luftwaffenverbindungsoffizier), Berlin 10221, Salon Bgl4ü-37, Westwaggon<br />

1937, RZA Berlin Fw2385d<br />

1945 Amerik. Hochkommissar, Zug A 100 Nr. 107 USFG<br />

1952 DSG angemietet<br />

1955 DSG letzte Nr.: 51 80 06-56 990-0 WLAüg(e)20<br />

10. Zweiter Gästewagen (10 Abteile: <strong>Reich</strong>sminister des Auswärtigen, <strong>Reich</strong>sleiter Bormann, <strong>Reich</strong>sführer<br />

SS H<strong>im</strong>mler, Gruppenführer Wolff, Prof. Hoffmann, Führer des Flakzuges u.a.), Berlin 10222,<br />

Salon Bgl4ü-37, Westwaggon 1937, RZA Berlin Fw2385d<br />

1945 Kommandeur USTC, Zug A 600 nr. 62 USFG<br />

1952 Beiwagen zum Bundespräsidentenwagen, letzte Nr.: 51 80 89-40 322-5 WGSüm802<br />

11. Zweiter Speisewagen, Berlin 10243, Salon R4ü-38, Wegmann & Co 1938, RZA Berlin Fw2402c<br />

1945 Amerik. Hochkommissar, Zug A 400 Nr. 96 USFA<br />

1952 DSG anngemietet<br />

1955 DSG<br />

1978 +, letzte Nr.: 51 80 88-40 226-9 WRüg(e)1523<br />

12. Erster Schlafwagen (11 Abteile: zwei Untersturmführer, zwei Sekretärinnen des Führers, 14 Mann<br />

des Unterstabes und <strong>der</strong> Nachrichtenstaffel), Berlin 10231, Salon L4ü-37, Westwaggon 1937, RZA<br />

Berlin Fw 2413b<br />

1945 Amerik. Hochkommissar, Zug A 100 Nr. 108 USFG<br />

1952 DSG angemietet<br />

1955 DSG<br />

1968 +, letzte Nr.: 51 80 06-56 991-8 WLAüg(e)20<br />

1<strong>3.</strong> Zweiter Schlafwagen (11 Abteile: vier Mann <strong>der</strong> Nachrichtenstaffel, 14 Mann von <strong>der</strong> Mitropa),<br />

Berlin 10232, Salon L4ü-37, Westwaggon 1937, RZA Berlin Fw 2413b<br />

1945 Amerikan. Hochkommissar, Zug A 100 Nr. 103 USFG<br />

1952 DSG angemietet<br />

1955 DSG<br />

1966 +, letzte Nr.: 51 80 06-56 992-6 WLAüg(e)20<br />

Seite 22


14. Pressewagen (<strong>Reich</strong>spressechef Dr. <strong>Die</strong>trich, Oberbannführer Lorenz, zwei Funker, zwei Fernschreiber.<br />

Berlin 10251, Salon Presse 4üe-37, Wegmann & Co 1937, 3508-232<br />

1945 Amerik. Hochkommissar Zug A 100 Nr. 101 USFG<br />

1953 Umbau in Reisezugwagen, letzte Nr.: 51 80 17-43 030-8 Aüe309<br />

15. Gepäckwagen<br />

16. Gepanzerter Spezialwagen (2 cm-Flakzug, 26 Mann Besatzung)<br />

Ausserdem soll es - zumindest kurzfristig - auch noch einen "Badewagen" gegeben haben. <strong>Die</strong>ser 81<br />

t schwere Waggon ist dann "irgendwann" entgleist. Lei<strong>der</strong> weiss ich nicht, wann und wo dies geschehen<br />

ist und auch sonst liegen mir zu diesem Waggon bedauerlicherweise keine Infos vor.<br />

Das dieses von Speer wie<strong>der</strong>gegebene Dokument seinerzeit als "Gehe<strong>im</strong>e Kommandosache" eingestuft<br />

war, überrascht nicht, wenn man damit die offiziell publizierte Version über den Führerzug vergleicht:<br />

"Auf engstem Raum und unter Verzicht auf alle Bequemlichkeit war sachlich und personell <strong>der</strong><br />

kleinstmögliche Arbeitsstab vereinigt, den <strong>der</strong> Führer zu <strong>der</strong> militärischen und politischen Gesamtführung<br />

des <strong>Reich</strong>es benötigte" (<strong>Reich</strong>spressechef Dr. Otto <strong>Die</strong>trich: "Auf den Straßen des Sieges", Zentralverlag<br />

<strong>der</strong> NSDAP, Franz Eher Nachf., München, 1939)<br />

Insgesamt wurden zwischen 1934 und 1943 vierzig Salonwagen für die <strong>Reich</strong>sregierung gebaut.<br />

Während sich <strong>der</strong> Führer und <strong>Reich</strong>skanzler mit einem Salonwagenzug begnügte, erlaubte sich sein<br />

prunklieben<strong>der</strong> <strong>Reich</strong>smarschall Göring den Luxus zweier Son<strong>der</strong>züge: <strong>der</strong> Quartierzüge "Robinson"<br />

und "Asien". Letzterer umfasste allein 14 (!) Salonwagen, von denen insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Göringwagen<br />

durch sein weiss gefliestes Bad mit <strong>der</strong> 85 cm breiten Badewanne bekannt wurde.<br />

Weiterhin gab es noch einen Aussichtswagen für den Führerzug, <strong>der</strong> auf etwa 4/5 seiner Länge voll<br />

verglast war (ähnlich dem gläsernen Zug): Berlin 10 282, Salon As4ü-39, Fuchs 1939, Pl 105a<br />

1945 Amerik. Hochkommissar Zug A 300 Nr. 50<br />

1953 Umbau zum Oberbaumesswagen <strong>der</strong> OBB, letzte Nr.: 951.100 Wien<br />

USFA = US-Forces Austria<br />

USFG = US-Forces Germany<br />

USTC = US Transportation Corps<br />

Zahlreiche Salonwagen <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sregierung blieben erhalten und wurden nach dem 2. Weltkrieg in<br />

die Regierungszüge verschiedener europ. Staatsbahnen eingeglie<strong>der</strong>t. <strong>Die</strong> Wiener K & K - Dampfson<strong>der</strong>zuggesellschaft<br />

hat mittlerweile mind. fünf dieser Wagen angekauft und verhandelt wegen weiterer<br />

Ankäufe. Der entstehende Salonwagenzug soll europaweit für Luxusson<strong>der</strong>reisen eingesetzt<br />

und mit <strong>der</strong> Bebraer 01 1102, die z.Z. <strong>im</strong> AW Meiningen eine Stromlinienverkleidung erhält, bespannt<br />

werden.<br />

Lit.: *Dost*, Paul<br />

Der rote Teppich. Geschichte <strong>der</strong> Staatszüge und Salonwagen, Stuttgart 1965<br />

Seite 23


*Günther*, Sonja, Salonwagen <strong>im</strong> "Dritten <strong>Reich</strong>" Eisenbahnen und Museen. Folge 23 (DGEG), Karlsruhe<br />

1979<br />

*Schadendorf*, Wulf, Das Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Eisenbahn, München 1965, 58 f.<br />

(Hans-Urich Walzer (121:4945/46))<br />

(Klaus Köppen (121:4945/0))<br />

Vorbemerkung:<br />

Wie schon <strong>im</strong> allgemeinen Vorwort angemerkt, gehören halt auch die offiziellen Verlautbarungen <strong>der</strong><br />

faschistischen Machthaber zur Geschichte <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn während <strong>der</strong> Zeit des Nationalsozialismus<br />

und dienen dem besseren Verständnis <strong>der</strong> damaligen Zeit. Bei <strong>der</strong> <strong>im</strong> folgenden abgedruckten Rede<br />

des "Ministers für Volksaufklärung und Propaganda", Goebbels, könnte man sich fragen, warum denn<br />

die komplette Rede wie<strong>der</strong>gegeben werden musste und ob es nicht ausgereicht hätte, die die Eisenbahn<br />

betreffenden Passagen rauszufiltern. In <strong>der</strong> Tat: Goebbels beschäftigt sich nur am Rande - nämlich<br />

am Anfang und am Ende seiner Rede mit <strong>der</strong> Eisenbahn. Anfangs, um sie mit z.T. groteks überzogenen<br />

Lobhudeleien in die "richtige St<strong>im</strong>mung" zu bringen, am Ende, um sie nach gleichem<br />

Strickmuster mit <strong>der</strong> "richtigen St<strong>im</strong>mung" zu entlassen. Dazwischen - und das ist <strong>der</strong> Hauptteil - wird<br />

Propaganda für den faschistischen Krieg und - vor allem - dessen Fortführung gemacht. <strong>Die</strong> militärische<br />

Lage ist an allen Fronten katastrophal, die deutschen Städte liegen <strong>im</strong> Bombenhagel <strong>der</strong> allierten<br />

Luftstreitkräfte und mit einem gewaltigen (propagandistischen) Kraftakt sollen die letzten Reserven<br />

des deutschen Volkes mobilisiert werden. Eine Verkürzung <strong>der</strong> Rede auf die rein die Eisenbahn<br />

betreffenden, kleinen Abschnitt, würde nicht korrekt wie<strong>der</strong>geben, welche Intention Goebbels mit seiner<br />

Rede verfolgte.<br />

(Klaus Köppen (121:4945/0))<br />

Rede von Joseph Goebbels auf <strong>der</strong> Grosskundgebung zum "Tag des deutschen Eisenbahners" am<br />

07.12.1943 <strong>im</strong> Theater des Volkes, Berlin<br />

Deutsche Eisenbahner!<br />

Ich entspreche gern dem aus Euren Reihen an mich herangetragenen Wunsch, zum Tag des deutschen<br />

Eisenbahners bei Euch das Wort zu ergreifen. <strong>Ihr</strong> habt in den hinter uns liegenden über vier<br />

schweren Jahren eine Leistung vollbracht, die, wenn sie sich auch meistens ohne Aufsehen und fast<br />

unbeobachtet von <strong>der</strong> breiteren Öffentlichkeit vollzog, dennoch von kriegsentscheiden<strong>der</strong> <strong>Bedeutung</strong><br />

war und ist. Dafür möchte ich euch heute <strong>im</strong> ausdrücklichen Namen des Führers und ich glaube wohl<br />

des ganzen deutschen Volkes, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Front und <strong>der</strong> Luftnotgebiete, Dank und Anerkennung<br />

zum Ausdruck bringen [Bravo-Rufe, Beifall]. Es gibt keinen Berufsstand, <strong>der</strong> das mehr verdiente<br />

als <strong>Ihr</strong>. Eure Arbeit spielte sich in vielen Fällen <strong>im</strong> Felde und in den Luftkriegsgebieten <strong>der</strong> He<strong>im</strong>at so<br />

frontnah ab, daß man hier mit Fug und Recht von einem soldatischen Einsatz sprechen kann. Der<br />

deutsche Eisenbahner hatte dabei nicht nur Fleiss, Tüchtigkeit und fachliches Können, son<strong>der</strong>n vor<br />

allem auch Beherztheit, Zivilcourage und persönlichen Mut zu beweisen.<br />

Schon <strong>im</strong> Winter 1941/42 wurde er auf die erste grosse Probe gestellt, und von da ab haben sich seine<br />

Aufgaben und Anfor<strong>der</strong>ungen, die er zu erfüllen hatte, ins Unermessliche gesteigert. Jetzt konnte<br />

Seite 24


er nicht mehr, wie vielfach noch zu Anfang des Krieges, aus dem vollen wirtschaften. Jetzt musste er<br />

das System <strong>der</strong> Aushilfen anwenden und eine Kunst <strong>der</strong> Improvisation bewähren, die ihm bis dahin<br />

fast unbekannt, in <strong>der</strong> er jedenfalls ungeübt war. Wenn trotz <strong>der</strong> enormen Beanspruchungen unseres<br />

Verkehrswesens all die ungezählten Aufgaben, die die lange Kriegsdauer mit sich gebracht hat, gemeistert<br />

wurden und selten o<strong>der</strong> fast nie eine Krise auftrat, so ist das eben <strong>der</strong> Güte des Euch zur<br />

Verfügung stehenden Materials, Eurer glänzenden Führung und vor allem Eurem eigenen Fleiß, Eurem<br />

unerschütterlichen Pflichtbewusstsein und Eurer unerschütterlichen Einsatzbereitschaft zu verdanken<br />

[Beifall]. <strong>Ihr</strong> verseht <strong>im</strong> Kriege Euren schweren <strong>Die</strong>nst oft unter direkter und unmittelbarer<br />

Feindeinwirkung. Nicht nur in <strong>der</strong> Zuführung von Waffen und Munition an die Front, auch in <strong>der</strong> reibungslosen<br />

Durchführung des Verkehrs in den Luftkriegsgebieten sowie ungezählter neuer Aufgaben,<br />

die sich aus dem feindlichen Luftterror ergeben, beweist <strong>Ihr</strong> vielfach eine Verachtung <strong>der</strong> Gefahr und<br />

einen Todesmut, die bewun<strong>der</strong>nswert sind. Dafür dankt Euch heute das ganze deutsche Volk! [Beifall.]<br />

Der Verkehr ist eine <strong>der</strong> tragenden Grundsäulen des menschlichen Zusammenlebens. Das war schon<br />

<strong>im</strong>mer, auch <strong>im</strong> Frieden, so. Der mo<strong>der</strong>ne Krieg allerdings hat die entscheidenden Aufgaben des Verkehrs<br />

noch enorm gesteigert, - ja, man kann fast sagen, daß <strong>der</strong> Krieg in seinen kritischen Phasen in<br />

<strong>der</strong> Hauptsache ein Problem des Nachschubs beziehungsweise <strong>der</strong> Verbindungswege ist. Daraus<br />

allein erhellt schon <strong>der</strong> ungeheure Anteil, den <strong>Ihr</strong>, deutsche Eisenbahner, einmal am Sieg unserer<br />

Waffen haben werdet. Ohne Eure Einsatzfreudigkeit wäre <strong>der</strong> Krieg um unser Leben überhaupt nicht<br />

durchzuführen. <strong>Ihr</strong> habt die Hand am Nervenzentrum unseres Kriegslebens! <strong>Ihr</strong> seit auch in einem<br />

höheren Sinne die Weichensteller <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kriegsführung. Würden die geordneten Verbindungen<br />

von <strong>der</strong> He<strong>im</strong>at zur Front und umgekehrt sowie <strong>im</strong> <strong>Reich</strong> selbst die zwischen seinen einzelnen<br />

Gauen einmal abreissen und nicht wie<strong>der</strong>hergestellt werden können, so wären wir, wie <strong>im</strong> gleichen<br />

Falle jedes an<strong>der</strong>e kriegsführende Volk, verloren.<br />

Auf Euch kommt es also in dieser kriegsentscheidenden Frage an! Das wissen wir, und das wisst <strong>Ihr</strong>.<br />

<strong>Ihr</strong> tragt diese hohe Verantwortung unserem kämpfenden und arbeitenden Volk und seiner Zukunft<br />

gegenüber mit Würde und Selbstbewusstsein. <strong>Ihr</strong> habt auch jedes Recht dazu. Eisenbahner sein<br />

heisst heute etwas mehr als einem x-beliebigen Berufsstand angehören! Es ----- [Bravo-Rufe, starker<br />

Beifall], es heisst heute einen grossen Teil <strong>der</strong> Kriegsentscheidung in <strong>der</strong> Hand haben! [Bravo-Rufe,<br />

Beifall]. Dass Euch dieses Gefühl einen hohen persönlichen Stolz verleiht, ist natürlich und verständlich.<br />

<strong>Die</strong> Eisenbahn ist <strong>im</strong>mer noch die Grundlage unseres Verkehrs und wird das auch in Zukunft<br />

bleiben. Sie fährt mit <strong>der</strong> höchsten Sicherheit und Präzision , ist unabhängiger und weniger anfällig<br />

als die an<strong>der</strong>en Verkehrsmittel und deshalb allein in <strong>der</strong> Lage, Massentransporte von Gütern, Material<br />

und Menschen durchzuführen und zu gewährleisten. Was das für diesen Krieg bedeutet, braucht ü-<br />

berhaupt nicht weiter erörtert zu werden. Hier liegt das A und O <strong>der</strong> Voraussetzung für den Endsieg<br />

und damit aber auch die Verantwortung, die <strong>der</strong> deutsche Eisenbahner zu tragen hat! [Beifall.] Wenn<br />

er es fertigbrachte und <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> fertigbringt, <strong>der</strong> kompliziertesten Situation dieses Krieges Herr<br />

zu werden, plötzlich auftretende Massenbewegungen mit einer souveränen Sicherheit zu bewältigen<br />

und dabei den normalen Bedarf ohne nennenswerten Einschränkungen weiter zu befriedigen, so ist<br />

das ein Beweis seines hohen Könnens, vor allem aber auch seiner überlegenen <strong>im</strong>provisatorischen<br />

Elastizität, die ihn - lei<strong>der</strong> vor vielen Sparten unseres öffentlichen Lebens! - auszeichnet [Beifall]. Als<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> des Interministeriellen Lufkriegsschäden-Ausschusses habe ich das oft genug feststellen<br />

können, um mir darüber ein massgebliches Urteil erlauben zu dürfen. Jedenfalls kann ich sagen,<br />

daß ich auch bei den harten Schlägen des feindlichen Luftterrors noch niemals For<strong>der</strong>ungen an die<br />

Seite 25


Deutsche <strong>Reich</strong>sbahn stehlen musste, die als unerfüllbar angesehen wurden o<strong>der</strong> unerfüllt geblieben<br />

wären! [Bravo-Rufe, starker Beifall.]<br />

Darum spreche ich heute beson<strong>der</strong>s gerne zum Tag des deutschen Eisenbahners zu Euch. Ich finde<br />

damit eine willkommene Gelegenheit, den ungezählten Männern und Frauen von <strong>der</strong> Deutschen<br />

<strong>Reich</strong>sbahn vor dem ganzen Volk den Dank abzustatten, den sie sich verdient haben! [Bravo-Rufe,<br />

Beifall.] <strong>Die</strong> breiteste Öffentlichkeit wird in diesen Dank mit einst<strong>im</strong>men. Der deutsche Eisenbahner<br />

hat heute ein Recht, mit Stolz auf seine überragende Kriegsleistungen zu blicken. An <strong>der</strong> Front und in<br />

<strong>der</strong> He<strong>im</strong>at sind sie über jedes Lob erhaben und erreichen gerade in den kritischen Lagen des Krieges<br />

ein Höchstmass an Genauigkeit und Zuverlässigkeit. Das ist nicht mehr die gute, alte Eisenbahn<br />

von Anno dazumal, - das ist das grösste und leistungsfähigste Verkehrsunternehmen <strong>der</strong> Welt, <strong>im</strong><br />

<strong>Die</strong>nste <strong>der</strong> He<strong>im</strong>at und <strong>der</strong> Nation stehend und heute kein an<strong>der</strong>es Ziel verfolgend als den deutschen<br />

Sieg! [Bravo-Rufe, starker Beifall.]<br />

Der Sieg unserer Waffen wird eine Gemeinschaftsleistung des ganzen deutschen Volkes sein. Er<br />

kann deshalb auch bei einer solchen Einsatzfreudigkeit und einem so hohen Opfermut an <strong>der</strong> Front<br />

und in <strong>der</strong> He<strong>im</strong>at überhaupt nicht in Zweifel gezogen o<strong>der</strong> gefährdet werden! [Bravo-Rufe, starker<br />

Beifall.] Gerade die Belastungen, denen er augenblicklich ausgesetzt wird, sind Proben unserer<br />

Standhaftigkeit und unserer charakterfestigkeit! [Beifall.] Hier beweisst sich deshalb auch <strong>der</strong> Mann,<br />

die wahre Führerpersönlichkeit und die geschlossene, einheitlich ausgerichtete und auf das grosse<br />

Ziel eingestellte und erzogene Gefolgschaft! [Bravo-Rufe, Beifall.] Von mir jedenfalls kann ich sagen,<br />

daß ich nie so fest und unerschütterlich an diesen Sieg geglaubt habe wie gerade jetzt! [Stürmische<br />

Bravo- und Heilrufe, Beifall, Sprechchöre.] Und zwar [Zuruf] gerade deshalb, weil unser Volk ihn heute<br />

unter Leiden und enormen Opfern behaupten und verteidigen muss! [Bravo-Rufe, Beifall.]<br />

Ich habe unsere Männer, Frauen und Kin<strong>der</strong> in den letzten zwei Wochen in <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>shauptstadt und<br />

vordem in fast allen vom Terror des feindlichen Luftkriegs he<strong>im</strong>gesuchten Städten des <strong>Reich</strong>es beobachtet,<br />

bin mitten unter ihnen gewesen, habe teilgenommen an ihren Sorgen und Gefahren und<br />

kann nur sagen, daß <strong>der</strong>, <strong>der</strong> auch nur eine Minute daran zweifelte, daß dieses tapfere, fleissige, einsatzbereite<br />

und so anständige Volk am Ende trotzallem den Sieg davontragen wird, - daß <strong>der</strong> gar<br />

nicht wert ist, zu diesem Volk überhaupt zu gehören! [Bravo-Rufe, starker Beifall.] Je<strong>der</strong> anständige<br />

Deutsche empfindet es heute als die höchste Ehre, ein Mitglied dieser grossen, arbeitenden und um<br />

ihr Leben kämpfenden Gemeinschaft zu sein. Niemals war ich so stolz darauf wie heute! Kürzliche<br />

Besuche bei den ausgebombten Berliner Arbeitern <strong>im</strong> früher rötesten Wedding in Berlin haben mich<br />

wie<strong>der</strong> einmal belehrt, welch eine Wandlung unser ganzes Volk vor diesem Kriege und <strong>im</strong> Verlauf<br />

dieses Krieges durchgemacht hat. Unsere Feinde können anfangen und anstellen, was sie wollen: mit<br />

diesem Volk werden sie nicht fertig! [Bravo-Rufe, starker Beifall.] Es wird nicht bedingungslos - wie sie<br />

hoffen und wünschen - und es wird überhaupt nicht kapitulieren, son<strong>der</strong>n dem Feind nur die Gewehrläufe<br />

zeigen! [Beifall.]<br />

Was sollte es auch für eine Veranlassung zur Kapitulation haben? Wir halten <strong>im</strong> Gegensatz zu 1918<br />

unsere Waffe fest umklammert und verteidigen damit unser bedrohtes nationales Leben. Ein zwar<br />

teuer bezahlter, aber darum um so grösserer Sieg wird einmal <strong>der</strong> Preis unserer harten Anstrengungen<br />

sein. Man kann unsere Feinde nur bemitleiden, wenn sie glauben, mit ihrer ebenso dummen wie<br />

verlogenen Propaganda uns irremachen und verwirren zu können. Was haben denn die Englän<strong>der</strong><br />

und Amerikaner schon auf dem ehrlichen Schlachtfeld überhaupt geleistet, das sie zu einer so tollen<br />

Überschätzung ihrer militärischen Möglichkeiten berechtigen dürfte? Es ist schliesslich keine Kunst,<br />

bei Nacht und Nebel friedliche Städte zu überfallen und Brand und Tod auf ihre zivile Bevölkerung<br />

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herabzuwerfen. <strong>Die</strong>ser Frauen- und Kin<strong>der</strong>mord stellt die schreienste Anklage <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kriegsgeschichte<br />

dar und kann nur mit den viehischsten Untaten des barbarischen Zeitalters verglichen<br />

werden. Aber Krieg ist das doch nicht!<br />

Wir kennen ganz genau die Urheber dieses feigen Terrors. Aber niemand bei uns denkt überhaupt<br />

daran, sich diesem Terror zu beugen! Da kennen unsere Feinde uns schlecht! Das ist nicht mehr das<br />

Volk von 1918 und vor allem nicht mehr die schlappe Führung von 1918! [Bravo-Rufe, starker Beifall.]<br />

In Deutschland regieren heute keine Bethmann Hollwegs und keine Prinz Max von Baden, son<strong>der</strong>n<br />

nationalsozialistische Männer! [Bravo-Rufe, Beifall.] Der feindliche Luftterror hat uns nicht gebeugt,<br />

son<strong>der</strong>n nur noch mehr gehärtet. Und wo früher vielleicht noch eine Lücke in unserer Gemeinschaft<br />

festzustellen war, da ist sie jetzt durch die Flammenwand geschlossen worden, die <strong>der</strong> Feind in unseren<br />

Luftnotgebieten entzündet hat. <strong>Die</strong>ses Deutschland ist überhaupt nicht nie<strong>der</strong>zubrechen o<strong>der</strong> nie<strong>der</strong>zuwerfen!<br />

Nicht nur seine Männer, auch seine Frauen, ja seine Kin<strong>der</strong> sind Helden! Man hat in ihnen<br />

den furor teutinicus erweckt; wir sind heute zu allem bereit und zu allem entschlossen! Unser Leben<br />

ist vielfach zwar pr<strong>im</strong>itiver geworden, aber wir werden uns schon damit abzufinden wissen. Für<br />

die Besten unter uns stellt es sowieso alles an<strong>der</strong>e als einen Selbstzweck dar. Es ist für uns nur ein<br />

Mittel zum Zweck, nämlich zur Erhaltung des grossen Lebens unseres Volkes.<br />

Wer wollte jemals die ungeheure Kraft einer solchen Nation überwinden? Schaut in die Welt und seht,<br />

wie unsere Heldensöhne auf allen Kriegsschauplätzen verbissen kämpfend den eroberten Raum verteidigen,<br />

- manchmal so, als ob sie sich mit den Nägeln in den Boden festkrallten, den anstürmenden<br />

Feind mit <strong>der</strong> blanken Waffe zurückschlagend! Seht unser Volk in <strong>der</strong> He<strong>im</strong>at, unsere Männer, Frauen<br />

und Kin<strong>der</strong>, wie sie zusammenhalten und auch in <strong>der</strong> grössten Not und Gefahr ihre Häuser und Wohnungen<br />

beschützen, wie sie nach den Bombennächten in die Fabriken eilen, um Waffen und Munition<br />

für die Front zu schaffen! Seht diese Heldenvolk <strong>im</strong> Kampfe und bei <strong>der</strong> Arbeit und wisset, daß ihm<br />

<strong>der</strong> Sieg sicher ist! [Bravo-Rufe, starker Beifall.] Dass hier wie <strong>im</strong>mer noch in <strong>der</strong> Geschichte das<br />

Licht am Ende doch über die Finsternis triumphieren wird, daß eines Tages die Lüge und die rohe<br />

Gemeinheit zerschmettert am Boden liegen und die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen wird. Was wir<br />

selbst noch nicht aus uns machen konnten, das hat jetzt <strong>der</strong> Feind aus uns gemacht: ein kämpfendes<br />

90-Millionen-Volk, geeint <strong>im</strong> Glauben, aber auch geeint <strong>im</strong> Hass! Wir haben die letzten Sent<strong>im</strong>entalitäten<br />

von gestern und vorgestern von uns abgeworfen. Der gemütliche deutsche Michel, <strong>der</strong> für alles<br />

und jedes Verständnis hatte und mehr noch für seine Feinde als seine eigenen Interessen, - dieser<br />

Michel gehört endgültig <strong>der</strong> Vergangenheit an [Bravo-Rufe, Beifall].<br />

Wir wissen jetzt, woran wir sind und was wir zu tun haben. Wenn <strong>der</strong> Feind glaubt, uns durch einen<br />

neuen Propagandacoup einen Sieg über unsere Herzen abzwingen zu können, <strong>der</strong> ihm über unsere<br />

Waffen bisher versagt geblieben ist und <strong>im</strong>mer versagt bleiben wird, so huldigt er damit dem verhängnisvollsten<br />

Trugschluss in seiner Gesamtfehlrechnung dieses Krieges. Der billige Erfolg vom November<br />

1918 wird sich niemals wie<strong>der</strong>holen! Kein Terror - [Beifall], kein Terror und keine Gewalt, aber<br />

auch keine Drohung und keine Verführungskunst kann uns vom geraden Weg abbringen. Der Propagandakrieg<br />

des Feindes zeugt nicht für seine militärische Macht, son<strong>der</strong>n eher für seine militärische<br />

Ohnmacht. Denn: Sähe er auch nur die geringste Möglichkeit, mit den Waffen zum Siege zu kommen,<br />

so würde er nicht mit Worten und Proklamationen gegen uns kämpfen. Aber - [Bravo-Rufe, Beifall],<br />

aber sieht diese militärische Möglichkeit nicht. Er sieht überall nur deutsche Männer ihm gegenüberstehen,<br />

die unsere He<strong>im</strong>at verteidigen, und diese Barriere ist für ihn uneinnehmbar. Das beweist<br />

die Front in Süditalien.<br />

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Wir haben schon so viel für die Verteidigung unserer Freiheit und unseres nationalen Lebens geopfert,<br />

daß wir auch noch den verbleibenden Rest freudigen Herzens zusteuern werden, um zum Endsieg<br />

zu kommen. Für die verlogenen Versprechungen <strong>der</strong> Feindseite haben wir nur taube Ohren. <strong>Ihr</strong>e<br />

Drohungen schrecken uns nicht. Was unsere Gegner uns antun können, tun sie uns sowieso an!<br />

Wenn sie uns darüber hinaus zu ängstigen suchen, so beirrt uns das nicht. Man glaube doch nicht,<br />

daß das nationalsozialistische Deutschland sich durch ein Stirnrunzeln <strong>der</strong> feindlichen Staatsmänner<br />

bluffen liesse! Man kennt uns auf <strong>der</strong> Gegenseite schlecht, aber wir kennen die Feindseite umso besser.<br />

Wir wissen, daß sie mit Terror und List, mit Brutalität und Verführungskunst, mit zynisch-roher<br />

Gewalt gegen Frauen und Kin<strong>der</strong> und honigsüßen Worten <strong>der</strong> Betörung gegen unser Volk versucht,<br />

uns aufzuspalten und uns die Waffen aus <strong>der</strong> Hand zu winden. Dann würden wir wehrlos ihrem Sadismus<br />

und ihren finsteren Vernichtungsplänen, die sie uns ja oft genug zur Kenntnis gebracht haben,<br />

ausgeliefert sein. Niemals und unter keinen Umständen - das kann ich dem feindlichen Ausland sagen<br />

- wird dieser Fall jemals eintreten! Nie und nie! [Bravo-Rufe, stürmischer Beifall.] Wenn unsere<br />

Feind siegen wollen, dann sollen sie kommen und kämpfen! <strong>Die</strong> deutschen Waffen werden ihnen<br />

dann die Antwort nicht schuldig bleiben [Bravo-Rufe, Beifall]. <strong>Ihr</strong>e Reden und Proklamationen aber<br />

<strong>im</strong>ponieren uns nicht! Sie werden in Deutschland mit Verachtung beiseite gelegt.<br />

Das ist das, was wir zur gegenwärtigen Kriegslage und zur Konferenz <strong>der</strong> sogenannten "Drei" in Teheran<br />

zu sagen haben. Vor einer Woche noch glaubten sie, durch einen Aufruf an das deutsche Volk<br />

unsere Moral zerbrechen zu können! [Gelächter, Zuruf: "Lächerlich!"] Gestern haben sie von diesem<br />

Aufruf Abstand genommen - wahrscheinlich, weil sie selbst eingesehen haben, daß es zwecklos gewesen<br />

wäre [Gelächter]. Wir haben ihnen in <strong>der</strong> vergangenen Woche eine harte Sprache entgegengeschleu<strong>der</strong>t,<br />

denn unsere Sprache wird natürlich härter, wie <strong>der</strong> Krieg härter wird. Aber auch unsere<br />

Seelen haben sich unterdes mit einem Panzer aus Eisen und Stahl umgeben. Der Feind soll endgültig<br />

seine Hoffnung zu Grabe tragen, als seien diese Seelen leichter zu nehmen als unsere Wälle aus<br />

Beton. Das eherne Herz unseres Volkes wird die letzte grosse Prüfung dieses Krieges bestehen. Es<br />

hat dafür so viele Proben abgelegt, daß es kaum noch <strong>der</strong> Worte bedarf, um das zu beweisen. Wir<br />

stehen fest und unerschütterlich als Volk und Nation in einem eisernen und unzerbrechbaren Ring um<br />

den Führer geschart! [Bravo-Rufe, starker Beifall.] Er wird die ungezählten Siege dieses Krieges<br />

durch den stolzen Endsieg krönen; das glauben wir, - ja, das wissen wir.<br />

Der Feind lügt und lockt also umsonst, - wir sind keine geeigneten Objekte für seine heuchlerischen<br />

Verführungskünste. Seine Drohungen strafen wir nur mit Verachtung. Das deutsche Volk steht zu seinen<br />

Waffen; es weiss, was es heisst, die Waffen abzuliefern. Das hat es einmal <strong>im</strong> November 1918<br />

versucht - mit welchem Erfolg, das haben die nachfolgenden Monate und Jahre bewiesen. Unsere<br />

arbeitenden Männer und Frauen produzieren diese Waffen und unsere Soldaten tragen und führen<br />

sie. <strong>Ihr</strong> aber, Eisenbahner, habt sie an die Front zu schaffen. <strong>Ihr</strong> müsst die Verbindungswege, sozusagen<br />

das A<strong>der</strong>nsystem unserer gesamten Kriegsführung, in Gang halten. <strong>Ihr</strong> steht auf den brausenden<br />

Lokomotiven; und die Weite <strong>der</strong> Wege, die ihr durchmesst, ist Euch mehr als jedem an<strong>der</strong>en<br />

Deutschen ein Beweis für die Weite des Raumes, den wir erobert haben und den wir nun verteidigen<br />

müssen. Das wollen wir tuen, je<strong>der</strong> an seinem Platz: die Arbeiter in den Fabriken, die Bauern auf den<br />

Äckern, die Soldaten an <strong>der</strong> Front und <strong>Ihr</strong>, Eisenbahner, als die Verbindungsoffiziere. Als Mittler in <strong>der</strong><br />

He<strong>im</strong>at, als Mittler zur Front und als Mittler zwischen He<strong>im</strong>at und Front.<br />

In dieser Stunde brausen Tausende von Zügen unter <strong>der</strong> Führung Eurer Kameraden kreuz und quer<br />

durch Europa. Sie bringen Waffen und Munition an alle Fronten, - in die Hände des besten Soldatentums<br />

gelegt, das die Welt jemals kannte. <strong>Die</strong>ses Soldatentum verteidigt damit nicht nur unser Land,<br />

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son<strong>der</strong>n unseren Erdteil gegen die infamste Verschwörung, die die Geschichte je gesehen hat. Hier<br />

kämpfen in Wirklichkeit Licht und Finsternis gegeneinan<strong>der</strong> mit einem erbitterten Ringen auf Leben<br />

und Tod.<br />

Aber mit <strong>der</strong>selben Gesetzmässigkeit, mit <strong>der</strong> <strong>der</strong> Tag <strong>der</strong> Nacht folgt, wird hier das Licht über die<br />

Finsternis triumphieren! Je kühler und schneiden<strong>der</strong> die Stunde des Krieges wird, desto näher ist <strong>der</strong><br />

Morgen!<br />

Dann wird sich das dunkle Gewölk, das den H<strong>im</strong>mel verfinstert, zerteilen und die Sonne wie<strong>der</strong> aufgehen<br />

über unseren Häuptern! [Bravo-Rufe, stürmischer Beifall.]<br />

Jahreslagebericht 1938 des Sicherheitshauptamtes<br />

Verkehr<br />

Das Ansteigen des Verkehrsvolumens hat durch die gleichzeitige Erweiterung infolge <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung<br />

Österreichs und <strong>der</strong> sudetendeutschen Gebiete sowie den Bau <strong>der</strong> Westbefestigung in diesem<br />

Jahr einen <strong>der</strong>artigen Umfang angenommen, daß eine erhebliche Verknappung an Transportmitteln<br />

eingetreten ist. Bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn mehrten sich die Schwierigkeiten in <strong>der</strong> Personen- und Güterbeför<strong>der</strong>ung<br />

in zunehmendem Masse. Seit Juli 1938 staute sich <strong>der</strong> Verkehr auf den überlasteten Strecken.<br />

Mit dem Einsetzen des Herbstverkehres zeigten sich in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn<br />

noch nie dagewesene Schwierigkeiten, die sich in <strong>der</strong> Bevölkerung st<strong>im</strong>mungsmässig sehr<br />

schlecht auswirkten und den Wirtschaftsablauf zum Teil stark hemmten.<br />

<strong>Die</strong> Personenzüge trafen mit stundenlangen Verspätungen ein, wodurch vor allem die auswärts wohnenden<br />

Arbeiter hart betroffen wurden. Der Son<strong>der</strong>zugverkehr wurde zum grossen Teil eingestellt. In<br />

den letzten Wochen des Jahres ist man dazu übergegangen, Personenzüge ausfallen zu lassen, um<br />

die dadurch frei werdenden Lokomotiven <strong>im</strong> Güterverkehr einsetzen zu können.<br />

Im Güterverkehr hat <strong>der</strong> Waggonmangel trotz <strong>der</strong> Abhilfeversuche <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn durch Erhöhung<br />

<strong>der</strong> Umlaufgeschwindigkeit <strong>der</strong> Wagen, Erhöhung <strong>der</strong> Standgel<strong>der</strong> usw. schwerste Folgen für die<br />

deutsche Wirtschaft gehabt. <strong>Die</strong> <strong>Reich</strong>sbahn war nicht in <strong>der</strong> Lage, die Versorgung mit Kohlen und<br />

Rohstoffen sicherzustellen. Es kam infolgedessen in <strong>der</strong> Industrie zu Betriebsstilllegungen wegen<br />

Kohle- und Rohstoffmangel, während zu gleicher Zeit beispielsweise die Kohlenzechen ihre geför<strong>der</strong>ten<br />

Mengen auf den Halden lagern mussten. Der deutschen Wirtschaft sind dadurch erhebliche Verluste,<br />

vor allem auch an Devisen, entstanden. Im Verkehr nach <strong>der</strong> Ostmark und dem Sudetenland<br />

wirkten sich ausserdem noch die schlechten betrieblichen und baulichen Verhältnisse <strong>der</strong> Eisenbahn<br />

aus, die den Anfor<strong>der</strong>ungen unseres Verkehrs nicht genügen. Am Ende des Jahres war eine zunehmende<br />

Desorganisation <strong>im</strong> gesamten Eisenbahnwesen festzustellen. Das Personal <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn<br />

war an <strong>der</strong> Grenze <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit angelangt. Der Personalbestand, <strong>der</strong> schon für normalen<br />

Verkehrsbedarf zu gering ist, wurde überbeansprucht. Ein Grossteil von ihnen konnte <strong>im</strong> Berichtsjahr<br />

den zustehenden Urlaub nicht in Anspruch nehmen, eine Folge davon war u.a. ein ständiges Ansteigen<br />

<strong>der</strong> Krankheitskurve. <strong>Die</strong> gerade für die Verkehrssicherheit wichtige physische Leistungsfähigkeit<br />

ist durch die Überbeanspruchung wesentlich gesunken. <strong>Die</strong> St<strong>im</strong>mung ist dementsprechend schlecht.<br />

Versuche diese durch Son<strong>der</strong>zulagen und Leistungsprämien zu verbessern, bewirkten durch die Verteilung<br />

<strong>der</strong>selben (Oberbeamte bis RM 1.000,--, kleinere Beamte RM 25,-- bis RM 40,--) das Gegenteil.<br />

Dazu kommt noch, daß ein Teil des Nachwuchses min<strong>der</strong>wertig ist und auch nicht die Zeit vorhanden<br />

ist, diesen <strong>im</strong> nötigen Masse zu schulen. Der <strong>Reich</strong>sbahn fehlen heute zur restlosen Bewälti-<br />

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gung ihrer Aufgaben mindestens 80.000 Güterwagen und 4.000 Lokomotiven. Sie besitzt trotz <strong>der</strong><br />

stark angestiegenen Transportmenge (90% mehr als 1932) weniger Güterwagen als 193<strong>3.</strong> Schon<br />

1937 zeigte sich, daß <strong>der</strong> Bestand an Güterwagen und Lokomotiven zu gering war; trotzdem wurden<br />

in dem Voranschlag <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn für das Jahr 1938 nur die Mittel für einen Neuzuwachs (abzüglich<br />

<strong>der</strong> ausgemusterten) von 78 Lokomotiven und 350 Güterwagen bereitgestellt. Am Ende des Jahres<br />

wurde <strong>im</strong> RVM vertraulich bekanntgegeben, daß die <strong>Reich</strong>sbahn z.Zt. nicht in <strong>der</strong> Lage sei, zu<br />

mobilisieren. Von <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn wird diesem Vorwurf entgegengehalten, daß sie in den letzten Jahren<br />

wegen Stahlmangel verhin<strong>der</strong>t gewesen sei, Wagen zu bauen. In Kreisen <strong>der</strong> Kraftverkehrswirtschaft<br />

wird dagegen <strong>der</strong> Vorwurf erhoben, daß die <strong>Reich</strong>sbahn das für Waggons zur Verfügung stehende<br />

Eisen zum Bau von Lastkraftwagen verwandt hat, und daß das Kontingent bei einem energischen<br />

Hinweis auf die Gefahr des La<strong>der</strong>aummangels für das deutsche Volk best<strong>im</strong>mt erhöht worden<br />

wäre.<br />

Zu dem inzwischen bekanntgegebenen grossen Bauprogramm für Lokomotiven und Waggons wird<br />

von den massgebenden Wirtschaftskreisen ausgeführt, daß es nicht so schnell durchgeführt werden<br />

kann, da die Rohstoff- und Finanzierungsfragen noch nicht geklärt sind, so daß sich <strong>im</strong> Jahre 1939<br />

voraussichtlich dieselben Schwierigkeiten ergeben werden. in diesem Zusammenhang wird in <strong>der</strong><br />

Wirtschaft bereits die Möglichkeit des Einsatzes eines unabhängigen Generalbevollmächtigten diskutiert.<br />

1. Vierteljahresbericht 1939 des Sicherheitshauptamtes<br />

Verkehr<br />

<strong>Die</strong> politischen Ereignisse <strong>der</strong> letzten drei Monate haben an die deutsche <strong>Reich</strong>sbahn erneut Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

gestellt, denen diese infolge Fehlens von Güterwagen und Lokomotiven nicht gewachsen war.<br />

Im ganzen <strong>Reich</strong> wurden zahlreiche Personenzüge eingestellt, um die dadurch frei werdenden Lokomotiven<br />

für den Materialtransport zur Verfügung zu haben. <strong>Die</strong> Notwendigheit <strong>der</strong> Abgabe von rollendem<br />

Material aus dem Altreich für die Ostmark und die Sudetengebiete - ein hoher Prozentsatz des<br />

von dort übernommenen Materials ist unbrauchbar - erschwert die Lage noch mehr. Mit <strong>der</strong> Schaffung<br />

des Protektorats hat sich allerdings in den letzten Wochen die Lage etwas verbessert, da ein grosser<br />

Teil <strong>der</strong> Züge nach <strong>der</strong> Ostmark auf dem kürzesten Weg über Lundenburg geführt wird und somit die<br />

Engpässe vom Altreich nach <strong>der</strong> Ostmark fühlbar entlastet werden. Ein grosser Teil <strong>der</strong> Gütersperren<br />

konnte aus diesem Grunde aufgehoben werden. Der gewaltige Mangel an Fahrzeugen aller Art führte<br />

zur Bekanntgabe eines grossen Beschaffungsprogrammes <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn, zu dem jetzt genauere<br />

Zahlen bekanntgegeben wurden. Danach sollen in den Jahren 1940 - 43<br />

6.000 Lokomotiven<br />

10.000 Personenwagen<br />

112.000 Güterwagen<br />

17.300 Kraftfahrzeuge und Anhänger<br />

bestellt werden.<br />

Anlass zur grössten Sorge bildet <strong>der</strong> zunehmende Personalmangel vor allem in den technischen Berufen<br />

<strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn. <strong>Die</strong> starre und unbewegliche Handhabung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sgrundsätze bei <strong>der</strong> Anstellung<br />

treibt den grössten Teil <strong>der</strong> Bewerber dazu, in an<strong>der</strong>e Bereiche abzuwan<strong>der</strong>n. Eine <strong>der</strong> Folgen<br />

ist, daß das Personal <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn erheblich überbeansprucht wird. Es wird in verkehrskreisen<br />

<strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> darauf hingewiesen, daß von den Arbeitern und Beamten z.T. eine zu lange Arbeitszeit<br />

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verlangt wird. Das Fahrpersonal hat nicht die Zeit, sich von den Anstrengungen des <strong>Die</strong>nstes genügend<br />

zu erholen. In den letzten Tagen hat die <strong>Reich</strong>sbahn 5.000 technische Arbeiter nach dem Altreich<br />

geholt und auf die einzelnen Bauzüge verteilt.<br />

Bericht zur innenpolitischen Lage (Nr. 19) - 22. November 1939<br />

<strong>Die</strong> <strong>Reich</strong>sbahn sah sich gezwungen, die Beför<strong>der</strong>ung von Leergut zum grössten Teil abzulehnen.<br />

Aus Wirtschaftskreisen wird <strong>der</strong> Hinweis gegeben, daß während des Weltkrieges zur Behebung ähnlicher<br />

Zustände Sammelstellen bei den Industrie- und Handelskammern bestanden haben, denen<br />

Bedarf und Bestand an Packmitteln gemeldet werden mussten. dadurch liess sich die Nachfrage des<br />

jeweilgen Bezirks ausgleichen, und es erübrigte sich die Rücksendung an den Lieferanten. Es wäre<br />

zu überprüfen, ob ein <strong>der</strong>artiges Ausgleichsverfahren nicht auch jetzt die aufgezeigten Schwierigkeiten<br />

beheben bzw. herabmin<strong>der</strong>n kann.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 33) - 27. Dezember 1939<br />

V. Wirtschaft<br />

Erschüttertes Vertrauen in die Verkehrssicherheit <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn. <strong>Die</strong> mehrfachen schweren Eisenbahnunglücke<br />

- vor allem die beiden grossen vor dem Weihnachtsfest mit bisher insgesamt 230 Toten<br />

- haben das Vertrauen <strong>der</strong> Bevölkerung in die Verkehrssicherheit <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn schwer erschüttert.<br />

Es werden weitgehende Mutmassungen über die Ursache und Schuldfrage an den herrschenden Zuständen<br />

erörtert.<br />

Für die kommenden Monate wird mit weiteren verkehrsmässigen Schwierigkeiten gerechnet, da die<br />

<strong>im</strong> Betrieb befindlichen Güterwagen nicht mehr fristgemäss bei den <strong>Reich</strong>sbahnausbesserungswerken<br />

untersucht werden können, weil sie für die ausserordentlichen Transportaufgaben unentbehrlich<br />

sind.<br />

Aus Kraftfahrkreisen wird darüber geklagt, daß die Eisenbahnschranken auf den Landstrassen bei<br />

Nacht völlig ungenügend beleuchtet und bei beachtung <strong>der</strong> Verdunklungsvorschriften durch den Fahrer<br />

kaum zu erkennen sind. Es wird zur vermeidung von Kraftfahrzeugunfällen für notwendig gehalten,<br />

während <strong>der</strong> Verdunklung, soweit es möglich ist, beson<strong>der</strong>e Sicherheitsmassnahmen bei den Eisenbahnübergängen<br />

anzuordnen.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 46) - 29. Januar 1940<br />

V. Wirtschaft<br />

Kohlen- und Lokomotivenmangel erschwert den Zugverkehr bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn. Nach vorliegenden<br />

Meldungen wirkt sich <strong>der</strong> Kohlenmangel jetzt auch bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn selbst aus. Zahlreiche <strong>Bahn</strong>höfe<br />

und Betriebswerke haben danach nur noch für 1 - 2 Tage Kohlenvorräte - statt <strong>der</strong> vorgesehenen<br />

52 -, einige verfügen z.Zt. über keine Kohlen. Hierzu wird aus Erfurt beispielsweise Folgendes gemeldet:<br />

"Vor einigen Tagen musste ein Truppentransport in Bischleben bei Erfurt 8 Stunden auf dem<br />

<strong>Bahn</strong>hof stehen bleiben, da für die Lokomotive keine Kohlen mehr vorhanden waren. Auch <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>hof<br />

in Bischleben hatte keine Kohlen zur Verfügung. Im Dorf wurde dann bei Kohlenhändlern Steinkohle<br />

gesammelt, jedoch reichte die Menge nicht aus, um den Zug unter Dampf zu halten. <strong>Die</strong> Solda-<br />

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ten sassen 8 Stunden lang <strong>im</strong> kalten Zug, ohne daß die <strong>Reich</strong>sbahndirektion in Erfurt in <strong>der</strong> Lage war,<br />

Kohlen nach Bischleben zu schicken o<strong>der</strong> eine Ersatzlokomotive zu stellen. <strong>Die</strong> Soldaten haben während<br />

dieser Zeit keine Verpflegung erhalten und haben sich auf dem <strong>Bahn</strong>hof von Wartenden Brot<br />

erbeten. <strong>Die</strong>ses Vorkommnis hat in <strong>der</strong> Bevölkerung sehr grosses Aufsehen erregt, wobei an <strong>der</strong><br />

<strong>Reich</strong>sbahn schärfste Kritik geübt wurde."<br />

Aus verschiedenen Gebieten des <strong>Reich</strong>es gehen Nachrichten ein, nach denen die Rangierbahnhöfe<br />

völlig verstopft sind. <strong>Die</strong> Züge würden u.a. in Berlin teilweise bis zu den Endbahnhöfen <strong>der</strong> Vorortstrecken<br />

beladen abgestellt. So sei es vorgekommen, daß ein Zug vom Betriebswerk Schöneweide nach<br />

Pankow, <strong>der</strong> unter normalen Verhältnissen 20 Minuten braucht, jetzt dazu 9 Stunden benötigte. <strong>Die</strong><br />

grossen Zugverspätungen bilden eine sehr grosse Belastung des Personals und Lokomotivmaterials,<br />

weil die Züge während <strong>der</strong> Wartezeit bespannt bleiben müssen. Bis zur Einschränkung des Personenverkehrs<br />

am 21.1.1940 standen <strong>im</strong> <strong>Reich</strong>sbahndirektionsbezirk Augsburg - so heisst es in den<br />

Meldungen - auf den verschiedenen <strong>Bahn</strong>höfen insgesamt 100 Güterzüge, die infolge Lokomotivmangels<br />

nicht weiter beför<strong>der</strong>t werden konnten und den gesamten Güterzugverkehr zum Stocken<br />

brachten. <strong>Die</strong>sem Umstand seien nicht nur die Kohlenverknappung, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Ver<strong>der</strong>b wertvoller<br />

Nahrungs- und Genussmittel, die in diesen Zügen beför<strong>der</strong>t wurden und nicht zuletzt die mangelhafte<br />

Anlieferung von Roh- und Fertigmaterial für die Rüstungsindustrie zuzuschreiben.<br />

Zugverspätungen führen zu Unzufriedenheit in <strong>der</strong> Arbeiterschaft. <strong>Die</strong> zur Zeit zu beobachtenden<br />

grossen Unregelmässigkeiten <strong>der</strong> Fahrzeit <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn haben zur Folge, daß die Arbeitskräfte,<br />

die zur Erreichung ihrer Arbeitsplätze auf Benutzung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn angewiesen sind,<br />

ihre Betriebe teilweise mit erheblicher Verspätung erreichen. Der Ausfall an Lohn und Arbeitszeit ist<br />

mitunter beträchtlich, abgesehen von den gesundheitlichen Schäden, vor allem bei Frauen, durch das<br />

oft stundenlange Stehen auf den <strong>Bahn</strong>steigen o<strong>der</strong> Verbringen in teilweise ungeheizten Zügen. Aus<br />

Leipzig wird beispielsweise gemeldet, daß Arbeiter statt morgens um 8 Uhr um 15 Uhr ihren Arbeitsplatz<br />

in Halle erreichten. In einem an<strong>der</strong>en Fall wären für eine Strecke von 35 <strong>Bahn</strong>kilometern 12<br />

Stunden benötigt worden. Halle meldet dazu, daß die Unzufriedenheit <strong>der</strong> Arbeiter <strong>der</strong> mitteldeutschen<br />

Kriegsindustrie (Leuna, Buna usw.), die bisher allen kriegswirtschaftlichen Massnahmen und<br />

Einschränkungen volles Verständnis entgegengebracht hätten, infolge <strong>der</strong> Zugverspätungen <strong>im</strong>mer<br />

mehr steigt. Sie hatten kein Verständnis mehr dafür, daß sie stundenlang schutzlos <strong>der</strong> Kälte ausgesetzt<br />

seien und ihre Freizeit in ungeheizten Warteräumen, auf <strong>Bahn</strong>steigen und in oft ungenügend<br />

geheizten Zügen verbringen müssten. Aus Potsdam kommt die Nachricht, daß <strong>der</strong> Stadtbahn und<br />

Vorortverkehr vielfach erhebliche Verspätungen aufweist. Betroffen würden davon hauptsächlich die<br />

Arbeiterzüge. Arbeiter, die aus den Landgemeinden zu ihrer in Berlin gelegenen Arbeitsstätte fahren,<br />

sind infolge <strong>der</strong> häufigen Zugverspätungen etwa 15 Stunden täglich unterwegs.<br />

In Bielefeld hatte <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Strecke Hamm - Bielefeld morgens fahrende Personenzug, <strong>der</strong> die Arbeitskräfte<br />

in den Industrieort Bielefeld beför<strong>der</strong>t, den Meldungen nach an drei Tagen hintereinan<strong>der</strong> 2<br />

- 3 Stunden Verspätung. Beson<strong>der</strong>s übel werde es in Arbeiterkreisen vermerkt, wenn plötzlich <strong>im</strong> Zuge<br />

des beschränkten Personenverkehrs Züge zwei Stunden vor Abfahrt abgesagt würden. Aus Wien<br />

wird in diesem Zusammenhang noch gemeldet, daß das <strong>Reich</strong>sausbesserungswerk S<strong>im</strong>mering wegen<br />

Mangel an Gummi nicht mehr in <strong>der</strong> Lage sei, die fehlenden Heizschläuche auszubessern. Von<br />

den in den Lübecker Rüstungsbetrieben beschäftigten Arbeitern und Angestellten <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Strecke<br />

Lübeck - Hamburg gelegenen Orte wird darüber geklagt, daß <strong>der</strong> von ihnen bisher benutzte Personenzug<br />

um 19 Uhr 35 aufgehoben worden ist. Da <strong>der</strong> um 16 Uhr 34 abfahrende Personenzug von<br />

ihnen wegen <strong>der</strong> Arbeitszeit noch nicht benutzt werden kann, müssen sie 6 1/2 Stunden warten, um<br />

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nach Hause fahren zu können. <strong>Die</strong> zwischendurch laufenden zwei D-Züge 18 Uhr 34 und 21 Uhr 56<br />

können von den Gefolgschaften nicht benutzt werden, da die Züge nicht auf den Zwischenstationen<br />

halten und sich die Fahrtkosten ausserdem zu hoch stellen. Den vorliegenden Nachrichten ist zu entnehmen,<br />

daß das Vertrauen zu den <strong>Reich</strong>sbahnverkersmitteln durch die Zugverspätungen <strong>im</strong> Arbeiterverkehr<br />

in letzter Zeit sehr gesunken ist.<br />

Einzelmeldungen<br />

1. In Polen eingesetzte <strong>Reich</strong>sbahnbeamte beschweren sich wie<strong>der</strong>holt darüber, daß sie als einzige<br />

<strong>der</strong> <strong>im</strong> öffentlichen <strong>Die</strong>nst in Polen eingesetzten Beamten unbewaffnet geblieben sind. Gerade in <strong>der</strong><br />

letzten Zeit seien zahlreiche Angestellte <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn in Polen überfallen und zum Teil verletzt<br />

worden. Aus allen Meldungen geht hervor, daß sich die Beamten auf stärkste bedroht fühlen, zumal<br />

die kleineren Orte von Deutschen gänzlich unbesetzt sind und die Polen eine ungemin<strong>der</strong>te Feindschaft<br />

gegen alles Deutsche zeigen.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 47) - 31. Januar 1940<br />

V. Wirtschaft<br />

Reguläre Waggongestellung bei <strong>der</strong> Kohleabfuhr.<br />

Nach den letzten Meldungen über die Kohlenversorgungslage ist es aufgrund <strong>der</strong> Anstrengungen <strong>der</strong><br />

zuständigen Stellen <strong>im</strong> ganzen gesehen gelungen, wenigstens die Versorgung <strong>der</strong> Zivilbevölkerung<br />

mit Hausbrand annähernd sicherzustellen. Versorgungslücken wurden in dieser Hinsicht vereinzelt,<br />

und zwar aus Bremen, Kassel, We<strong>im</strong>ar und Berlin gemeldet. Abgesehen von den bei dem anhaltenden<br />

Frost weiter bestehenden Schwierigkeiten ist die Meldung als erfreulich zu bewerten, daß am<br />

gestrigen Tage seit langer Zeit zum ersten Mal wie<strong>der</strong> reguläre Wagengestellungen <strong>im</strong> Ruhrrevier und<br />

in Ost- und West-Oberschlesien verzeichnet wurden. <strong>im</strong> Ruhrrevier wurden 26.000 und in Ost- und<br />

West-Oberschlesien 24.000 Waggons gestellt.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 52) - 12. Februar 1940<br />

Einschränkung des Personenverkehrs in Auswirkung auf den Berufsverkehr. <strong>Die</strong> mit Rücksicht auf die<br />

wie<strong>der</strong> eingebrochene Kältewelle zur bevorzugten Bedienung des Güterverkehrs verschärfte Einschränkung<br />

des Personenverkehrs hat den Nachrichten zufolge erneut zu Schwierigkeiten geführt.<br />

<strong>Die</strong> stark überfüllten Züge treffen zum Teil ausserordentlich unpünktlich ein und Anschlusszüge stehen<br />

sehr oft nicht zur Verfügung. Während aber von dem grössten Teil <strong>der</strong> Bevölkerung die Einschränkung<br />

des Personenverkehrs zugunsten <strong>der</strong> Kohlenbeför<strong>der</strong>ung durchaus verstanden und begrüsst<br />

wurde, haben die vorgenommenen Einschränkungen des Berufsverkehrs bei den davon Betroffenen<br />

Unzufreidenheit hervorgerufen. So wird z.B. aus Göttingen gemeldet, daß seit <strong>der</strong> Einführung<br />

des neuen Fahrplans <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn die Klagen <strong>der</strong> arbeitenden Bevölkerung ständig <strong>im</strong> Zunehmen<br />

begriffen sind. <strong>Die</strong> auswärtigen Arbeiter treffen nach <strong>der</strong> Meldung in Göttingen morgens um 7<br />

Uhr ein. Nach Beendigung <strong>der</strong> Arbeit - in <strong>der</strong> regel um 16 Uhr - besteh für die in Richtung Kassel fahrenden<br />

Arbeiter keine Möglichkeit, in ihre Wohnorte zu gelangen. <strong>Die</strong> bereits um 16 Uhr dienstfreien<br />

Arbeiter könnten dann erst um 20 Uhr 45 in Richtung Kassel fahren. Da dieser Zug meistens auch<br />

noch grössere Verspätung habe, seien diese Arbeiter oft erst um 24 Uhr zu Hause. In einer Nachricht<br />

aus Cuxhafen heisst es: "Als beson<strong>der</strong>e Härte wird <strong>der</strong> neu aufgestellte Fahrplan empfunden. Um<br />

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echtzeitig zum Arbeitsplatz zu gelangen, müssen die Arbeiter den Frühzug benutzen. Sie kommen<br />

also 6 Uhr 30 in Cuxhafen an, während ihre Arbeit in vielen Fällen erst um 8 Uhr beginnt. Ebenso sind<br />

sie abends vor <strong>der</strong> He<strong>im</strong>fahrt gezwungen, sich eineinhalb bis dreieinhalb Stunden in Lokalen aufzuhalten,<br />

da <strong>der</strong> erste Abendzug erst um 19 Uhr 35 fährt."<br />

<strong>Die</strong> Überfüllung <strong>der</strong> Arbeiterzüge, auf die schon früher hingewiesen wurde, hat durch die neuen Einschränkungen<br />

noch zugenommen. So wird u.a. aus Kornwesthe<strong>im</strong> gemeldet: "Der Fabrikarbeiterzug,<br />

<strong>der</strong> nachmittags 17 Uhr 34 ab Ludwigsburg nach Asperg fährt, war gestern abend <strong>der</strong>art überfüllt, daß<br />

mindestens 300 Personen nicht mehr mitgenommen werden konnten. <strong>Die</strong> mitfahrenden Fahrgäste<br />

hatten teilweise nur Platz auf den Trittbretern <strong>der</strong> einzelnen Wagen, was bei <strong>der</strong> jetzigen Witterung<br />

mit grosser Lebensgefahr verbunden ist. Dabei ist festzustellen, daß die Leute, die nicht mitgenommen<br />

werden konnten, erst gegen 21 Uhr nach Hause kamen, weil die Verbindung ausserordentlich<br />

eingeschränkt worden ist."<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 62) - 6. März 1940<br />

V. Wirtschaft<br />

Verzögerungen <strong>im</strong> Saatguttransport für die Landwirtschaft.<br />

Führende Saatgutfirmen Mitteldeutschlands klagen über unzureichende Waggongestellung für die<br />

Saatgutverladung. Viele Unternehmen seien deshalb mit ihren Lieferungen stark in Rückstand gekommen.<br />

Stückgutversand für Saatgut sei überhaupt von <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn untersagt. Es bestehe deshalb<br />

die dringende Gefahr, daß das Saatgut nicht mehr rechtzeitig in den Besitz <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />

und <strong>der</strong> Gärtnerei-Betriebe gelange.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 65) - 1<strong>3.</strong> März 1940<br />

V. Wirtschaft<br />

Auswirkungen <strong>der</strong> Transportlage auf die Wirtschaft.<br />

<strong>Die</strong> Einschränkung des Reiseverkehrs hat sich - wie aus verschiedenen Teilen des <strong>Reich</strong>es gemeldet<br />

wird - für die Transportlage <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn noch nicht wesentlich ausgewirkt. Auch die Auflockerung<br />

<strong>der</strong> Gütersperre machte sich noch nicht in dem erwarteten Umfang bemerkt. <strong>Die</strong> Güterbeför<strong>der</strong>ung<br />

erfolgt weiterhin nur zu etwa 50% <strong>der</strong> anfallenden Sendungen. Schwierigkeiten hätten sich insofern<br />

ergeben, als die Güterabfertigungen den Spediteuren nur die Abnahme eines Teils ihrer Waren zusichern.<br />

So wird aus Potsdam gemeldet, daß oft, wenn Speditionsfahrzeuge mit den Sendungen auf<br />

dem Güterbahnhof erscheinen, bereits inzwischen Güter, die in vollem Umfang zu beför<strong>der</strong>n sind, in<br />

solcher Menge angelie<strong>der</strong>t wurden, sodass die Spediteure ihre Sendungen nicht verfrachten konnten<br />

und wie<strong>der</strong> mit zurücknehmen müssten. Es sei bereits vorgekommen, daß ein und dieselben Güter<br />

zwei- bis dre<strong>im</strong>al vom Lager des Spediteurs zum <strong>Bahn</strong>hof und wie<strong>der</strong> zurück gefahren werden mussten,<br />

so daß abgesehen von <strong>der</strong> Zeitversäumnis ein Mehrverbrauch von Kraftstoff eintrete. In einer<br />

Meldung aus Berlin heisst es u.a.: "Der Andrang von Fahrzeugen war bei den einzelnen Stückgutabfertigungen<br />

so gross, daß die Fahrzeuge sich bereits nach Mitternacht anstellten, um bei Öffnung <strong>der</strong><br />

Güterabfertigung sofort anzukommen. Fahrzeuge von Speditionen, die mit Rücksicht auf das Personal<br />

erst morgens um 7 Uhr mit am Abend vorher hochbeladenen Fahrzeugen an <strong>der</strong> Güterabfertigung<br />

anfuhren, benötigten 5 - 6 Stunden und länger, bis sie ihre Ware übergeben konnten."<br />

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In einer an<strong>der</strong>en Meldung wird ausgeführt, daß erst in diesen Tagen <strong>der</strong> Berliner Sammelverkehr am<br />

Spreeufer in beschränktem Umfange wie<strong>der</strong> aufgenommen worden sei. Bis zur Aufhebung <strong>der</strong> Sperre<br />

hätten am Spreeufer ca. 230 Wagen gestanden, teils voll, teils halb beladen, die für die Zeit des Wartens<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft entzogen gewesen seien. Aus Speditionskreisen wird die Befürchtung laut, daß<br />

zahlreiche Firmen bei Fortdauer <strong>der</strong> gemeldeten Auswirkungen notleidend werden und die Leistungsfähigkeit<br />

des örtlichen Fuhrparks für Lebensmitteltransporte und wehrwirtschaftlich wichtiger Güter<br />

sehr beeinträchtigt würde. Leipzig meldet in diesem Zusammenhang, daß sich die dort bahnamtlichen<br />

Rollfuhrspediteure (ca. 30 Firmen) in einer Eingabe an die <strong>Reich</strong>sbahndirektion mit <strong>der</strong> Bitte gewandt<br />

hätten, eine sofortige Hilfsaktion vorzunehmen.<br />

Auch in <strong>der</strong> Zuteilung <strong>der</strong> Güterwagen sind die Schwierigkeiten den Meldungen zufolge noch nicht<br />

behoben. Von den vorliegenden Einzelmeldungen sollen einige kurz angeführt werden: Einer Nachricht<br />

aus Kattowitz ist zu entnehmen, daß dem Eisenwerk Trzynietz nur ungefähr 50% des benötigten<br />

Wagenraumes gestellt werden konnte, so daß das Werk gezwungen sei, einen grossen Teil seiner<br />

Waren, die aufgrund von Aufträgen hergestellt werden, auf Lager zu nehmen. Infolge dieser Schwierigkeiten<br />

befinden sich ca. 10.000 t Walzwerkerzeugnisse auf Lager. <strong>Die</strong> Kunden - meistens R-Betriebe<br />

- mahnten die Zustellung dauernd an. Auch die Ausführung von Exportaufträgen stoße auf grosse<br />

Schwierigkeiten. Aus einer Meldung aus Regensburg geht hervor, daß die täglichen Wagengestellungsziffern<br />

<strong>im</strong> dortigen <strong>Reich</strong>sbahndirektionsbezirk <strong>im</strong> Durchschnitt nur 35% des Bedarfs betrugen.<br />

Duisburg meldet ebenfalls, daß die Waggongestellung selbst bei lebenswichtigsten Gütern, wie z.B.<br />

Getreide, noch unzulänglich sei. So liege z.B. eine grössere Partie Düngemittel schon seit mehreren<br />

Tagen löschbereit <strong>im</strong> Duisburger Hafen. Bei den Duisburger Holzspediteuren stapele sich das aus<br />

den Schiffen entladene süddeutsche Holz, das teils von <strong>der</strong> Wehrmacht, teils von W-Betrieben dringend<br />

benötigt werde, zu riesigen Bergen an, da die <strong>Reich</strong>sbahn nicht in <strong>der</strong> Lage sei, dan Waggonanfor<strong>der</strong>ungen<br />

nachzukommen. Von Fachkreisen wird angeregt, zu überprüfen, ob die Abfertigung <strong>der</strong><br />

Kohlezüge nach Süddeutschland, wobei die Waggons mindestens 5 - 7 Tage laufen würden, eingeschränkt<br />

werden könne, da die Rheinschiffahrt wie<strong>der</strong> eisfrei sei und auch ausreichen<strong>der</strong> Kahnraum<br />

<strong>im</strong> Hafen zur Verfügung stünde.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 66) - 15. März 1940<br />

I. Allgemeines<br />

[.....] Trotz <strong>der</strong>artiger Friedensgerüchte wird nach wie vor von einem grossen Teil <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>der</strong><br />

baldige Beginn einer Frühjahrsoffensive als sicher angenommen, und die jetzt fast <strong>im</strong> ganzen <strong>Reich</strong><br />

verbreiteten Gerüchte über eine baldige Sperrung des gesamten Personenverkehrs <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn<br />

werden hiermit in Verbindung gebracht. [.....]<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 68) - 20. März 1940<br />

V. Wirtschaft<br />

Zusammenstellung von D-Zügen bei <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn. Von Fachkreisen wird den Meldungen<br />

zufolge wie<strong>der</strong>holt darauf hingewiesen, daß die Zusammenstellung von D-Zügen aus Wagenmaterial<br />

verschiedener Art (Holz- und Stahlwagen) die Sicherheit <strong>der</strong> Reisenden bei Zusammenstößen<br />

usw. schwer gefährde. Um die Gefahrenquelle bei Entgleisungen und Zusammenstößen so niedrig<br />

wie möglich zu halten, wird es für notwendig gehalten, die Züge weitmöglichst aus einheitlichem Wa-<br />

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genmaterial zusammenzustellen, denn ein alter Holzwagen zwischen neuen Stahlwagen wird schon<br />

bei normalem Betrieb, wo plötzliche Schnellbremsungen vorkommen, für eine Gefahr gehalten. Es<br />

wird darauf hingewiesen, daß jetzt, wo durch die starke Übersetzung <strong>der</strong> Züge neue Gefahrenherde<br />

entstehen, eine Abstellung, soweit möglich, noch notwendiger erscheine. In Fachkreisen wird es<br />

durchaus für möglich gehalten, entwe<strong>der</strong> einen Zug aus Wagen <strong>der</strong> alten Bauart o<strong>der</strong> aus Wagen mit<br />

dem Baudatum 1923 und später zu bilden, zumal zahlreiche Züge eingestellt worden sind. Es wird<br />

angeregt, die Möglichkeit <strong>der</strong> technischen Durchführung <strong>der</strong> Zusammenstellung mit neuen und alten<br />

Wagen zu überprüfen, und Vorsorge zu treffen, daß nicht - wie beispielsweise aus Rostock berichtet<br />

wird - neue Stahlwagen als Verpflegungsstation eingesetzt werden, son<strong>der</strong>n dazu alte Holzwagen zu<br />

verwenden.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 69) - 27, März 1940<br />

I. Allgemeines<br />

Das Osterfest hat das deutsche Volk überall ruhig und in guter St<strong>im</strong>mung verlebt. Der Auffor<strong>der</strong>ung,<br />

während <strong>der</strong> Feiertage nicht zu verreisen, ist man <strong>im</strong> allgemeinen nachgekommen. Einen grösseren<br />

Umfang nahm <strong>der</strong> Eisenbahnverkehr jedoch auf einzelnen Hauptverkehrsstrecken und auf den Verbindungsstrecken<br />

zu den Wintersportplätzen an. <strong>Die</strong> grossen Wintersportorte in Bayern und in <strong>der</strong><br />

Ostmark waren <strong>im</strong> allgemeinen stark überfüllt. Teilweise konnten auf den genannten Eisenbahnlinien,<br />

z.B. zwischen Berlin und Leipzig und auf den nach grösseren Garnisonen des Allgäus führenden Zügen<br />

Soldaten nur verspätet o<strong>der</strong> überhaupt nicht ihre Urlaubsreise antreten, da dort die Züge mit Privatreisenden<br />

überfüllt waren. [.....]<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 74) - 8. April 1940<br />

Anlage<br />

Meldungen über den Einsatz nichtdeutscher Arbeitskräfte bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn.<br />

Im ostoberschlesischen Gebiet wird von <strong>der</strong> Bevölkerung den Meldungen zufolge nicht verstanden,<br />

daß die Deutsche <strong>Reich</strong>sbahn in diesen Gebieten durchschnittlich 50%, in einzelnen Kreisen sogar<br />

70% Polen wie<strong>der</strong>eingestellt hat, trotzdem sich angeblich viele Volksdeutsche zum <strong>Die</strong>nst bei <strong>der</strong><br />

<strong>Reich</strong>bahn gemeldet haben. <strong>Die</strong> <strong>Reich</strong>sbahndienststellen sollen sich - wie in den Meldungen zum<br />

Ausdruck kommt - auf ihre Best<strong>im</strong>mungen, wonach Personen über 27 Jahre für den <strong>Bahn</strong>dienst nicht<br />

eingestellt werden dürfen, berufen haben. Von den Volksdeutschen werde dies umso weniger verstanden,<br />

als sie während <strong>der</strong> Polenherrschaft keine Möglichkeit gehabt hätten, sich <strong>im</strong> Eisenbahndienst<br />

zu betätigen, da Deutsche von den Polen hierfür grundsätzlich nicht verwendet wurden. <strong>Die</strong><br />

Nichtberücksichtigung <strong>der</strong> Volksdeutschen hat zur Unzufriedenheit innerhalb <strong>der</strong> Bevölkerung geführt,<br />

da <strong>der</strong> polnische Staat <strong>im</strong> ganzen ostoberschleischen Grenzgebiet in den Verwaltungen nur zuverlässige<br />

Nationalpolen beschäftigte und gerade die polnische Eisenbahn als Domäne <strong>der</strong> polnischen Aufständischen<br />

angesehen wurde. Auch jetzt sei es allgemein bekannt, daß gerade die polnischen Eisenbahnbeamten<br />

nach wie vor als deutschfeindlich eingestellt angesehen werden müssen und sich<br />

auch nach wie vor <strong>der</strong> polnischen Sprache bedienen. Beispielsweise sei <strong>im</strong> Kreise Rybnik bei <strong>der</strong> Erteilung<br />

von polnischen Unbedenklichkeitszeugnissen für wie<strong>der</strong>beschäftigte polnische Eisenbahner<br />

festgestellt worden, daß ca. 70% dieser polnischen Beamten und Angestellten als politisch unzuverlässig<br />

und deutschfeindlich zu bezeichnen sind.<br />

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<strong>Die</strong> Schwierigkeiten, die vor allem in einer best<strong>im</strong>mten Einarbeitungszeit neuer Kräfte liegen, werden<br />

- wie es in den Meldungen heisst - keineswegs verkannt. Es werde aber nicht verstanden, daß sogar<br />

bekannte Aufständische und Deutschenhetzer nur deshalb nicht entlassen würden, weil ein Ersatz<br />

aus volksdeutschen Kreisen nicht zu beschaffen sei. Es wird betont, daß versucht werden müsse,<br />

durch Heranbildung volksdeutscher Kräfte wenigstens die wichtigsten Stellen <strong>im</strong> Laufe <strong>der</strong> Zeit umzubesetzen.<br />

Auch aus sudetendeutschen Gebieten gehen laufend Meldungen darüber ein, daß die Personalverhältnisse<br />

bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn hinsichtlich <strong>der</strong> Beschäftigung von Tschechen sehr kritisiert würden. Es<br />

wird zum Ausdruck gebracht, daß ehemalige tschechische <strong>Bahn</strong>angestellte o<strong>der</strong> Beamte in vielen<br />

Fällen ohne Überprüfung <strong>der</strong> politischen Vergangenheit in die <strong>Die</strong>nste <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn mit entsprechen<strong>der</strong><br />

gehaltlicher Einstufung übernommen worden seien. Da bei <strong>der</strong> ehemaligen tschechischen<br />

Staatseisenbahn in den führenden Stellungen in den letzten Jahren vor <strong>der</strong> Anglie<strong>der</strong>ung praktisch<br />

keine Deutschen, zumindest keine national eingestellten Beamten, beschäftigt wurden, und die mittleren<br />

bzw. gehobenen Posten ebenfalls nur von Tschechen o<strong>der</strong> tschechenfreundlichen Elementen besetzt<br />

waren, sei die nach <strong>der</strong> Anglie<strong>der</strong>ung erfolgte Übernahme von ausgesprochenen Feinden des<br />

Deutschtums von den Volksdeutschen sehr bedauert worden.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 75) - 10. April 1940<br />

VI. Wirtschaft<br />

Einzelmeldungen<br />

[.....]<br />

2. Verschiedenen Einzelmeldungen ist zu entnehmen, daß die Tatsache, nach <strong>der</strong> es <strong>Reich</strong>sbahnbeamten,<br />

die <strong>Die</strong>nstwohnungen innehaben, verboten ist, Einquartierungen anzunehmen, in den Bevölkerungsteilen,<br />

die davon unterrichtet sind, nicht verstanden wird. Wie es in einer Meldung heisst, hätten<br />

sich dadurch Zustände ergeben, die sehr kritisiert würden. Es sei vorgekommen, daß beispielsweise<br />

in einem Hause, in dem zwei <strong>Reich</strong>sbahninspektoren und ein <strong>Reich</strong>sbahnarbeiter wohnen, die<br />

Inspektoren, die <strong>Die</strong>nstwohnungen innehaben, nach <strong>der</strong> Anordnung keine Einquartierung annehmen<br />

dürfen, während dieses für den Arbeiter, <strong>der</strong> zur Miete wohnt, nicht zutreffe, obwohl dieser ein geringeres<br />

Einkommen und beschränktere Wohnverhältnisse habe.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 76) - 12. April 1940<br />

II. Gegner<br />

In den letzten Wochen wurden aus verschiedenen Teilen des <strong>Reich</strong>es folgende neue Sabotageakte<br />

gemeldet:<br />

[.....] In Altstrohlau (Kreis Karlsbad) wurden in einem mit Kohle beladenen Waggon 6 Stück Knallkapseln<br />

(8 cm lang, 4 cm breit und 1 cm stark) entdeckt. Der Waggon war vom Agnesschacht in Haselbach<br />

(Kreis Falkenau/Eger) mit Kohle geladen. <strong>Die</strong> Knallkapseln werden in diesem Versandbetrieb<br />

nicht verwendet.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 78) - 17. April 1940<br />

Regelung <strong>der</strong> Urlaubsreisen und He<strong>im</strong>fahrten zu Pfingsten.<br />

Seite 37


Wie die Erfahrungen des Osterverkehrs gezeigt haben, wurde trotz <strong>der</strong> verschiedenen Erlasse, Presseaufrufe<br />

und Rundschreiben über den Eisenbahnverkehr nicht überall <strong>der</strong> gewünschte Erfolg erzielt.<br />

In einzelnen Meldungen wird ausgeführt, daß vor allem dienstverpflichtete, verheiratete Arbeiter trotz<br />

des Verbotes einzelner Firmen zu ihren Familien gefahren seien. Der Umfang <strong>der</strong> Übertretungen und<br />

verspäteten <strong>Die</strong>nstantritte sei an verschiedenen Orten so gross gewesen, daß die <strong>Reich</strong>streuhän<strong>der</strong><br />

nicht mit Strafen hätten einschreiten können. Zur Zeit werde in <strong>der</strong> Arbeiterschaft die Regelung des<br />

Reisenverkehrs zu Pfingsten bzw. H<strong>im</strong>melfahrt stark besprochen und ausser dem Presseaufruf eine<br />

baldige Regelung erwartet, die es nach Möglichkeit ausschliesst, daß ähnlich wie zu Ostern die Züge<br />

auf verschiedenen Hauptverkehrslinien mit Vergnügungsreisenden überfüllt sind, während dienstverpflichtete<br />

Arbeiter nicht nach Hause fahren konnten bzw. sogar Fronturlauber wegen Überfüllung <strong>der</strong><br />

Züge z.T. nicht mitkamen.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 79) - 19. April 1940<br />

I. Allgemeines<br />

[.....] Der Bericht über die Bombardierung des <strong>Bahn</strong>hofs Heiligenhafen durch ein feindliches Flugzeug<br />

wurde zwar allgemein in <strong>der</strong> Bevölkerung für die Weiterentwicklung des Luftkrieges als grundsätzlich<br />

beachtet, rief aber we<strong>der</strong> in <strong>der</strong> dortigen Gegend noch <strong>im</strong> übrigen <strong>Reich</strong>sgebiet irgendeine Beunruhigung<br />

hervor. [.....]<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 83) - 29. April 1940<br />

I. Allgemeines<br />

[.....] Weitgehendste st<strong>im</strong>mungsmässige Auswirkungen hat nach Meldungen aus allen Teilen des <strong>Reich</strong>es<br />

die Regelung <strong>der</strong> Kohlezuteilung. Insbeson<strong>der</strong>e wird die Nichtberücksichtigung von Familien mit<br />

kleinen Kin<strong>der</strong>n als untragbar bezeichnet. <strong>Die</strong> Bevölkerung sehe den Grund zu den getroffenen<br />

Massnahmen nicht in <strong>der</strong> englischen Blockade, <strong>der</strong>en Auswirkungen sie je<strong>der</strong>zeit auf sich nehmen<br />

würde, son<strong>der</strong>n vermute, da nach <strong>der</strong> Zurückgewinnung Oberschlesiens genügend Kohlen in<br />

Deutschland vorhanden seien, die Ursache <strong>der</strong> anhaltenden Knappheit in <strong>der</strong> Unzulänglichkeit <strong>der</strong><br />

<strong>Reich</strong>sbahn, die auf die Kriegslage und ihre erhöhten Anfor<strong>der</strong>ungen nicht genügend vorbereitet gewesen<br />

sei. [.....]<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 105) - 15. Juli 1940<br />

V. Wirtschaft<br />

Ablehnung von Freifahrtscheinen bei einberufenen <strong>Die</strong>nstverpflichteten.<br />

Einer aus Dresden vorliegenden Meldung zufolge sei in letzter Zeit wie<strong>der</strong>holt <strong>Die</strong>nstverpflichteten<br />

von ihren Angehörigen <strong>der</strong> ihnen in ihrem He<strong>im</strong>atwohnort zugestellte Einberufungsbefehl <strong>der</strong> Wehrmacht<br />

an den Ort <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstverpflichtung nachgeschickt worden. Aufgrund des Gestellungsbefehles<br />

hätten die <strong>Die</strong>nstverpflichteten versucht, von <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn einen Freifahrtschein zum Gestellungsort<br />

zu erhalten. <strong>Die</strong>se Anträge seien von den betreffenden <strong>Reich</strong>sbahndienststellen mit <strong>der</strong> Begründung<br />

abgelehnt worden, daß <strong>der</strong> Einberufungsbefehl den Vermerk trage: "Nicht nachzuschicken,<br />

wenn Empfänger verzogen". <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nstverpflichteten seien aber <strong>der</strong> Ansicht, daß sie trotz ihrer<br />

<strong>Die</strong>nstverpflichtung einen Wohnungswechsel nicht vorgenommen haben, weil sie ja ihre Wohnung in<br />

Seite 38


ihrem He<strong>im</strong>atort beibehalten und nur vorübergehend Aufenthalt in dem <strong>Die</strong>nstverpflichtungsort genommen<br />

hätten. Sie seien <strong>der</strong> Ansicht, daß ihnen nicht zugemutet werden könne, die teilweise erheblichen<br />

Kosten für die Fahrt vom <strong>Die</strong>nstverpflichtungs zum Gestellungsort selbst zu tragen. Das<br />

zuständige Wehrbezirkskommando, das um Erstattung <strong>der</strong> Beträge angegangen worden sei, habe<br />

erklärt, nicht in <strong>der</strong> Lage zu sein, die verauslagten Beträge zurückzuerstatten. <strong>Die</strong> in den Besitz eines<br />

Einberufungsbefehles gekommenen <strong>Die</strong>nstverpflichteten sind <strong>der</strong> Meinung, daß die <strong>Reich</strong>sbahndienststellen<br />

angewiesen werden müssten, vernunftgemäss zu handeln und Freifahrtscheine vom<br />

<strong>Die</strong>nstverpflichtungs zum Gestellungsort auszugeben, damit sie dem Einberufungsbehl Folge leisten<br />

könnten.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 110) - 29. Juli 1940<br />

V. Wirtschaft<br />

Einzelmeldungen<br />

[.....] 2. Meldungen aus <strong>Reich</strong>enberg und Bayreuth zufolge macht sich in <strong>der</strong> Personalbeför<strong>der</strong>ung in<br />

<strong>im</strong>mer stärkerem Masse die Beanspruchung <strong>der</strong> Transportmittel durch kleinere und grössere Wallfahrten<br />

unangenehm bemerkbar. So wollten an einem <strong>der</strong> letzten Sonntage einige Arbeiter aus Falkenau<br />

bei Eger zu ihren Arbeitsstätten nach Eger fahren, um dort ihren Sonntagsdienst auszuführen.<br />

Unter den Arbeitern hätten sich auch solche befunden, die in Rüstungsbetrieben beschäftigt sind. Am<br />

<strong>Bahn</strong>hof in Falkenau sei ihnen bekanntgegeben worden, daß <strong>der</strong> fahrplanmässige Frühzug überfüllt<br />

sei und keine Fahrkarten mehr ausgegeben bzw. keine Fahrgäste mehr in den Zug aufgenommen<br />

werden könnten. Nur auf Drängen <strong>der</strong> Arbeiter und unter dem Hinweis auf die Verantwortlichkeit habe<br />

sich <strong>der</strong> Schalterbeamte entschlossen, entgegen den einschlägigen Vorschriften Fahrkarten an diese<br />

Arbeiter zu verkaufen. Im Verlaufe <strong>der</strong> Fahrt habe sich herausgstellt, daß <strong>der</strong> Zug vorwiegend von<br />

Wallfahrern benutzt worden sei. Bei <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>station Maria-Kulm, einem bekannten Wallfahrtsort, habe<br />

sich <strong>der</strong> Zug beinahe vollkommen geleert. Auf die zurückbleibenden Reisenden, insbeson<strong>der</strong>e die<br />

Arbeiter, habe die Tatsache einer <strong>der</strong>art umfangreichen Inanspruchnahme <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong> durch die Wallfahrer<br />

entgegen den Auffor<strong>der</strong>ungen, alle nicht unbedingt notwendigen Reisen zu unterlassen, einen<br />

sehr ungünstigen Eindruck gemacht.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 129) - <strong>3.</strong> Oktober 1940<br />

V. Wirtschaft<br />

Einzelmeldung<br />

Aus Graz wird berichtet, daß die Kraftwagenstelle <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn in Fürstenfeld Fuhrleistungen,<br />

die von <strong>der</strong> Fahrbereitschaftsleistung wegen <strong>der</strong> gebotenen Sparsamkeit <strong>im</strong> Verbrauch von<br />

Treibstoffen abgelehnt würden, übernehmen soll.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 134) - 21. Oktober 1940<br />

V. Wirtschaft<br />

Meldungen über zunehmende Schwierigkeiten in <strong>der</strong> Gestellung von Güterwagen.<br />

Seite 39


Nach hier vorliegenden Meldungen hat sich die Lage in <strong>der</strong> Gestellung von Güterwagen zu Beginn<br />

dieses Monats verschlechtert. So wird u.a. aus Halle berichtet, daß die Braunkohlengruben zum<br />

Transport von Kohle zum Teil nicht mit Wagen versorgt werden können. In <strong>der</strong> Gestellung von Kohletransportwagen<br />

sei die Lage zur Zeit so, daß höchstens 70% des Normalbedarfes bereit gestellt<br />

werden könnten. Der Ausfall an Güterwagen für den Kartoffel, Rüben- und Salztransport sei in den<br />

letzten Tagen von 1 auf 40% gestiegen. Be<strong>im</strong> Kaliwerk Westeregeln konnten am 07.10.1940 nur 20%<br />

des angefor<strong>der</strong>ten Bedarfs gestellt werden. Wie es in dem Bericht aus Halle weiter heisst, hätten in<br />

dem angegebenen Zeitraum die Verkehrsschwierigkeiten <strong>im</strong> Netz <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahndirektion Halle den<br />

Schwierigkeiten des Frühjahres 1940 entsprochen. Hinzu käme, daß Lok-Führer, Schaffner usw. bis<br />

zu 20 Stunden unterwegs sein müssten. In einer Meldung aus Darmstadt heisst es, daß die Transportlage<br />

nach wie vor gespannt sei, beson<strong>der</strong>s während des jetzigen Herbstverkehrs, mache sich <strong>der</strong><br />

Mangel an La<strong>der</strong>aum in einem noch grösseren Masse bemerkbar. Aus Koblenz wird berichtet, daß<br />

die vorübergehende Besserung in <strong>der</strong> Waggongestellung einen starken Rückschlag erlitten habe und<br />

augenblicklich innerhalb des gesamten <strong>Reich</strong>sbahndirektionsbezirkes Köln ein solcher Mangel herrsche,<br />

daß oft für die dringensten Fälle die notwendigen Güterwagen nicht gestellt werden könnten.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e würde dadurch die Bauindustrie betroffen. <strong>Die</strong> B<strong>im</strong>sindustrie in Ormuetz und die Kirner<br />

Hartsteinindustrie hätten nur 10% des angefor<strong>der</strong>ten Waggonbedarfs zugewiesen erhalten, so daß<br />

dadurch Lieferungen für Rüstungszwecke nicht hätten ausgeführt werden können. Berlin meldet in<br />

diesem Zusammenhange, daß be<strong>im</strong> Güterverkehr <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn in letzter Zeit wie<strong>der</strong> mehr Stockungen<br />

zu beobachten sein. Betroffen würden hiervon hauptsächlich kriegs- und lebenswichtige Betriebe.<br />

Expressendungen sollen bis zu 14 Tage, gewöhnliche Frachtgutsendungen sogar bis zu 4 Wochen<br />

dauern. In einem Bericht aus Neustadt an <strong>der</strong> Weinstrasse heisst es, daß die Verkehrslage nicht<br />

mehr so günstig sei wie in den Vorwochen. <strong>Die</strong> Güterwagenversorgung würde sich täglich in zunehmendem<br />

Masse verschlechtern. <strong>Die</strong> Mangellage <strong>der</strong> G.-Wagen habe hauptsächlich den Thomas-<br />

Mehltransport stark getroffen. Stettin berichtet dazu, daß sich die Wagenlage in den letzten Tagen<br />

ungünstig entwickelt habe, so daß durchschnittlich 12% <strong>der</strong> nicht bevorzugten Wagengestellung nicht<br />

ausgeführt werden könnte. Bei R.- und Gl.-Wagen würden sich die Ausfälle sogar auf 20 - 22% belaufen.<br />

Von <strong>der</strong> Ernährungswirtschaft würde geltend gemacht, daß <strong>der</strong> Ausfall von Wagen für Fabrik-<br />

Kartoffeln zeitweilig 50% betrage. <strong>Die</strong> Zufuhr von Hausbrand müsse nach wie vor als unzureichend<br />

bezeichnet werden, so daß die Bevorratung bei weitem nicht den erfor<strong>der</strong>lichen Umfang ausweise.<br />

<strong>Die</strong> Verschlechterung <strong>der</strong> Lage auf dem Transportsektor wirkt sich - nach den hier vorliegenden Meldungen<br />

- dahingehend aus, daß in <strong>der</strong> Wirtschaft z.T. bereits Befürchtungen laut werden, daß dieselben<br />

Schwierigkeiten wie in den Wintermonaten 1939/40 wie<strong>der</strong> auftreten könnten.<br />

Zur Geltungsdauer <strong>der</strong> Arbeiterrückfahrkarten bei <strong>Die</strong>nstverpflichteten.<br />

<strong>Die</strong> Arbeiterrückfahrkarten, die jetzt sowohl an Beamte, Angestellte und Arbeiter unter best<strong>im</strong>mten<br />

Voraussetzungen ausgegeben werden, haben eine Geltungsdauer von längstens 14 Tagen, den Tag<br />

<strong>der</strong> Lösung eingerechnet. Als Preis wird für die einfache Fahrt <strong>der</strong> Fahrpreis <strong>3.</strong> Klasse erhoben, so<br />

daß damit eine 50%ige Ermässigung gewährt wird. <strong>Die</strong>se Ermässigung wird nun nicht nur von den<br />

aus dem Altreich nach <strong>der</strong> Ostmark abgeordneten Beamten und Angestellten, son<strong>der</strong>n auch von den<br />

<strong>im</strong> Generalgouvernement abgeordneten und ganz beson<strong>der</strong>s von den aus <strong>der</strong> Ostmark in das Altreich<br />

dienstverpflichteten Arbeitern in Anspruch genommen und zwar zum Besuch ihrer Familien während<br />

ihrer Urlaubszeit. <strong>Die</strong>ser Urlaub beträgt meistens 14 Tage und darüber werden in den meisten Fällen<br />

vom Arbeitgeber noch zusätzliche Reisetage bewilligt. Da die Geltungsdauer <strong>der</strong> Arbeiterrückfahrkarten<br />

mit dem 14. Tag 24 Uhr vom Lösungstag an gerechnet, erlischt, müssen die Benutzer dieser Kar-<br />

Seite 40


te dann entwe<strong>der</strong> vorzeitig ihren Urlaub abbrechen und die Resttage des Urlaubs statt bei ihrer Familie<br />

allein <strong>im</strong> Arbeitsort verbringen, o<strong>der</strong> aber müssen diese Urlauber sich für die Rückfaht zum Arbeitsort<br />

eine neue Fahrkarte zum vollen Preis lösen. Da es sich oft um weite Strecken handelt (Kiel,<br />

Helgoland usw.) beträgt in solchen Fällen <strong>der</strong> Fahrpreis 40 - 50 RM und mehr, was sich nicht nur Beamte<br />

nicht, son<strong>der</strong>n noch viel weniger dienstverpflichtete Arbeiter leisten können. Aus diesem Grunde<br />

werden an die <strong>Die</strong>nststellen <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> von den Betroffenen Gesuche um Verlängerung<br />

<strong>der</strong> Geltungsdauer solcher Arbeiterrückfahrkarten gestellt. <strong>Die</strong>se Ansuchen müssen aber nach<br />

den Tarifbest<strong>im</strong>mungen abgelehnt werden, und zwar auch bei nachgewiesener Krankheit o<strong>der</strong> Mittellosigkeit.<br />

Es werden aber auch jene Reisenden mit Arbeiterrückfahrkarten, <strong>der</strong>en Geltungsdauer infolge<br />

Zug- und Anschlussversäumnissen vorzeitig abgelaufen sind, zur Nachzahlung angehalten.<br />

Meist sind diese nach ihrem Urlaub nicht mehr <strong>im</strong> Besitze von Geldmitteln und wird von ihnen daher<br />

nachträglich <strong>der</strong> Nachzahlungsbetrag zum vollen Fahrpreis mit Zuschlag unter Androhung gerichtlicher<br />

Schritte verlangt.<br />

<strong>Die</strong> vorschriftsmäßige Anwendung <strong>der</strong> Tarifbest<strong>im</strong>mungen durch die <strong>Reich</strong>sbahnstellen löst in diesen<br />

Fällen - den Meldungen zufolge - bei den Betroffenen Missmut, Klagen und Beschwerden aus. Es<br />

wird daher angeregt, die Gültigkeit <strong>der</strong> Karten für die Dauer des vom Betriebsführer bescheinigten<br />

Urlaubs festzusetzen. Eine Verlängerung <strong>der</strong> Gültigkeitsdauer - z.B. <strong>im</strong> Krankheitsfalle - könnte von<br />

einer Bescheinigung <strong>der</strong> Krankenkasse abhängig gemacht werden.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 137) - 31. Oktober 1940<br />

V. Wirtschaft<br />

Einzelmeldungen<br />

[.....]<br />

2. Nach einer hier eingelaufenen Meldung werden von <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn, beispielsweise in<br />

Waidhofen, seit einiger Zeit den <strong>Reich</strong>sbahnarbeitern Le<strong>der</strong>schuhe leihweise zur Verfügung gestellt.<br />

<strong>Die</strong> Arbeiter müssen erklären, daß sie nur 1 Paar Schuhe besitzen. <strong>Die</strong> Leihschuhe werden ausschliesslich<br />

an solche Arbeiter ausgegeben, die unter den schwierigsten Verhältnissen <strong>im</strong> Freien<br />

<strong>Die</strong>nst machen müssen, z.B. Verschubbedienstete, Umladearbeiter u.a. Als Leihgebühr verlangt die<br />

<strong>Reich</strong>sbahn - <strong>der</strong> Meldung zufolge - je Woche RM --,40. <strong>Die</strong> Höhe des Betrages an und für sich würde<br />

von den Arbeitern kaum kritisiert werden, wenn sie nur einigermassen in einem Verhältnis zur<br />

Qualität <strong>der</strong> Schuhe stände. Es habe sich jedoch herausgestellt, daß diese Schuhe bei Gebrauch<br />

nach einigen Stunden <strong>im</strong> nassen Gelände unbrauchbar würden. Eine selbständige Beschaffung von<br />

Arbeitsschuhen für die Arbeiter durch Ausgabe von Bezugsscheinen bei den Wirtschaftsämtern werde<br />

unter Hinweis auf diese Aktion <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn erschwert, da die Wirtschaftsämter die Antragsteller<br />

auf die geschil<strong>der</strong>te Möglichkeit <strong>der</strong> Beschaffung von Arbeitsschuhen verweisen.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 139) - 7. November 1940<br />

V. Wirtschaft<br />

Einzelmeldungen<br />

1. Aus Bayreuth wird gemeldet, daß die AEG zur Durchführung <strong>der</strong> Elektrifizierung <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>strecke<br />

Berlin - München auf <strong>der</strong> Bamberger Baustelle neben ca. 300 deutschen Arbeitern rund 140 ausländi-<br />

Seite 41


sche Arbeiter (Hollän<strong>der</strong>, Slowaken, Tschechen) beschäftigt. Während <strong>der</strong> deutsche Stammarbeiter<br />

aufgrund <strong>der</strong> tariflichen Best<strong>im</strong>mungen eine tägliche Auslösung von RM 2,50 und <strong>der</strong> nicht ständig<br />

beschäftige deutsche Arbeiter eine solche von RM 1,50 erhält, erhalten die Auslän<strong>der</strong> angeblich eine<br />

solche von RM 4,50. <strong>Die</strong>se unterschiedliche Behandlung habe bei den deutschen Arbeitern Unzufriedenheit<br />

ausgelöst, zumal bei den deutschen und ausländischen Arbeitern die gleichen Lebensunterhaltungskosten<br />

anfallen. Den ausländischen Arbeitern sei es daher möglich, von ihrem wöchentlichen<br />

Arbeitsverdienst (durchschnittlich RM 90,-- neben <strong>der</strong> Auslösung) Ersparnisse bis zu RM 75,-- zu machen,<br />

was den deutschen Arbeitern aufgrund <strong>der</strong> niedrigeren Auslösungssätze nicht möglich sei. [.....]<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 142) - 18. November 1940<br />

V. Wirtschaft<br />

[.....]<br />

Meldungen über auftretende Transportschwierigkeiten.<br />

Aus allen Teilen des <strong>Reich</strong>es wird über eine zunehmende Verschlechterung <strong>der</strong> Transportlage bei <strong>der</strong><br />

<strong>Reich</strong>sbahn berichtet. Der Waggonmangel und die betrieblichen Schwierigkeiten <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn<br />

führten - den Meldungen zufolge - dazu, daß eine grosse Anzahl von wichtigen Transporten zurückgestellt<br />

werden müsste bzw. sich bereits viele Firmen gezwungen sähen, bei den zuständigen Stellen<br />

darauf hinzuweisen, daß bei Fortbestand <strong>der</strong> Schwierigkeiten mit <strong>der</strong> Stillegung <strong>der</strong> Betriebe zu rechnen<br />

sei. In Kreisen <strong>der</strong> Wirtschaft sehe man bereits heute mit grösster Sorge dem kommenden Winter<br />

entgegen und äussere vereinzelt bereits die Befürchtung, daß die Transportschwierigkeiten in den<br />

kommenden Wintermonaten noch grösser werden könnten als <strong>im</strong> vergangenen Winter. Aus Dresden<br />

wird dazu berichtet, daß die Wagenlage bei allen Wagengattungen wesentlich ungünstiger geworden<br />

sei. <strong>Die</strong> Wagenausfälle selbst bei den Gütern mit Stichwortzetteln <strong>der</strong> Gruppe I (Krieg) seien sehr<br />

fühlbar gewesen. Auch bei Gruppe II (Vorzugsgüter) seien allenthalben Ausfälle zu verzeichnen gewesen.<br />

Bei den Gütern <strong>der</strong> Gruppe III (übrige Güter) hätten nur für einen geringen Teil Wagen zugeteilt<br />

werden können, was sich bei den Rohstoffanlieferungen für die kriegswichtige Industrie betriebshemmend<br />

auswirken würde. In einer Meldung aus Düsseldorf heisst es u.a., daß die relativ gute Wagenstellung<br />

für Kohle nur unter schärfster Drosselung für alle an<strong>der</strong>en Güter hätte erfolgen können.<br />

Seit etwa 3 Wochen läge die prozentuale Zuweisung für Roheisen, Rohstahl, Halbzeug usw. bei 10%<br />

<strong>der</strong> angefor<strong>der</strong>ten Mengen. Zahlreiche Werke <strong>der</strong> eisenverarbeitenden Industrie seien durch die Min<strong>der</strong>belieferung<br />

bereits in Mitleidenschaft gezogen. Ebenso seien für Erze und ähnliche Produkte in<br />

<strong>der</strong> letzten Zeit durchschnittlich nur 10% <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen gedeckt worden. Auch bei den Werken,<br />

die Kiesabbrände versenden, sei die Lage ernst geworden. So würden allein bei einem Werk z.Zt.<br />

5.000 Tonnen Kiesabbrände, die an<strong>der</strong>erseits wie<strong>der</strong> von den Verbrauchern dringend benötigt würden,<br />

lagern. <strong>Die</strong> Wagenstellung für Schrott habe ebenfalls in den letzten Wochen <strong>im</strong> allgemeinen bei<br />

10% gelegen. <strong>Die</strong> in Betracht kommenden Verbraucher sollen bereits ihre Wintervorräte angegriffen<br />

haben, obwohl insbeson<strong>der</strong>e bei Stahlschrott die Bevorratung weit unter <strong>der</strong> Höhe des Vorjahres liege.<br />

Werke, die Formsand und Formmasse zu versenden haben, hätten schon den Vorschlag gemacht,<br />

auf eigene Kosten Schadwagen <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn zu reparieren und nach einem Ablauf von<br />

einigen Monaten <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn ohne Berechnung wie<strong>der</strong> zur Verfügung zu stellen, um überhaupt<br />

die Möglichkeit zu haben, ihre Produkte abzufahren. In letzter Zeit hätten selbst Sendungen Speer I<br />

und II angeblich bis auf 30% gedrosselt werden müssen.<br />

In einer Meldung aus Liegnitz wird u.a. zum Ausdruck gebracht, daß auf den Strecken wie<strong>der</strong> die<br />

gleichen Wartezeiten wie <strong>im</strong> Vorjahr eingetreten seien. Für Strecken, die normalerweise innerhalb ei-<br />

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ner Stunde zurückzulegen wären, benötige ein Güterzug heute oft 6 - 8 Stunden. Aus dem Kreis Rothwasser<br />

wird gemeldet, daß dort mehrere Wagen (gefüllt mit 687 halben Schweinen, die als Eilgut<br />

von Bremen nach Kattowitz beför<strong>der</strong>t werden sollten) mit verwester Ladung angekommen seien. Es<br />

wird weiter berichtet, daß auch <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Züge mit Genussmitteln (Äpfel usw.) durch die langen<br />

Wartezeiten verdorben worden wäre. Geschlossene Kohlezüge ständen tagelang auf den <strong>Bahn</strong>höfen,<br />

obwohl sie keinen <strong>Bahn</strong>hof zu belasten brauchten.<br />

Auch <strong>im</strong> Arbeiterbeför<strong>der</strong>ungsverkehr sind den Meldungen zufolge erneut Schwierigkeiten zu beobachten.<br />

So wird beispielsweise aus Bitterfeld berichtet, daß die planmässigen Züge unverhältnismässig<br />

lange Verspätungen aufweisen würden, wodurch beispielsweise die Belegschaft <strong>der</strong> Leipziger<br />

Leichtmetallwerke, die mit <strong>der</strong> zweiten Schicht um 22 Uhr aufhört, um 4 Uhr morgens noch nicht hätte<br />

abtransportiert werden können. Es wird in dem Bericht darauf hingewiesen, daß <strong>der</strong>artige Verkehrsstörungen<br />

und Stockungen sich bei einem weiteren allgemeinen Zunehmen beson<strong>der</strong>s auf die Industriearbeiter<br />

nachteilig auswirken würden. In diesem Zusammenhang wird aus Merseburg gemeldet,<br />

daß die zum Abtransport <strong>der</strong> Leuna-Arbeiter seitens <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn bereitgestellten Schichtzüge in<br />

den meisten Fällen eine <strong>der</strong>artige Überfüllung aufweisen, daß sich auch hieraus st<strong>im</strong>mungsmässig<br />

ungünstige Auswirkungen für die betroffenen Gefolgschaftsangehörigen dieses Werkes ergeben.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 147) - 5. Dezember 1940<br />

IV. Verwaltung und Recht<br />

Zur wirtschaftlichen Lage <strong>der</strong> Beamtenschaft.<br />

[.....] Bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahnsparkasse sind beispielsweise in <strong>der</strong> Zeit vom 1.6 -31.10.1940 von Beamten<br />

folgende Darlehen aufgenommen worden:<br />

Bes.Gr.! Anz. d. Darlehen! Höhe d.ges.Darl.! Durchschnittshöhe <strong>der</strong> Darlehen<br />

2 (ORR)! 1! 1.838 RM! 1.838 RM (Verh.d.Tochter)<br />

3 (RR)! 1! 415 RM! 415 RM<br />

6 (ROI)! 5! 2.908 RM! 582 RM<br />

7 (RI)! 34! 9.567 RM! 281 RM<br />

8 (ROS)! 9! 1.529 RM! 170 RM (f.d.Ausbd.d.Kin<strong>der</strong> u. !<br />

! ! ! Lebensm.)<br />

9 (RS u. Kokf.)! 59! 19.952 RM! 338 RM<br />

10 (Zugf.)! 19! 4.059 RM! 214 RM<br />

11 (ASS usw.)! 41! 9.305 RM! 227 RM<br />

12 (Stellwk. u. Rangiermstr.) 31! 5.570 RM! 180 RM<br />

13 (Lokhz. u. Rbw.)! 34! 6.169 RM! 181 RM<br />

14 (Rba)! 16! 2.378 RM! 149 RM<br />

15 (Weichenw.)! 146! 30.909 RM! 212 RM<br />

16 (Amtsgeh.)! 11! 1.702 RM! 155 RM<br />

17 (<strong>Bahn</strong>wrt.)! 5! 950 RM! 190 RM<br />

Summe:! 412! 97.251 RM<br />

[.....]<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 152) - 9. Januar 1941<br />

Seite 43


V. Wirtschaft<br />

Schneefälle verschärfen die Transportlage <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn - Schwerste Verkehrsstörungen in verschiedenen<br />

Teilen des <strong>Reich</strong>es vom 2. - 6.1.1941. <strong>Die</strong> mit dem 2.1.1941 beginnenden Schneefälle<br />

haben den Meldungen zufolge zu aussergewöhnlichen Störungen <strong>der</strong> Verkehrsverbindungen geführt.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e wurden davon Süddeutschland, Thüringen, Oberfranken, Oberpfalz und die Mittelgebirge<br />

betroffen. Der Verkehr wurde in diesen Gebieten fast überall zum Erliegen gebracht. So war zunächst<br />

vom 2. - 5.1.1941 je<strong>der</strong> direkte von Bayern nach dem Norden unterbrochen. In den Städten<br />

Bamberg, Lichtenfels und Hof stauten sich vom 2. - 6.1.1941 Tausende von Urlaubern und Reisenden,<br />

die nicht mehr weiterfahren konnten und teilweise für 48 Stunden die <strong>Bahn</strong>höfe bevölkerten, ohne<br />

die Möglichkeit zu haben, mit den am 5.1.1941 eingesetzten Zügen weiterzukommen, da diese<br />

bereits von München als erstmalige Direktzüge nach dem Norden vom Ausgagsbahnhof München so<br />

überfüllt waren, daß selbst in Nürnberg ein Zusteigen nicht möglich war. In den kleineren Orten konnte<br />

die Versorgung dieser Reisenden oft nicht mehr durchgeführt werden, da die Gaststätten in den auf<br />

den Strecken liegenden Ortschaften von den zur Fre<strong>im</strong>achung <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>anlagen eingesetzten militärischen<br />

Formationen von Lebensmitteln ausgekauft waren. In Einzelfällen seien Züge 2 - 3 Tage eingeschneit<br />

und ganze Ortschaften völlig von jedem Verkehr abgeschnitten gewesen.<br />

Gerüchte, daß die Verkehrsstörungen die Versorgung <strong>der</strong> Bevölkerung weiterer Gebiete mit Lebensmitteln<br />

lahmlegen würden, haben sich nicht bestätigt. In den gefährdeten Orten seien genügend Lebensmittelvorräte<br />

vorhanden gewesen.<br />

Wie aus den Berichten hervorgeht, seien die Reisenden darüber unzufrieden gewesen, daß sie von<br />

dem Auskunftspersonal oft keinerlei Auskünfte hätten erhalten können. <strong>Die</strong>se seien z.T. vollkommen<br />

kopflos gewesen und "hätten nicht mehr ein noch aus gewusst". Verschiedentlich werde zum Ausdruck<br />

gebracht, daß die <strong>Reich</strong>sbahn von den Verhältnissen vollkommen überrascht worden sei. Es<br />

stünden viel zu wenig Schneepflüge zur Verfügung, so daß die Fre<strong>im</strong>achug <strong>der</strong> Strecken fast überall<br />

nur mit Hilfe <strong>der</strong> Wehrmacht, Parteiformationen, techn. Nothilfe, Gefangenen usw. hätte durchgeführt<br />

werden können. Von Wirtschaftskreisen wird vor allem darüber geklagt, daß die plötzlich einsetzenden<br />

Schwierigkeiten die verschiedenen <strong>Reich</strong>sbahndirektionen veranlasst hätten, unabhängig voneinan<strong>der</strong><br />

Gütersperren zu verhängen, die, wie <strong>im</strong> letzten Jahr, die Gefahr mit sich brächten, daß Betriebe<br />

wegen Kohlen- o<strong>der</strong> Rohstoffmangels schliessen müssten.<br />

Im einzelnen wird dazu z.B. aus Breslau berichtet: "<strong>Die</strong> Verkehrsschwierigkeiten <strong>der</strong> letzten Tage hatten<br />

zur Folge, daß sowohl die Kohlen- als auch die Rohstoffversorgung stark in Verzug geraten ist,<br />

zumal die Kohlenbevorratung <strong>der</strong> Industrie verhältnismässig gering war. In Schweidnitz kam die<br />

Baumwoll-Industrie GmbH 14 Tage wegen Kohlenmangels zum Erliegen. Das Glashüttenwerk Rohrbach<br />

wollte den Betrieb wegen Kohlenmangels ebenfalls einstellen. In letzter Stunde konnte <strong>der</strong><br />

Landrat Kohlen aus Staubbeständen zuweisen. Es wird befürchtet, daß infolge <strong>der</strong> vorliegenden<br />

Transportschwierigkeiten weitere Betriebsstilllegungen o<strong>der</strong> -Einschränkungen erfolgen werden.<br />

In einer Meldung aus München heisst es, daß schon seit Mitte Dezember ausschliesslich durch Verkehrsschwierigkeiten<br />

eine ernste Lage in <strong>der</strong> Kohlenversorgung gegeben sei. Seit Anfang Dezember<br />

seien die Zufuhren <strong>im</strong>mer geringer geworden und seit Mitte Dezember hätten sie praktisch aufgehört.<br />

Ab Mitte Januar würden grössere Versorgungsschwierigkeiten und Stilllegungen von kurzer Dauer<br />

erwartet. Aus Warschau wird berichtet, daß die Verkehrslage <strong>im</strong> gesamten Gouvernment sehr<br />

schlecht sei. So sei beispielsweise das Elektrizitätswerk Pruskow wegen Kohlenmangels nicht mehr<br />

in <strong>der</strong> Lage, Betriebsstrom für die elektr. Eisenbahn abzugeben.<br />

Seite 44


<strong>Die</strong> Gaswerke in Lübeck und Eger drohen nach den Meldungen ebenfalls wegen mangeln<strong>der</strong> Kohlenzufuhr<br />

zum Erliegen zu kommen. Zu schwerwiegenden Störungen kommt es vor allem auch durch<br />

die starken Zugverspätungen <strong>im</strong> Arbeiterverkehr. Aus Nürnberg wird dazu z.B. gemeldet, daß <strong>der</strong><br />

Nahverkehr <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn schon be<strong>im</strong> Einsatz verhältnismässig geringer Kältegrade<br />

o<strong>der</strong> Schneefälle schon bis zu 3 - 4 Stunden Verspätung aufzuweisen habe. Als Beispiel wird angeführt,<br />

daß ein um 4 Uhr früh in Regensburg abgehen<strong>der</strong> Personenzug von 17 Stationen etwa 400 Arbeiter<br />

nach Nürnberg zu bringen habe. <strong>Die</strong>ser Zug hätte bei einer Gesamtfahrdauer von etwa 1 3/4<br />

Stunden in <strong>der</strong> letzten Zeit Verspätungen von 1 1/2 bis 2 Stunden aufzuweisen und sei am <strong>3.</strong>1.1941<br />

wegen etwa 30 cm hohen Schneefalls vollkommen ausgefallen. Der Verlust <strong>der</strong> Arbeitsstunden habe<br />

an diesem Tage allein bei einem Werk 1.400 Stunden betragen. Ähnliche Auswirkungen wurden aus<br />

an<strong>der</strong>en Werken berichtet. Eine grosse Anzahl von Arbeitern falle unter diesen Transportbedingungen<br />

ganz aus, wodurch den Betroffenen Lohnausfälle entstünden, die zu st<strong>im</strong>mungsmässigen Auswirkungen<br />

führten.<br />

Wie in an<strong>der</strong>en Meldungen ausgeführt wird, entstehen auch Schwierigkeiten infolge mangelhafter<br />

Vorräte an Ersatzgeräten. Dazu wird aus Graz berichtet, daß dort durch Auffahren einer unrichtig gestellten<br />

Weiche eine Strecke für drei Tage gesperrt gewesen sei, da sich in <strong>der</strong> ganzen Ostmark keine<br />

Ersatzschiene für die durch das Auffahren verbogene auftreiben liess. <strong>Die</strong> erfor<strong>der</strong>liche Schiene<br />

musste über Berlin angefor<strong>der</strong>t werden und wurde von München zugewiesen, wo sie nach 4 Tagen<br />

eintraf und schliesslich nicht mehr verwendet werden konnte, da sie nicht passte. Inzwischen war die<br />

alte Schiene so weit zugerichtet worden, daß mit mässiger Geschwindigkeit darüber gefahren werden<br />

konnte.<br />

Das Personal <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn ist durch die Betriebsschwierigkeiten natürlich stark überbeansprucht.<br />

Lokomotiv- und Zugbegleitungspersonal seien teilweise 50 - 65 Stunden unterwegs gewesen. Es sei<br />

vorgekommen, daß Güterzüge nicht rechtzeitig abfahren konnten, weil <strong>der</strong> Lokomotivführer noch mit<br />

einem an<strong>der</strong>en Zug unterwegs war. Eine Folge <strong>der</strong> Überbeanspruchung sei, wie es in den diesbezüglichen<br />

Meldungen weiter heisst, das Ansteigen <strong>der</strong> Krankenziffern bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn. So sei z.B. die<br />

<strong>Reich</strong>sbahndirektion Augsburg, die z.Zt. einen Krankenstand von 16% aufweise, dazu übergegangen,<br />

die leichterkrankten Gefolgschaftsmitglie<strong>der</strong> durch Beamte besuchen zu lassen, um sie zu bitten, die<br />

Arbeit wie<strong>der</strong> aufzunehmen. In einer Meldung aus Danzig heisst es in diesem Zusammenhang, daß<br />

seitens <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahnbeamten <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> über den starken Mangel an Personal geklagt werde.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Reich</strong>sbahndirektion Danzig sei bereits dazu übergegangen, 50% ihrer Belegschaft in den Betrieb<br />

hinaus zu schicken. Beson<strong>der</strong>s fehle es an Lokomotivführern. Ähnliche Meldungen liegen aus Dresden<br />

vor. Von <strong>der</strong> Wirtschaft wird diese Entwicklung mit steter Sorge betrachtet. In den verschiedenen<br />

Teilen des <strong>Reich</strong>es stünden Betriebe vor <strong>der</strong> Stillegung bzw. hätten die Befürchtung wegen Transportschwierigkeiten<br />

in den nächsten Tagen stillegen zu müssen.<br />

Aus Halle wird z.B. berichtet, daß <strong>der</strong> Rückstau grösser sei als <strong>im</strong> schneereichen Februar 1940. - In<br />

Bezug auf den Güterverkehr würden die Auswirkungen <strong>der</strong> Störungen erst in voller Stärke für die<br />

kommenden Tage erwartet.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 176) - <strong>3.</strong> April 1941<br />

V. Wirtschaft<br />

Auswirkungen von Transportschwierigkeiten auf die Produktionsfähigkeiten <strong>der</strong> Industrie.<br />

Seite 45


In letzter Zeit eingegangene Meldungen besagen, daß die Transportverhältnisse bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft erneut verstärkte Schwierigkeiten bereiten. Zu <strong>der</strong> schon früher erwähnten mangelnden<br />

Waggongestellung sei als neues Moment die in verschiedenen Bezirken verhängte Transportsperre<br />

getreten.<br />

Einzelne Meldungen über bisherige Auswirkungen sollen zur Unterbauung kurz angeführt werden:<br />

Über mangelnde Waggongestellung wird u.a. aus dem Bezirk Frankfurt/O<strong>der</strong> geklagt, wo die Kalksteinindustrie<br />

nicht genügend Wagen für den Transport von Spezialkisten zur Verfügung habe. Aus<br />

dem gleichen Grunde fehle in <strong>der</strong> Glasindustrie <strong>der</strong> Nachschub notwendiger Rohstoffe. In <strong>der</strong> Leinenindustrie<br />

wirke sich dieser Mangel an Wagen insofern beson<strong>der</strong>s aus, als ein grosser Teil des bei<br />

den Bauern versandtbereit gehaltenen Flachses nicht abgeholt werden könne und an<strong>der</strong>erseits die<br />

Läger <strong>der</strong> Röstbetriebe überfüllt wären, weil auch dort ein Abtransport <strong>der</strong> Erzeugnisse infolge Waggonmangels<br />

nicht möglich wäre (Meldungen über die schwierige Lage <strong>der</strong> Röstbetriebe wurden bereits<br />

<strong>im</strong> Bericht Nr. 171 S. 22 wie<strong>der</strong>gegeben. Eine weitere Beladung würden die neuerdings gemeldeten<br />

Transportschwierigkeiten ergeben.)<br />

Der gleichfalls verstärkt in Erscheinung getretene Mangel an Kohle habe in Wittenberg am 16. März<br />

zur Stillegung <strong>der</strong> <strong>der</strong> Kurmärkischen Zellwolle Zellulose AG geführt. Nach einer Meldung aus Tilsit<br />

musste das Werk Memel <strong>der</strong> Achaffenburger Zellstoffwerke am 28. März stillgelegt werden. <strong>Die</strong><br />

Zellstoffwerke Tilsit dürften nur noch bis etwa 10. April 1941 mit ihren Vorräten an Betriebskohlen<br />

auskommen. In verschiedenen Städten des dortigen Bezirks träten infolge Ausbleibens jeglicher Kohlenzüge<br />

erneut Schwierigkeiten in <strong>der</strong> Hausbrandversorgung auf. Meldungen aus Strassburg besagen,<br />

daß die Kammgarnspinnerei Malmerspach am 1<strong>3.</strong> März ihren Betrieb schliessen musste, da sie<br />

in Thüringen bestellte Zellwolle infolge <strong>der</strong> Gütersperre nicht erhalten könne. Sächsische Baumwollspinnereien<br />

(u.a. Leipzig) hätten durch das Nichthereinkommen des Rohstoffes ebenfalls Produktionsstörungen.<br />

Dort wäre auch ein Abtransport <strong>der</strong> fertigen Produkte nicht möglich; tage- und wochenlang<br />

lägen diese oft bei den Firmen bzw. Spediteuren. demzufolge ergäben sich grössere Störungen<br />

bei <strong>der</strong> weiterverarbeitenden Industrie. <strong>Die</strong> beson<strong>der</strong>s in den mitteldeutschen Bezirken zeitweilig verhängte<br />

Gütersperre wäre laut Bericht aus Dessau nicht zuletzt auf eine Verknappung an O.-Wagen<br />

zurückzuführen. Nach mehreren aus dem Bezirk Breskau vorliegenden Meldungen bedrohen Verkehrsschwierigkeiten<br />

in Verbindung mit <strong>der</strong> Annahmsperre u.a. die Produktionsfähigkeit <strong>der</strong> Porzellanfabrik<br />

Tielsch u. Co. in Waldenburg-Altwasser (Belegschaft 900 Mann). Der Betrieb könne nur<br />

mit grösster Mühe aufrecht erhalten werden, da in den letzten Wochen die Zufuhren von Kaolin und<br />

an<strong>der</strong>en Rohstoffen aus Mitteldeutschland so gut wie ganz aufgehört hätten. Durch Verhandlungen<br />

mit den zuständigen <strong>Reich</strong>sbahnstellen wäre versucht worden, eine Lockerung <strong>der</strong> Annahmesperre<br />

herbeizuführen. Hierbei hätte jedoch die RBD Breslau zur Übernahme <strong>der</strong> angebotenen Güter gefor<strong>der</strong>t,<br />

daß ihr eine Annahmebewilligung <strong>der</strong> zuständigen mitteldeutschen Direktion vorgelegt werde;<br />

umgekehrt verlangten die mitteldeutschen Direktionen zunächst eine Übernahmebestätigung <strong>der</strong><br />

Breslauer RBD. <strong>Die</strong>se Auffor<strong>der</strong>ungen zweier <strong>Reich</strong>sbahndirektionen hätten zu vermehrten Versorgungsstörungen<br />

<strong>der</strong> Industrie in diesem <strong>Reich</strong>sbahndirektionsbereich geführt. In <strong>der</strong> gleichen Lage<br />

befände sich, wie ebenfalls aus Breslau berichtet wird, eine Zündholzfabrik in <strong>der</strong> Grafschaft Glatz.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Reich</strong>sbahn sei zwar zum Abtransport <strong>der</strong> Fertigware, da es sich um ein lebenswichtiges Gut<br />

handele, verpflichtet; an<strong>der</strong>erseits bestünden Schwierigkeiten, die notwendigen Rohstoffe wie Paraffin<br />

und Phosphor heranzubekommen, weil diese Chemikalien wie<strong>der</strong> unter die Sperre <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn<br />

fielen. Hinsichtlich <strong>der</strong> Wagengestellung in Oberschlesien wird aus Kattowitz berichtet, daß von den<br />

für das dortige Kohlenrevier bisher erfo<strong>der</strong>lichen 25.000 Wagen z.Zt. nur noch etwa 18.000 gestellt<br />

Seite 46


werden könnten. <strong>Die</strong>se Zahl würde sich in den nächsten Tagen auf etwa 12.000 bis 14.000 vermin<strong>der</strong>n<br />

und während des ganzen Monats April wahrscheinlich die Ziffer 12.000 unterschreiten. Aus dem<br />

Bezirk Hamburg liegen ähnliche Meldungen vor.<br />

In den Meldungen wird zum Ausdruck gebracht, daß die betroffenen Kreise <strong>der</strong> Wirtschaft zwar die<br />

an<strong>der</strong>weitigen Anspannungen und Belastungen <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn durchaus zu würdigen wissen, daß<br />

sie jedoch die Auswirkungen vor allem in den lebenswichtigen Industriezweigen mit ernster Sorge<br />

feststellen.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 185) - 12. Mai 1941<br />

I. Allgemeines<br />

Einzelmeldungen<br />

1. Gerüchte mit allgemeiner Verbreitung:<br />

Vom 14. - 25. Mai setze eine große Gütersperrung ein, während dieser Zeit würden auch Personenzüge<br />

nur in geringster Zahl verkehren. Der Grund sei in riesigen Truppen- und Materialtransporten zu<br />

suchen. [.....]<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 194) - 16. Juni 1941<br />

V. Wirtschaft<br />

Einzelmeldung<br />

Wie aus <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>shauptstadt gemeldet wird, werde in <strong>der</strong> Berliner Bevölkerung darüber gesprochen,<br />

daß mehrere Wagen geschlachteter Kälber aus Dänemark infolge zu langer Lagerung verdorben seien.<br />

Im Hinblick auf die angespannte Versorgungslage gerade bei Fleisch habe dies starke Missst<strong>im</strong>mung<br />

ausgelöst.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 198) - 30. Juni 1941<br />

V. Wirtschaft<br />

Meldungen über Missstände <strong>im</strong> Reiseverkehr <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn.<br />

<strong>Die</strong> Fernzüge <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn sollen nach den vorligenden Meldungen z.Zt. <strong>der</strong>massen<br />

überfüllt sein, daß von einer menschenwürdigen Beför<strong>der</strong>ung vielfach keine rede mehr sein könne.<br />

Um jeden Platz werde buchstäblich gekämpft. Beispielsweise heisst es in einer Meldung aus Berlin:<br />

Einzelne Züge seien so überfüllt, daß bis zu drei Mann die Fahrt <strong>im</strong> Toilettenraum verbringen müssten.<br />

Reisende mit einer Fahrkarte <strong>der</strong> 2. Klasse fanden ihre Plätze meist schon von Inhabern <strong>der</strong> <strong>3.</strong><br />

Klasse besetzt. Eine Zugkontrolle könne nicht mehr durchgeführt werden, da es dem Kontrolleur in<br />

den meisten Fällen nicht möglich sei, durch die Gänge zu kommen. Frauen und Kin<strong>der</strong> würden <strong>im</strong><br />

Gedränge verletzt werden. Aus Frankfurt/O<strong>der</strong> wird dazu berichtet, daß <strong>der</strong> jetzige Zustand auf den<br />

stark besetzten Strecken (z.B. Berlin - Breslau, Berlin - Posen) katastrophal sei. <strong>Die</strong> Fernzüge seien<br />

meist so überfüllt, daß ein Ein- und Aussteigen durch die Fenster nicht mehr ungewöhnlich sei. <strong>Die</strong><br />

Gänge in den D-Zügen seien mit stehenden Reisenden so besetzt, daß es kaum noch möglich sei,<br />

die Toiletten aufzusuchen. Viele Reisende hätten dadurch gesundheitliche Schäden erlitten. <strong>Die</strong> Not-<br />

Seite 47


durft würde häufig in den Gängen und aus den Fenstern heraus verrichtet. Vielfach würden sich Reisende<br />

selbst beschmutzen. Der Gestank sei oft unerträglich. - Breslau meldet dazu, daß die Verhältnisse<br />

<strong>im</strong> Reiseverkehr weiterhin auf das Äusserste angespannt seien. <strong>Die</strong> Züge seien nach wie vor<br />

bis zu 200% belegt. Am Breslauer Hauptbahnhof blieben beispielsweise durchschnittlich 200 Reisende<br />

zurück, die nicht beför<strong>der</strong>t werden könnten. Aus Leipzig werden ähnliche Missstände berichtet.<br />

Dort soll es unter Arbeitern und Berufsreisenden zu starken Unwillensäusserungen gekommen sein,<br />

da es nicht verstanden würde, daß die <strong>Reich</strong>sbahn in <strong>der</strong> jetzigen Zeit noch Schlafwagen fahren würde,<br />

zumal - wie aus den Meldungen hervorgeht - aus den Fenstern <strong>der</strong> Schlafwagen bisweilen Reisende<br />

sehr jugendlichen Alters heraussehen und sich über das Treiben auf dem <strong>Bahn</strong>steig belustigen<br />

würden. <strong>Die</strong> Erregung sei deshalb beson<strong>der</strong>s groß, weil die Reisenden sich sagen würden, daß bei<br />

Einstellung von Abteilwagen für die Schlafwagen nicht nur 40, son<strong>der</strong>n mindestens 160 Reisende in<br />

jedem Wagen untergebracht werden könnten.<br />

Allgemein wird in den vorliegenden Berichten hervorgehoben, daß <strong>der</strong> Appell <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn, jede<br />

unnötige Reise zu unterlassen, nicht in genügendem Masse wirken würde. Immer wie<strong>der</strong> könne festgestellt<br />

werden, daß viele Reisende nur Besuchsfahrten machen würden. Beson<strong>der</strong>e Erbitterung<br />

schaffe die Tatsache, daß viele Reisende, die Fahrkarten 1. und 2. Klasse gelöst hätten, ihre Plätze<br />

gar nicht einnehmen könnten, da sie nicht durch die Gänge kämen. Es werde deshalb vielfach aus<br />

dem Publikum heraus gefor<strong>der</strong>t, daß für die Dauer dieser starken Verkehrsbelastung eine Einheitskarte<br />

geschaffen würde.<br />

<strong>Die</strong> Anordnung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn, für den Ferienverkehr Zulassungskarten zu schaffen, stossen vielfach<br />

auf Wi<strong>der</strong>spruch. Es wird in den Meldungen darauf verwiesen, daß sich die Zulassungskarten <strong>im</strong><br />

Gesamtverkehr nicht bewährt hätten, da <strong>der</strong> Übergangsverkehr bei den Eisenbahnknotenpunkten<br />

nach den bisherigen Erfahrungen alle Voraussetzungen umgestossen hätten. Begüterte Reisende<br />

würden die Lösung einer Zulassungskarte dadurch umgehen, daß sie von einem Vorbahnhof eine<br />

Karte lösten und dadurch als Übergangsreisende zählten. An<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong> führen nach einem Zwischenbahnhof<br />

und stiegen da in die betreffenden Züge zu. Ein außerordentliches Problem werde vor<br />

allem darin gesehen, daß Personen, die beruflich dringend reisen müssten, nicht in <strong>der</strong> Lage seien,<br />

bevorzugt vor den Vergnügungsreisenden eine Zulassungskarte zu erhalten, so daß mitunter für<br />

Staat und Wirtschaft dringend notwendige Fahrten unterbleiben müssten. Weiter werde gefor<strong>der</strong>t,<br />

daß weniger Zulassungskarten ausgegeben werden, damit <strong>der</strong>artige Missstände <strong>im</strong> Reiseverkehr in<br />

Zukunft vermieden würden.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 200) - 7. Juli 1941<br />

V. Wirtschaft<br />

Beraubung von Sendungen <strong>der</strong> Milch- und Fettwirtschaft während des <strong>Reich</strong>sbahntransportes.<br />

Nach den hier vorliegenden Meldungen soll die Beraubung von Buttergebinden während <strong>der</strong> Eisenbahnbeför<strong>der</strong>ung<br />

ständig zunehmen. Angesichts <strong>der</strong> angespannten Butterversorgungslage seien diese<br />

<strong>Die</strong>bstähle dazu angetan, die Belieferung <strong>der</strong> Verbraucher mit Butter zu gefährden. Trotz mehrmaliger<br />

Hinweise seitens <strong>der</strong> zuständigen Abteilung des RVM betr. <strong>Die</strong>bstahlsbekämpfung hätten die<br />

Beraubungen von Buttersendungen nicht abgenommen. Auch Abschreckungsmassnahmen hätten<br />

nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt. Den Meldungen zufolge dürfte dies z.T. daran liegen, daß<br />

es <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Überwachung und Verfolgung beauftragten <strong>Bahn</strong>schutzpolizei bzw. Fahndungsdienst<br />

<strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn an <strong>der</strong> nötigen kr<strong>im</strong>inalistischen Ausbildung fehle.<br />

Seite 48


Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 211) - 14. August 1941<br />

V. Wirtschaft<br />

Einzelmeldung zum Verkehrsproblem<br />

a) Aus Frankfurt/M. wird <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> darüber berichtet, daß die Mainschiffahrt trotz aller Bemühungen<br />

<strong>der</strong> Transportgesellschaften und <strong>der</strong> zuständigen Staatsstelle nicht voll ausgenutzt werde. Noch<br />

<strong>im</strong>mer würden jeden Monat mindestens 20.000 to. Schiffsraum leer zu Tal fahren, während die <strong>der</strong><br />

Mainschiffahrt entzogenen Transportmengen an Donaugetreide, Grubenholz, Kaolin und an<strong>der</strong>e<br />

Transporte auf den <strong>Bahn</strong>weg gelenkt worden seien. Von zuständigen Wirtschaftskreisen wird dazu<br />

erklärt, daß gerade <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Beför<strong>der</strong>ung von Getreide vereinbarte Ausnahmetarif 17 Du 1 die Veranlassung<br />

dafür sei, daß trotz <strong>der</strong> schwierigen Lage <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn <strong>der</strong> Binnenschiffsraum auf dem<br />

Main nicht voll ausgenützt würde.<br />

b) In einer Meldung aus Innsbruck heisst es u.a., daß die wenigen noch vorhandenen Verkehrsmittel<br />

(Kraftpostlinien und Eisenbahnen) hauptsächlich von den Sommergästen in Anspruch genommen<br />

würden. <strong>Die</strong>s führe an den einzelnen Haltestellen zu den unliebsamsten Auseinan<strong>der</strong>setzungen. Dabei<br />

sei festzustellen, daß die Gäste mit sehr wenig Verständnis <strong>der</strong> heutigen Zeit und den Bedürfnissen<br />

<strong>der</strong> einhe<strong>im</strong>ischen Bevölkerung gegenüberstehen. <strong>Die</strong>ses Unverständnis und die Überlastung<br />

bringe es mit sich, daß die Einhe<strong>im</strong>ischen die Verkehrsmittel nicht entsprechend benutzen könnten<br />

und deshalb sehr oft in ihrem arbeitsmässigen Wirken beeinträchtigt würden. Es heisst in <strong>der</strong> Meldung<br />

weiter, daß es auf Dauer untragbar sei, wenn sich die zur Arbeit fahrenden Volksgenossen von<br />

<strong>der</strong> Masse <strong>der</strong> Sommergäste beinahe aus den ihnen in erster Linie zustehenden Verkehrsmitteln hinauswerfen<br />

lassen müssten.<br />

c) Von Seiten des Litzmannstädter Gemüsehandels wird wie<strong>der</strong>holt darauf hingewiesen, daß in mehreren<br />

Fällen grosse Mengen Gemüse durch Stehenlassen von beladenen Waggons auf dem <strong>Bahn</strong>hof<br />

Litzmannstadt o<strong>der</strong> Nichtzurverfügungsstellung <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong>ampe ganz o<strong>der</strong> teilweise verdorben sind.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 218) - 8. September 1941<br />

V. Wirtschaft<br />

Missbrauch und falsche Deklaration von Frachtbriefen.<br />

Wie aus verschiedenen Berichten hervorgeht, wird in letzter Zeit öfters beobachtet, daß auf Frachtbriefen<br />

falsche Inhaltsangaben gemacht werden, um die Annahme <strong>der</strong> Sendungen trotz Gütersperre<br />

zu erreichen. Weiterhin käme es vor, daß Mangel- o<strong>der</strong> Hamsterware unter dem Deckabsen<strong>der</strong> einer<br />

Behörde o<strong>der</strong> <strong>Die</strong>nststelle mit falscher Deklarierung versandt wurde. Beispielsweise wurde dieser Tage<br />

be<strong>im</strong> Güterbahnhof Mannhe<strong>im</strong> eine Kiste mit dem Absen<strong>der</strong> "Der Generalinspekteur für das Deutsche<br />

Strassenwesen, Alt Wiesbaden, Ersatzteillager Mainz", geöffnet, <strong>der</strong>en Inhalt als Ersatzteile deklariert<br />

waren. Nach Öffnung <strong>der</strong> Kiste wurde festgestellt, daß sie Eier enthielt, die in <strong>der</strong> Zwischenzeit<br />

in Fäulnis übergegangen waren.<br />

Ferner wird nach einem hier vorliegenden Bericht die Beobachtung gemacht, daß sich die Zahl <strong>der</strong><br />

Stichwortsendungen von Tag zu Tag erhöht. <strong>Die</strong> Verla<strong>der</strong> verfügen offenbar über eine <strong>der</strong>art grosse<br />

Zahl von Stichwort-Frachtbriefen zur Kennzeichnung vordringlichster Rüstungsangaben, daß es ganz<br />

Seite 49


unmöglich ist, den La<strong>der</strong>aum in absehbarer Zeit bereitzustellen. Es wird - dem Bericht zufolge - vermutet,<br />

daß von den Verla<strong>der</strong>n Stichwort-Frachtbriefe in grossem Umfange gehamstert worden sind<br />

und z.T. missbräuchlich verwendet werden. Der Zweck des Stichwortverfahrens werde dadurch völlig<br />

illusorisch gemacht. Bei einer <strong>der</strong>artigen Hamsterei von Stichwortfrachtbriefen beispielsweise sei beobachtet<br />

worden, daß Firmen noch über Frachtbriefe aus dem Jahre 1939 verfügen und den <strong>Reich</strong>sbahndirektionen<br />

jegliche Planung und La<strong>der</strong>aumsteuerung unmöglich gemacht werde.<br />

Bei verschiedenen <strong>Reich</strong>sbahndirektionen sollen die Ausfälle an La<strong>der</strong>aum infolge dieser Verhältnisse<br />

teilweise einen solchen Umfang angenommen haben, daß von einer bevorzugten Beför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Stichwortsendungen nicht mehr gesprochen werden könne. Es bestehe dadurch die Gefahr, daß die<br />

<strong>im</strong> Rüstungsbauprogramm vorgesehenen Materialien nicht rechtzeitig beför<strong>der</strong>t werden könnten,<br />

weshalb es zweckmässig erscheine bei <strong>der</strong> Durchführung des Stichwortverfahrens einen bedeutend<br />

schärferen Massstab anzulegen.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 229) - 16. Oktober 1941<br />

V. Wirtschaft<br />

Benutzung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn durch ausländische Arbeiter.<br />

In den vorliegenden Meldungen wird erheblich darüber geklagt, daß man den deutschen Reisenden<br />

zumute, die Abteile und Wagen <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn gemeinsam mit ausländischen Arbeitern zu benutzen.<br />

<strong>Die</strong> ausländischen Arbeitskräfte verstopfen mit ihren Gepäckstücken (Kartons, Schachteln usw.)<br />

nicht nur die Gänge aller Wagenklassen, son<strong>der</strong>n verbreiten auch infolge ihrer körperlichen Unsauberkeit<br />

und <strong>der</strong> Ungepflegtheit ihrer Kleidung eine unerträgliche Luft in den Wagen und Abteilen. Hinzu<br />

komme noch, daß die ausländischen Arbeiter meist nicht wüssten, wie sie sich in deutschen Wagen<br />

zu benehmen haben. <strong>Die</strong> Zugplätze, die von diesen Arbeitern in Anspruch genommen werden,<br />

seien durch Obstschalen, Papier, Zigarettenabfälle usw. <strong>der</strong>art verschmutzt, daß man es einem deutschen<br />

Reisenden einfach nicht zumuten könne, den freigewordenen Platz eines ausländischen Arbeiters<br />

einzunehmen. Ausserdem benähmen sich die ausländischen Arbeiter meistens äusserst ungebührlich<br />

und auffällig (schreien, singen, drängeln usw.). Für einen deutschen Reisenden sei es geradezu<br />

beschämend, zusammen mit diesen Auslän<strong>der</strong>n in dem gleichen Abteil o<strong>der</strong> Wagen reisen zu<br />

müssen. Es sei zwar allen Reisenden bekannt, daß sie während des Krieges die Überfüllung <strong>der</strong> Züge<br />

in Kauf nehmen müssten, jedoch wird in den Meldungen <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> darauf hingewiesen, daß<br />

man trotzdem soweit als möglich Erleichterungen schaffen müsse. Hierzu gehöre u.a. auch eine Regelung<br />

des Reiseverkehrs ausländischer Arbeiter. In den Meldungen wird deshalb vorgeschlagen, in<br />

sämtlichen Zügen, beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Fernverkehrszügen, eigene Abteile o<strong>der</strong> Wagen für ausländische<br />

Arbeiter einzurichten, um durch diese Trennung von den deutschen Reisenden den augenblicklichen<br />

unerfreulichen Zustand abzustellen.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 230) - 20. Oktober 1941<br />

V. Wirtschaft<br />

Kritik <strong>der</strong> Beamten <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn an <strong>der</strong> Anordnung über die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Uniform.<br />

Nach hier vorliegenden Berichten soll die Anordnung über die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Uniformen unter den<br />

<strong>Reich</strong>sbahnbeamten erhebliche Unruhe hervorgerufen haben. Nachdem erst vor kurzer Zeit eine einheitliche<br />

Uniform mit Schulterstücken, Dolch usw. eingeführt worden sei, wären jetzt die Schulterstü-<br />

Seite 50


cke wie<strong>der</strong> verworfen worden und die Uniformen müssten mit sog. "Passanten" aus Gold versehen<br />

werden. Von den Beamten werde nun nicht allein die doppelte Geldausgabe kritisiert worden, son<strong>der</strong>n<br />

auch <strong>der</strong> Eindruck, den diese Passanten machen. Weiterhin kommt in den Meldungen zum Ausdruck,<br />

daß es die deutschen Beamten nicht verstehen könnten, warum diese neue Uniform ausgerechnet<br />

jetzt <strong>im</strong> Kriege eingeführt werden müsse, wo es doch wichtigere Probleme zu lösen gäbe, als<br />

Uniformen zu än<strong>der</strong>n, die an und für sich nicht kriegsbedingt seien. Auf <strong>der</strong> einen Seite werde das<br />

Volk zu Spinnstoffsammlungen aufgerufen, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite aber würden Rohstoffe für <strong>der</strong>artige<br />

Uniformän<strong>der</strong>ungen zur Verfügung gestellt. Verschiedentlich sei in <strong>der</strong> Beamtenschaft auch geäussert<br />

worden, daß die Arbeitskräfte, die diese Posamenten herstellen, an an<strong>der</strong>er Stelle best<strong>im</strong>mt besser<br />

eingesetzt werden könnten.<br />

Anlage:<br />

[.....]<br />

Bayreuth<br />

Seitens <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahndirektion Regensburg verlautet, daß mit den italienischen Arbeitskräften <strong>im</strong><br />

<strong>Reich</strong>sbahndienst die allerschlechtesten Erfahrungen gemacht werden. So habe allein an einem Tage<br />

70 Italiener, die bei <strong>der</strong> Güterabfertigung Regensburg beschäftigt sind, grundlos die Arbeit verweigert.<br />

<strong>Die</strong> Rädelsführer mussten von <strong>der</strong> Polizei in Haft genommen werden. [.....]<br />

Posen<br />

Das Fehlen polnischer Arbeitskräfte wegen angeblicher Krankheit n<strong>im</strong>mt mehr und mehr zu. So fehlten<br />

beispielsweise <strong>im</strong> Juli 1941 von <strong>3.</strong>451 <strong>im</strong> <strong>Reich</strong>sbahnausbesserungswerk Posen beschäftigten<br />

Polen <strong>im</strong> Durchschnitt täglich 465. [.....]<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 234) - <strong>3.</strong> November 1941<br />

I. Allgemeines<br />

[.....]<br />

<strong>Die</strong> Einschränkungen <strong>im</strong> Eisenbahnverkehr zugunsten einer bevorzugten Beför<strong>der</strong>ung von Kohlen<br />

und Kartoffeln wurden allgemein mit vollem Verständnis aufgenommen. In jenen Teilen des <strong>Reich</strong>es,<br />

wo eine ausreichende Kartoffelversorgung auch heute schon auf Schwierigkeiten stösst, wurde jedoch<br />

vielfach geäussert, daß diese Massnahmen scheinbar zu spät ergriffen worden seien.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 270) - 2<strong>3.</strong> März 1942<br />

V. Wirtschaft<br />

[.....]<br />

Notstand <strong>im</strong> Personenverkehr.<br />

<strong>Die</strong> deutschen Strassenbahnen mit z.Zt. jährlich über 6 Milliarden Fahrgästen sind das Rückgrat <strong>der</strong><br />

Personenbeför<strong>der</strong>ung in den Städten. Der Krieg brachte für sie eine Verkehrssteigerung von 50 bis<br />

300%. <strong>Die</strong>se Leistungen müssen mit einem grösstenteils überalteten Fahrzeugpark und unzureichenden<br />

Personalverhältnissen erfüllt werden. <strong>Die</strong> restlose Ausnutzung <strong>der</strong> Fahrzeuge haben bei den<br />

mangelhaften Rohstoffzuteilungen und den ständig wachsenden Schwierigkeiten <strong>der</strong> Ersatzbeschaffung<br />

zu einem Raubbau am rollenden Material geführt. Ebenso wurden die Gleise durch die gewalti-<br />

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gen Überbeanspruchungen bis an die Grenze des betriebssicheren Zustandes verbraucht, da eine<br />

laufende Gleiserneuerung wegen Rohstoff und Personalmangel nicht möglich war. Wie aus verschiedenen<br />

hier vorliegenden Meldungen hervorgeht, konnte diese Entwicklung, so lange mit verhältnismässig<br />

kurzer Kriegsdauer gerechnet wurde, hingenommen werden. <strong>Die</strong> inzwischen eingetretene völlige<br />

Herunterwirtschaftung <strong>der</strong> Strassenbahnen verlange jedoch eine sofortige Än<strong>der</strong>ung. Lei<strong>der</strong> habe<br />

sich inzwischen auch bei <strong>der</strong> Industrie (Waggonbau-Anstalten, Elektrofirmen, Walzwerke usw.) die<br />

Lage vollständig verän<strong>der</strong>t. Während bei Kriegsbeginn nur eine Verlängerung <strong>der</strong> Liefertermine eingetreten<br />

sei, seien nunmehr die Firmen durch Aufträge <strong>der</strong> Dringlichkeitsstufe S, SS usw. vollständig<br />

eingedeckt, so daß sie außerstande seien, überhaupt noch Ersatzteile zu liefern. Damit seien die<br />

Strassenbahnen auf einen kritischen Punkt angekommen, an dem die Vorräte an Ersatzteilen verbraucht<br />

und jegliche Ersatzbeschaffung praktisch unmöglich geworden seien. Das bedeutet aber, daß<br />

in kurzer Zeit einschneidende Betriebseinschränkungen o<strong>der</strong> Betriebsstillegungen durchgeführt werden<br />

müssten, wenn nicht die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Betriebes gegeben würde. <strong>Die</strong><br />

Betriebseinschränkungen wären aber mit einer schweren Gefährdung für die Durchführung des<br />

Rüstungsprogrammes und des sonstigen kriegswichtigen Personenverkehrs verbunden. Rückwirkungen<br />

sowohl auf die Leistungsfähigkeit und St<strong>im</strong>mung <strong>der</strong> He<strong>im</strong>at seien unausbleiblich. Schon jetzt<br />

geht aus vielen Berichten hervor, daß die Strassenbahnen den Verkehr kaum noch leisten können.<br />

Von Fachkreisen wird darauf hingewiesen, daß die <strong>Bedeutung</strong> dieses Verkehrssektors erkannt werden<br />

müsse und zur Vermeidung eines völligen Zusammenbruches zu veranlassen sei, daß die Sicherstellung<br />

<strong>der</strong> Ersatzteilbelieferung durch Einreihung in die Dringlichkeitsstufen gewährleistet werden<br />

müsse. Da es sich mengenmässig trotz <strong>der</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>der</strong> Strassenbahnen verglichen mit an<strong>der</strong>en<br />

Teilen des Kriegsprogrammes nur um verhältnismässig kleine Auftragsmengen handele, könne<br />

nach Meinung von Fachkreisen die Einschaltung keine ernsten Schwierigkeiten bereiten.<br />

[.....]<br />

Einzelmeldungen<br />

[.....]<br />

2. Am 21.<strong>3.</strong>1942 war vormittags <strong>der</strong> Verkehr auf <strong>der</strong> Berliner Ostbahn unregelmässig. Es war zu einer<br />

Zeit, als die berufstätigen Kreise in grosser Zahl nach Berlin fuhren, auf den Vororthaltepunkten nicht<br />

vorauszusehen, wann <strong>der</strong> nächste Zug nach Berlin führe. Man unterhielt sich darüber, daß in <strong>der</strong><br />

Ostbahn <strong>der</strong>artige Störungen zahlreich sind, die Bevölkerung aus dem Osten Berlins sehr häufig infolge<br />

dieses Mangels verspätet zum <strong>Die</strong>nst kommen muss und eben überhaupt <strong>der</strong> Berliner Osten<br />

verkehrsmässig wenig günstig erschlossen ist. <strong>Die</strong>se Unterhaltungen fanden einen plötzlichen Abschluss<br />

dadurch, daß sich auf dem <strong>Bahn</strong>hof Hoppegarten <strong>der</strong> anwesende Vorsteher dazu entschloss,<br />

einen durchfahrenden D-Zug anzuhalten, um auf diese Weise den wartenden Fahrgästen die Fahrmöglichkeit<br />

bis zum Schlesischen <strong>Bahn</strong>hof zu geben. <strong>Die</strong>ses Verhalten dieses Vorstehers wurde ausserordentlich<br />

begrüsst; man bewun<strong>der</strong>te seine Entschlussfreudigkeit und betonte, daß doch in sehr<br />

vielen Fällen Erleichterungen geschaffen werden können, wenn die nötige Entschluss- und Verantwortungsfreudigkeit<br />

zum richtigen Zeitpunkt vorhanden ist.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 272) - 30. März 1942<br />

I. Allgemeines<br />

[.....]<br />

Seite 52


Im Hinblick auf die kommenden Osterfeiertage werden weiterhin die Einschränkungen <strong>im</strong> Reiseverkehr<br />

besprochen. Dabei ist vielen Volksgenossen noch unklar, ob das Verbot unnötiger Reisen nur für<br />

die Ostertage o<strong>der</strong> auch für die Zukunft gelte. Man fragt sich ferner, in welcher Form die Kontrollen in<br />

den Zügen durchgeführt würden und wie <strong>der</strong> einzelne Reisende die Notwendigkeit seiner Fahrt beweisen<br />

müsse. Mit einer gewissen Verbitterung wird in manchen Kreisen <strong>der</strong> Bevölkerung festgestellt,<br />

daß die Anordnungen viel zu spät kämen, die "Plutokraten" hätten ihre Wintersportreisen ungehin<strong>der</strong>t<br />

durchführen können, jetzt werde es aber z.B. den vielen <strong>Die</strong>nstverpflichteten, die monatelang von ihrer<br />

Familie getrennt leben müssten, untersagt, ein paar Tage nach Hause zu fahren. Durch diese<br />

Massnahmen würden doch nur wie<strong>der</strong> die anständigen Volksgenossen betroffen, während die rücksichtslosen<br />

sicher wie bisher zu ihrem Reiseziel gelangen würden.<br />

[.....]<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 275) - 1<strong>3.</strong> April 1942<br />

V. Wirtschaft<br />

Osterverkehr auf <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn.<br />

<strong>Die</strong> Appelle des <strong>Reich</strong>sministers für Volksaufklärung und Propaganda und des <strong>Reich</strong>sverkehrsministers,<br />

jede nicht notwendige o<strong>der</strong> ausreichend begründete Reise zu unterlassen, hat nach hier vorliegenden<br />

Berichten, die Allgemeinheit sehr stark beschäftigt, jedoch, wie aus den Meldungen weiter<br />

hervorgeht, eine Entlastung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn, die mit dieser Veröffentlichung bezweckt war, nicht herbeigeführt.<br />

Nach dem bisher vorliegenden Zahlenmaterial <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahndirektion Berlin war beispielsweise<br />

<strong>der</strong> diesjährige Osterreiseverkehr um 1% höher als <strong>der</strong> Weihnachtsreiseverkehr 1941. Es<br />

wird berichtet, daß sämtliche Reisezüge mehr als überfüllt gewesen seien und daß auf den vor Berlin<br />

gelegenen <strong>Bahn</strong>höfen, z.B. Frankfurt/O<strong>der</strong>, Guben, Küstrin in mehreren Fällen Reisende - und hierunter<br />

sogar Wehrmachtsurlauber - zurückbleiben mussten, weil das Einsteigen unmöglich und das Ein-<br />

und Aussteigen durch die Fenster wie<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Tagesordnung gewesen sei. Vom Zeitpunkt <strong>der</strong> Zulassungskartenausgabe<br />

ab hätten jedoch die von Berlin abgehenden Fernzüge eine Normalbesetzung<br />

aufgewiesen. Von Fachkreisen werde dies als ein Zeichen dafür gewertet, daß <strong>der</strong> Reiseverkehr<br />

sehr gut, allerdings nur zwangsläufig geregelt werden könne. <strong>Die</strong>s zeigt sich auch darin, daß in den<br />

ersten Tagen nach dem Bekanntwerden <strong>der</strong> Anordnung des <strong>Reich</strong>spropagandaministeriums bei den<br />

sog. Vergnügungsreisenden eine gewisse Furcht entstanden sei. Nachdem sich aber überall herumgesprochen<br />

habe, daß keinerlei Kontrollen stattfänden und die <strong>Reich</strong>sbahn dies auf Anfragen bestätigte,<br />

sei <strong>der</strong> Erlass allgemein für Bluff gehalten und, wie es in einigen Meldungen heisst, sogar belächelt<br />

worden, zumal auch keinerlei Bestrafungen erfolgten.<br />

Vor allem habe man auch bemängelt, daß aus <strong>der</strong> Anordnung nicht eindeutig hervorgehe, was eine<br />

notwendige und was eine Vergnügungsreise sei und was unter den Begriff "härtere Vergehen" falle.<br />

Deshalb lege je<strong>der</strong> Beteiligte dies nach seinem Belieben aus. So würden z.B. Reisen zu Konfirmationsfesten,<br />

Familienfesten usw. nicht als Vergnügungsreisen angesehen. <strong>Die</strong> wenigen "Anständigen",<br />

die sich über den Inhalt des Erlasses Gedanken machten, hätten ihn vielleicht beachtet, die breite<br />

Masse aber sei, wie aus allen hier vorliegenden Meldungen hervorgeht, durch ihn nicht berührt worden.<br />

So habe beispielsweise eine Volksgenossin, die Ostern eine nicht notwendige Reise nach Ostpreussen<br />

angetreten hatte, auf einen entsprechenden Einwand hin geäussert, daß sie dann eben ihren<br />

3-wöchigen Urlaub <strong>im</strong> Konzentrationslager o<strong>der</strong> <strong>im</strong> Gefängnis verbringen würde.<br />

Seite 53


Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 289) - 4. Juni 1942<br />

V. Wirtschaft<br />

Trotz aller Hinweise durch Presse und Rundfunk war <strong>der</strong> Pfingstreiseverkehr ausserordentlich stark,<br />

durchschnittlich sogar noch stärker als <strong>der</strong> Osterverkehr.<br />

Wie aus verschiedenen Teilen des <strong>Reich</strong>es - so u.a. Karlsruhe, Dortmund, Hamburg, Kiel, Berlin,<br />

Dresden, Hohensalza, Braunschweig, Saarbrücken, Münster, Tilsit, Graz, Karlsbad, Salzburg, Bayreuth,<br />

Danzig, Neustettin, Königsberg, Frankfurt/M. - gemeldet wird, waren die Züge teilweise bis zu<br />

80% überbesetzt.<br />

Der Pfingstreiseverkehr habe wie<strong>der</strong>um gezeigt, daß <strong>der</strong> gemeinsame Aufruf des <strong>Reich</strong>sministers für<br />

Volksaufklärung und Propaganda und des <strong>Reich</strong>sverkehrsministers, unnötige Reisen <strong>im</strong> Kriege zu<br />

unterlassen, seine Wirkung schon nach kürzester Zeit verloren hat. Wohl selten habe ein <strong>der</strong>artiger<br />

Andrang an den Fahrkartenschaltern geherrscht, so wird übereinst<strong>im</strong>mend gemeldet, wie in <strong>der</strong> Woche<br />

vor Pfingsten.<br />

Dementsprechend seien auch die einzelnen Züge in oft kaum vorstellbarer Weise überfüllt gewesen.<br />

Selbst Packwagen und Bremshäuser seien gestürmt worden und ein Ein- und Aussteigen sei oftmals<br />

nur durch die Fenster möglich gewesen. Reisende hätten erklärt, daß sie solch ein Gedränge noch<br />

nicht mitgemacht hätten und daß sie fast gezwungen waren, "ihre Beine zum Fenster hinauszuhängen".<br />

Der weitaus grösste Teil aller Reisenden habe aus Frauen bestanden, die ihre in Garnisonsstädten<br />

liegenden Männer besucht hätten. So wird beispielsweise aus Deutsch-Krone gemeldet, daß<br />

bei den ankommenden Zügen die halbe Garnision auf dem <strong>Bahn</strong>hof war, um ihre Verwandten abzuholen.<br />

Wie hierzu aus Hamm gemeldet wird, habe ein von <strong>der</strong> Kanalküste in Hamm eingetroffener<br />

Offizier seinen Unwillen über die "bisher noch gänzlich ungezügelte Reiselust <strong>der</strong> deutschen Frauen"<br />

deutlich Luft gemacht, indem er wörtlich erklärt habe: "Man kann die Grenze überschreiten, wo man<br />

will, überall sind die deutschen Züge zum weitaus überwiegenden Teil von Frauen besetzt. Es ist ein<br />

Skandal, wenn man <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> feststellen muss, daß sich gerade unsere Frauen, von denen die<br />

meisten <strong>im</strong> Leben noch nie über so viel Geld verfügt haben wie jetzt <strong>im</strong> Kriege, um die Auffor<strong>der</strong>ung<br />

zur Unterlassung unnötiger Reisen am allerwenigsten kümmern. Solange gerade gegen diese Kategorie<br />

von Frauen nicht mit ganz exemplarischen Strafen vorgegangen wird, ist an eine Entlastung des<br />

Zugverkehrs nicht zu denken."<br />

Unverständlich sei es, wie es in einer Meldung aus Dortmund heisst, daß sogar Polen, die durch ihr<br />

"P" auf <strong>der</strong> Kleidung kenntlich waren, in D-Zügen in grosser Zahl angetroffen wurden. Von <strong>der</strong> Grenzpolizei<br />

Kutno sei ferner die Feststellung getroffen worden, daß <strong>im</strong> Altreich arbeitende Polen von den<br />

dortigen Behörden o<strong>der</strong> Arbeitsstellen zur Durchführung von Urlaubsreisen in das Generalgouvernement<br />

Zulassungskarten erhalten haben. <strong>Die</strong>ses habe in <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung zu einer starken<br />

Verbitterung geführt, da die deutschen Volksgenossen aufgefor<strong>der</strong>t wurden, alle Urlaubsreisen während<br />

<strong>der</strong> Pfingsttage zu unterlassen, den Polen aber Zulassungskarten ausgehändigt worden wären.<br />

Eine ordnungsgemässe Überprüfung <strong>der</strong> Reisenden durch die Grenzpolizei habe nicht durchgeführt<br />

werden können, da die Züge überfüllt gewesen seien.<br />

Auch <strong>im</strong> Ruhrgebiet hätten die Züge eine ausserordentlich starke Besetzung aufgewiesen, so daß in<br />

einzelnen Abteilen bis zu 20 Personen untergebracht waren. Auf den <strong>Bahn</strong>höfen Oberhausen, Rheinhausen,<br />

Rheinhausen-Ost und Uerdingen sind nach den vorliegenden Meldungen ein Grossteil <strong>der</strong><br />

Arbeiter <strong>der</strong> Krupp-Werke auf den <strong>Bahn</strong>höfen zurückgeblieben. In <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>shauptstadt sei <strong>der</strong><br />

Seite 54


Pfingstreiseverkehr ebenfalls sehr stark gewesen. <strong>Die</strong> Überfüllung <strong>der</strong> Züge gerade in Berlin sei darauf<br />

zurückzuführen - so werde aus <strong>Reich</strong>sbahnkreisen betont -, daß die Übernahme <strong>der</strong> Durchgangsreisenden<br />

(z.B. von Stettin nach Dresden usw.) <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> Schwierigkeiten bereite, da die<br />

Zahl <strong>der</strong> Durchreisenden vorher nicht bekannt sei. Hinzu komme noch die grosse Zahl <strong>der</strong><br />

Wehrmachtsangehörigen.Wegen Platzmangel hätten an den Pfingsttagen - <strong>der</strong> Meldung aus <strong>der</strong><br />

<strong>Reich</strong>shauptstadt zufolge - über 2.000 Personen auf den Berliner Fernbahnhöfen zurückbleiben müssen.<br />

Zu <strong>der</strong> Überfüllung <strong>der</strong> Züge hört man aus Kreisen des Zubegleitpersonals, daß es viele Reisende<br />

verstanden hätten, sich mittels <strong>Bahn</strong>steigkarte Zutritt zu den Zügen zu verschaffen. Bei <strong>der</strong> Fahrkartenkontrolle<br />

hätten die Reisenden dann so getan, als ob sie eine Fahrkarte besässen, diese aber<br />

<strong>im</strong> Gedränge verloren hätten. <strong>Die</strong> Schaffnerinnen hätten sich in den seltesten Fällen durchsetzen<br />

können, da die Mitreisenden fast <strong>im</strong>mer auf <strong>der</strong> Seite des "armen Verlierers" gestanden hätten. Trotz<br />

aller Hinweise des Zugpersonals hätten sich nach Eintreffen des Zuges sofort alle Reisenden in die<br />

Abteile und Gänge gestürzt. Eine Anzahl von Reisenden wäre wegen Platzmangels auf die Benutzung<br />

späterer D-Züge angewiesen gewesen, wodurch zugleich das System, Zulassungskarten jeweils<br />

nur für best<strong>im</strong>mte Züge auszugeben, über den Haufen geworfen worden sei. An<strong>der</strong>erseits seien<br />

durchfahrende D-Züge zumeist schon überfüllt angekommen. Offensichtlich sei auch von <strong>der</strong> Möglichkeit,<br />

<strong>im</strong> Wege des Übergangsverkehrs D-Züge ohne Zulassungskarten benutzen zu können, in<br />

grossem Umfange Gebrauch gemacht worden. Damit würden die Beobachtungen übereinst<strong>im</strong>men,<br />

daß vielfach Reisende bereits am Donnerstag und Freitag vor Pfingsten die Reise antraten, um auf<br />

Zwischenstationen Anschluss an D-Züge zu finden. Reisende dieser Art setzten sich vorwiegend aus<br />

den bessergestellten Volksschichten zusammen.<br />

In vielen Fällen hätten auch Berufsreisende ab Donnerstag, den 21. Mai, trotz gelöster Fahrkarte 2.<br />

Klasse die <strong>3.</strong> Klasse benutzen müssen, da die 2. Klasse vollkommen überfüllt gewesen wäre. Auch<br />

habe auf einzelnen Strecken <strong>der</strong> Berufsverkehr vor dem Fest stark gelitten. <strong>Die</strong>se Tatsache sei in den<br />

Kreisen <strong>der</strong> Berufstätigen vielfach besprochen und starker Kritik unterzogen worden, zumal diesem<br />

Personenkreis auch nicht unbekannt geblieben sei, daß vielfach von Auskunftsstellen <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn<br />

mitgeteilt worden sein soll, daß <strong>der</strong> Hinweis in Presse und Rundfunk, den Pfingstverkehr einzuschränken,<br />

nur für die "Masse <strong>der</strong> Bevölkerung" gelte, an sich aber keine Schwierigkeiten bei Benutzung<br />

von Fernzügen entstehen könnten.<br />

<strong>Die</strong> Abteile für Mutter und Kind wären, wie aus vielen Meldungen ersichtlich ist, nur auf ganz wenigen<br />

Strecken von aussen kenntlich gemacht gewesen, so daß erst in den Gängen nach diesen Abteilen<br />

hätte gesucht werden müssen. Auch wären die Abteile häufig schon von an<strong>der</strong>en Reisenden besetzt<br />

gewesen, die nicht <strong>im</strong>mer die erfor<strong>der</strong>liche Zurückhaltung bei <strong>der</strong> Freigabe <strong>der</strong> Plätze gezeigt hätten.<br />

Als unangenehm wurde es auch empfunden, daß in den Abteilen für Mutter und Kind auch an<strong>der</strong>e<br />

Reisende durch <strong>Bahn</strong>beamte eingeführt wurden, sofern Plätze frei blieben. <strong>Die</strong>se Anordnung hätten<br />

beson<strong>der</strong>s stillende Mütter als störend und nicht angebracht empfunden.<br />

Von älteren Leuten sei allgemein darüber geklagt worden, daß ihnen Plätze nur von Soldaten, nicht<br />

aber von jungen Zivilisten eingeräumt wurden.<br />

Um einer Überfüllung <strong>der</strong> zweiten Klasse wenigstens etwas abzuhelfen, wird <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vorschlag<br />

gemacht, während des Krieges die I.-Klasse-Abteile <strong>der</strong> Züge abzuschaffen. Meistens würden<br />

diese Abteile leer stehen o<strong>der</strong> nur sehr schwach besetzt werden, während die Reisenden mit Fahrkarte<br />

zweiter Klasse wegen Überfüllung in den Gängen <strong>der</strong> Wagen stehen müssten.<br />

Seite 55


Eine Behin<strong>der</strong>ung reisen<strong>der</strong> Kriegsbeschädigter sei <strong>im</strong> allgemeinen nicht festgestellt worden, da diese<br />

von allen Reisenden zuvorkommend behandelt würden und stets auch bei überfüllten Zügen Sitzplätze<br />

gefunden hätten.<br />

Abschliessend kommt in vielen Meldungen zum Ausdruck, daß <strong>der</strong> diesjährige Pfingstreiseverkehr<br />

nicht einen <strong>der</strong>artigen Umfang angenommen hätte, wenn man den Soldaten in den Garnisonsstädten<br />

Urlaub gewährt hätte. <strong>Die</strong> Urlaubssperre für Wehrmachtsangehörige mit He<strong>im</strong>fahrten über 150 km<br />

wirke sich daher in <strong>der</strong> Praxis so aus, daß statt eines in Urlaub fahrenden Soldaten oft mehrere Familienangehörige<br />

dieselbe Strecke in umgekehrter Richtung benutzen.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 291) - 15. Juni 1942<br />

V. Wirtschaft<br />

Gedingeverfahren bei <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn.<br />

Das bei <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn eingeführte Gedingeverfahren bringt wohl für den einzelnen Arbeiter<br />

einen erheblichen Mehrverdienst, jedoch wird dabei viel kostbare Ladung zerstört. Das seit einigen<br />

Jahren eingeführte Gedingeverfahren hat für die Verwaltung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn den Vorteil, daß<br />

die Arbeiter zu Höchstleistungen angespornt werden und für die Arbeiter wie<strong>der</strong>rum, ihren Lohn um<br />

30% zu erhöhen. Während <strong>der</strong> Arbeiter bei einfacher Leistung durchschnittlich etwa 40 bis 50 RM<br />

wöchentlich erhält, stellt er sich <strong>im</strong> Gedingeverfahren auf etwa 60 bis 80 RM. Vier bis sechs Arbeiter<br />

bilden jeweils eine Arbeitsgemeinschaft und achten unter sich darauf, daß je<strong>der</strong> seinen Arbeitsanteil<br />

leistet. Während in den früheren Jahren die langjährigen Kräfte darauf geschult waren, wenig Bruch<br />

zu machen, gäben sich die <strong>der</strong>zeitigen Aushilfsarbeiter, hauptsächlich Auslän<strong>der</strong>, wie übereinst<strong>im</strong>mend<br />

in letzter Zeit u.a. aus Berlin, Salzburg, Halle, Klagenfurt, Hamburg, gemeldet wird, keine Mühe,<br />

sorgfältig zu arbeiten, son<strong>der</strong>n hätten nur das Bestreben, viel zu verdienen. Es sei ganz gleichgültig,<br />

ob die Sendungen einen Vermerk trügen "Nicht stürzen", "Vorsicht Glas", "Zerbrechlich" usw., denn all<br />

diese Aufschriften würden heute in keiner Weise mehr beachtet. Tatsache sei, so wird berichtet, daß<br />

die Güterzugschaffner, die auf den <strong>Reich</strong>sbahnhöfen die Ausladungen vornehmen, schon des öfteren<br />

an ihre <strong>Die</strong>nststelle berichtet haben, daß heute neben vielen Bruch- auch viele Fehlsendungen vorkommen<br />

und oft nur die Begleitpapiere ankommen und das Gut fehlte und umgekehrt.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 293) - 22. Juni 1942<br />

V. Wirtschaft<br />

Starke Belastung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn durch Wallfahrer.<br />

Nach den hier vorliegenden Meldungen - u.a. aus Frankfurt/Main, Breslau, München, Düsseldorf -<br />

habe <strong>der</strong> Besuch von Wallfahrtsorten in <strong>der</strong> letzten Zeit zu einer empfindlichen Störung <strong>im</strong> Berufsverkehr<br />

<strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn geführt. Es brauche kaum betont zu werden, so heisst es in den vorliegenden<br />

Meldungen, daß alle Züge heute schon so überfüllt seien, daß ein <strong>der</strong>artiger Zustrom an Reisenden<br />

zusätzlich einfach nicht bewältigt werden könne. Nach Angaben von Augenzeugen habe die Überfüllung<br />

<strong>der</strong> Züge durch Wallfahrer auch zu einer starken Verbitterung <strong>der</strong> werktätigen Bevölkerung geführt<br />

und zu scharfer Kritik Anlass gegeben. <strong>Die</strong> Bevölkerung könne es nicht verstehen, daß Hun<strong>der</strong>te<br />

von Menschen heute noch Zeit fänden, Wallfahrtsorte aufzusuchen. Hinzu komme, daß für diese<br />

Menschen scheinbar die vielen Aufrufe durch Presse und Rundfunk, unnötige Reisen <strong>im</strong> Kriege zu<br />

unterlassen, keinerlei Wirkung hinterlassen haben. Beson<strong>der</strong>s unverständlich sei es aber, daß die<br />

Seite 56


<strong>Reich</strong>sbahn in einzelnen Bezirken Son<strong>der</strong>wagen für Wallfahrer an die fahrplanmässigen Züge angehängt<br />

habe. So wurde beispielsweise von <strong>der</strong> arbeitenden Bevölkerung stark kritisiert, daß das<br />

<strong>Reich</strong>sbahnbetriebsamt Mühldorf vier Personenwagen für Wallfahrer an den fahrplanmässigen Zug<br />

von Altötting nach Gendorf anhängen liess, nur um den starken Zustrom von Wallfahrern einigermassen<br />

zu bewältigen. Dadurch sei vielfach <strong>der</strong> Eindruck entstanden, daß die <strong>Reich</strong>sbahn noch nicht alle<br />

heute noch verfügbaren Wagen für den seit Jahr und Tag stärker gewordenen Berufsverkehr restlos<br />

eingesetzt habe. Beson<strong>der</strong>s störend sei <strong>der</strong> Verkehr <strong>der</strong> Wallfahrer auf <strong>der</strong> Strecke Aschaffenburg -<br />

Miltenberg und Miltenberg - Seckach. So sei <strong>der</strong> Zug 1<strong>3.</strong>30 Uhr ab Aschaffenburg am Sonnabend,<br />

den 6. Juni, schon eine Stunde vor Abfahrt des Zuges von Wallfahrern völlig überfüllt gewesen, so<br />

daß die in letzter Minute von ihren Arbeitsstätten eingetroffenen Volksgenossen keinen Platz mehr<br />

fanden und zurückbleiben mussten. <strong>Die</strong>s wirkte sich st<strong>im</strong>mungsmässig beson<strong>der</strong>s ungünstig aus, da<br />

<strong>der</strong> genannten Zug Anschluss nach He<strong>im</strong>buchental, Amorbach und Werthe<strong>im</strong> hat und deshalb keinesfalls<br />

versäumt werden darf. Auch bei <strong>der</strong> Ankunft des Zuges in Miltenberg sei <strong>der</strong> Anschlusszug ebenfalls<br />

von Wallfahrern schon restlos überfüllt gewesen, so daß auch dort Fahrgäste in erheblicher Zahl<br />

nicht beför<strong>der</strong>t werden konnten. Dabei ist noch erwähnenswert, daß die <strong>Reich</strong>sbahn auch auf dieser<br />

Strecke zwei Wagen mehr laufen lässt, um überhaupt den in letzter Zeit aufgetretenen starken Verkehr<br />

<strong>der</strong> Wallfahrer bewältigen zu können.<br />

In diesem Zusammenhang besagt auch eine Meldung aus München, daß von <strong>der</strong> aus beruflichen<br />

Gründen zu Eisenbahnfahrten gezwungenen Bevölkerung darüber Klage geführt wird, daß die Wallfahrer<br />

die Züge zwischen Mühldorf und Altötting in einem "kaum mehr erträglichen Masse übervölkern".<br />

Auch Linz meldet, daß die Zahl <strong>der</strong> Wallfahrer nach Altöttin in letzter Zeit geradezu "bedrohliche<br />

Formen" angenommen habe. So sei es beispielsweise am Pfingstsonnabend auf dem <strong>Bahn</strong>hof<br />

Braunau / Inn zu erregten Auseinan<strong>der</strong>setzungen gekommen, weil auch dort viele Reisende, u.a.<br />

auch ein Wehrmachtsangehöriger mit zwei Kriegsgefangenen, zurückbleiben mussten. Als alle Gänge<br />

in den Wagen, selbst auch die Trittbretter und die Übergänge von Wagen zu Wagen, überfüllt gewesen<br />

seien, versuchten "zum Gaudium <strong>der</strong> Wallfahrer" Reisende durch die Fenster einzusteigen.<br />

Im Interesse <strong>der</strong> Entlastung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn und vor allem einer geordneten Durchführung des Berufsverkehrs,<br />

erscheine es erfor<strong>der</strong>lich, so heisst es abschliessend in vielen Meldungen, schnellste<br />

Vorkehrungen zu treffen, damit die Wallfahrten, die scheinbar in diesem Jahr beson<strong>der</strong>s stark von<br />

kirchlicher Seite propagiert würden, eingeschränkt werden. Keinesfalls dürfe aber <strong>der</strong> werktätigen Bevölkerung<br />

die Möglichkeit genommen werden, nach oft zwölfstündiger schwerer Arbeit ihren He<strong>im</strong>atort<br />

ohne empfindlichen Zeitverlust zu erreichen.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 296) - 2. Juli 1942<br />

V. Wirtschaft<br />

Einzelmeldung<br />

Aus Leipzig wird gemeldet, daß eine schwerhörige Volksgenossin aus Burgstädt um Fahrpreisermässigung<br />

bei <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn nachsuchte, um durch die Teilnahme an einem Kursus zur Erlernung<br />

des Ablesens eine Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit zu erreichen. <strong>Ihr</strong> diesbezüglicher Antrag<br />

an die <strong>Reich</strong>sbahndirektion Dresden wurde mit <strong>der</strong> Begründung abgelehnt, daß die <strong>Reich</strong>sbahn<br />

mittellosen Schwerhörigen nur zur Teilnahme an Gottesdiensten, nicht aber zum Besuch von Lehrgängen<br />

eine Vergünstigung gewähren könne. Das Antwortschreiben <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahndirektion Dresden<br />

hat folgenden Wortlaut:<br />

Seite 57


"<strong>Ihr</strong>e Nachricht vom 19.04.1942, Uns. Zeichen 9 Vp.5 Tp.I. <strong>Die</strong> Deutsche <strong>Reich</strong>sbahn darf nur die den<br />

Personentarifen vorgesehenen Fahrpreisermässigungen gewähren, und zwar auch nur dann, wenn<br />

die für die beantragten Fahrpreisermässigungen festgesetzten Tarifbest<strong>im</strong>mungen erfüllt sind. Demnach<br />

gewährt die <strong>Reich</strong>sbahn u.a. mittellosen Schwerhörigen auf Antrag lediglich zum Besuch von<br />

Taubstummen- o<strong>der</strong> Schwerhörigen-Gottesdiensten, nicht aber zum Besuch von Lehrgängen zur Erlernung<br />

des Ablesens eine Vergünstigung. Da Ausnahmen auch in noch so berücksichtigungswerten<br />

Fällen gesetzlich verboten sind, können wir <strong>Ihr</strong>em Ersuchen um Zubilligung einer Vergünstigung zu<br />

den Fahrten von Burgstädt nach Chemnitz und zurück bei aller Würdigung <strong>der</strong> geschil<strong>der</strong>ten Verhältnisse<br />

lei<strong>der</strong> nicht entsprechen. gez. Unterschrift."<br />

Seitens <strong>der</strong> betroffenen Volksgenossin und ihrer Arbeitskammeradinnen wird angenommen, daß die<br />

von <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn angeführte Verfügung noch aus alter Zeit stamme, die nunmehr <strong>im</strong> Zuge <strong>der</strong><br />

Verwirklichung nationalsozialistischer Sozial-Politik geän<strong>der</strong>t werden müsste, um Härtefälle, die sich<br />

daraus ergeben, von vornherein auszuschalten.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 301) - 20. Juli 1942<br />

V. Wirtschaft<br />

Wie aus allen Teilen des <strong>Reich</strong>es übereinst<strong>im</strong>mend gemeldet wird - so u.a. aus Berlin, Danzig, Neustettin,<br />

Kiel, Salzburg, Saarbrücken, Stuttgart, Frankfurt/O., Bayreuth, Karlsruhe - hat die Belastung<br />

<strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn in letzter Zeit Formen angenommen, daß <strong>der</strong> Verkehr kaum bewältigt werden könne.<br />

Vor allem die D- und Eilzüge seien trotz aller Massnahmen in Presse und Rundfunk zum grössten Teil<br />

in einer kaum vorstellbaren Weise überfüllt. So sei es beispielsweise auf einigen <strong>Bahn</strong>höfen <strong>der</strong><br />

<strong>Reich</strong>shauptstadt notwendig, bis zu zwei Stunden vor <strong>der</strong> Abfahrt zu erscheinen, um die Hoffnung auf<br />

einen Sitzplatz erfüllt zu sehen. <strong>Die</strong> Zustände während <strong>der</strong> Fahrt "spotten oft je<strong>der</strong> Beschreibung". Ein<br />

Durchkommen durch die Gänge sei vielfach nicht möglich und das Benutzen <strong>der</strong> Toilette selbst bei<br />

längeren Reisen in Frage gestellt. Auf den Zwischenstationen könnten oftmals Reisende den Zug<br />

nicht verlassen, weil die <strong>im</strong> Gang Stehenden sich weigern, auszusteigen, in <strong>der</strong> Befürchtung, nicht<br />

wie<strong>der</strong> in den Zug hinein zu kommen. Zum Teil würde auch schon bei <strong>der</strong> Abfahrt in Berlin durch die<br />

Fenster eingestiegen, obwohl die <strong>Bahn</strong>polizei bemüht sei, diese Form des Einsteigens durch empfindliche<br />

Geldstrafen zu unterbinden.<br />

Wie aus den hier vorliegenden Meldungen ersichtlich ist, bestehe das Reisepublikum <strong>im</strong>mer noch zu<br />

einem erheblichen Teil aus Vergnügungsreisenden, die sich bisher durch Aufrufe usw. nicht von ihren<br />

meist sehr weiten Fahrten abhalten liessen. Auffallend hoch sei auch <strong>der</strong> Anteil von Frauen mit Säuglingen<br />

o<strong>der</strong> Kleinkin<strong>der</strong>n. So wurde z.B. auf einer Fahrt von Berlin nach Dortmund beobachtet, daß<br />

eine junge Mutter mit drei Kin<strong>der</strong>n von drei Monaten, 2 und 4 Jahren und einer Hausangestellten in<br />

die 1. Klasse "hineingepfercht" wurde, so daß in diesem Abteil trotz <strong>der</strong> grossen Hitze 11 Personen<br />

waren. Im Laufe <strong>der</strong> Unterhaltung habe sich herausgestellt, daß die ganze Familie von Elbing nach<br />

Dortmund (900 km!) reise, um dort für einige Tage nach dem kranken Grossvater zu sehen. Ähnliche<br />

Fälle seien <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> zu beobachten. Desgleichen fallen auch <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> alleinstehende Frauen<br />

auf, die offenbar von Badeort zu Badeort reisten und unterwegs unnachsichtlich ihren Sitzplatz<br />

verlangen.<br />

Durch diese Vorkommnisse sei die Arbeit des Zugpersonals sehr erschwert. Oftmals sei es den<br />

Schaffnern nicht möglich, durch die Gänge zu gelangen. Darüber hinaus habe auch allgemein die<br />

Verkehrsdisziplin in ganz erheblichem Masse nachgelassen. Ohne Rücksicht auf alle Hinweise würde<br />

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mit <strong>3.</strong> Klassse-Fahrkarten in <strong>der</strong> 2. und sogar in <strong>der</strong> 1. Klasse gereist. <strong>Die</strong> Best<strong>im</strong>mung, daß nur nach<br />

vorheriger Zust<strong>im</strong>mung des Schaffners in <strong>der</strong> höheren Wagenklasse Platz genommen werden dürfe,<br />

würde heute in keiner Weise mehr beachtet. <strong>Die</strong> Folge davon sei, daß Reisende mit ordnungsgemässen<br />

Fahrkarten keinen Platz fänden und unliebsame Auseinan<strong>der</strong>setzungen dadurch entstünden.<br />

Zur Frage <strong>der</strong> Zulassungskarte ergibt sich aus den Einzelmeldungen, daß z.B. in Berlin dadurch, daß<br />

Übergangsreisende (z.B. ein Reisen<strong>der</strong> von Frankfurt/O. nach München ohne Zulassungskarte die in<br />

<strong>der</strong> <strong>Reich</strong>shauptstadt abgehenden Züge benutzen können und aus diesem Grunde daher für jeden<br />

Zug nur 60% an Zulassungskarten ausgegeben werden, <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> unliebsame Missstände zu<br />

verzeichnen seien. Sobald die Berliner Fahrkartenausgabe den zu Hun<strong>der</strong>ten und bisweilen Tausenden<br />

auf die Verabfolgung einer Zulassungskarte Wartenden durch den Lautsprecher erklären, daß<br />

diese restlos verausgabt sind, begeben sich sehr viele sofort auf die Reise. Sie fahren dann mit Personenzügen,<br />

für die Zulassungskarten nicht erfor<strong>der</strong>lich sind, nach einem Ort, z.B. nach Frankfurt/O.<br />

o<strong>der</strong> Küstrin usw. und lösen sich auf diesen <strong>Bahn</strong>höfen die Fahrkarten für ihre Reisen. In Berlin gelten<br />

sie dann als Übergangsreisende und werden ohne grossen Schwierigkeiten durch die Sperre gelassen.<br />

Von seiten <strong>der</strong> Berufsreisenden wird in diesem Zusammenhang eine Kontrolle in <strong>der</strong> Form angeregt,<br />

daß für jede Benutzung <strong>der</strong> Schnellzüge Zulassungskarten eingeführt werden. Dabei müsse die<br />

Frage einer Prüfung unterzogen werden und gegebenenfalls, wie es durchführbar sei, die Zulassungskarten<br />

den den Schaltern bis 1 Stunde vor Abfahrt des betreffenden Zuges nur gegen eine Bescheinigung<br />

über die Dringlichkeit <strong>der</strong> Reise auszugeben. Beson<strong>der</strong>s wichtig sei hierbei die Festlegung<br />

<strong>der</strong> <strong>Die</strong>nststellen, die die Dringlichkeitsbescheinigung ausstellen können.<br />

Wie aus Kreisen von Schwerkriegsbeschädigten zu hören ist, beständen in einzelnen Zügen grosse<br />

Schwierigkeiten Platz zu finden. So berichtete beispielsweise eine Schwerkriegsbeschädigte aus<br />

Schneidemühl, daß in den Zügen aus Schneidemühl nach Berlin, Stettin, Stolp keine Schwerkriegsbeschädigten-Abteile<br />

vorhanden waren. Wörtlich heisst es in einer <strong>der</strong> Meldungen: "Bei einer meiner<br />

letzten Reisen wurde in einem übervoll besetzten Zuge von einigen Soldaten, die nach <strong>der</strong> Verwundung<br />

aus dem Lazarett kamen und körperlich behin<strong>der</strong>t waren, darüber geklagt, daß in vielen Zügen<br />

keine Abteile für Schwerkriegsbeschädigte seien. In die Unterhaltung mischten sich dann zwei ältere<br />

Zivilpersonen ein und betonten, vor 1932 waren in allen Zügen Schwerkriegsbeschädigten-Abteile,<br />

das hat ja dann aufgehört. Jetzt fahren die Frauen spazieren und <strong>Ihr</strong> müsst sehen, wo ihr Platz findet!"<br />

Vielfach ist auch aufgefallen, daß Reisenden, die unberechtigterweise, d.h. in <strong>der</strong> Hoffnung, daß<br />

das Abteil nicht benutzt wird, Schwerkriegsbeschädigten-Abteile besetzen, bei Erscheinen von<br />

Kriegsverletzten ihre Plätze nicht sofort räumen, son<strong>der</strong>n meist "erst mit vielem Zureden" durch das<br />

Zugpersonal herausgebracht werden müssen. Es erscheint dringend notwendig, daß die Bevölkerung<br />

auf diese Zustände mit Nachdruck hingewiesen wird.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 302) - 2<strong>3.</strong> Juli 1942<br />

V. Wirtschaft<br />

Einzelmeldung<br />

Wie aus Saarbrücken gemeldet wird, bereite <strong>der</strong> Abtransport des bei dem Neunkircher Eisenwerk anfallenden<br />

Thomasmehles, welches ca. 6% <strong>der</strong> gesamten Thomasmehlerzeugung des <strong>Reich</strong>es ausmache,<br />

wegen Waggonmangel grosse Schwierigkeiten.<br />

[.....]<br />

Seite 59


Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 309) - 2<strong>3.</strong> August 1942<br />

V. Wirtschaft<br />

Einzelmeldungen<br />

[.....]<br />

2. Anhaltende scharfe Kritik an den Beför<strong>der</strong>ungsverhältnissen bei den Strassenbahnen <strong>der</strong> Städte<br />

Rostock und Schwerin.<br />

Breite Bevölkerungskreise, insbeson<strong>der</strong>e aber die <strong>der</strong> berufstätigen Bevölkerung <strong>der</strong> Städte Schwerin<br />

und Rostock sind über die unhaltbaren in keinem an<strong>der</strong>en <strong>Reich</strong>sgebiet anzutreffenden Strassenbahn-<br />

und Omnibusverkehrsverhältnisse äusserst ungehalten. In den Meldungen kommt zum Ausdruck,<br />

daß beispielsweise in Rostock schon <strong>im</strong> Frühjahr 1942 wegen <strong>der</strong> Unmöglichkeit mitgenommen<br />

zu werden, in Fahrt befindliche Strassenbahnzüge von Gefolgschaftsmitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Heinkel-<br />

Werke gewaltsam zum Halten gezwungen wurden, um beför<strong>der</strong>t zu werden. <strong>Ihr</strong> Vorgehen hätten die<br />

beteiligten Volksgenossen damit entschuldigt, sie könnten sich nur durch diese Art einen pünktlichen<br />

<strong>Die</strong>nstbeginn erzwingen und sie müssten es ablehnen, für die durch Verschulden <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>gesellschaft<br />

entstandenen <strong>Die</strong>nstversäumnisse Strafen zu zahlen. Bei an<strong>der</strong>en Gelegenheiten sei es zu<br />

Schlägereien o<strong>der</strong> sonstigen Auseinan<strong>der</strong>setzungen gekommen. Man sage den Fahrgästen dauernd<br />

Grobheiten, o<strong>der</strong> gehe mit einer Unvernunft, Sturheit und bösem Willen vor, die nicht zu übertreffen<br />

seien. Man sei sich aufgrund dieser Verhältnisse allmählich darüber klar geworden, so wird betont,<br />

daß die <strong>Bahn</strong>gesellschaft ihre Beför<strong>der</strong>ungsmittel nicht eingesetzt habe, um die Volksgenossen<br />

pünktlich zu den Arbeitsstätten zu bringen, son<strong>der</strong>n nur dazu, um den keineswegs den Verkehrsbedürfnissen<br />

entsprechenden Fahrplan einzuhalten. Eine Meldung bringt wörtlich dazu folgendes: "Be<strong>im</strong><br />

Schichtwechsel <strong>der</strong> Heikel-Werke, wo 20 bis 30 Strassenbahnwagen zur Beför<strong>der</strong>ung nicht ausreichen,<br />

fahren ganze 3 Wagen. Es ist klar, daß hier je<strong>der</strong> von seinem Hausrecht Gebrauch macht, zumal<br />

dann, wenn <strong>der</strong> Arbeitgeber wegen Arbeitsversäumnis mit Strafen droht. Wegen Überfüllung <strong>der</strong><br />

Wagen käme es häufig vor, so wird weiter ausgeführt, daß Wagenführer keineswegs ein Klingelzeichen<br />

zur Abfahrt abwarten. Aus diesem Grunde sei es in Rostock und Schwerin schon zu Unfällen<br />

und zu erregten Missfallenäusserungen <strong>der</strong> Volksgenossen gekommen. In Schwerin lasse sich weiterhin<br />

beobachten, daß zur Aufholung von Verspätungen einfach Endstationen nicht mehr angefahren<br />

werden, son<strong>der</strong>n daß schon an davorliegenden Weichenstellen die Wagen umwenden und die Fahrt<br />

in Kehrrichtung aufnehmen, weswegen viele Werktätige nicht mitkommen und hierdurch grosse Arbeitsversäumnisse<br />

erleiden.<br />

<strong>Die</strong> Schaffner und Wagenführer zeigten manchmal eine kaum zu überbietende Unhöflichkeit, die<br />

schon mehr an Flegel- o<strong>der</strong> Rüpelhaftigkeit erinnere. Sie gipfele darin, in mürrischer Form auf Fragen<br />

Auskunft zu geben, Fragen zu überhören bzw. sich dumm zu stellen o<strong>der</strong> aber sich berechtigt zu fühlen,<br />

Fahrgäste anzubrüllen. Ein Lichtblick sei - so heisst es in einer Meldung - <strong>der</strong> Einsatz <strong>der</strong> Kriegshilfsdienstmaiden.<br />

<strong>Die</strong> Mädel hätten sich in je<strong>der</strong> Hinsicht schnell in ihren best<strong>im</strong>mt oft nicht leichten<br />

<strong>Die</strong>nst gefunden und zeigten in allen Situationen ein korrektes und höfliches Wesen.<br />

Während in allen Wagen zu lesen sei, daß das Rauchen verboten und gegebenenfalls polizeilich bestraft<br />

würde, könne dauernd in Schwerin beobachtet werden, daß Wagenführer und Schaffner schon<br />

mehrere Haltestellen vor dem Endziel Pfeifen und Zigaretten in Brand setzten o<strong>der</strong> bei Beginn einer<br />

neuen Fahrt weiter rauchten. Viele Volksgenossen würden sich durch das schlechte Beispiel veranlasst<br />

fühlen, ebenfalls das Rauchverbot nicht einzuhalten.<br />

Seite 60


Auch die Beför<strong>der</strong>ung von ausländischen, insbeson<strong>der</strong>e polnischen Arbeitern, führe <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> zu<br />

unliebsamen Zwischenfällen auf den Verkehrsmitteln. Während in Schwerin (Mangel an Industrie) die<br />

Beför<strong>der</strong>ung von ausländischen Arbeitskräften kaum in Erscheinung trete, seien in Rostock kaum<br />

noch tragbare Verhältnisse eingetreten. So sei es beispielsweise schon dazu gekommen, daß deutsche<br />

Volksgenossen vollkommen mit Polen besetzte Strassenbahnzüge räumten, um an <strong>der</strong>en Stelle<br />

die Fahrt fortzusetzen. <strong>Die</strong> Polen hätten dann ihren Weg zu Fuß fortsetzen müssen. Anlass zu dieser<br />

Selbsthilfe sei insbeson<strong>der</strong>e die herausfor<strong>der</strong>nde Haltung <strong>der</strong> Polen gewesen.<br />

Zur Verbesserung <strong>der</strong> misslichen Verkehrsverhältnisse werden in den Meldungen Wünsche dahingehend<br />

vorgebracht, daß<br />

1. das Fahrpersonal die Fahrdienstvorschriften genauestens beachten müsse,<br />

2. <strong>der</strong> Wagenpark nach Möglichkeit so einzusetzen sei, wie die örtlichen Notwendigkeiten es erfor<strong>der</strong>n,<br />

<strong>3.</strong> für die Beför<strong>der</strong>ung ausländischer Arbeitskräfte beson<strong>der</strong>e Regelungen zu treffen seien.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 311) - 24. August 1942<br />

V. Wirtschaft<br />

Zur Stellung <strong>der</strong> Kleinbahnen in <strong>der</strong> Kriegswirtschaft.<br />

Nach verschiedenen hier vorliegenden Berichten stossen die Kleinbahngesellschaften bei Verhandlungen<br />

mit den verschiedenen <strong>Die</strong>nststellen stets auf die Tatsache, daß die nicht reichseigenen Eisenbahnen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e die nebenbahnähnlichen Kleinbahnen, trotz ihrer Wichtigkeit für die<br />

Kriegswirtschaft nicht <strong>im</strong>mer entsprechend anerkannt werden. So würde - wie beson<strong>der</strong>s in Meldungen<br />

aus Halle und We<strong>im</strong>ar betont wird - <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> festgestellt, daß man in <strong>der</strong> Auslegung und<br />

Anwendung <strong>der</strong> verschiedensten Erlasse und Verordnungen durch die Mittelinstanzen <strong>der</strong> verkehrswirtschaftlichen<br />

<strong>Bedeutung</strong> <strong>der</strong> Kleinbahnen nicht gerecht werde. <strong>Die</strong> ergangenen Erlasse sprächen<br />

be<strong>im</strong> Hinweis auf die Wichtigkeit des Einsatzes des Eisenbahn <strong>im</strong> Kriege stets nur von <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn.<br />

<strong>Die</strong> Folge davon sei, daß die Kleinbahngesellschaften z.B. bei <strong>der</strong> Sicherstellung ihres Kohlebedarfes<br />

zum Teil nur in langwierigen, Arbeitskräfte und Arbeitszeit verschwendenden Verhandlungen,<br />

eine Anerkennung ihrer kriegswichtigen Bedürfnisse erreichen können. Mitunter seien aber auch<br />

diese Verhandlungen erfolglos.<br />

So hatte beispielsweise das Landwirtschaftsamt We<strong>im</strong>ar nach <strong>der</strong> Anordnung J12 <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sstelle für<br />

Kohlen, ohne die Anträge <strong>der</strong> Provinzialverwaltung in Merseburg zu berücksichtigen, den Kohlebedarf<br />

einiger Kleinbahnen für die Sommermonate 1942 auf den durchschnittlichen Vierteljahresverbrauch<br />

<strong>der</strong> Sommermonate 1940 abgestellt. Da ausser <strong>der</strong> allgemein steigenden Verkehrsentwicklung einzelne<br />

dieser Kleinbahnen durch die notwendig gewordenen und länger dauernden Reparaturen ihrer<br />

Triebwagen jetzt zu einem stärkeren Einsatz von Dampfzügen gezwungen sind, konnte die Festsetzung<br />

von Kohlenhöchstverbrauchsmengen für kriegswichtig anerkannte Verkehrsbetriebe ohne Rücksicht<br />

auf den unbedingt notwendigen Bedarf nicht vertreten werden. Für die <strong>Reich</strong>sbahn bestanden<br />

<strong>der</strong>artige Beschränkungen nicht. Erst nach wie<strong>der</strong>holter Einschaltung des zuständigen <strong>Reich</strong>sbevollmächtigten<br />

für <strong>Bahn</strong>aufsicht, <strong>der</strong> hierzu in mehreren Reisen aufgesucht worden war, nach mehreren<br />

Ferngesprächen, nach erheblichem Arbeitskraft- und Arbeitszeitaufwand, sei es möglich gewesen,<br />

Seite 61


vom Landwirtschaftsamt We<strong>im</strong>ar die Zusage zu erhalten, daß <strong>der</strong> durch den Triebwagenausfall notwendige<br />

Mehrbedarf an Kohlen <strong>der</strong> Kleinbahngesellschaft zur Verfügung gestellt wird.<br />

Das gleiche Landwirtschaftsamt habe für sein Gebietsbereich gefor<strong>der</strong>t, daß <strong>der</strong> Kleinbahn-Personenverkehr<br />

an Sonntagen eingeschränkt werden solle. <strong>Die</strong> dadurch erzielte Kohlenersparnis betrage<br />

monatlich nur etwa 2 1/2 to. An<strong>der</strong>erseits klage nun die von <strong>der</strong> getroffenen Verkehrseinschränkung<br />

betroffene Landbevölkerung, daß sie dadurch an den Sonntagen ihre in den benachbarten Städten<br />

untergebrachten verwundeten Familienangehörigen nicht besuchen könne.<br />

Schwierigkeiten seien auch wegen <strong>der</strong> Stellung <strong>der</strong> nichtreichseigene Eisenbahnen bei <strong>der</strong> Aktion <strong>der</strong><br />

Freistellung von <strong>Reich</strong>sbahnangehörigen entstanden, nach <strong>der</strong> die in <strong>der</strong> Wehrmacht und Waffen-SS<br />

befindlichen <strong>Reich</strong>sbahnangehörigen <strong>der</strong> Geburtsjahrgänge 1918 und älter sofort und ohne Ersatz<br />

abzuwarten zu entlassen und bis auf weiteres uk zu stellen sind. Auch die hierzu herausgegebenen<br />

Erlasse galten wie<strong>der</strong>um nicht für Kleinbahnen. In einem beson<strong>der</strong>en Fall ist aber wegen Mangel an<br />

Techikern um die Entlassung eines technischen Angestellten aus dem Heeresdienst gebeten worden.<br />

<strong>Die</strong> Entlassung wurde aber durch die zuständige militärische <strong>Die</strong>nststelle abgelehnt mit dem ausdrücklichen<br />

Hinweis darauf, daß es sich bei dem Erlass nur um die <strong>Reich</strong>sbahn handele und <strong>der</strong> Antrag<br />

<strong>der</strong> Kleinbahngesellschaft daher abgelehnt werden müsse.<br />

Als weiteres Beispiel, mit welchen Schwierigkeiten die Kleinbahngesellschaften heute zu kämpfen<br />

haben, wird angeführt, daß die Steinbruch und Bauindustrie GmbH, Bodendorf, die ausser verschiedenen<br />

Nebenbahnen und an<strong>der</strong>en Verkehrsbetrieben auch die Kleinbahngesellschaft <strong>der</strong> Provinz<br />

Sachsen mit dem für die Gleisunterhaltung notwendigen Schotter zu beliefern hat, russische Kriegsgefangene<br />

zugeteilt bekommen hat mit <strong>der</strong> Auflage, daß diese nur für Schotterlieferungen an die<br />

<strong>Reich</strong>sbahn eingesetzt werden dürfen. Das Arbeitsamt in Magdeburg schrieb dazu:<br />

"...Da die Arbeitskräfte Ihnen zweckgebunden überwiesen sind, stellt ihr Einsatz zu an<strong>der</strong>en Arbeiten<br />

als zur Gewinnung von <strong>Reich</strong>sbahn-Schotter einen Verstoss gegen den Erlass des Vorsitzenden des<br />

<strong>Reich</strong>sverteidigungsrates vom 20.9.1940 dar."<br />

Trotz langwieriger Verhandlungen sei es nicht möglich gewesen, die Sicherstellung des notwendigen<br />

Schotterbedarfes <strong>der</strong> vom Provinzialverband in Merseburg getreuten Kleinbahnen durch die Freigabe<br />

<strong>der</strong> Kriegsgefangenen für diese Schotterproduktion zu erreichen.<br />

In Fachkreisen werde die Frage aufgeworfen, ob es <strong>im</strong> Hinblick auf die <strong>Bedeutung</strong> <strong>der</strong> nicht reichseigenen<br />

Eisenbahnen für das deutsche Verkehrsnetz nicht möglich wäre, eine Regelung zu erzielen,<br />

die klarstellt, in welchem Umfang die nichtreichseigenen Eisenbahnen zu den in den Erlassen genannten<br />

<strong>Bahn</strong>en gehören. Einmal würden die Kleinbahnen in ihren Verkehrsleistungen und ihrer <strong>Bedeutung</strong><br />

anerkannt, so z.B. wenn sie Kleinbahnzüge über die <strong>Reich</strong>sbahnstrecken fahren müssen,<br />

wie es jetzt <strong>im</strong> Kriege zur Sicherstellung des Verkehrs geschieht, o<strong>der</strong> wenn sie überhaupt mit ihren<br />

Betriebsmitteln <strong>Die</strong>nst für die <strong>Reich</strong>sbahn verrichten. An<strong>der</strong>erseits müssten sie jedoch in jedem einzelnen<br />

Fall ihre Anerkennung bei den Mittelinstanzen erkämpfen. Nach den bisher gemachten Erfahrungen<br />

könne sehr viel Arbeitskraft und Arbeitszeit gewonnen werden, wenn in die diesbezüglichen<br />

Erlasse und Verordnungen <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sinstanzen auch die nicht reichseigenen Eisenbahnen in irgendeiner<br />

Form einbezogen werden könnten, sei es auch nur durch den Hinweis einer gleichen Behandlung<br />

wie die <strong>Reich</strong>sbahn. Viele Organe <strong>der</strong> Mittelinstanzen wie Landesarbeitsämter, Landwirtschaftsämter,<br />

Handelkammern usw. wären dann <strong>der</strong> <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> auftretenden Zweifel über die Stellung <strong>der</strong><br />

nicht reichseigenen Eisenbahnen und über die zu treffenden Entscheidungen wegen <strong>der</strong> Kleinbahnen<br />

enthoben.<br />

Seite 62


Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 330) - 29. Oktober 1942<br />

V. Wirtschaft<br />

Keine Besserung <strong>im</strong> Reiseverkehr.<br />

Trotz Beendigung <strong>der</strong> eigentlichen Urlaubssaison sind nach übereinst<strong>im</strong>menden Meldungen aus dem<br />

gesamten <strong>Reich</strong>sgebiet - so u.a. aus Berlin, Linz, We<strong>im</strong>ar, Dessau, Klagenfurth, Frankfurt/O<strong>der</strong>, Halle,<br />

Thorn, Graz, Dresden, Nürnberg, Kiel, Frankfurt/Main, Breslau, Salzburg - nennenswerte Erleichterungen<br />

<strong>im</strong> Reiseverkehr nicht eingetreten. Alle öffentlichen Verkehrsmittel, wie Schnellzüge, <strong>Reich</strong>sbahn-<br />

und <strong>Reich</strong>spostautobusse, sind <strong>der</strong>artig überfüllt, daß das Reisen für die Berufstätigen zur Qual<br />

wird. Stundenlanges Stehen in den Gängen sei fast zur Gewohnheit geworden. Oftmals fänden sogar<br />

Reisende nicht mal mehr <strong>im</strong> Gang des Wagens einen Stehplatz und müssen auf den <strong>Bahn</strong>höfen o<strong>der</strong><br />

Autobusstationen zurückbleiben.<br />

In den Meldungen werden <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> zahlreiche Beispiele dafür gebracht, daß sich ein Grossteil<br />

<strong>der</strong> Reisenden aus Vergnügungsreisenden zusammensetze. Es würden aus "Langeweile", <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf zu erwartende "zusätzliche Verpflegung" o<strong>der</strong> in Aussicht gestellte "alkoholische Genüsse"<br />

unnötige Besuche per <strong>Bahn</strong> o<strong>der</strong> Autobus gemacht. Beson<strong>der</strong>s belastend würden sich die sogenannten<br />

"Spritzfahrten", die sich auf ein bis zwei Tage erstrecken, auf den Gesamtverkehr auswirken. Es<br />

hat den Anschein, so heisst es beispielsweise in einer Meldung aus Salzburg, als ob man den vielfachen<br />

Aufrufen und Auffor<strong>der</strong>ungen zum Trotz die <strong>Reich</strong>sbahn <strong>im</strong>mer mehr belasten wolle.<br />

Wer des öfteren gezwungen ist, durchlaufende D-Züge zu benutzen und dabei Gelegenheit hat, die<br />

Gespräche <strong>der</strong> Mitreisenden zu hören, muss feststellen, daß von einer Einschränkung unwichtiger<br />

Reisen nicht <strong>im</strong> geringsten die Rede sein kann (Klagenfurt). Nach wie vor werden Urlaubsreisen aus<br />

<strong>der</strong> Mitte und dem Norden des <strong>Reich</strong>es bis zum äussersten Süden unternommen, Wochenendfahrten<br />

zu Freunden und Bekannten oft über mehrere hun<strong>der</strong>t Kilometer. Dabei erzählen oft Frauen ganz<br />

fre<strong>im</strong>ütig, daß sie bereits in wenigen Tagen die viele Kilometer zählende Strecke wie<strong>der</strong> zurückfahren<br />

müssen, um kurze Zeit später eine ebenso lange Fahrt zu einer an<strong>der</strong>en Freundin in an<strong>der</strong>er Richtung<br />

anzutreten. Dabei beanspruchen Reisende dieser Art unbedingt Sitzplätze und zeigen, wenn sie<br />

sitzen, nicht die geringste Bereitwilligkeit, auch nur für kurze Zeit ihren Platz stehenden Mitreisenden<br />

anzubieten. Selbst die bevorzugte Unterbringung Schwer-Kriegsbeschädigter stösst oftmals auf<br />

Schwierigkeiten, die durch Wehrmachtsstreifen und Zugstreifen mit aller Schärfe abgestellt werden<br />

müssen. So erzählt beispielsweise in einem Einzelfall ein Wehrmachtsangehöriger des Streifendienstes,<br />

daß es ihm zunächst nicht möglich gewesen ist, in einem mit zum Teil jüngeren Frauen besetzten<br />

Abteil II. Klasse einen Schwer-Kriegsbeschädigten mit nur einem Bein Platz zu schaffen, als sich<br />

schliesslich eine junge Frau über die direkte Auffor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Streife, ihren Platz dem Kriegsbeschädigten<br />

freizumachen, dagegen mit <strong>der</strong> Bemerkung verwahrte, wie gerade sie dazu komme, stehen zu<br />

müssen. Darauf erklärte <strong>der</strong> neben ihr stehende Kriegsverletzte, er werde ihr beweisen, daß er mit<br />

einem Bein trotzdem besser stehen könne, als sie mit ihren beiden Beinen. Der Schwerkriegsbeschädigte<br />

blieb dann auch hartnäckig die ganze Strecke von Bruck-Muhr bis Villach (213 km) stehen.<br />

In einem an<strong>der</strong>en Falle musste dieselbe Streife einen an<strong>der</strong>en Schwerkriegsbeschädigten, <strong>der</strong> nur<br />

ein Auge besass und dessen Gesicht durch Narben stark verunstaltet war, in einem Abteil II. Klasse<br />

unterbringen. Eine <strong>im</strong> selben Abteil anwesende jüngere Frau wandte sich daraufhin an die Streife und<br />

fragte, ob <strong>der</strong> Mann nicht an<strong>der</strong>swo untergebracht werden könne, "sein Anblick verursache ihr Ekel,<br />

so oft sie ihn ansehe".<br />

Seite 63


<strong>Die</strong> geschil<strong>der</strong>ten Verhältnisse beziehen sich aber nicht nur auf den Fernverkehr, son<strong>der</strong>n auch auf<br />

den Nah- und Ausflugsverkehr. Durch die Einstellung <strong>der</strong> Kraftwagenlinien an Sonn- und Feiertagen<br />

und durch die teilweise sehr erheblichen Zugeinschränkungen, verlagert sich unwillkürlich <strong>der</strong> Ausflugsverkehr<br />

auf die Lokalbahnen. Es sei nicht übertrieben, so wird betont, wenn man die sich hierbei<br />

ergebende Zugüberfüllung als lebensgefährlich bezeichne. Es sei auch schon vorgekommen, daß<br />

be<strong>im</strong> "Sturm" auf die Wagen Personen verletzt o<strong>der</strong> ihre Kleidungsstücke beschädigt wurden, da sich<br />

einzelne Fahrgäste in <strong>der</strong> Angst nicht mehr mitgenommen zu werden, rücksichtslos vordrängen. Besch<strong>im</strong>pfungen<br />

und Stänkereien seien aus diesen Gründen an <strong>der</strong> Tagesordnung.<br />

Aus verschiedenen Kurorten des Salzkammergutes werden die Klagen über die ungerechte Bevorzugung<br />

<strong>der</strong> Kurgäste gegenüber den Einhe<strong>im</strong>ischen geführt, obwohl Anweisungen bestehen, daß in erster<br />

Linie die Autobusse für den dringenden Berufsverkehr freigehalten werden müssen. Für das Fahrpersonal<br />

sei es allerdings sehr schwierig, die Notwendigkeit bzw. Dringlichkeit <strong>der</strong> Fahrt zu beurteilen,<br />

da es zum grössten Teil die Fahrgäste nicht kenne und eine Reihe von Fahrgästen sich aus "Sicherheitsgründen"<br />

von allen möglichen <strong>Die</strong>nststellen sogenannte Fahrtberechtigungsscheine ausstellen<br />

liessen.<br />

Zusammenfassend ist zu sagen, daß Reiselustige alle Schwierigkeiten <strong>im</strong> Verkehr, Anstehen nach<br />

Zulassungskarten und vollkommen überfüllte Züge usw. willig auf sich nehmen, nur um an ihr Reiseziel<br />

zu gelangen. Beson<strong>der</strong>s die früheren Pressehinweise "Wer zum Vergnügen reist, wird bestraft!"<br />

werden nur noch belächelt. In aller Öffentlichkeit wird geäussert, daß alle die behördlichen Hinweise<br />

stets nur bei denen wirken, die guten Willens seien und die deswegen schon weitgehendst ihre Reisen<br />

eingeschränkt hätten. Das Beispiel <strong>der</strong>er, die doch ihre Urlaubsreise angetreten haben, wirke sich<br />

auf diese willigen Kreise dahin aus, daß sie die aufgeschobene aber nicht aufgehobene Reise doch<br />

noch beginnen. Es wird <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> darauf hingewiesen, daß eine so strenge Überwachung des<br />

Reiseverkehrs, wie man es nach den Zeitungsberichten annehmen musste, überhaupt nicht stattfinde<br />

und man nach Herzenslust reisen könne, ohne daran gehin<strong>der</strong>t zu werden. Obwohl man <strong>im</strong>mer hören<br />

könne, so wird in einer Meldung aus Berlin ausgeführt, daß die Reise an und für sich kein Genuss<br />

war, man nicht einmal den Weg zur Toilette gehen konnte, daß ein <strong>der</strong>artiges Geschiebe <strong>im</strong> Wagen<br />

herrschte, daß man von einer erneuten Reise auf alle Fälle Abstand nehmen wolle, gäbe es doch<br />

noch Volksgenossen in grosser Zahl, die trotzdem ihre Reise antreten und sich durch nichts erschüttern<br />

lassen. Es kursiert <strong>im</strong> Volksmund bereits folgen<strong>der</strong> Satz, <strong>der</strong> bezeichnend ist für die <strong>der</strong>zeitige<br />

Lage <strong>im</strong> Reiseverkehr: "<strong>Ihr</strong> sollt Deutschland in vollen Zügen geniessen!"<br />

Im Interesse des notwendigen Reiseverkehrs, insbeson<strong>der</strong>e des Berufsverkehrs wird daher <strong>im</strong>mer<br />

mehr <strong>der</strong> Wunsch nach Einführung schärfster Reisekontrollen laut, um die Überbelastung <strong>der</strong> Verkehrsmittel<br />

in erträgliche Form zu bringen.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 339) - 30. November 1942<br />

V. Wirtschaft<br />

[.....]<br />

Anlage zu den "Meldungen aus dem <strong>Reich</strong>" vom 30.11.1942<br />

Meldungen zur Lage bei den städtischen Strassenbahnen.<br />

Aus allen Teilen des <strong>Reich</strong>es, so u.a. aus Köln, Berlin, Posen, München, Hamburg, Karlsruhe, Wien,<br />

Düsseldorf, Frankfurt/Main, Königsberg, Dresden, Stuttgart, Innsbruck, Kiel, Breslau, wird in letzter<br />

Seite 64


Zeit übereinst<strong>im</strong>mend gemeldet, daß die notwendigen Instandsetzungsarbeiten bei den Städtischen<br />

Strassenbahnen <strong>im</strong>mer dringen<strong>der</strong> werden. Schwierigkeiten bereite vor allem die Eisenzuteilung.<br />

Nach hier vorliegenden Meldungen haben die in <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sverkehrsgruppe Schienenbahnen zusammengeschlossenen<br />

<strong>Bahn</strong>betriebe in den letzten Jahren folgenden Eisenbedarf angemeldet und teilweise<br />

zugeteilt erhalten:<br />

1939 angemeldet 72.000 t, zugeteilt 47.200 t = 65%<br />

1940 angemeldet 62.700 t, zugeteilt 31.800 t = 50%<br />

1941 angemeldet 74.200 t, zugeteilt 44.300 t = 60%<br />

1942 angemeldet 85.000 t, zugeteilt 38.200 t = 45%<br />

Aus diesen Zahlen ist zu entnehmen, daß bei ständig steigendem Bedarf die Zuteilungen, beson<strong>der</strong>s<br />

<strong>im</strong> Jahre 1942, eine absinkende Tendenz aufweisen. Was insbeson<strong>der</strong>e die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>en<br />

<strong>der</strong> Grossstädte - wie beispielsweise Köln - anbetrifft, so wurden für Instandsetzungszwecke <strong>im</strong><br />

Jahre 1941 rd. 1.900 t Eisen angefor<strong>der</strong>t, dagegen nur 907 t = 47%. Im Jahre 1942 lag <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungssatz<br />

bei 1.800 t und die Zuteilung nur bei 553 t, d.h. um 70% niedriger. Wie hierzu verlautet, sollen<br />

die zugeteilten Mengen nicht einmal voll dem Betrieb zugute gekommen sein, weil durch die letzte<br />

Än<strong>der</strong>ung <strong>im</strong> Zuteilungsverfahren (Einführung <strong>der</strong> Kontrollmarken) <strong>der</strong> Anspruch auf viele Tonnen Metall<br />

verloren ging. In Wirklichkeit lägen also die Zuteilungsmengen noch unter den angegebenen Sätzen.<br />

Weiterhin sei zu beachten, daß bereits <strong>im</strong> Jahre 1937 die Eisenkontigentierung eingesetzt habe,<br />

so daß die <strong>Bahn</strong>en mit einem relativ ungünstigen Betriebszustand in den Krieg gegangen seien.<br />

Durch die Verkehrssteigerung während des Krieges, die bei den grossen Strassenbahnbetrieben 40 -<br />

50% gegenüber dem Jahre 1939, bei kleinen Betrieben bis zu 100% ausgemacht hätten, sei <strong>der</strong><br />

Verschleiss an Gleis- und Oberleitungen sowie an rollendem Material ausserordentlich beschleunigt<br />

worden. Verschärft habe sich diese Lage noch in den luftgefährdeten Gebieten durch die nicht unerheblichen<br />

Ausfälle an rollendem Material infolge Fliegereinwirkung, für die bis heute noch nicht ein<br />

einziger neuer Wagen als Ersatz bereit gestellt worden sei. <strong>Die</strong>ser sich auf das Betriebspotential ungünstig<br />

auswirkende Umstand habe, wie es weiter heisst, zwangsläufig zu nicht unerheblichen Betriebseinschränkungen<br />

führen müssen.<br />

Es wurde <strong>der</strong> Meinung Ausdruck gegeben, daß, wenn nicht in Kürze eine bessere Eisenzuteilung an<br />

Strassenbahnbetriebe erfolge, sich weitere Betriebseinschränkungen bzw. Betriebsstillegungen einzelner<br />

Strecken nicht vermeiden lassen würden.<br />

Mehrfach wird auch zum Ausdruck gebracht, daß <strong>der</strong> Betrieb heute nicht mehr die gewünschte Sicherheit<br />

in sich trage. So wird beispielsweise aus Bonn berichtet, daß dort in <strong>der</strong> letzten Zeit des öfteren<br />

Brüche in <strong>der</strong> Oberleitung und in den Beidrähten auftraten, die zu Zerstörungen <strong>der</strong> Stromabnahme<br />

<strong>der</strong> Strassenbahntriebwagen führen würden. <strong>Die</strong> Unmöglichkeit <strong>der</strong> Gleiserneuerung bedinge<br />

schon heute auf manchen Strecken einen eingleisigen Verkehr, <strong>der</strong> nicht nur zeitraubend, son<strong>der</strong>n<br />

auch nicht ungefährlich sei.<br />

Beson<strong>der</strong>s in Mitleidenschaft gezogen werden vor allen Dingen die mit 32--Kilowatt-Motoren ausgerüsteten<br />

Triebwagen, die beispielsweise mehr als die Hälfte des gesamten Triebwagenparks in Breslau<br />

ausmachen. Es hat sich ergeben, daß diese Motoren für die Überlastung <strong>der</strong> Strassenbahn während<br />

des Krieges zu schwach sind. <strong>Die</strong>se Überlastung macht sich in einer starken Überhitzung <strong>der</strong><br />

Motoren bemerkbar, was zur Folge habe, daß hierbei die Anker zu Bruch gehen. Erschwerend falle<br />

hierbei noch ins Gewicht, daß bei <strong>der</strong> Reparatur <strong>der</strong> Anker nur noch 50%iges Lötzinn zur Verfügung<br />

Seite 65


stehe, dessen Schmelzpunkt naturgemäss entsprechend niedrig liegt, was bei <strong>der</strong> starken Erwärmung<br />

<strong>der</strong> Motoren <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> zu Ausfällen Anlass gibt.<br />

Grosse Schwierigkeiten bereiten auch die Radreifen, die - gegenüber vor dem Kriege - um 20 mm<br />

schwächer ausgewalzt werden. <strong>Die</strong> hierdurch bedingte Verkürzung <strong>der</strong> Lebensdauer um ca. 1 Jahr<br />

und damit <strong>der</strong> Fahrdauerverlust von ca. 60.000 bis 80.000 km ständen zu <strong>der</strong> geringen Materialersparnis<br />

in keinem Verhältnis. Im Gegenteil führe dies zu erhöhtem Eisenverbrauch und vermehrten<br />

Reparaturen. Zudem sei die Lieferfrist für Radreifen <strong>der</strong>art lang, daß <strong>im</strong> Hinblick auf die Aufrechterhaltung<br />

des Verkehrs unbedingt eine Verkürzung <strong>der</strong> Lieferfristen eintreten müsste, wenn man sich nicht<br />

wie<strong>der</strong> zu einer stärkeren Auswalzung <strong>der</strong> Radreifen entschliessen könnte.<br />

Weiter stellen sich <strong>der</strong> Schienenauswechselung Hin<strong>der</strong>nisse in den Weg. <strong>Die</strong>se Bauarbeiten können<br />

ihrer Eigenart wegen nur <strong>im</strong> Sommerhalbjahr vorgenommen werden. Durch das Genehmigungsverfahren<br />

des G.B.Bau werden sie aber auf das ganze Jahr gleichermassen verteilt. Es wurde hier vorgeschlagen,<br />

die Schienen-Reparaturgenehmigungen aus dem Genehmigungsverfahren des G.B.Bau<br />

herauszunehmen und sie an die <strong>Reich</strong>sverkehrsgruppe Schienenbahnen zu übertragen.<br />

Was die Versorgung <strong>der</strong> Betriebe mit Kupferleitungen angehe, so werden die Zuteilungen zwar als<br />

sehr knapp bezeichnet, doch sieht man hier keine ernste Gefahr, weil neues Material zu etwa 60%<br />

gegen Altmaterial erhältlich sei.<br />

Wie weiter bekannt wurde, sollen mit Wirkung vom 1. Januar 1943 sämtliche Strassenbahnwagen mit<br />

Beton-Bremsklötzen ausgerüstet werden, weil gusseiserne Bremklötze nicht mehr zur Verfügung gestellt<br />

werden können. <strong>Die</strong> bei den elektrisch betriebenen <strong>Bahn</strong>en <strong>der</strong> Kreise Bonn-Stadt und Bonn-<br />

Land durchgeführten Versuche mit Beton-Bremsklötzen sollen bisher negativ ausgefallen seien. Beide<br />

<strong>Bahn</strong>en betonen, daß die Luftdruck- und die Betriebsbremse für den sehr starken Druck von 7<br />

bzw. 5 ATM in dem Anpressungsdruck so stark sei, daß die Betonklötze schon nach kurzer Zeit - etwa<br />

nach einem halben bis zwei Tagen - brechen o<strong>der</strong> verloren gingen. <strong>Die</strong> für die Aufnahme <strong>der</strong> Betonklötze<br />

eigens angefertigten Bremsklotzschuhe würden be<strong>im</strong> Verlust <strong>der</strong> Bremsklötze zerstört und<br />

müssten ebenfalls erneuert werden. Hierdurch entstände ein zusätzlicher Verbrauch an Eisen, zudem<br />

sei die arbeitsmässige Belastung <strong>der</strong> Betriebe ausserordentlich hoch, weil mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

<strong>der</strong> Bremsklotzschuhe ständig mehrere Handwerker zusätzlich beschäftigt werden müssten.<br />

Auch die Posener Strassenbahnverhältnisse geben <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> zu kritischen Meinungsäusserungen<br />

Anlass und führen insbeson<strong>der</strong>e zu arbeitseinsatzmässigen Schwierigkeiten, da sie den gestellten<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen in keiner Weise gerecht werden. Feststellungen über die Gründe dieser Zustände<br />

führten zu dem Ergebnis, daß in den allerseltesten Fällen organisatorische Fehler beständen, son<strong>der</strong>n<br />

meist die gleichen Ursachen vorliegen, die auch in den Städten bestehen, in denen die Strassenbahn<br />

die stark erhöhten städtischen Personenverkehr bei überaltertem Wagenpark und mangelhafter<br />

Ersatzteilbeschaffung durchführen muss. Für Posener Verhältnisse kommen noch hinzu, daß<br />

die technischen Einrichtungen noch in bedeutend schlechterem Zustand übernommen werden mussten,<br />

als dies in vergleichbaren Verhältnissen des Altreichs <strong>der</strong> Fall ist und überdies <strong>der</strong> Strassenbahnverkehr<br />

mit einem grossen Teil un- bzw. angelernter unzulänglicher polnischer Arbeitskräften durchgeführt<br />

werden muss. <strong>Die</strong> Schwierigkeiten für die Materialbeschaffung haben ihren Grund darin, so wird<br />

übereinst<strong>im</strong>mend erklärt, daß es den Strassenbahnbetrieben bisher nicht gelungen sei, ihre Einstufung<br />

in eine Dringlichkeitsstufe zu erreichen. Alle diesbezüglichen Vorstösse <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sverkehrsgruppe<br />

Schienenbahnen und die Bemühungen des <strong>Reich</strong>sverkehrsministeriums seien von den zuständigen<br />

Stellen bisher abgelehnt worden. Erst kürzlich soll das Oberkommando <strong>der</strong> Wehrmacht einen<br />

Seite 66


neuen Antrag abgelehnt haben. <strong>Die</strong> Strassenbahnbetriebe müssten deshalb noch <strong>im</strong>mer untragbare<br />

Lieferfristen in Kauf nehmen und damit nur zu oft betriebsfähige Wagen wegen Fehlens irgendeines<br />

Ersatzteiles abstellen.<br />

Zusammenfassend wird herausgestellt, daß die <strong>der</strong>artige Lage <strong>der</strong> deutschen Strassenbahnen hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> Ersatzteilbeschaffung zur Zeit so schwierig geworden sei, daß unter Beibehaltung <strong>der</strong><br />

heutigen Zustellungsquote mit einer Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verkehrsbedienung zu rechnen sei. <strong>Die</strong>ser<br />

Umstand dürfte sich beson<strong>der</strong>s auf die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Rüstungsindustrie in den Grossstädten<br />

auswirken, da nicht <strong>im</strong>mer die Gewähr bestehen würde, den Rüstungsarbeiter rechtzeitig von <strong>der</strong><br />

Wohnung zur Arbeitsstelle zu bringen.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 358) - 11. Februar 1943<br />

V. Wirtschaft<br />

Beför<strong>der</strong>ung von Leichen in Strafgefangenenlagern verstorbener Personen durch die <strong>Reich</strong>sbahn.<br />

Aus Einzelmeldungen geht hervor, daß den Angehörigen von den in Strafgefangenenlagern verstorbenen<br />

Zuchthäuslern noch heute die Leichen zwecks Überführung in die He<strong>im</strong>at seitens <strong>der</strong> zuständigen<br />

Verwaltung zur Verfügung gestellt werden. Sofern die Angehörigen nicht gewillt sind, die anfallenden<br />

Kosten zu übernehmen, o<strong>der</strong> auch sonst keine Verfügung treffen, werden die Toten auf einem<br />

eigens dafür eingerichteten Friedhof <strong>der</strong> Strafanstalt beigesetzt. Von <strong>der</strong> Überführung des Verstorbenen<br />

nach <strong>der</strong> He<strong>im</strong>at werde wie<strong>der</strong>holt Gebrauch gemacht. Es bestünde z.Zt. keine gesetzliche<br />

Handhabe, <strong>der</strong>artige Überführungsanträge abzulehnen. <strong>Die</strong> Überführung erfolge bei geringer Entfernung<br />

durch Leichenwagen, bei weiterer Entfernung dagegen werde die Überführung auf dem Eisenbahnwege<br />

vermittels Waggon durchgeführt, wodurch eine nicht zu verstehende Belastung <strong>der</strong><br />

<strong>Reich</strong>sbahn hervorgerufen werde.<br />

Der Umstand, daß man verstorbene Verbrecher noch heute zur He<strong>im</strong>at überführen könne, um sie dort<br />

beizusetzen, habe wie<strong>der</strong>holt den Unwillen <strong>der</strong> davon Kenntnis erhaltenden Bevölkerung hervorgerufen.<br />

Es sei mit dem gesunden Volksempfinden nicht in Einklang zu bringen, daß Menschen, die sich<br />

ausserhalb <strong>der</strong> Volksgemeinschaft gestellt haben, als Leichen die Ehre einer solchen vordringlichen<br />

Beför<strong>der</strong>ung geniessen. Zu einer Zeit, wo die <strong>Reich</strong>sbahn oftmals für wichtige Güter nicht genügend<br />

Beför<strong>der</strong>ungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und wo "alle Rä<strong>der</strong> für den Sieg rollen" müssen, sei<br />

es unverständlich, daß die Leichen von Verbrechern noch über weite Strecken beför<strong>der</strong>t würden.<br />

So verstarb Ende Oktober, wie beispielsweise aus Münster gemeldet wird, in einem Papenburger<br />

Krankenhaus <strong>der</strong> Zuchthäusler, früher Zahntechniker, Franz K. aus Hofhe<strong>im</strong>. K. war wegen Vergehens<br />

gegen Par. 175 StGB zu einer Zuchthausstrafe von 5 Jahren und Sicherheitsverwahrung verurteilt.<br />

<strong>Die</strong> Leiche des K. wurde durch die Angehörigen durch Eisenbahnwaggon von Papenburg nach<br />

Hofhe<strong>im</strong> auf 300 km überführt, um dort in <strong>der</strong> He<strong>im</strong>at beigesetzt zu werden.<br />

Zu bemerken ist noch, daß <strong>der</strong> Leichenpass in solchen Fällen folgende Eintragung aufweise: "Nachdem<br />

die Überführung <strong>der</strong> Leiche genehmigt worden ist, werden sämtliche Behörden, <strong>der</strong>en Bezirke<br />

durch die Beför<strong>der</strong>ung berührt werden, ersucht, sie ungehin<strong>der</strong>t und ohne Aufenthalt weitergehen zu<br />

lassen."<br />

Seite 67


Für <strong>der</strong>artige Transporte habe man - wie unmissverständlich zum Ausdruck kommt - heute kein<br />

Verständnis mehr. Es wurde <strong>der</strong> Wunsch laut, daß durch Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> bestehenden Best<strong>im</strong>mungen<br />

diesen unnützen Fahrten baldmöglichst ein Ende bereitet würde.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 359) - 15. Februar 1943<br />

V. Wirtschaft<br />

Zur Verabfolgung von Dauerfahrkarten II. Klasse an Jugendliche und Schüler - Kritik <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

an <strong>der</strong> Ausgabe von Freifahrkarten an Pensionisten <strong>der</strong> ehemaligen CSD.<br />

Im Reiseverkehr wird es als eine beson<strong>der</strong>e Belastung empfunden, wie u.a. aus Dessau, Berlin,<br />

Hamburg und Salzburg gemeldet wird, daß für kurze Strecken Dauerfahrkarten II. Klasse auch an<br />

Jugendliche und Schüler ausgegeben werden. Abgesehen davon, daß von den Jugendlichen häufig<br />

Unfug in den Wagen getrieben und die Einrichtung <strong>der</strong> Abteile stark in Mitleidenschaft gezogen würde,<br />

seien namentlich Berufstätige durch die Inanspruchnahme <strong>der</strong> Plätze durch Jugendliche oftmals<br />

verärgert. Ein Umstand, <strong>der</strong> sich beson<strong>der</strong>s auf Reisende, die weite Strecken fahren müssen, sehr<br />

unangenehm auswirke.<br />

Von den dienstlich Reisenden und Berufstätigen wird daher, zumal die II. Wagenklasse seit Kriegsbeginn<br />

in stärkerem Masse benutzt würde und oftmals in einem Zuge nur ein Abteil II. Klasse vorhanden<br />

sei, die For<strong>der</strong>ung laut, die Dauerfahrkarten II. Klasse während des Krieges nicht mehr an Schüler<br />

und Jugendliche zum Schul- und Berufsverkehr zu verabfolgen und diese auf die III. Klasse zu verweisen.<br />

In <strong>der</strong> letzten Zeit werden <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> Klagen aus <strong>der</strong> Bevölkerung laut, wie aus <strong>Reich</strong>enberg gemeldet<br />

wird, daß die Pensionisten <strong>der</strong> ehemaligen CSD-Staatsbahnen auch heute noch ihre verbilligten<br />

Regiekarten bzw. Freifahrtscheine erhalten. <strong>Die</strong> Pensionisten würden diese Karten zu allen möglichen<br />

Reisen benutzen, vor allen Dingen zum Einkauf von Mangelwaren in den verschiedensten ländlichen<br />

Gegenden. <strong>Die</strong> Bevölkerung äussere unter Bezugnahme auf die Propagandaparole "Rä<strong>der</strong><br />

müssen rollen für den Sieg", daß sich doch <strong>im</strong> Einvernehmen mit <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn ein Weg<br />

finden müsse, diese Freikarten bzw. verbilligten Fahrten während <strong>der</strong> Kriegszeit erheblich einzuschränken.<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 374) - 8. April 1943<br />

V. Wirtschaft<br />

Einzelmeldungen<br />

1. In aus Dortmund vorliegenden Meldungen wird darauf hingewiesen, daß dort ein teilweise aufgetretener<br />

Waggonmangel auf die Nichteinhaltung <strong>der</strong> Ladefristen zurückzuführen sei.<br />

[.....]<br />

Meldungen aus dem <strong>Reich</strong> (Nr. 386) - 30. Mai 1943<br />

V. Wirtschaft<br />

[.....]<br />

Überhandnahme <strong>der</strong> Beschädigungen und <strong>Die</strong>bstähle bei <strong>Bahn</strong>- und Postversand.<br />

Seite 68


Aus fast allen Teilen des <strong>Reich</strong>es - u.a. aus Berlin, Breslau, Braunschweig, Düsseldorf, München,<br />

Nürnberg, <strong>Reich</strong>enberg, Salzburg, Stettin, Stuttgart - wird gemeldet, daß namentlich von Lebensmittelgross<br />

- und Einzelhandel <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> Klagen über eine auffällige Zunahme von Beschädigungen<br />

und <strong>Die</strong>bstählen bei <strong>Bahn</strong>- und Postsendungen geführt werden.<br />

Vielfach wird in den Meldungen hervorgehoben, daß es sich nicht um einzelne Sendungen handelt,<br />

son<strong>der</strong>n daß heute schon beinahe wenig Lebens und Genussmittelsendungen angeliefert werden, die<br />

nicht irgendeine Beschädigung aufweisen o<strong>der</strong> bei denen sogar Teile <strong>der</strong> Gesamtsendung gänzlich<br />

fehlen. Obwohl die zweifellos in <strong>der</strong> Bevölkerung auch als schwerwiegend anerkannten Verurteilungen<br />

von <strong>Bahn</strong>- und Posträubern in <strong>der</strong> Presse beson<strong>der</strong>s deutlich herausgestellt werden, kann von<br />

einem Nachlassen <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>- und Postdiebstähle keineswegs gesprochen werden.<br />

Aufgrund dieser Sachlage sah sich beispielsweise eine Grosshandelsfirma in Nürnberg gezwungen,<br />

nachstehendes Rundschreiben an ihre Kunden zu verschicken:<br />

"Schon seit Monaten vergeht kein Tag, an dem nicht unsere Zentralläger und Verkaufsstellen den<br />

ganzen Verlust o<strong>der</strong> die Beraubung <strong>der</strong> sehnlichst erwarteten Sendungen melden müssen. Wir haben<br />

festgestellt, daß es sich in <strong>der</strong> Hauptsache um solche Sendungen handelt, an den äusserlich schon<br />

festzustellen war, welchen Inhalt die Sendungen haben. Und zwar ist dann darauf weniger Rücksicht<br />

genommen, ob die Ware nun in Kartons o<strong>der</strong> Kisten verpackt war. Wir richten deshalb an unsere Lieferanten,<br />

die in ihrer Firma o<strong>der</strong> sonstigen Beklebung einen Hinweis auf die Branche haben, die Bitte,<br />

<strong>im</strong> Einvernehmen mit <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong> die Absen<strong>der</strong>angabe des verladenden Spediteurs o<strong>der</strong> eines Geschäftsinhabers<br />

zu verwenden, also z.B. für "Kölner Keksfabrik" die Bezeichnung "Wilhelm Müller" zu<br />

wählen. Wir haben in jenen Fällen, wo dies bisher schon geschehen ist, eine Abnahme <strong>der</strong> Beraubung<br />

feststellen, somit die heute noch zur Verfügung stehenden Mengen ordnungsgemäss den Verbrauchern<br />

zuführen können, für welche die Waren best<strong>im</strong>mt waren. Wir wissen sehr wohl, daß manche<br />

Markenfabrik sich schwer zu dieser Massnahme entschliessen kann, doch hoffen wir, keine Fehlbitte<br />

getan zu haben und grüssen..."<br />

In Kreisen, in denen dieses Schreiben bekannt wurde, habe es grosse Verwun<strong>der</strong>ung erregt und es<br />

wurde geäussert, daß "es schon sehr weit gekommen sein müsse, wenn Lebensmittelsendungen getarnt<br />

werden müssen".<br />

<strong>Die</strong> gleichen betrüblichen Feststellungen werden übereinst<strong>im</strong>mend auch aus an<strong>der</strong>en Teilen des <strong>Reich</strong>es<br />

gemeldet, wobei insbeson<strong>der</strong>e noch herausgestellt wird, daß es doch möglich sein müsse, diesen<br />

Langfingern endlich einmal das Handwerk zu legen. Der Handel sei sich dabei bewusst, daß<br />

auch die <strong>Reich</strong>sbahn und die <strong>Reich</strong>spost einen sehr schweren Stand haben, zumal beide Verkehrsträger<br />

heute hauptsächlich auf Hilfskräfte angewiesen seien. Bei den <strong>Die</strong>bstählen selbst könne man -<br />

den Meldungen zufolge - von einem beson<strong>der</strong>en System sprechen: die Kisten und Kartons würden<br />

nicht gewaltsam erbrochen, son<strong>der</strong>n sachgemäss geöffnet und nach dem <strong>Die</strong>bstahl genau wie vorher<br />

wie<strong>der</strong> gut verschlossen.<br />

Ferner würden nach Meinung älterer <strong>Reich</strong>sbahnbediensteter viele Beamte dadurch zu <strong>Die</strong>bstählen<br />

verleitet, daß beispielsweise durchreisende Soldaten irgendwelchen <strong>Reich</strong>sbahnangestellten auf den<br />

<strong>Bahn</strong>höfen Briefe, Päckchen usw. zur Weiterbeför<strong>der</strong>ung übergeben. Trotzdem dieses sowohl den<br />

Soldaten als auch den <strong>Reich</strong>sbahnbediensteten verboten sei, sei diese Unsitte stark eingerissen und<br />

nicht zuletzt die Ursache zahlreicher <strong>Die</strong>bstähle.<br />

Seite 69


Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß beispielsweise in einer <strong>Reich</strong>sbahndirektion die Zahl<br />

<strong>der</strong> erstatteten Anzeigen von Verlustmeldungen vor dem Kriege pro Jahr ungefähr 250 betrug, 1941<br />

seien es schon 5.464 Fälle gewesen und 1942 (Januar bis September) 8.314. Von den 5.464 Verlustanzeigen<br />

aus 1941 wurden von dem Fahndungsdienst <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn 1.638 tatsächliche <strong>Die</strong>bstähle<br />

grösseren Umfanges festgestellt und nur in 130 Fällen konnten die Täter ermittelt werden.<br />

Anschliessend kommt in allen vorliegenden Meldungen zum Ausdruck, daß unbedingt etwas geschehen<br />

müsse, diese <strong>Die</strong>bstähle zu unterbinden. <strong>Die</strong> vielen Wirtschaftsbetriebe, die auf den Versand von<br />

Ware durch <strong>Bahn</strong> und Post angewiesen seien, würden durch das starke Zunehmen <strong>der</strong> <strong>Die</strong>bstähle<br />

sehr hart betroffen. Wenn auch die einzelnen Verkehrsträger alle während des Transportes abhanden<br />

gekommenen Güter wertmässig ersetzen, so bedeute je<strong>der</strong> <strong>Die</strong>bstahl doch einen starken Ausfall an<br />

Waren, <strong>der</strong> heute in den meisten Fällen überhaupt nicht zu ersetzen sei.<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 28. Juni 1943 (Weisse Serie)<br />

Gerüchte über die Erhöhung <strong>der</strong> Personentarife bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn.<br />

In <strong>der</strong> Öffentlichkeit halten sich nach wie vor Gerüchte über eine angeblich bevorstehende erhebliche<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Eisenbahntarife <strong>im</strong> Personenverkehr. (Meldungen u.a. aus Braunschweig, Danzig, Berlin,<br />

Halle, München, Nürnberg, Dresden, Hamburg). Nachdem dieses Gerücht zunächst nur vereinzelt<br />

auftrat, habe es - übereinst<strong>im</strong>menden Meldungen zufolge - nunmehr weiteste Volkskreise aller<br />

Schichten erfasst. Es geht u.a. zurück auf die Beobachtung, daß Netzkarten mit einer Gültigkeit über<br />

den 2. Mai 1943 hinaus bereits vor den Osterfeiertagen durch die <strong>Reich</strong>sbahn nicht mehr verkauft<br />

wurden. (Danzig). In den Reisebüros konnte deshalb beobachtet werden, daß Reisehefte sehr stark<br />

gehamstert wurden. Es geschah aus <strong>der</strong> Überlegung heraus, bei etwaiger Erhöhung <strong>der</strong> Fahrpreise<br />

noch einen Anrechtschein auf eine billige Fahrt zu besitzen (Berlin).<br />

Genährt wurde das Gerücht über bevorstehende Fahrpreiserhöhungen auch durch Äusserungen von<br />

Angehörigen <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn selbst. So sei mehrfach Volksgenossen am Schalter auf Anfrage<br />

die Antwort erteilt worden, ab 1.6. o<strong>der</strong> 1.7.1943 würden die Fahrpreise erhöht werden. Da diese<br />

Antworten bekannt geworden sind, glaubte man, diesen Äusserungen offiziellen Charakter be<strong>im</strong>essen<br />

zu können. Aus diesem Grunde sei daher eine Tariferhöhung für weite Teile <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

bereits zu einer feststehenden Tatsache geworden. (Dresden).<br />

<strong>Die</strong> st<strong>im</strong>mungsmässigen Auswirkungen seien - wie übereinst<strong>im</strong>mend gemeldet wird - ausserordentlich<br />

ungünstig, beson<strong>der</strong>s in Arbeiterkreisen und in den Kreisen <strong>der</strong> kleinen Angestellten. Von diesen<br />

wird zum Ausdruck gebracht, daß sie diejenigen seien, die wegen ihrer finanziell schlechteren Lage<br />

von <strong>der</strong> Tariferhöhung in erster Linie am härtesten getroffen würden. <strong>Die</strong>jenigen Volksgenossen, die<br />

bisher mit Rücksicht auf ihre finanzielle Lage grosse Reisen hätten durchführen können, würden nach<br />

Ansicht jener Volksgenossen auch nach einer evtl. Tariferhöhung dazu in <strong>der</strong> Lage sein.<br />

Da eine Erhöhung <strong>der</strong> Fahrpreise bei <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn <strong>im</strong> Augenblick wohl nicht mehr zur<br />

Debatte steht, an<strong>der</strong>erseits aber die Gerüchte sich hartnäckig halten, wäre es angebracht, so wurde<br />

mehrfach in den Meldungen vorgeschlagen, gegebenenfalls diese Gerüchte in geeigneter Weise zu<br />

zerstreuen bzw. zumindest die Angehörigen <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn entsprechend zu unterrichten.<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 1. Juli 1943 (Weisse Serie)<br />

Seite 70


Meldungen über den Pfingstreiseverkehr.<br />

<strong>Die</strong> von <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn getroffenen Massnahmen zur Einschränkung des Reiseverkehrs während<br />

des diesjährigen Pfingstfestes waren für die Bevölkerung nicht neu, da sie <strong>im</strong> gleichen Unfang schon<br />

bei allen Festtagen in den letzten Kriegsjahren durchgeführt wurden. <strong>Die</strong> Bevölkerung hat sich an<br />

diese Massnahmen schon gewöhnt und bringt ihnen <strong>im</strong> grossen und ganzen auch Verständnis entgegen.<br />

Immerhin hat <strong>der</strong> diesjährige Pfingstreiseverkehr wie<strong>der</strong>um gezeigt, daß ein gewisser Prozentsatz<br />

von Volksgenossen sich keinerlei Beschränkungen auferlegt o<strong>der</strong> hinzunehmen gewillt ist. Alle<br />

hier über den Pfingstreiseverkehr vorliegenden Meldungen bringen übereinst<strong>im</strong>mend zum Ausdruck,<br />

daß dieser stärker als je<strong>der</strong> bisherige Festreiseverkehr gewesen ist, mindestens aber <strong>der</strong> stärkste<br />

Pfingstreiseverkehr seit Beginn des Krieges. <strong>Die</strong>se Feststellungen waren sowohl be<strong>im</strong> Fern- als auch<br />

be<strong>im</strong> Nahverkehr zu beobachten. Selbst die Verstärkungszüge des Nahverkehrs waren durch weg<br />

überfüllt. <strong>Die</strong> Zugverstärkungen ermöglichten es jedoch, den Reisestrom einigermassen aufzunehmen.<br />

<strong>Die</strong> Überfüllung <strong>der</strong> Züge, vor allem <strong>der</strong> D-Züge, führte dazu, daß die Unterbringung <strong>der</strong> Mütter<br />

mit Kin<strong>der</strong>n sowie Kriegsbeschädigten auf einzelnen <strong>Bahn</strong>höfen des <strong>Reich</strong>es stark beeinträchtigt<br />

wurde. <strong>Die</strong> beson<strong>der</strong>s reservierten Abteile konnten oft von den Reisenden nicht erreicht werden, da<br />

die Zugänge vollkommen verstopft waren. Auffallend ist - wie aus vielen Meldungen hervorgeht -, daß<br />

die Zahl <strong>der</strong> Mütter mit Klein- und Kleinstkin<strong>der</strong>n, die selbst an <strong>der</strong>art verkehrsstarken Tagen fahren<br />

müssen, laufend zun<strong>im</strong>mt. "Wenn man sämtliche Mütter mit Klein- und Kleinstkin<strong>der</strong>n entsprechend<br />

unterbringen wollte, so muss man heute in jedem D-Zug gleich einige Wagen ganz reservieren!"<br />

(Äusserung eines <strong>Bahn</strong>hofvorstehers).<br />

Wesentlich zu <strong>der</strong> Überfüllung <strong>der</strong> Züge trug auch diesmal wie<strong>der</strong> die Urlaubssperre seitens <strong>der</strong><br />

Wehrmacht bei. Der einzelne in <strong>der</strong> Garnision zurückgehaltene Wehrmachtsangehörige wurde von<br />

<strong>der</strong> Frau, den Kin<strong>der</strong>n, den Eltern usw. besucht. <strong>Die</strong> Belastung <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong> war dadurch erheblich stärker,<br />

als sie bei zahlenmässig grösserer Beurlaubung von Wehrmachtsangehörigen gewesen wäre.<br />

<strong>Die</strong> Ursachen für den teilweise gesteigerten Reiseverkehr sind auch sicherlich in den gerüchteweise<br />

verbreiteten verschärften Reisebeschränkungen und in einer angeblich kommenden Fahrpreiserhöhung<br />

zu suchen. <strong>Die</strong> Bevölkerung hat mit Rücksicht auf diese Gerüchte zu Pfingsten noch einmal die<br />

Gelegenheit benutzen wollen, unter den alten Voraussetzungen Verwandte auf dem Lande, Angehörige<br />

in Garnision usw. zu besuchen o<strong>der</strong> die Fahrten zu ausschliesslichen Vergnügungszwecken zu<br />

unternehmen.<br />

Im Nahverkehr wurde die Einschaltung mehrerer Son<strong>der</strong>züge nach den Ausflugsorten durch die<br />

<strong>Reich</strong>sbahn von den Reisenden dankbar begrüsst. Hier waren deshalb auch mit wenigen Ausnahmen<br />

(ausgesprochene Ausflügler-Son<strong>der</strong>züge am Pfingstmontagabend aus dem Salzkammergut, bei denen<br />

man durch die Fenster ein- und aussteigen musste) keine krassen Auswüchse festzustellen. Es<br />

wurde <strong>im</strong> Gegenteil mehrfach geäussert, daß die Abwicklung des Verkehrs staunenswert sei und daß<br />

man, wenn man sich entsprechende Strecken aussuche, auch jetzt <strong>im</strong> vierten Kriegsjahr noch angenehme<br />

Ausflüge zur Entspannung und Erholung machen könne.<br />

Eine Erscheinung, die <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> Anlass zu Beanstandungen gibt, ist, daß einen Hauptteil aller<br />

Reisenden (wie übrigens zu jedem Wochenende) junge Mädchen stellen. <strong>Die</strong>se, die in vielen Fällen<br />

"keineswegs erholungsbedürftig aussehen" und sicherlich nicht <strong>im</strong>mer zu den schwerstarbeitenden<br />

Menschen gehören, hätten anscheinend überhaupt kein Verantwortungsgefühl und sässen Sonntag<br />

für Sonntag auf <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>.<br />

Seite 71


Von Parteigenossen und <strong>der</strong> Kirche gleichgültig o<strong>der</strong> ablehnend gegenüberstehende Volksgenossen<br />

wurde auch diesmal beanstandet, daß gerade an Tagen beson<strong>der</strong>er Verkehrsbeanspruchung noch<br />

eine zusätzliche Belastung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn durch die sehr zahlreichen "Firmlinge" erfolgt; während<br />

jedem Schaffenden <strong>der</strong> "wohlgemeinte Rat" erteilt werde, unnütze Reisen zu unterlassen, geschehe<br />

kirchlicherseits keinerlei Auffor<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Massnahmen, Firmungen zu einem späteren Datum und<br />

an einem näheren Ort zu besuchen (Salzburg, Linz).<br />

Der diesjährige Pfingstreiseverkehr hat - allen Meldungen zufolge - trotz aller Mahnungen offizieller<br />

Stellen keine nennenswerte Entlastung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn gebracht. Übereinst<strong>im</strong>mend wird zum Ausdruck<br />

gebracht, daß die "letzte Mahnung" des <strong>Reich</strong>sverkehrsministeriums, alle unnützen Reisen zu<br />

unterlassen, auf die Bevölkerung nicht den gewünschten Eindruck machte. "Solange die zahlreichen<br />

Auslän<strong>der</strong> die <strong>Bahn</strong> benutzen, fahre auch ich", o<strong>der</strong>: "wenn die hohen Herrschaften das Reisen einstellen,<br />

dann lasse auch ich es", seien die ständigen Gegenargumente <strong>der</strong> berufstätigen Volksgenossen.<br />

<strong>Die</strong> Zugverspätungen hielten sich <strong>im</strong> Fernverkehr - den Meldungen nach - in erträglichem Rahmen;<br />

es war wohl in den meisten Fällen nicht die Überlastung <strong>der</strong> Reisezüge die Ursache, son<strong>der</strong>n eine<br />

durch Luftgefährdung verspätete Abfahrzeit (Köln, Düsseldorf, Frankfurt/Main). Zusammenfassend ist<br />

festzustellen, daß <strong>der</strong> diesjährige Pfingstreiseverkehr einen sehr starken Andrang aufwies, allgemein<br />

sich jedoch gegenüber dem Osterverkehr sich in Bezug auf die technische Abwicklung und die bei<br />

früheren Gelegenheiten beson<strong>der</strong>s stark in Erscheinung getretenen Unzulänglichkeiten noch in erträglichen<br />

Grenzen gehalten hat. Irgendwelche beson<strong>der</strong>en Schwierigkeiten o<strong>der</strong> grobe Missstände<br />

wurden nicht gemeldet.<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 15. Juli 1943 (Rote Serie)<br />

St<strong>im</strong>men aus <strong>der</strong> Bevölkerung zu den bei <strong>der</strong> Evakuierung aus den Luftkriegsgebieten aufgetretenen<br />

Schwierigkeiten.<br />

[.....]<br />

Nach verschiedenen Meldungen sind <strong>im</strong> Einzelnen folgende Fragen aufgetreten:<br />

1. <strong>Die</strong> Züge mit Obdachlosen sind teilweise unterwegs nicht genügend betreut worden. Es habe unterwegs<br />

kein Essen gegeben, Rote-Kreuz-Schwestern hätten die Verpflegung mit <strong>der</strong> Begründung<br />

abgelehnt, sie dürften nur an Wehrmachtsangehörige Getränke und Essen abgeben.<br />

2. <strong>Die</strong> Züge seien häufig mit grossen Verspätungen o<strong>der</strong> überhaupt nicht in den vorher benachrichtigten<br />

Orten angekommen, so daß die dort getroffenen Massnahmen mehrmals geän<strong>der</strong>t werden mussten,<br />

z.B. musste bereitgestellte Verpflegung wegen des Ver<strong>der</strong>bs an<strong>der</strong>weitig verwandt werden, so<br />

daß die Obdachlosen, als sie endlich ankamen, nichts bekommen konnten. Durch eine laufende Verbindung<br />

zwischen <strong>der</strong> Transportleitung und den Aufnahmeorten, welche durch <strong>Bahn</strong>telegrafie ohne<br />

weiteres möglich sei, hätte, den Meldungen zufolge, eine solche Auswirkung nicht entstehen können.<br />

[.....]<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 15. Juli 1943 (Weisse Serie)<br />

Meldungen zur Versorgung mit Gemüse und Frühobst - zunehmen<strong>der</strong> Tauschhandel <strong>im</strong> Direktverkehr<br />

zwischen Erzeuger und Verbraucher.<br />

[.....]<br />

Seite 72


Aufgrund dieser Sachlage habe deshalb in den Obstanbaugebieten bereits vor mehreren Wochen ein<br />

ständig zunehmen<strong>der</strong> Verkehr von privaten Obstankäufern eingesetzt, <strong>der</strong> in den Wochentagen, ganz<br />

beson<strong>der</strong>s aber an den Sonntagen <strong>der</strong> letzten Zeit zu wahren "Völkerwan<strong>der</strong>ungen" ausgeartet sei.<br />

Teilweise nehme <strong>der</strong> Andrang auf den Verkehrsmitteln lebensgefährliche Formen an (Karlsruhe).<br />

Auch aus Frankfurt am Main wird über eine ausserordentlich starke Belastung <strong>der</strong> Verkehrsmittel berichtet.<br />

So sei z.B. die Kleinbahn <strong>der</strong> Süddeutschen Eisenbahngesellschaft auf <strong>der</strong> Strecke Reinhe<strong>im</strong><br />

-<strong>Reich</strong>elshe<strong>im</strong> mit ihrem planmässigen Zugverkehr nicht <strong>im</strong> entferntesten in <strong>der</strong> Lage, die mehrere<br />

Tausend Fahrgäste (Obstkäufer) zu beför<strong>der</strong>n.<br />

Wie<strong>der</strong>holt hätten planmässige Züge dre<strong>im</strong>al hintereinan<strong>der</strong> fahren müssen, um den Volksgenossen<br />

die Möglichkeit zur Rückreise zu geben. Vom ersten Pfingstfeiertage ab seien mit dieser Kleinbahn<br />

täglich etwa 2.000 - 2.500 Personen in die Erdbeergebiete und wie<strong>der</strong> zurück beför<strong>der</strong>t worden. Verschiedentlich<br />

sei es nicht einmal möglich gewesen, diese Menschen alle mit Fahrkarten zu versehen,<br />

so daß an einem einzigen Tag an <strong>der</strong> Endstation für über RM 1.000,-- Fahrkarten hätten nachgelöst<br />

werden müssen. Wie es in <strong>der</strong> Meldung weiter heisst, seien durch den Einsatz von Son<strong>der</strong>zügen vornehmlich<br />

werktätige Kreise stark verärgert worden, da <strong>im</strong> Zuge <strong>der</strong> Kohlenersparnis sich die Verkehrsbedingungen<br />

<strong>im</strong> Werkverkehr auf dieser Strecke in <strong>der</strong> letzten Zeit erheblich verschlechtert hätten.<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 12. August 1943 (Weisse Serie)<br />

1. Schwierigkeiten <strong>im</strong> Reiseverkehr - zunehmende Belästigung von Schlafwagenreisenden.<br />

Nach in letzten Tagen eingegangenen Meldungen (u.a. aus Klagenfurt, Leipzig, Stuttgart, Berlin) haben<br />

sich in einzelnen Schlafwagen Szenen abgespielt, die mit Rücksich auf die st<strong>im</strong>mungsmässigen<br />

Auswirkungen stärkste Beachtung verdienen. Nicht nur Scheiben werden eingeschlagen, son<strong>der</strong>n<br />

Schlafwagenreisende gewaltsam aus den Betten entfernt und die Schaffner in <strong>der</strong> gröblichsten Weise<br />

besch<strong>im</strong>pft. So wird beispielsweise aus Leipzig bekannt, daß <strong>im</strong> Zug WL 312 - Berlin - Wien - am<br />

1.8.1943 auf dem <strong>Bahn</strong>hof Leipzig Beauftragte örtlicher Stellen Schlafwagen wie auch Betten für<br />

Bombenbeschädigte freigegeben hätten. Schlafwagenreisende wurden bedroht und teilweise gewaltsam<br />

herausgeholt. <strong>Bahn</strong>polizei und <strong>der</strong> diensthabende Inspektor <strong>der</strong> Mitropa waren <strong>der</strong> Menge gegenüber<br />

machtlos. Auch bei dem Schlafwagen WL 310 - Berlin - Stuttgart - am <strong>3.</strong>8.1943 spielten sich<br />

wie<strong>der</strong>um in Leipzig ähnliche Szenen ab. Bei Ankunft des Zuges standen ungefähr 500 Menschen am<br />

<strong>Bahn</strong>steig. Da kein Platz mehr vorhanden war, stürmten alle Reisenden an den Schlafwagen. Wörtlich<br />

berichtet dazu ein Schlafwagenschaffner:<br />

"<strong>Die</strong> Leute waren sehr erregt, weil wir die Türen nicht aufmachten. Ich hatte noch Reisende (2 Frauen<br />

mit Kin<strong>der</strong>n) aufzunehmen, welche ich mit knapper Not in den Wagen brachte. Da riefen die Leute<br />

einem ins Gesicht: "<strong>Ihr</strong> Schweinehunde, Lumpen, erschiessen sollte man Euch!" Einer von <strong>der</strong> Menge<br />

stiess dann das Abteilfenster von Bett 21/22 herunter und warf sein Kind in das Bett 22. Darauf stieg<br />

er selber zum Fenster hinein und aussen nahm ein Mann in Uniform die Frau auf den Arm und schob<br />

sie durch das Fenster. Dann wurde die Mutter und die Kin<strong>der</strong> nachgereicht. Der Mann benahm sich<br />

ganz rabiat. Am an<strong>der</strong>en Morgen besch<strong>im</strong>pfte <strong>der</strong> Mann auch noch meine übrigen Fahrgäste und<br />

machte sehr abfällige Bemerkungen..."<br />

Auch <strong>der</strong> Schlafwagenschaffner des Zuges D26 - WL 325 - Berlin - Klagenfurt berichtete über seine<br />

Fahrt in <strong>der</strong> Nacht vom 2. zum <strong>3.</strong> August folgendes:<br />

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"...In Regensburg hätten wegen Überfüllung des Zuges einige Reisende, darunter Bombengeschädigte,<br />

zurückbleiben müssen. <strong>Die</strong>se wandten sich nun meinem Schlafwagen zu, rüttelten und hämmerten<br />

an den von mir verschlossenen Eingangstüren; schliesslich gingen 4 Männer dazu über, in das<br />

Abteil 17/18 durch das von zwei Damen unvorsichtigerweise offengehaltene Fenster einzusteigen.<br />

Nachdem ich den Reisenden vergeblich erklärt hatte, daß sich sich zunächst an den Fahrdienstleiter<br />

zu wenden und auf alle Fälle Ruhe und Disziplin zu wahren hätten, versuchte ich, das Einsteigen in<br />

das Abteil zu verhin<strong>der</strong>n. Ich wurde dabei von einem Mann am Halse gewürgt - <strong>der</strong> Kragen meiner<br />

Uniform wurde eingerissen, einige Knöpfe fehlten - bis ich ihm eine Ohrfeige versetzte. Ich wollte daraufhin<br />

die Fahrdienstleitung von dem Auftritt verständigen, fand aber keinen <strong>der</strong> Herren, und als ich<br />

einen fand, erklärte mir dieser zigarettenrauchend, daß er nicht zuständig sei. Ein <strong>Bahn</strong>schutzbeamter<br />

winkte von weitem ab und verschwand über die Gleise auf einen an<strong>der</strong>en <strong>Bahn</strong>steig. Der Wagen<br />

war inzwischen gewaltsam geöffnet und <strong>der</strong> ganze Seitengang sowie die Plattform von Reisenden,<br />

Koffern, sonstigen Gepäckstücken und Kin<strong>der</strong>wagen belegt.<br />

In Salzburg liess ich durch einen <strong>Bahn</strong>schutzbeamten die Ausweise kontrollieren und es stellte sich<br />

dabei heraus, daß sich wohl unter den Reisenden einige Bombengeschädigte befanden, aber auch<br />

mindestens ebenso viele Nichtgeschädigte. Darunter war auch <strong>der</strong> ärgste Schreier und <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong><br />

die Männer wahrscheinlich zum Eindringen in den Schlafwagen veranlasst hatte. Er befand sich mit<br />

Frau und Kind auf <strong>der</strong> Fahrt nach Hofgastein und war <strong>der</strong> Nutzniesser dieser "Aktion für Bombengeschädigte".<br />

Auch <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>schutzbeamte in Salzburg konnte die Reisenden nicht zum Verlassen des<br />

Zuges bewegen. <strong>Die</strong>se verblieben in den Wagen bis zur Endstation bzw. zur Umsteigestation ihrer<br />

Reise. <strong>Die</strong> letzten Reisenden verliessen den Wagen in Klagenfurt. An eine Betreuung meiner Reisenden<br />

war ab Regensburg nicht mehr zu denken."<br />

Alle diese Erscheinungen hätten bereits dazu geführt, so wird in Meldungen darauf hingewiesen, daß<br />

einzelne Schlafwagenschaffner sich weigern, ihren <strong>Die</strong>nst fortzusetzen. "Ich lasse mich doch nicht auf<br />

je<strong>der</strong> Fahrt verhauen" o<strong>der</strong> "wenn wir schon fahren sollen, dann soll man uns wenigstens Schutz stellen"<br />

sei <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> in Schaffnerkreisen zu hören. Im übrigen sei <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nst eines Schlafwagenschaffners<br />

durchaus nicht leicht. Auch stehe heute zum grössten Teil nur noch älteres Personal zur<br />

Verfügung, was sich kaum einer erregten Menschenmenge zur Wehr setzen könne. Das <strong>der</strong> Schlafwagenverkehr<br />

in <strong>der</strong> jetzigen Zeit mit beson<strong>der</strong>s kritischen Augen betrachtet wird, zumal bei je<strong>der</strong><br />

Fahrt ein nicht unerheblicher Teil <strong>der</strong> Bettplätze von Frauen belegt ist (vgl. auch "SD-Berichte zu Inlandsfragen"<br />

vom 2.8.1943), wird aus Fachkreisen <strong>der</strong> Vorschlag gemacht, die einzelnen Schlafwagen<br />

- soweit es möglich ist - aus den Kurszügen herauszunehmen und dafür geschlossene Schlafwagenzüge<br />

laufen zu lassen. Gedacht sei dabei beispielsweise an die Schlafwagen nach Ostpreussen,<br />

Schlesien, Südwestdeutschland usw. Gerade auf diesen Strecken fahren oftmals in verschiedenen<br />

Zügen und verschiedenen Zeiten einzelne Schlafwagen, die man alle zu einem Schlagwagenzug zusammenstellen<br />

sollte. Durch Herausnahme <strong>der</strong> Schlafwagen aus den Kurszügen könnten entsprechende<br />

D-Zug-Wagen für den normalen Reiseverkehr eingesetzt werden.<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 18. Oktober 1943 (Weisse Serie)<br />

St<strong>im</strong>men zur diesjährigen Kartoffelerfassung und Versorgung des Speise-, Saat- und Futterbedarfes.<br />

[.....]<br />

In <strong>der</strong> Transportfrage werden neben einer unzureichenden Waggongestellung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn beson<strong>der</strong>s<br />

die fehlenden Nahverkehrsmittel für die Abfuhr <strong>der</strong> Kartoffeln von den <strong>Bahn</strong>höfen erwähnt. In<br />

München könnte zum Beispiel zur Zeit nur 1/4 <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Menge abgefahren werden. Als be-<br />

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son<strong>der</strong>s ungünstig werde die Lage in Oberschlesien, wie aus Kattowitz berichtet wird, bezeichnet.<br />

Hervorgerufen durch die äusserst schlechte Ernte <strong>im</strong> dortigen Gebiet, wodurch "alle Berechnungen<br />

über den Haufen geworfen" seien, sei hier erstmalig ein grosses Zuschussgebiet entstanden, welches<br />

nun unvorhergesehenerweise aus den Ostgebiet versorgt werden müsse. Um den hierbei auftretenden<br />

Transportschwierigkeiten einigermassen zu begegnen, wird von Fachkreisen vorgeschlagen, solange<br />

noch mildes Wetter herrsche, die von Oberschlesien nach den kartoffelliefernden Ostgauen laufenden<br />

Kohlewagen auf <strong>der</strong> Rückfahrt nicht wie bisher unausgenutzt, son<strong>der</strong>n zum Transport von<br />

Kartoffeln zu verwenden.<br />

[.....]<br />

Zur Frage des Stückgutverkehrs wird in den vorliegenden Meldungen wie<strong>der</strong>holt darauf hingewiesen,<br />

daß es die Bevölkerung nicht verstehen könne, daß die zuständigen Stellen so ruhig zusehen konnten,<br />

wie in den vergangenen Jahren wie auch <strong>im</strong> Herbst grosse Mengen von Kartoffeln ohne jegliche<br />

Kontrolle bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn transportiert werden konnten. Obwohl örtliche <strong>Die</strong>nststellen in den letzten<br />

Jahren wie<strong>der</strong>holt Vorstösse und auch umständliche Verhandlungen zur Unterbindung bzw. Einschränkung<br />

des unkontrollierbaren Stückgutverkehrs unternommen hätten, habe man erst in den letzten<br />

Tagen, nachdem die Kartoffelernte gerade in den bäuerlichen Betrieben, die für eine unkontrollierbare<br />

Verbringung am gefährdesten seien, schon seit einigen Wochen beendet sei, den Stückgutverkehr<br />

genehmigungspflichtig gemacht.<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 25. Oktober 1943 (Weisse Serie)<br />

Meldungen über zunehmende Schwierigkeiten <strong>im</strong> Nahverkehr infolge Kürzung <strong>der</strong> Treibstoffkontingente.<br />

<strong>Die</strong> wie<strong>der</strong>holten Kürzungen <strong>der</strong> Treibstoffkontingente treten nach den aus zahlreichen Gauen vorliegenden<br />

Meldungen (u.a. Braunschweig, Breslau, Dortmund, Graz, Innsbruck, Koblenz, München,<br />

Münster, Saarbrücken, Stuttgart und Zichenau) <strong>im</strong>mer nachhaltiger in Erscheinung. <strong>Die</strong> den Wirtschaftsämtern<br />

nunmehr noch verbliebenen Monatskontingente an Vergaserkraftstoffen, <strong>Die</strong>selkraftstoffen<br />

und auch Treibgas hätten dadurch einen Stand erreicht, <strong>der</strong> weit unter den Mengen vergangener<br />

Jahre liege, verschiedentlich aber sogar die Hälfte früherer Monatszuteilungen unterschreite,<br />

was sich sehr nachteilig auf allen Gebieten des täglichen Lebens auswirke. Während einmal die Sicherstellung<br />

von Lebensmitteltransporten nicht gewährleistet sei, stosse zum an<strong>der</strong>en die Einbringung<br />

und Abfuhr <strong>der</strong> Obst- und Kartoffelernte auf erhebliche Schwierigkeiten. Darüber hinaus würden<br />

aber auch auf den örtlichen Nahverkehr angewiesene Rüstungswerke sowie die Personenbeför<strong>der</strong>ung<br />

(auch Berufsverkehr) in einzelnen von <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn nicht erschlossenen Gebieten betroffen.<br />

Zu den Schwierigkeiten auf dem Gebiet des Lebensmitteltransports wird u.a. aus Dortmund gemeldet,<br />

daß es den Fahrbereitschaften infolge des Treibgasmangels vielfach nicht möglich sei, die wichtigsten<br />

Fahrten durchzuführen. So hätten sich be<strong>im</strong> Abtransport <strong>der</strong> seit einigen Wochen in grösserem Umfange<br />

anrollenden Kartoffelsendungen erhebliche Stockungen ergeben. In einzelnen Kreisen seien<br />

deshalb die Güterbahnhöfe zeitweise völlig verstopft und für keine Waggons mehr aufnahmefähig<br />

gewesen. Beson<strong>der</strong>s deutlich würden sich die Abfuhrschwierigkeiten aus folgen<strong>der</strong> Zusammenstellung<br />

ergeben, wonach am 27.9. eine beachtliche Anzahl von Güterwagen auf den <strong>im</strong> folgenden genannten<br />

<strong>Bahn</strong>höfen festgelegen hätten:<br />

<strong>Bahn</strong>hof Altenvörde!<br />

<strong>Bahn</strong>hof Milspe-Kluter!<br />

<strong>Bahn</strong>hof Milspe-Tal!<br />

22 Waggons<br />

6 Waggons<br />

11 Waggons<br />

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<strong>Bahn</strong>hof Milspe-Berg!<br />

12 Waggons<br />

<strong>Bahn</strong>hof Gevelsberg-Haufe!<br />

35 Waggons<br />

<strong>Bahn</strong>hof Gevelsberg-Nord!<br />

48 Waggons<br />

<strong>Bahn</strong>hof Gevelsberg-West!<br />

11 Waggons<br />

<strong>Bahn</strong>hof Gevelsberg-Vogelsang!<br />

1 Waggon<br />

! 146 Waggons<br />

Da infolge <strong>der</strong> durch den Treibstoffmangel bedingten Entladeschwierigkeiten die Gefahr bestanden<br />

hätte, daß von den darunter befindlichen Kartoffelladungen ein ganz erheblicher Anteil verdorben wäre,<br />

sei schliesslich vom Gauleiter in eigener Zuständigkeit die Freigabe von 200 Flaschen Treibgas<br />

angeordnet worden. <strong>Die</strong>se Menge sei jedoch innerhalb kürzester Frist verbraucht gewesen, so daß<br />

sich bereits am 30.9. allein auf den oben genannten <strong>Bahn</strong>höfen des Ennepe-Ruhr-Kreises wie<strong>der</strong>um<br />

105 unausgeladene Güterwagen gestaut hätten. Ähnliche Schwierigkeiten hätten sich auch <strong>im</strong> Kreise<br />

Iserlohn gezeigt, wo u.a. am 28.9. auf dem Güterbahnhof Iserlohn 15 Waggons Kartoffeln gestanden<br />

hätten, <strong>der</strong>en Abtransport wegen Gasmangels nicht möglich gewesen sei. Auch in Dortmund selbst<br />

seien aus demselben Grunde Anfang Oktober von den täglich anrollenden 50 - 55 Waggons Kartoffeln<br />

etwa 10 - 15 Waggons rückständig geblieben<br />

[.....]<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 29. November 1943 (Weisse Serie)<br />

Meldungen über die Schwierigkeiten <strong>im</strong> Paketverkehr.<br />

[.....]<br />

Aus <strong>der</strong> Fülle des vorliegenden Nachrichtenmaterials werden die wesentlichen Punkte nachstehend<br />

wie<strong>der</strong>gegeben und <strong>im</strong> einzelnen erläutert:<br />

1. <strong>Die</strong> Ursachen des Paketstaues und die Verhängung <strong>der</strong> Paketsperre.<br />

2. <strong>Die</strong> Paketsperre und die sachlichen und st<strong>im</strong>mungsmässigen Auswirkungen.<br />

<strong>3.</strong> Vorschläge aus <strong>der</strong> Praxis für die weitere Abwicklung des Postpaketverkehrs.<br />

Zu 1.:<br />

[.....]<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite konnte die Deutsche <strong>Reich</strong>sbahn infolge des bestehenden Waggonmangels<br />

nicht genügend La<strong>der</strong>aum zum Abtransport <strong>der</strong> Paketmengen zur Verfügung stellen, wodurch<br />

zwangsläufig <strong>der</strong> Paketstau eintreten musste, zumal <strong>der</strong> Paketrückstand seinen Höhepunkt zu einer<br />

Zeit erreichte, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> jahreszeitlich bedingten Verkehkrsspitze <strong>der</strong> Deutschen <strong>Reich</strong>sbahn zusammenfiel.<br />

Der Paketstau hat sich nicht so sehr bei den kleinen Paketabnahmestellen als wie bei<br />

den Paketumschlagsämtern, die in den meisten Fällen nicht in <strong>der</strong> Lage waren, die seitens <strong>der</strong><br />

<strong>Reich</strong>sbahn gestellten Waggons zu be- bzw. zu entladen, entwickelt. Im Hinblick auf die von <strong>der</strong> Gesamtwirtschaft<br />

gefor<strong>der</strong>te beschleunigte Entladung <strong>der</strong> Eisenbahnwaggons war es aus Verkehrsgründen<br />

untragbar geworden, daß die <strong>Reich</strong>spost die für den Paketverkehr zur Verfügung gestellten<br />

Seite 76


Waggons tagelang vollbeladen auf den <strong>Bahn</strong>höfen stehen liess (u.a. Dresden, Halle, Breslau, Braunschweig).<br />

[.....]<br />

Durch die Einwirkungen <strong>der</strong> feindlichen Luftangriffe sind nicht nur Paketumschlagstellen zerstört worden,<br />

son<strong>der</strong>n auch <strong>im</strong> grössten Umfang rollendes Material aller Art. Darüberhin mussten bereits beladene<br />

Postwagen zwangsläufig von einem grösseren <strong>Bahn</strong>hof zum an<strong>der</strong>en verschoben werden, ehe<br />

überhaupt eine Entladung in Angriff genommen werden konnte.<br />

[.....]<br />

Zu 2.:<br />

<strong>Die</strong> aufgrund energischer Vorstellungen seitens <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn, vor allem durch den zeitweisen Entzug<br />

von Eisenbahnwaggons, ausgelöste Paketsperre wäre in einigen Gebietsteilen, wie z.B. in den<br />

Alpen- und Donaugauen, München/Oberbayern und Würtemberg/Hohenzollern, den Meldungen zufolge,<br />

nicht notwendig gewesen, da in diesen Gebieten die Verhältnisse sich noch nicht so zugespitzt<br />

hatten wie <strong>im</strong> übrigen <strong>Reich</strong>sgebiet. Infolge <strong>der</strong> allgemeinen Postsperre hätten sich daher nach Aufhebung<br />

<strong>der</strong> Sperre dieselben Erscheinungen wie in den meisten an<strong>der</strong>en Gauen gezeigt, nämlich das<br />

sprunghafte Anwachsen <strong>der</strong> täglichen Paketauslieferungen. So heisst es zum Beispiel in <strong>der</strong> Meldung<br />

aus Wien, daß <strong>der</strong> am 8.11.1943 einsetzende Ansturm von Firmen und Privatpersonen <strong>der</strong>art gross<br />

gewesen sei, daß Verstärkungspersonal hätte eingesetzt werden müssen, um die Paketabfertigung<br />

zu bewältigen. <strong>Die</strong> zweitgrösste Umleitstelle Wien-Nordbahnhof hatte bis zum 11.11.1943 bereits einen<br />

Stau von ca. 12.000 Paketen zu verzeichnen gehabt. <strong>Die</strong> Postumleitstelle Wien-Südbahnhof hätte<br />

aufgrund dieses Ansturms bis zum 1<strong>3.</strong>11.1943 trotz Personalverstärkung einen Rückatnd von<br />

5.000 Paketen ausgewiesen. Dagegen wäre die Zahl <strong>der</strong> bisher gestellten Eisenbahnwaggons um 30<br />

- 40% verringert worden.<br />

[.....]<br />

Meldungen über die Auswirkungen <strong>der</strong> letzten Terrorangriffe auf den Verkehrsablauf und die Versorgung<br />

<strong>der</strong> <strong>Reich</strong>shauptstadt.<br />

Abgesehen von den unmittelbaren Schäden, die die Terrorangriffe sowohl <strong>im</strong> Fernverkehr als auch <strong>im</strong><br />

Berliner Stadtverkehr verursacht haben, zeigen die vorliegenden Meldungen zahlreiche Schwierigkeiten<br />

und Unzulänglichkeiten auf, die infolge ihrer Auswirkungen auf den Ablauf des gesamten Wirtschaftslebens<br />

als auch die Versorgung <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>shauptstadt eine beson<strong>der</strong>e Beachtung<br />

verdienen.<br />

Durch den Ausfall des grössten Teils <strong>der</strong> Berliner Verkehrsverbindungen zeigten sich in den letzten<br />

Tagen nach den Angriffen in <strong>der</strong> Personalbeför<strong>der</strong>ung ausserordentliche Schwierigkeiten und Stockungen.<br />

Bei allem Verständnis, das von seiten <strong>der</strong> Bevölkerung diesen Umständen entgegengebracht<br />

wurde, sei jedoch allgemein kritisiert worden, daß durch den Verkauf von Fahrscheinen und<br />

Fahrkarten erhebliche Verzögerungen und teilweise auch regelrechte Verstopfungen auf einer Reihe<br />

von <strong>Bahn</strong>höfen entstanden seien. in gewissem Umfange wären diese Schwierigkeiten zwar dadurch<br />

gemil<strong>der</strong>t worden, daß die Fahrkarten <strong>der</strong> U-<strong>Bahn</strong> und Strassenbahn auf <strong>der</strong> S-<strong>Bahn</strong> Gültigkeit besessen<br />

hätten. Ganz allgemein werde jedoch von den Volksgenossen kritisiert, weshalb nicht in den<br />

Tagen unmittelbar nach den Grossangriffen die Benutzung <strong>der</strong> Verkehmittel ohne Fahrschein o<strong>der</strong><br />

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Fahrkarte grundsätzlich ermöglicht worden sei, um den ohnehin stockenden Verkehr wenigstens von<br />

dieser Seite aus zu entlasten. Vom Bombengeschädigten aus an<strong>der</strong>en Teilen des <strong>Reich</strong>es werde<br />

hierzu erklärt, daß in ihrer He<strong>im</strong>t zur Zeit <strong>der</strong> Terrorangriffe die Benutzung <strong>der</strong> Verkehrsmittel unentgeltlich<br />

erfolgt sei. Das auf diese Weise freigewordene Personal hätte dann zweckmässigerweise zur<br />

Erteilung von Auskünften usw. eingesetzt werden können. Der Ausfall <strong>der</strong> meisten Verkehrsverbindungen<br />

und <strong>der</strong> täglichen, ja oft stündlichen Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Verkehrsverhältnisse hätten selbst<br />

bei alteingesessenen Berlinern eine ganz erhebliche Unsicherheit hervorgerufen, so daß sich <strong>der</strong><br />

Mangel an Auskunftspersonal äusserst stöhrend bemerkbar gemacht habe. Ebenso sei auch das Aufstellen<br />

mehrerer gut lesbarer Hinweisschil<strong>der</strong> auf den <strong>Bahn</strong>höfen vielfach vermisst worden. Einzelne<br />

mit <strong>der</strong> Hand ausgeschriebene Zettel hätten nicht ausgereicht und seien bei dem Riesenandrang nur<br />

einem Teil <strong>der</strong> Verkehrsteilnehmer zu Gesicht gekommen.<br />

Infolge des Ausfalls <strong>der</strong> Strassenbahn habe <strong>der</strong> U-<strong>Bahn</strong>verkehr ganz beson<strong>der</strong>s starke Ausmasse<br />

angenommen. Beson<strong>der</strong>s auf den Umsteigebahnhöfen wie Kottbusser Tor, Hallesches Tor, Gleisdreieck<br />

und Alexan<strong>der</strong>platz sei <strong>der</strong> Andrang ausserordentlich stark. <strong>Die</strong>ser Andrang sei verschiedentlich<br />

noch dadurch verstärkt worden, daß nur ein Teil <strong>der</strong> Ein- und Ausgänge zahlreicher U-<strong>Bahn</strong>höfe offen<br />

gehalten wurden. So hätten sich z.B. am Alexan<strong>der</strong>platz <strong>der</strong> Zu- und Abgang zur U-<strong>Bahn</strong> nur über<br />

zwei Ein- bzw. Ausgänge abgewickelt, die deshalb stets verstopft gewesen wären. Das Verlassen des<br />

U-<strong>Bahn</strong>hofs Alexan<strong>der</strong>platz habe jeweils eine unverhältnismässig lange Zeit in Anspruch genommen.<br />

Eine wesentliche Erleichterung des Verkehrs hätte allein dadurch erzielt werden können, wenn ein<br />

o<strong>der</strong> zwei Zugänge ausschliesslich für den Abgang <strong>der</strong> Fahrgäste offen gehalten worden wären. Personalle<br />

Schwierigkeiten hätten bei <strong>der</strong> Durchführung einer solchen Massnahme kaum eine Rolle spielen<br />

können, da durch den Ausfall <strong>der</strong> Linie "A" Personal zur Verfügung hätte stehen müssen.<br />

Ausserdem werde von Volksgenossen beanstandet, daß von dem Personal <strong>der</strong> BVG insbeson<strong>der</strong>e<br />

auf den U-<strong>Bahn</strong>höfen gegenüber den Verkehrsteilnehmern verschiedentlich ein Ton angeschlagen<br />

werde, <strong>der</strong> keineswegs vertretbar sei. Wenn auch zugegeben werden müsse, daß durch die aussergewöhnliche<br />

dienstliche Belastung, womöglich auch durch persönliche Schicksalsschläge infolge <strong>der</strong><br />

Feindangriffe die Angestellten <strong>der</strong> BVG aussergewöhnlich stark beansprucht wären, so müsse dem<br />

jedoch entgegengestellt werden, daß für einen Grossteil <strong>der</strong> Verkehrsteilnehmer ähnlich Verhältnisse<br />

zuträfen. Ein taktloses Verhalten irgendwelcher BVG-Angehöriger sei deshalb auf keinen Fall zu billigen<br />

und es erscheine zweckmässig, unzulängliche und nervöse Beamte gegen solche auszutauschen,<br />

die <strong>der</strong> Sache gewachsen wären. <strong>Die</strong> augenblicklichen Verhältnisse erfor<strong>der</strong>ten von den Beamten<br />

zweifellos beson<strong>der</strong>e Verantwortung und Umsicht als auch Takt und Grosszügigkeit.<br />

Das stuhre und verwaltungsmässig überkorrekte Verhalten einzelner BVG-Angehöriger werde auch<br />

durch die Beschwerde einer Anzahl von Volksgenossen beleuchtet, die anlässlich des Fliegeralarms<br />

vom 2<strong>3.</strong>11.1943 den Luftschutzbunker des Strassenbahndepots in Wittenau hätten aufsuchen wollen,<br />

dort aber von dem Pförtner unter Hinweis auf vorliegende Best<strong>im</strong>mungen, daß <strong>der</strong> Luftschutzraum<br />

nur für Angehörige <strong>der</strong> BVG bereitstehe, abgewiesen worden seien. Erst nachdem ein Teil <strong>der</strong> unterschlupfsuchenden<br />

Volksgenossen zu entfernt gelegeneren Schutzräumen geeilt seien, wäre es dem<br />

Rest <strong>der</strong> dort nachfragenden Personengruppe lediglich durch das Hinzukommen des Werkluftschutzleiters<br />

gelungen, dort unterzukommen. Dabei habe es sich herausgestellt, daß dort eine grosse Anzahl<br />

schöner und grosser Luftschutzräume nahezu leer gestanden hätte, so daß neben dem anwesenden<br />

BVG-Personal noch einige hun<strong>der</strong>t Menschen hätten Unterkunft finden können.<br />

<strong>Die</strong> mit dem 25.11.1943 erfolgte Wie<strong>der</strong>inbetriebnahme <strong>der</strong> gesamten Nord-Süd-Strecke <strong>der</strong> S-<strong>Bahn</strong><br />

hat zu einer wesentlichen Erleichterung des Verkehr mit beigetragen. Allerdings habe es infolge des<br />

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noch bestehenden Ausfalls an<strong>der</strong>er Verkehsmittel <strong>der</strong> Andrang auf einer Anzahl von <strong>Bahn</strong>höfen, insbeson<strong>der</strong>e<br />

Umsteigebahnhöfe (z.B. S-<strong>Bahn</strong>hof Gesundbrunnen) <strong>der</strong>artige Ausmasse gehabt, daß<br />

sich Volkgenossen bis zu einer Stunde gestaut hätten, ehe es ihnen möglich gewesen sei, in einen<br />

<strong>der</strong> fahrplanmässigen Züge hineinzukommen.<br />

Auch <strong>im</strong> S-<strong>Bahn</strong>betrieb sei in den Tagen nach den Luftangriffen bemängelt worden, daß <strong>Bahn</strong>hofspersonal<br />

nur unzureichend zur Verfügung gestanden hätte. Auf Hauptverkehrspunkten und Umsteigebahnhöfen<br />

seien vielfach so wenige Bedienstete zugegen gewesen, daß es infolge ihrer technischen<br />

Inanspruchnahme nicht möglich gewesen wäre, den mitunter bis zu Tausend anstehenden<br />

Volksgenossen in geeigneter Form Auskunft über die Abwicklung des Verkehrs, z.B. Eintreffen von<br />

Pendelzügen usw. zu geben. In solchen Fällen sei <strong>der</strong> Fahrdienstleiter infolge <strong>der</strong> Überbeanspruchung<br />

völlig kopflos gewesen. Derartige Zustände würden nach den vorliegenden Meldungen von <strong>der</strong><br />

Bevölkerung keineswegs verstanden und demzufolge erheblich beanstandet, zumal in den ersten Tagen<br />

nach den Angriffen eine ganze Reihe von <strong>Bahn</strong>höfen ausgefallen waren, <strong>der</strong>en Personal zur<br />

Durchführung <strong>der</strong>artiger Aufgaben zweifellos zur Verfügung gestanden hätte.<br />

Fernerhin habe sich die eingeschränkte Beleuchtung jener Zugänge und Gänge verschiedener S-<br />

<strong>Bahn</strong>höfe, in denen Bombengeschädigte mit ihrer Habe vorübergehend Unterkunft gefunden hatten,<br />

auf die Abwicklung des Zu und Abgangs <strong>der</strong> Verkehrsteilnehmer störend ausgewirkt (z.B. Stettiner<br />

<strong>Bahn</strong>hof). Durch die bei<strong>der</strong>seits <strong>der</strong> Gänge und Treppen gestapelten Möbel und Betten wäre <strong>der</strong> Verkehr<br />

in dem verbliebenen schmalen Durchgang infolge <strong>der</strong> schlechten Beleuchtung mitunter "geradezu<br />

lebensgefährlich" gewesen.<br />

Lobend hervorgehoben werde <strong>der</strong> Einsatz von Verkehrsomnibussen <strong>der</strong> BVG, zumal diese auf zahlreichen<br />

Linen in dichter Folge verkehrten. Demgegenüber werden jedoch über den Einsatz <strong>der</strong> Omnibusse<br />

<strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn sehr geklagt, da diese in einer äusserst weitläufigen Folge und einer geringen<br />

Anzahl eingesetzt seien, so daß sich für die Verkehrsteilnehmer sehr lange Wartezeiten ergeben hätten.<br />

Ausserdem werde bemängelt, daß die Haltepunkte <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahnomnibusse nicht gekennzeichnet<br />

gewesen wären.<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Bewältigung des Fernverkehrs könne festgestellt werden, daß dieser sich <strong>im</strong> grossen<br />

und ganzen verhältnismässig reibungslos abwickele. Von den Verkehrsteilnehmern in Richtung Stettin,<br />

Frankfurt/O<strong>der</strong> usw., für die die Fernzüge in Eberswalde abgelassen würden, werde jedoch darüber<br />

Klage geführt, daß <strong>der</strong> Zubringerverkehr den Anfor<strong>der</strong>ungen nicht gewachsen sei. Zunächst träten<br />

erhebliche Schwierigkeiten am <strong>Bahn</strong>hof Gesundbrunnen auf, wo ein überaus starker Andrang zu<br />

verzeichnen sei, und die Reisenden, die meist viele Gepäckstücke mit sich führten, kaum durch die<br />

Menschenmassen hindurch kämen, so daß es oftmal zu Tätlichkeiten und schweren Besch<strong>im</strong>pfungen<br />

komme. Ebenso würden sich auch be<strong>im</strong> anschliessenden Umsteigeverkehr in Bernau mitunter recht<br />

missliche Szenen abspielen, da <strong>der</strong> stündlich eingerichtete Pendelverkehr Bernau - Eberswalde für<br />

die Bewältigung des Andranges kaum ausreiche (vereinzelt seien diese Pendelzüge <strong>der</strong>artig überfüllt,<br />

daß Volkgenossen die Fahrt auf den Trittbrettern antreten müssten). Insbeson<strong>der</strong>e sei nicht <strong>im</strong> erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Masse Raum zur Aufnahme von Kin<strong>der</strong>wagen vorhanden. <strong>Die</strong> <strong>im</strong> Wagen mitgeführten Kin<strong>der</strong><br />

müssten daher vielfach mit ihren Müttern <strong>im</strong> Gepäckwagen Unterkunft finden, um an <strong>der</strong> Fahrt<br />

teilnehmen zu können. <strong>Die</strong>se Wagen seien aber völlig ungeeignet, da die Türen zwecks Lüftung etwas<br />

geöffnet bleiben müssten, wodurch starke Zugluft entstehe. Ausserdem stünden diese Wagen<br />

dann für Gepäckstücke nicht zur Verfügung. - Von Reisenden, die in umgekehrter Richtung in Berlin<br />

eintreffen, werde jedoch hervorgehoben, daß <strong>der</strong> Verkehr ab Eberswalde glatt vonstatten gehe. Bei<br />

dem Verkehr, <strong>der</strong> sich über den Ausweichbahnhof Kremmen abwickelt, handele es sich fast aus-<br />

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schliesslich um Bombengeschädigte, die in die Ruppiner Gegend evakuiert würden. <strong>Ihr</strong> Beför<strong>der</strong>ung<br />

erfolge ausschliesslich mit fahrplanmässigen Zügen. Lediglich am 24. und 25.11.1943 seien einem<br />

Güterzug einige Personenwagen angehängt worden. Durch den ungeheuren Andrang, z.T. aber auch<br />

infolge des schlechten Zustandes <strong>der</strong> Maschinen seien hier vielfach Verspätungen bis zu 85 Minuten<br />

zu verzeichnen.<br />

Auf dem Ausweichbahnhof Nauen, <strong>der</strong> Endbahnhof und Ausgangspunkt <strong>der</strong> Züge in Richtung Hamburg<br />

sei, wickele sich <strong>der</strong> Verkehr reibungslos ab und werde ausschliesslich mit den ankommenden<br />

Zügen bewältigt. Auch hier sei <strong>der</strong> Verkehr verhältnismässig stark, jedoch würden die Züge planmässig<br />

abgelassen.<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Lenkung <strong>der</strong> Fernverkehrszüge während <strong>der</strong> Fliegerangriffe werde verschiedenen<br />

Meldungen zufolge von Reisenden darauf hingewiesen, daß die getroffenen Massnahmen mitunter<br />

völlig unverständlich seien. Es sei unzweckmässig, mitten während des Ablaufs von Grossangriffen<br />

den Verkehr in <strong>der</strong> üblichen Form weiterlaufen zu lassen, da hierdurch einmal sehr viele Menschenleben<br />

gefährtet würden und auch <strong>der</strong> Ausfall an Waggons, Lokomotiven usw. ebenso möglich sei. U.a.<br />

sei während des ersten Grossangriffs in <strong>der</strong> Nacht vom 22./2<strong>3.</strong>11.1943 <strong>der</strong> D-Zug aus Küstrin bis kurz<br />

vor den Schlesischen <strong>Bahn</strong>hof gefahren worden, um dort während des Angriffs liegenzubleiben. <strong>Die</strong><br />

Reisenden hätten den Zug nicht verlassen dürfen. Ähnliche Fälle seien auch von den Reisenden an<strong>der</strong>er<br />

D-Züge kritisiert worden (Ausweichbahnhof Potsdam).<br />

Über den langsamen Abtransport von Expressgut würden aus Kreisen <strong>der</strong> Wirtschaft vielfach Klagen<br />

geführt. So seien z.B. in Richtung Hamburg bis zum 25.11.1943 erst 2 Lastwagen, von denen nur einer<br />

mit Anhänger gefahren sei, mit Expressgut nach Nauen geschickt worden. Da aber gleichzeitig<br />

<strong>der</strong> Anfall von Expressgütern sehr stark sei, reichten die vorhandenen Räumlichkeiten nicht aus, so<br />

daß diese vielfach in leeren Güterwagen gestapelt würden.<br />

Von Kreisen <strong>der</strong> Wirtschaft wird ferner lebhaft kritisiert, daß angesichts <strong>der</strong>artiger Terrorangriffe eine<br />

zu bürokratische Handhabung von an sich richtigen Vorschriften zu beobachten sei. So werde z.B. für<br />

Güterwagen, die infolge irgendwelcher Luftkriegsschäden nicht hätten entladen werden können,<br />

Standgeld gefor<strong>der</strong>t. In Kreisen sämtlicher für die Versorgung verantwortlicher <strong>Die</strong>nststellen, Organisationen<br />

usw. habe diese Massnahme den lebhaftesten Wi<strong>der</strong>spruch gefunden.<br />

Von Angestellten und Beamten <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn, insbeson<strong>der</strong>e aber von dem begleitenden Zugpersonal<br />

werde Klage darüber geführt, daß bei manchen Ausweichstellen kein zusätzliches Personal von<br />

den ausgefallenen <strong>Bahn</strong>höfen beor<strong>der</strong>t worden sei. Das Personal müsse dort morgens mit den ersten<br />

Zügen den <strong>Die</strong>nst antreten, <strong>der</strong> den ganzen Tag über bis spät abends versehen werden müsse. Ablösungen<br />

stünden nicht zur Verfügung. <strong>Die</strong> an das Fahrpersonal gestellten Anfor<strong>der</strong>ungen seien ausserordentlich<br />

gross; es bestehe auch meist keine Gelegenheit, ein warmes Mittagessen einzunehmen.<br />

Zusammenfassend wird in den hier vorliegenden Meldungen zum Ausdruck gebracht, daß die <strong>im</strong> Verkehrsdienst<br />

eingesetzten Bediensteten sich <strong>im</strong> grossen und ganzen einsatzfreudig gezeigt haben und<br />

daß - abgesehen von den in den ersten Stunden und Tagen nach den jeweiligen Terrorangriffen unbedingt<br />

in Kauf zu nehmenden Schwierigkeiten - bei darüber hinausgehenden, länger andauernden<br />

Missständen die Gründe <strong>im</strong> Organisatorischen zu suchen sind.<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 16. Dezember 1943 (Rote Serie)<br />

Seite 80


Meldungen über die Entwicklung <strong>der</strong> öffentlichen Meinungsbildung.<br />

[.....]<br />

5. <strong>Die</strong> Herausstellung des "Tages <strong>der</strong> Eisenbahner" in Presse und Rundfunk mit <strong>der</strong> Rede des<br />

<strong>Reich</strong>sministers Dr. Goebbels habe man grösstenteils beachtet und die Veröffentlichungen hätten eine<br />

gebührende Würdigung gefunden. Man empfinde es durchaus gerecht, die Leistungen <strong>der</strong> Deutschen<br />

<strong>Reich</strong>sbahn, die man bewun<strong>der</strong>n müsse, auf diese Weise einmal hervorzuheben. Von <strong>der</strong> Rede<br />

Dr. Goebbels seien seine Ausführungen über den Glauben an den Endsieg gut haften geblieben.<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 27. Januar 1944 (Weisse Serie)<br />

Weihnachts- und Neujahresreiseverkehr 1943/44 - Genehmigungsverfahren hat sich bewährt.<br />

<strong>Die</strong> erstmalige Einführung eines Reisegenehmigungsverfahrens für die Zeit vom 15.12.1943 bis<br />

<strong>3.</strong>1.1944 wurde in <strong>der</strong> Bevölkerung zum überwiegenden Teil mit grossem Verständnis aufgenommen.<br />

In den über den Weihnachtsreiseverkehr vorliegenden Meldungen aus allen Teilen des <strong>Reich</strong>es<br />

kommt zum Ausdruck, daß das Reisegenehmigungsverfahren den mit <strong>der</strong> Durchführung beauftragten<br />

Stellen in <strong>der</strong> amtlichen Textausgabe zu spät vorlag. Da durch den in <strong>der</strong> Presse nicht veröffentlichten<br />

Absatz 11 auch sonstige dringende Fälle nach Anlegung des strengsten Massstabes ausserhalb <strong>der</strong><br />

in <strong>der</strong> Anordnung aufgeführten Reisezwecke berücksichtigt werden konnten, verursachte die Unkenntnis<br />

dieses Paragraphens auch bei den amtlichen Stellen <strong>der</strong> Bevölkerung in begründeten Reisefällen<br />

viel Lauferei und damit Verärgerung.<br />

Wie<strong>der</strong>holt wird darauf hingewiesen, daß ein rechtzeitiger und ständiger Hinweis in Rundfunk und<br />

Presse auf die Notwendigkeit einer Reisebeschränkung <strong>im</strong> fünften Kriegsjahr einen noch grösseren<br />

Erfolg gebracht hätte. Wenn bei Erlass <strong>der</strong> Sperre (10.12.43) nicht schon viele Vereinbarungen über<br />

Besprechungen, Termine und Tagungen getroffen gewesen wären, hätte <strong>der</strong> Reiseverkehr noch verringert<br />

werden können.<br />

<strong>Die</strong> Abwicklung des Genehmigungsverfahrens ist den Meldungen zufolge <strong>im</strong> allgemeinen reibungslos<br />

verlaufen. Das Verhältnis <strong>der</strong> genehmigten zu den abgelehnten Anträgen sei <strong>im</strong> gesamten <strong>Reich</strong>sgebiet<br />

sehr unterschiedlich gewesen. <strong>Die</strong> den Polizeiverwaltungen vorliegenden Anträge wären teilweise<br />

bis zu 80% genehmigt worden. Dem Sinne <strong>der</strong> Anordnung entsprechend wären Wirtschaftsreisen<br />

sehr stark gedrosselt worden. Der Durchschnitt <strong>der</strong> durch die Berufskammern genehmigten Reisen <strong>im</strong><br />

Verhältnis zu den dort gestellten Anträgen hätten sich auf 50% belaufen. Verhältnismässig gross wäre<br />

hierbei die Zahl <strong>der</strong>jenigen Reisen gewesen, die <strong>der</strong> Abholung dringend benötigten Materials, <strong>der</strong><br />

Herbeischaffung von Ersatzteilen usw. für die Industrie dienten. <strong>Die</strong> lange Dauer des Paketversandes<br />

und die augenblickliche Güterwagenknappheit machten solche Reisen zu einer dringenden Notwendigkeit<br />

(Saarbrücken, Braunschweig).<br />

Wie in verschiedenen Meldungen zum Ausdruck gebracht wird, ist vielfach bekannt geworden, daß<br />

durch <strong>Reich</strong>sbahnangehörige sowohl <strong>im</strong> Schalterdienst als auch das Auskunftspersonal <strong>der</strong> Umgehung<br />

<strong>der</strong> Anordnung Vorschub geleistet wurde. So wurde u.a. in Mannhe<strong>im</strong>, Ludwigshafen und Neuenkirchen<br />

beobachtet, daß das <strong>Bahn</strong>personal selbst Reisenden Ratschläge erteilte, den Zuschlag für<br />

E- und D-Züge <strong>im</strong> Zuge nachzulösen. Nach Erklärungen von Reisenden seien sie auf diese Weise<br />

auch unbeanstandet durchgekommen. Hierzu wird weiter berichtet:<br />

"daß am 18.12.1943 am <strong>Bahn</strong>hof Beuthen Reisende, die nach Kreuzburg ohne Reisegenehmigung<br />

fahren wollten, von Eisenbahnern unaufgefor<strong>der</strong>t dahingehend beraten wurden, sie sollten zunächst<br />

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nur eine Karte nach Loben lösen, dort seien 15 Minuten Aufenthalt, die für die Lösung <strong>der</strong> Zusatzfahrkarte<br />

genügten. Am <strong>Bahn</strong>hof Loben habe man daraufhin <strong>im</strong> vorliegenden Falle etwa 50 Reisende beobachten<br />

können, die den Zug eiligst verliessen und am Schalter Fahrkarten für die Weiterfahrt lösten."<br />

Ähnliche Vorkommnisse werden aus Königsberg, Saarbrücken, Kattowitz gemeldet.<br />

"Einem in Metz tätigen französischen Zivilarbeiter ist in Metz bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn ebenfalls die Auskunft<br />

erteilt worden, eine Karte bis Saarbrücken zu lösen und in Saarbrücken eine Karte bei Neuenkirchen,<br />

um dort seinen in deutscher Kriegsgefangenschaft weilenden Bru<strong>der</strong> besuchen zu können."<br />

In den Meldungen wird hervorgehoben, daß durch einen entsprechenden Hinweis über die Unzulässigkeit<br />

von sogenannten "Kettenreisen" (Weiterlösen <strong>der</strong> Fahrkarten von 100 km zu 100 km) die Umgehungen<br />

hätten bedeutend eingeschränkt werden können. Nach einer Meldung aus Braunschweig<br />

hat man <strong>im</strong> dortigen Bereich auf verschiedenen <strong>Bahn</strong>höfen den Nachweis des Wohnorts verlangt und<br />

dadurch verschiedentlich verhin<strong>der</strong>t, daß die 100-km-Grenze auf diese Weise überschritten wurde.<br />

Weiterhin wird berichtet, daß es in <strong>der</strong> Bevölkerung Unwillen erregt habe, daß das Reisen ausländischer<br />

Arbeiter nicht generell untersagt worden sei. <strong>Die</strong>se Unwille steigerte sich vor allem in denjenigen<br />

Fällen, wo auf <strong>Bahn</strong>höfen Volksgenossen vor überfüllten Zügen zurückbleiben mussten, während<br />

Auslän<strong>der</strong> die Züge benutzten.<br />

Zu Beginn <strong>der</strong> Reisesperre seien die D-Züge sehr stark besetzt gewesen, da die vor <strong>der</strong> Sperre gelösten<br />

Fahrkarten mit ihrer 4-tägigen Gültigkeitsdauer noch ausgenutzt wurden. Danach habe sich<br />

deutlich die Abwan<strong>der</strong>ung zu den Peronenzügen gezeigt. Zwischen dem 18.12. und <strong>3.</strong>1.1944 waren -<br />

den Meldungen zufolge - die D- und E-Züge vielfach unterbesetzt. St<strong>im</strong>mungsmässig wirkte sich die<br />

schwache Besetzung <strong>der</strong> D- und E-Züge (teilweise nur bis 20%) und die ausserordentlich starke Besetzung<br />

<strong>der</strong> P-Züge (teilweise bis zu 200%) sehr nachteilig aus, dabei seien Äusserungen wie:<br />

"So werden wir den Krieg nicht gewinnen, wenn die Züge leer fahren."<br />

"<strong>Die</strong> Durchführung <strong>der</strong> Sperre war sicher nicht so stur gemeint."<br />

"Auf <strong>der</strong> einen Seite kann man auf allen <strong>Bahn</strong>höfen lesen, Rä<strong>der</strong> müssen rollen für den Sieg, auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite rollen Rä<strong>der</strong> mit leeren Zügen."<br />

laut geworden. An wichtigen Verkehrsknotenpunkten sei die Überbesetzung <strong>der</strong> Personenzüge so<br />

stark gewesen, daß Arbeiter nicht rechtzeitig an ihre Arbeitstelle gelangen konnten. Aus Kaiserslautern,<br />

Saarbrücken, Kattowitz, Metz, Hannover, Stettin, München, Warschau, Lemberg wird berichtet,<br />

daß beson<strong>der</strong>s bei dem Wehrmachtsurlauberverkehr Schwierigkeiten auftraten. So blieben in Saarbrücken<br />

an einem Tag bis zu 340 Personen, in Hannover bis zu 700 Soldaten und in München bis zu<br />

400 Wehrmachtsangehörige zurück. Teilweise hätten <strong>Bahn</strong>hofsvorstände daraufhin D-Züge für die<br />

Wehrmachtsurlauber und auch zur Benutzung von Kurzstrecken für Zivilreisende freigegeben. Überwiegend<br />

sei jedoch zu beobachten gewesen, daß stur nach den erlassenen Vorschriften auch bei<br />

Vorhandensein von planmässig fahrenden aber unterbesetzten D-Zügen verfahren worden ist.<br />

Übereinst<strong>im</strong>mend wird gemeldet, daß <strong>der</strong> Umfang des Reiseverkehrs zweifellos grössere Formen<br />

angenommen hätte, wenn nicht das Genehmigungsverfahren eingeführt worden wäre. Gegenüber<br />

dem vorjährigen Verfahren -lediglich Ausgabe von Zulassungskarten für einzelne Züge - hätte das<br />

diesjährige Genehmigungsverfahren die wirklich dringlichen Reisen berücksichtigen können. Im vor-<br />

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jährigen Weihnachts- und Neujahrsverkehr kam es weniger auf die Dringlichkeit als vielmehr darauf<br />

an, daß <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> eine Zulassungskarte erwerben wollte, genügend Zeit haben musste, um sich<br />

rechtzeitig bei <strong>der</strong> Ausgabestelle anzustellen. Abschließend kann gesagt werden, daß die Einführung<br />

des Genehmigungsverfahrens, nach dem übereinst<strong>im</strong>menden Urteil aus den Fachkreisen, <strong>der</strong><br />

<strong>Reich</strong>sbahn eine wesentliche Entlastung gebracht hat.<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom <strong>3.</strong> Februar 1944 (Weisse Serie)<br />

Verkehrslage <strong>im</strong> Orts- und Fernverkehr nach den Terrorangriffen auf Berlin.<br />

1. Allgemeine Verkehrslage am <strong>3.</strong>2.1944<br />

Durch den Ausfall eines grossen Teiles des Verkehrsnetzes ist <strong>der</strong> Andrang auf den wie<strong>der</strong> in Betrieb<br />

genommenen Linien und auf den als Ersatz eingelegten Omnibussen nach wie vor enorm gross. Beson<strong>der</strong>s<br />

ist dies <strong>der</strong> Fall an den Verkehrsknotenpunkten wie Alexan<strong>der</strong>platz, Friedrichstrasse, Stadtmitte,<br />

Anhalter <strong>Bahn</strong>hof, Schöneberg usw., und zwar sowohl bei <strong>der</strong> S-<strong>Bahn</strong> als auch bei <strong>der</strong> U-<strong>Bahn</strong>.<br />

Darüberhinaus verkehren die Verkehrsmittel teilweise nur in sehr grossen und unregelmässigen Abständen.<br />

Am <strong>3.</strong> Februar 1944 ist insofern eine wesentliche Erleichterung eingetreten, als die gesamte S-<strong>Bahn</strong><br />

mit Ausnahme <strong>der</strong> Teilstrecken Potsdamer Ringbahnhof bis Papestrasse und Anhalter <strong>Bahn</strong>hof bis<br />

Papestrasse wie<strong>der</strong> in Betrieb ist. Der Verkehr auf diesen noch gesperrtn Teilstrecken wird durch die<br />

Umleitung über Schöneberg aufrechterhalten. Beson<strong>der</strong>s stark treten die Klagen über die schlechten<br />

Verkehrsverhältnisse in den Aussenbezirken, wie Spandau, Lichterfelde Ost, Mariendorf usw. auf. Aus<br />

Spandau wird z.B. berichtet, daß die S-<strong>Bahn</strong> am gestrigen Tage nur in Abständen von 45 - 60 Minuten<br />

und dann nur bis zur Deutschlandhalle verkehrte.<br />

<strong>Die</strong> Vorortzüge zum Lehrter <strong>Bahn</strong>hof können den Verkehr nicht bewältigen, da sie bereits voll besetzt<br />

von Nauen bzw. Wustermark ankommen.<br />

Der U-<strong>Bahn</strong>verkehr von Ruhleben bis zum Zoo wurde nur sehr wenig benutzt, da keinerlei Zubringermöglichkeiten<br />

bestanden. Von Zoo ab sind Autobusse eingesetzt, die aber nicht in <strong>der</strong> Lage sind,<br />

den Verkehr zu bewältigen. Wie angegeben wird, wurde für eine Fahrt vom Zoo zum Alexan<strong>der</strong>platz 1<br />

1/2 Std. Fahrzeit benötigt.<br />

[.....]<br />

Auf den Fernverkehrsstrecken herrscht seit dem 29.1.1944 ein überaus starker Andrang. Dabei wird<br />

darüber Klage geführt, daß die Auskunftserteilung seitens <strong>der</strong> <strong>Bahn</strong>beamten noch an verschiedenen<br />

Plätzen mangelhaft ist. Auf dem Schlesischen <strong>Bahn</strong>hof war ein <strong>der</strong>artiger Hochbetrieb, daß man von<br />

einer "Flucht aus Berlin" sprechen kann. Bereits am 29.1. warteten rd. 10.000 Volksgenossen - darunter<br />

viele Frauen mit Kin<strong>der</strong>n und Säuglingen - auf den Abgang eines Zuges.<br />

In dem Gedränge spielten sich unbeschreibliche Szenen ab: Kin<strong>der</strong> schrien, Frauen weinten, es<br />

herrschte eine überaus gereizte St<strong>im</strong>mung. Endlich, nach 4 - 5 stündigem Warten, ging gegen 14 Uhr<br />

ein D-Zug nach Posen ab. <strong>Die</strong> Ereignisse, welche sich be<strong>im</strong> Einsteigen abspielten, waren katastrophal.<br />

Rücksichtslos drängte und stürzte sich alles auf den Zug. Kin<strong>der</strong> verloren ihre Mütter und irrten<br />

weinend umher. Koffer, Hüte und Taschen gerieten vielfach unter die Wagen. Durch das Suchen wurde<br />

das Durcheinan<strong>der</strong> noch erhöht. Der grösste Teil <strong>der</strong> Fahrgäste benutzte die Fenster zum Einsteigen.<br />

<strong>Bahn</strong>polizei und <strong>Bahn</strong>beamte waren kaum zu sehen und kamen gar nicht zur Geltung; dem An-<br />

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drang standen sie jedenfalls machtlos gegenüber. Bei <strong>der</strong> Abfahrt des Zuges häuften sich die Aussprüche:<br />

"Gott sei Dank, jetzt kommen wir raus aus Berlin!" "Ich bin nur froh, daß wir raus kommen!"<br />

III. Schäden an dem rollenden Material<br />

1. S-<strong>Bahn</strong><br />

Der Ausfall an Verkehrsmitteln bei <strong>der</strong> S-<strong>Bahn</strong> ist ziemlich erheblich. Insgesamt wurden 21 Züge teils<br />

total, teils schwer beschädigt. Eine schwere Beschädigung wird <strong>im</strong> allgemeinen dann angenommen,<br />

wenn die Reparatur länger als zwei Jahre in Anspruch n<strong>im</strong>mt. Etwa 50 Züge sind leicht beschädigt.<br />

Ein S-<strong>Bahn</strong>zug fährt jeweils mit 8 Wagen, worunter sich 4 Triebwagen befinden. Demzufolge sind etwa<br />

170 Wagen teils überhaupt, teils für längere Zeit ausgefallen. <strong>Die</strong> leichter beschädigten Wagen,<br />

etwa 400 an <strong>der</strong> Zahl, laufen zum Teil noch, da es sich zum grössten Teil um Glasschäden handelt,<br />

die zwischendurch behoben werden.<br />

<strong>Die</strong> S-<strong>Bahn</strong> wird einen nochmaligen schweren Angriff - nach Äusserungen <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahndirektion<br />

Berlin - nicht so ohne weiteres bestehen können. Es ist daher vorgesehen - und die entsprechenden<br />

Vorbereitungen sind auch schon getroffen - bei weiteren Angriffen auf den Strecken von Potsdam bis<br />

Charlottenburg, Ostkreuz bis Erkner, wie<strong>der</strong> Dampfzugverkehr einzurichten. Auf dem Zwischenstück<br />

zwischen Charlottenburg und Ostkreuz soll <strong>der</strong> elektrische Verkehr aufrechterhalten bleiben. <strong>Die</strong> Anlagen<br />

lassen einen durchgehenden Dampfzugverkehr auf dieser Strecke nicht zu. Es war ursprünglich<br />

vorgesehen, für den Dampfzugverkehr den Ring zu benutzen, jedoch entspricht die Tragfähigkeit<br />

<strong>der</strong> auf dieser Strecke vorhandenen Brücken nicht <strong>der</strong> zu erwartenden Belastung.<br />

2. Fernverkehr<br />

Im Personen-Fernverkehr sind rund 180 Wagen total, und 20 Wagen schwer beschädigt.<br />

An Lokomotiven wurden nur 2 schwer, und 3 leicht beschädigt. An Güterwagen wurden 140 Wagen<br />

total und eine grössere Anzahl mehr o<strong>der</strong> weniger schwer beschädigt. Genaue Zahlen hierüber liegen<br />

noch nicht vor. Bei <strong>der</strong> Behebung <strong>der</strong> Schäden bei den Gleisanlagen ist es diesmal beson<strong>der</strong>s aufgefallen,<br />

daß die Auslän<strong>der</strong>, und hier beson<strong>der</strong>s die Ostarbeiter, nicht mehr so arbeiten wie früher, so<br />

daß die Reparaturarbeiten heute länger dauern. Auf den <strong>Bahn</strong>höfen Anhalter <strong>Bahn</strong>hof und Zoo wird<br />

<strong>der</strong> Verkehr in den Abendstunden dadurch gestört, daß bei Beginn <strong>der</strong> Dunkelheit Schutzsuchende in<br />

grosser Zahl sich einfinden, die bei eintretendem Alarm die Bunker am Anhalter <strong>Bahn</strong>hof und Zoo<br />

aufsuchen. Unter den Schutzsuchenden finden sich in überaus grosser Zahl Auslän<strong>der</strong>. <strong>Die</strong> gleichen<br />

Beobachtungen könne auch auf verschiedenen U-<strong>Bahn</strong>höfen, wie z.B. Alexan<strong>der</strong>platz und Moritzplatz<br />

gemacht werden.<br />

Zwischenzeitlich habe auch die Berliner Fernbahnhofe, die durch die Angriffe beson<strong>der</strong>s stark in Mitleidenschaft<br />

gezogen waren, wie <strong>der</strong> Anhalter und Potsdamer Fernbahnhof, ihren Betrieb teilweise<br />

bzw. voll wie<strong>der</strong> aufgenommen. Der Potsdamer <strong>Bahn</strong>hof hat ab dem 2.2.1944 16 Uhr seinen volle<br />

Betrieb wie<strong>der</strong> aufgenommen..<br />

<strong>3.</strong> Berliner Verkehrsbetriebe<br />

<strong>Die</strong> Ausfälle bei <strong>der</strong> BVG an rollendem Material betragen bei <strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Strassenbahn! rd. 300 Waggon total,<br />

! rd. 200 Waggon schwer besch.,<br />

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<strong>der</strong> U-<strong>Bahn</strong>!<br />

rd. 45 Waggon total,<br />

den Omnibussen! rd. 20 Waggon total,<br />

! rd. 65 Waggon schwer.<br />

Um den Anfor<strong>der</strong>ungen gerecht zu werden, sind durch <strong>Reich</strong>seinsatz <strong>der</strong> BVG 40 Omnibusse aus<br />

Chemnitz, Breslau sowie <strong>der</strong> Mark Brandenburg zur Verfügung gestellt worden. Ein Teil <strong>der</strong> Omnibusse<br />

ist bereits in Berlin eingetroffen.<br />

Da ein grosser Teil des Fahrpersonals <strong>der</strong> BVG bombengeschädigt ist, wurden von <strong>der</strong> Wehrmacht<br />

80 Kraftfahrer und von auswärts 105 Fahrer <strong>der</strong> BVG zur Verfügung gestellt.<br />

Für den Strasenbahn-Ersatzverkehr wurden von <strong>der</strong> BVG 110 Omnibusse eingesetzt. Darüber hinaus<br />

werden noch Omnibusse für an<strong>der</strong>e Zwecke eingesetzt. So sind z.B. am <strong>3.</strong>2. <strong>der</strong> NSV für Evakuierungen<br />

65 Omnibusse zu stellen.<br />

<strong>Die</strong> Instandsetzung <strong>der</strong> beschädigten Oberleitungen <strong>der</strong> Strassenbahn erfolgt planmässig. In Fachkreisen<br />

<strong>der</strong> BVG wird befürchtet, daß bei weiteren <strong>der</strong>artig umfangreichen Schäden es <strong>der</strong> BVG bald<br />

nicht mehr möglich sein wird, dei Oberleitungen instandzusetzen, da die vorhandenen Bestände an<br />

Oberleitungsdraht bereits in erheblicher Masse aufgebraucht wurden.<br />

Irgendwelche Verkehrsschwierigkeiten wegen Strommangel sind nicht zu verzeichnen.<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 24. Februar 1944 (Weisse Serie)<br />

Zunehmende Unsicherheit <strong>im</strong> <strong>Bahn</strong>- und Postgüterversand durch <strong>Die</strong>bstähle und Sabotage.<br />

Aus Nürnberg, Bayreuth, Stuttgart, Braunschweig, Hannover, Kiel, Koblenz, Frankfurt/Main, Frankfurt/<br />

O<strong>der</strong>, Berlin, Zichenau, Schwerin usw. wird in letzter Zeit laufend berichtet, daß die <strong>Die</strong>bstähle während<br />

des <strong>Bahn</strong>transportes erschreckend zunehmen. Beson<strong>der</strong>s klagen die Handelsbetriebe über eine<br />

sehr starke zunahme <strong>der</strong> <strong>Die</strong>bstähle,<br />

"keine Sendung komme mehr unbeschädigt, und ohne daß irgendetwas daraus gestohlen würde, an."<br />

Auch sollen solche Kisten und Pakete, in denen nichts zum Stehlen sei, Spuren einer gewaltsamen<br />

Öffnung tragen. Man sieht hierin ein Anzeichen dafür, daß eben planmässig alles erbrochen wird. Ü-<br />

bereinst<strong>im</strong>mend geht aus den eingegangenen Meldungen hervor, daß die Anzahl <strong>der</strong> Beraubungen<br />

bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn weitaus grösser ist als bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>spost. Der Grund dürfte darin zu suchen sein,<br />

daß die <strong>Reich</strong>sbahn sehr viel mehr Auslän<strong>der</strong> und damit unzuverlässigere Arbeitskräfte beschäftigt.<br />

Auch seien bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn die Laufzeiten wesentlich höher, wodurch sich selbstverständlich<br />

auch die Gefahr eines <strong>Die</strong>bstahles erhöhen würde. Zum Teil werde dem unzuverlässigen <strong>Bahn</strong>- und<br />

Postpersonal die Beraubung <strong>der</strong> Sendungen durch das <strong>im</strong> 5. Kriegsjahr <strong>im</strong>mer schlechter werdende<br />

Verpackungsmaterial sehr leicht gemacht. Zum an<strong>der</strong>en gehen die <strong>Die</strong>be - nach den hier vorliegenden<br />

Meldungen - mit den zum Versand kommenden Gütern vorsätzlich sehr unsachgemäss um, damit<br />

durch eintretende Beschädigungen <strong>der</strong> Verpackungen bereits <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Pakete und sonstigen<br />

Güter sichtbar würden. Auch soll bereits die äussere Kennzeichnung <strong>der</strong> Pakete bzw. die allzu sichtbare<br />

Firmenkenntlichmachung des Absen<strong>der</strong>s dazu führen, daß die <strong>Die</strong>bstähle erleichtert werden. In<br />

einzelnen Zeitungen, so u.a. in <strong>der</strong> am 14.1.1944 erschienenen Frankfurter "O<strong>der</strong>-Zeitung" war folgen<strong>der</strong><br />

Hinweis zu lesen:<br />

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"Tarnung be<strong>im</strong> <strong>Bahn</strong>versand:<br />

Wer Gegenstände versendet, die jetzt <strong>im</strong> Kriege beson<strong>der</strong>er Begehrlichkeit ausgesetzt sind, tut gut<br />

daran, für sie eine Verpackung zu wählen, die den Inhalt nicht verrät. Sendungen, die weithin kundtun,<br />

daß sie Wein o<strong>der</strong> Spirituosen, Tabak o<strong>der</strong> Lebensmittel enthalten, laufen naturgemäss grössere<br />

Gefahr, bestohlen zu werden als solche in neutraler Verpackung. <strong>Die</strong> Angabe bekannter Marken auf<br />

<strong>der</strong> Verpackung, die auf Schuhwaren, Textilien, Keks o<strong>der</strong> <strong>der</strong>gl. hinweisen, wirkt sich praktisch wie<br />

ein Wegweiser für <strong>Die</strong>be aus. Auch die charakterische Form best<strong>im</strong>mter Sendungen kann als Merkmal<br />

und Anreiz für <strong>Die</strong>be bereits genügen. Darum: Schluss mit <strong>der</strong> gedankenlosen Weiterverwendung<br />

von Anreizverpackungen! Niemand braucht <strong>der</strong> Sendung anzusehen, was sie enthält. Schlagt den<br />

<strong>Die</strong>ben ein Schnippchen durch Tarnung!"<br />

<strong>Die</strong>se Hinweise hätten bei den Betroffenen bzw. bei <strong>der</strong> Bevölkerung Befremden erregt. Es wi<strong>der</strong>spräche<br />

dem gesunden Volkempfinden, die in genannten Zeitungsartikel vorgeschlagene Tarnung <strong>der</strong><br />

Waren offiziell als Schutz vor <strong>Die</strong>bstahlrisiken anzuerkennen. Wenn wirklich die Tarnung <strong>der</strong> zum<br />

Versand kommenden Güter aus Sicherheitsgründen gewählt würde, so sei - so wird gemeldet - eine<br />

öffentliche Propagierung dieses Ausweges dennoch abzulehnen.<br />

Durchschnittlich wird die Zunahme <strong>der</strong> Beraubungen auf über 200% <strong>im</strong> Verhältnis zum Jahre 1939<br />

angegeben.<br />

"Aus B. wird gemeldet, daß in letzter Zeit <strong>im</strong> dortigen Bereich sich die Klagen mehren, daß vor allen<br />

Dingen Waggonladungen mit Hafer, Roggen, Gerste o<strong>der</strong> Weizen Min<strong>der</strong>gewichte aufzeigen, obwohl<br />

diese an den Entsendeorten einwandfrei verladen, gewogen und verplombt wurden. <strong>Die</strong> fehlenden<br />

Mengen werden von den Empfängern festgestellt und den Entsendelagerhäusern in Abzug gebracht.<br />

Es wird hierzu bemerkt, daß die Getreidemengen teilweise in loser Schüttung und auch in Säcken in<br />

vollkommen gedeckten und verplombten Wagen verfrachtet werden..."<br />

<strong>Die</strong> Fehlmengen werden jedoch nicht nur bei loser Schüttung, son<strong>der</strong>n auch in Waggons mit Sackladung<br />

festgestellt. Dass es sich <strong>im</strong> dortigen Gebiet nicht um Einzelfälle handele, beweist nachstehende<br />

Aufzeichnung:<br />

Nov. 1943 1 Waggon Roggen! (lose Schüttung)! nach G.! Fehlmenge.! 475 kg<br />

Dez. 1943 1 Waggon Hafer! (Sackladung)! nach H.! Fehlmenge! 1070 kg<br />

Dez. 1943 1 Waggon Gerste! (lose Schüttung)! nach W.! Fehlmenge! 200 kg<br />

Dez. 1943 1 Waggon Inlandsroggen! (Sackladung)! nach M.! Fehlmenge! 240 kg<br />

Jan. 1944 1 Waggon Roggen! (lose Schüttung)! nach H.! Fehlmenge! 192 kg<br />

Ähnliche Fälle sind auch <strong>im</strong> Landkreis N. bekannt geworden, und zwar wurden bei einem <strong>der</strong> dortigen<br />

Lagerhäuser die Feststellungen getroffen, daß bei Getreidesendungen, die an die Lager <strong>der</strong> RfG gingen,<br />

in kurzer Zeit und zwar am<br />

29.11.1943 96 kg<br />

30.11.1943 124 kg<br />

<strong>3.</strong>12.1943 274 kg<br />

Fehlmeldungen festgestellt wurden.<br />

Bei einer weiteren Waggonladung Weizen, die vom gleichen Lagerhaus nach H. angeführt wurde,<br />

fehlten 200 kg am Versandgewicht.<br />

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<strong>Die</strong> Versen<strong>der</strong> dieser Sendungen vermuten, daß die Waggons auf irgendwelchen <strong>Bahn</strong>höfen lagern<br />

und lange Zeit herumstehen, und von dem kleintierhaltenden <strong>Bahn</strong>personal beraubt werden o<strong>der</strong> daß<br />

ein Teil dieser Fehlmengen auf <strong>Die</strong>bstähle bei <strong>der</strong> Entladung <strong>der</strong> Waggons zurückzuführen ist. Durch<br />

die sich <strong>im</strong>mer weiter steigernde Kleintierhaltung sei beson<strong>der</strong>s Getreide eine begehrte Ware, so daß<br />

selbst vor <strong>Die</strong>nstählen ncht zurückgeschreckt werde. Ein an<strong>der</strong>er Grund kann nicht vorliegen, da früher<br />

bei <strong>der</strong>atigen Sendungen Gewichtsdifferenzen fast nie festzustellen waren. Für die Versen<strong>der</strong> des<br />

Getreides kommt noch folgendes Moment hinzu: <strong>Die</strong> Empfänger <strong>der</strong> Sendungen ziehen die Differenz<br />

für die Fehlmengen bei <strong>der</strong> Begleichung ab, da jedoch den Getriedeaufkäufern eine verhältnismässig<br />

geringe Verdienstspanne be<strong>im</strong> Ankauf von Getreide zur Verfügung steht, würde sich, wenn diese Verhältnisse<br />

weiter anhalten bzw. sich noch verschlechterten, ein Handel mit Getreide überhaupt nicht<br />

mehr lohnen. Beson<strong>der</strong>s zum <strong>Die</strong>bstahl reizen anscheinend Tabak-, Lebensmittel-, Spinnstoff-, Weinund<br />

Spirituosensendungen.<br />

<strong>Die</strong> meisten Beraubungen dürften nach den vorliegenden Meldungen jeweils an den grösseren Umladebahnhöfen<br />

erfolgen. Hierzu meldet Nürnberg folgendes:<br />

Bei <strong>der</strong> ersten grösseren Station nach dem Rangierbahnhof Nürnberg kommen die Waggons <strong>im</strong><br />

plombierten Zustande an, jedoch sind laufend Beraubungen festzustellen<br />

"Vor einiger Zeit fehlten in einem solchen, in Schwabach ankommenden Waggon 4000 Stumpen (Zigarren).<br />

Der geöffnete Waggon ergab, daß nicht nur von einem <strong>Die</strong>bstahl, son<strong>der</strong>n von einer wahren<br />

Plün<strong>der</strong>ung gesprochen werden musste. <strong>Die</strong> Pakete waren wüst auseinan<strong>der</strong> gerissen bzw. die bestohlenen<br />

leeren Kartons lagen kreuz und quer <strong>im</strong> Wagen herum. In diesem Falle sei es gar nicht an<strong>der</strong>s<br />

denkbar, als daß die Beraubung <strong>im</strong> Umladebahnhof in Nürnberg erfolgte, wo in grosser Zahl<br />

Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen die Verladung durchführen. Stückgutsendungen, die Waren für den<br />

Sofortverzehr enthalten, werden in beson<strong>der</strong>s starkem Umfang beraubt, so z.B. <strong>Bahn</strong>kartons für<br />

Keks, wobei hinzugefügt wird, daß diese Kartons keinesfalls äusserlich gekennzeichnet sind.<br />

Eine Nahrungsmittelfabrik stellt z.B. neben Kin<strong>der</strong>nährmitteln und Teigwaren auch Keks her. Sie versendet<br />

ihre Erzeugnisse als Stückgutfracht nach allen Teilen des <strong>Reich</strong>es. Zumeist erhalten die Kleinverteiler<br />

Sendungen mit 10 - 12 Stückgutkartons, von denen 1 - 2 Kartons Dauarbackwaren, also<br />

Keks o<strong>der</strong> Lebkuchen enthalten. Es ist nun festgestellt, daß fast in jedem Falle die Kartons mit Teigwaren,<br />

Flocken o<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>nährmittel unbeschädigt be<strong>im</strong> Empfänger ankamen, während die Kartons<br />

mit Dauerbackwaren verschwanden. <strong>Die</strong> Beraubungen erfolgen in raffinierter Weise, entwe<strong>der</strong> fehlen<br />

die Kollis mit Gebäck vollständig, o<strong>der</strong> aber die Klebestreifen <strong>der</strong> Wellpappkartons werden fachkundig<br />

durch Aufweichen gelöst, <strong>der</strong> Inhalt teilweise gestohlen und <strong>der</strong> Klebestreifen dann fein säuberlich<br />

wie<strong>der</strong> aufgeklebt. Häufig ist es auch vorgekommen, daß in die <strong>im</strong>merhin stabilen Wellpappkartons<br />

Löcher gerissen und durch diese <strong>der</strong> Inhalt gestohlen wurde. <strong>Die</strong>se Löcher sind dann mit gleichfarbigem<br />

Kunstpapier verklebt worden. Der Empfänger nahm die äusserlich unbeschädigten Kartons in<br />

Empfang und bemerkte erst später die Beraubung."<br />

Aus verschiedenen Meldungen geht hervor, daß in zunehmendem Masse, beson<strong>der</strong>s in den letzten<br />

Wochen, bei Stückgütern grosse Schäden entstanden, die den Verdacht auf planmässige Sabotage<br />

seitens <strong>der</strong> fremdvölkischen Arbeiter aufkommen liessen. Folgende Einzelbeispiele können hierzu<br />

nach einem Bericht aus Kiel genannt werden:<br />

"Bei einem Transport von 10 Ballons Schwefelsäure sind 8 Ballons vollständig zerbrochen.<br />

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Eine Flasche Lack für eine Schiffswerft in Eckernförde ist durch äussere Einwirkung eingestossen<br />

und fast gänzlich ausgelaufen. Neben eine Sendung von Erbsen für eine Firma in Schleswig wurde<br />

eine grosse Flasche Desinfektionsmittel (Lysol) gestellt, die ohne Verschluss war und wahrscheinlich<br />

dann be<strong>im</strong> Rangieren umgekippt ist, so daß dadurch 9 Zentner Erbsen vollständig verdorben sind. Es<br />

ist nicht anzunehmen, daß die Flasche ohne Verschluss von <strong>der</strong> Gepäckabfertigung <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn<br />

angenommen wurde, vielmehr wird <strong>der</strong> Verschluss später absichtlich von <strong>der</strong> Flasche entfernt worden<br />

sein.<br />

Gerstengrütze in Papiersäcken wurde durch unsachgemässes Verladen zusammen mit landwirtschaftlichen<br />

Maschinenteilen und Pflügen so stark beschädigt, daß die Säcke aufrissen und die Grütze<br />

auslief und durch starke Verschmutzung grosse Mengen unbrauchbar wurden. Bäckerfett in E<strong>im</strong>ern<br />

war <strong>der</strong>art schlecht verladen, daß dies be<strong>im</strong> Transport umkippte und ein sehr grosser Teil des<br />

Fettes bei den an<strong>der</strong>n Gütern lag und ebenfalls unbrauchbar wurde. Natron in Papiersäcken war aus<br />

dem gleichen Grunde bis zu 50% durch Auslaufen <strong>der</strong> Ware vernichtet.<br />

<strong>Die</strong> gleiche Feststellung wurde gemacht bei Stückgütern mit Seifenpulver, Weinen, Hautcreme, Gewürzen,<br />

Backpulver, Süssigkeiten, Keks, Zucker usw. All diese Stückgüter waren beschädigt und bestohlen<br />

worden.<br />

Ein Waggon Sirup, <strong>der</strong> für die Kreise Flensburg und Schleswig best<strong>im</strong>mt war, ist be<strong>im</strong> Rangieren so<br />

hart bewegt worden, daß kaum ein E<strong>im</strong>er unbeschädigt blieb und dadurch grosser Warenverlust eintrat.<br />

Weiter wurden Stückgüter beschädigt und bestohlen, die Zigaretten, Margarine, Schuhzeug enthielten.<br />

Aus einer Schuhsendung wurden 12 Paar Schuhe, Damen- und Herrenschuhe, aus einer Tabakwarensendung<br />

24 Packungen Zigaretten gestohlen.<br />

Es konnte festgestellt werden, daß Stückgütern, die weniger stark beschädigt waren, nur kleine Mengen<br />

von Waren abhanden gekommen waren. Nach Äusserungen von Kaufleuten ist die <strong>Reich</strong>sbahn<br />

z.Zt. ihr bester Kunde, weil dort so viel Waren verschwinden, die <strong>Bahn</strong> aber den Schaden, so weit sie<br />

nach dem Gesetz haftpflichtig ist, in bar ersetzt."<br />

In einigen Fällen, in denen die Empfänger bei den zuständigen <strong>Reich</strong>sbahnstellen über die Zustande<br />

Klage geführt hätten, sei festgestellt worden, "daß die Verladung von Stückgütern meist sehr unsachgemäss<br />

und rücksichtslos erfolge. Es seien unbedingt Sabotageakte durch Fremdvölkische anzunehmen,<br />

zumal auch die Dunkelheit dazu ausgenutzt werde und durch Übergänge, d.h. durch Übergangsverladungen<br />

die Möglichkeit des <strong>Die</strong>bstahls vergrössert sei. Auch die Nachlässigkeit <strong>der</strong> Fremvölkischen<br />

be<strong>im</strong> Rangieren verursache die sich häufenden Schäden."<br />

<strong>Die</strong> von <strong>der</strong> Bevölkerung stark kritisierte Unsicherheit <strong>im</strong> <strong>Bahn</strong>- und Postgüterversand wird von den<br />

Gerichten, insbeson<strong>der</strong>e den Son<strong>der</strong>gerichten, mit den schärfsten Mitteln bekämpft. <strong>Die</strong> ergangenen<br />

Zuchthaus- o<strong>der</strong> Todesstrafen hätten, sofern sie entsprechend veröffentlicht wurden und auch den<br />

Auslän<strong>der</strong>n bekannt geworden seien, hier und da abschreckend gewirkt. In einigen Meldungen wird<br />

jedoch zum Ausdruck gebracht, daß in verschiedenen Fällen be<strong>im</strong> Ertappen von <strong>Die</strong>ben durch die<br />

<strong>Reich</strong>sbahn durch diese nichts veranlasst wurde, weshalb angenommen wird, daß die <strong>Reich</strong>sbahn<br />

zum Teil Anzeige bei <strong>der</strong> Kr<strong>im</strong>inalpolizei nicht wünsche, um durch Verhaftung keine Arbeitskräfte zu<br />

verlieren. Wie bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn und <strong>Reich</strong>spost mitunter die Bearbeitung von Straffällen insofern<br />

Schwierigkeiten bereite geht aus einigen Meldungen hervor, wonach die ersten Ermittlungen durch<br />

ungeschulte Beamte durchgeführt würden, die zu unbefriedigenden Feststellungsergebnissen gekommen<br />

seien. Durch diese in keiner Weise kr<strong>im</strong>inalistisch geschulten Vorarbeiten für die Bearbeitung<br />

solcher Straftaten sei die weitere Ermittlungsarbeit für die Kr<strong>im</strong>inalpolizeistellen sehr schwierig,<br />

Seite 88


ja zumeist erfolglos. Es wird daher aus Zweckmässigkeitsgründen von interessierten Kreisen angeregt,<br />

zumindest grössere Straftaten, die bei <strong>der</strong> Post und <strong>Bahn</strong> anfällig werden, sofort <strong>der</strong> Kr<strong>im</strong>inalpolizeistelle<br />

zur weiteren bearbeitung zu melden. Auch die leichteren Fälle von <strong>Die</strong>bstählen, die innerbetrieblich<br />

geahndet werden, seien nach Äusserungen von Juristen mit zu niedrigen Ordnungsstrafen<br />

geahndet worden. In Bevölkerungskreisen, in denen anfangs die Urteile aufgrund <strong>der</strong> Volksschädlingsverordnung<br />

bei den <strong>Bahn</strong>- und Postdiebstählen ungerechtfertigt hart erschienen, sie nunmehr die<br />

Meinung vertreten, daß eine hohe Strafe von vornherein eine abschreckende Wirkung erziele. In<br />

Wirtschaftskreisen wird <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wunsch geäussert, daß die <strong>Reich</strong>spost und <strong>Reich</strong>sbahn<br />

trotz <strong>der</strong> bestehenden personellen Schwierigkeiten grösseres Augenmerk auf die ordnungsgemässe<br />

Behandlung <strong>der</strong> Güter und die schärfere Überwachung <strong>der</strong> Bediensteten richten möge.<br />

Bericht an die Parteikanzlei vom 25. Februar 1944<br />

Erste Übersichtsberichte über den Luftangriff auf die <strong>Reich</strong>shauptstadt am 15.2.1944.<br />

[.....]<br />

Das Verkehrsnetz <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>shauptstadt wurde wie<strong>der</strong> an einem seiner empfindlichsten Punkte, dem<br />

Gleisdreieck, getroffen, so daß sie U-<strong>Bahn</strong>verbindungen zwischen dem Potsdamer Platz und dem<br />

Wittenbergplatz nunmehr auf beiden Strecken (über Bülowstrasse wie über Kurfürstenstrasse) unterbrochen<br />

ist. <strong>Die</strong> Verkehrsanlagen <strong>der</strong> S-<strong>Bahn</strong> habe auch erheblich Schaden, es sind aber wie<strong>der</strong> eine<br />

Reihe von Strecken in Betrieb genommen. Der erneute Ausfall weiterer Strassenbahnlinien hat die<br />

Gesamtverkahrslage weiterhin angespannt.<br />

[.....]<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 6. März 1944 (Weisse Serie)<br />

Meldungen zur Hausbrandversorgung.<br />

[.....]<br />

Übereinst<strong>im</strong>mend kommt in allen Meldungen zum Ausdruck, daß die Hauptursache <strong>der</strong> Schwierigkeiten<br />

bei <strong>der</strong> Hausbrandversorgung in <strong>der</strong> Transportfrage zu suchen ist. Es wird vor allem be<strong>im</strong> Fernversand<br />

auf die schlechte Waggongestellung seitens <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn, <strong>im</strong> Landabsatz und bei <strong>der</strong><br />

Auslieferung durch den Kleinhandel auf die Schwierigkeiten in <strong>der</strong> Beschaffung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Treibstoffmengen für Lastkraftwagen verwiesen.<br />

[.....]<br />

Es sei eine alte Erfahrung, daß <strong>der</strong> Wagenumlauf am schnellsten von sich gehe, wenn die Wagen <strong>im</strong><br />

gleichen <strong>Reich</strong>sbahndirektionsbezirk verblieben. Für den Gau Thüringen sei das gegebene Kohlerevier<br />

das Luckenau-Deubener. Seit Jahrzehnten werde von dort <strong>der</strong> grösste Teil des Thüringer Bedarfs<br />

gedeckt und die Güterzugfahrpläne des <strong>Reich</strong>sbahndirektionsbezirks Erfurt seien darauf eingespielt<br />

gewesen. Nach <strong>der</strong> Umlegung auf das Merseburger Geiseltal-Revier, welches <strong>im</strong> Bezirk <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahndirektion<br />

Halle liegt, käme es laufend zu Wagonstauungen an <strong>der</strong> Grenze zwischen den beiden<br />

<strong>Reich</strong>sbahndirektionen. Bereits früher angestellte Feststellungen hinsichtlich <strong>der</strong> Laufzeit <strong>der</strong> Transporte<br />

von den beiden genannten Revieren hätten ergeben, daß die Sendungen aus dem Geiseltal <strong>im</strong><br />

Durchschnitt 2,12 Tage benötigten, während sie aus dem Luckenau-Deubener Revier nur 1,2 Tage<br />

brauchten. So hätten also mit dem gleichen Wagenraum aus dem Luckenau-Deubener Revier in <strong>der</strong><br />

gleichen Zeit fast die doppelte Menge Kohlen abtransportiert werden können. Nach Ansicht von<br />

Fachkreisen liessen sich die schwierigen Verhältnisse in <strong>der</strong> Hausbrandversorgung erheblich bes-<br />

Seite 89


sern, wenn - falls an<strong>der</strong>e schwerwiegende Gründe dem nicht entgegenstünden -von einem schnelleren<br />

Wagenumlauf Gebrauch gemacht würde.<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 20. März 1944 (Weisse Serie)<br />

St<strong>im</strong>men zur vorjährigen Osterfassung und -versorgung.<br />

[.....]<br />

Vielfach seien die fahrplanmässigen Züge in den Obstgebieten <strong>der</strong>artig überfüllt gewesen, daß stellenweise<br />

<strong>der</strong> Berufsverkehr sehr stark gehemmt worden wäre. Äusserungen von <strong>Bahn</strong>beamten zufolge<br />

sei es keine Seltenheit gewesen, daß sich 200 bis 500 Obsteinkäufer mit umfangreichen Koffern,<br />

Körben und Kisten in den Zügen aufgehalten hätten (Frankfurt/M).<br />

[.....]<br />

Bericht an den <strong>Reich</strong>sschatzmeister <strong>der</strong> NSDAP vom 1. Juni 1944<br />

Erörterungen <strong>der</strong> Bevölkerung über die Kriegsführung Sowjetrusslands als Beispiel für <strong>der</strong> "totalen<br />

Krieg".<br />

[.....]<br />

4. Reiseverkehr<br />

"Schliesslich muss noch erwähnt werden, daß die bolschewistische Führung zugunsten <strong>der</strong> russischen<br />

Heeres von Anfang an rücksichtslose Einschränkungen des zivilen Reiseverkehrs angeordnet<br />

hat, die bis zur völligen Lahmlegung geführt hätten. Mehrfach wurde dabei das Beispiel des Kommissars<br />

des russischen Eisenbahnwesens, Kaganowitsch, erörtert, <strong>der</strong> zum Zwecke von Beseitigung von<br />

Missständen tausende von Eisenbahnern habe erschiessen lassen."<br />

Als für die Zustände <strong>im</strong> deutschen Reiseverkehr typisch kann z.B. die folgende Äusserung eines Berufsreisenden<br />

bezeichnet werden, <strong>der</strong> erklärte:<br />

"Sehen Sie sich einmal die Zusammensetzung dieses Abteils an. Drei Frauen von mindestens über<br />

60 Jahren sowie zwei noch ältere und <strong>der</strong> Rest junge Mädchen. Das alles fährt in <strong>der</strong> Welt spazieren,<br />

während die Berufsreisenden natürlich stehen dürfen. Glauben Sie mir, bei Stalin gibt es heute best<strong>im</strong>mt<br />

keine Vergnügungsreisenden mehr."<br />

[.....]<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 8. Juni 1944 (Weisse Serie)<br />

Zur Einführung <strong>der</strong> 72-Stunden-Woche in <strong>der</strong> Luftfahrtindustrie (Jägerprogramm).<br />

[.....]<br />

Ein weiteres Problem sei, daß durch lange Anmarschwege, Schwierigkeiten <strong>im</strong> Erreichen von Zügen<br />

und Strassenbahnen infolge des früheren Arbeitsbeginns usw., viele Arbeiter oft mehr als zwei Stunden<br />

für den einfachen Weg von <strong>der</strong> o<strong>der</strong> zu <strong>der</strong> Arbeitstelle benötigten.<br />

[.....]<br />

<strong>Die</strong> <strong>Reich</strong>sbahn sehe sich aus technischen und infolge Personalmangels ausser Stande, den zur Zeit<br />

bestehenden Verkehrsplan an die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> 72-Stunden-Woche anzupassen.<br />

[.....]<br />

Seite 90


SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 26. Juni 1944 (Weisse Serie)<br />

St<strong>im</strong>men zur Verkehrsentflechtung.<br />

Nach Meldungen aus allen Teilen des <strong>Reich</strong>es seien die Bemühungen um eine weitere Verkehrsentflechtung<br />

auch in den vergangenen Monaten nicht ohne Erfolg gewesen. Angesichts <strong>der</strong> ausserordentlichen<br />

Verkehrsbelastung, die vor allem in letzter Zeit auch durch die unmittelbaren Schäden an<br />

Verkehrseinrichtungen und La<strong>der</strong>aum <strong>der</strong> Eisenbahn und <strong>der</strong> Binnenschiffahrt durch Fliegereinwirkungen<br />

erheblich gesteigert wurden, mehrt sich jedoch die Zahl <strong>der</strong> St<strong>im</strong>men, welche eine weitere<br />

Verkehrsentflechtung für notwendig halten, zumal die gegenwärtig saisonbedingte Verkehrsentlastung<br />

sich infolge <strong>der</strong> erwähnten Schäden durch Fliegereinwirkung nicht auswirken könne und zumal die<br />

Reparaturwirtschaft und <strong>der</strong> Rangierverkehr aus denselben Gründen in steigendem Umfange angespannt<br />

und ihren Aufgaben kaum noch gewachsen seien.<br />

In diesem Zusammenhang werden zahlreiche Beispiele für lange und unwirtschaftliche Transporte,<br />

für Gegenläufe <strong>im</strong> Verkehr und ungenügende Ausnutzung <strong>der</strong> La<strong>der</strong>äume, für die Beanspruchung des<br />

Güterverkehrs für kriegsunwichtigen Bedarf usw. gebracht. <strong>Die</strong>se Beispiele beziehen sich auf die<br />

Rüstungswirtschaft, auf die gewerbliche zivile Wirtschaft, auf die Landwirtschaft und auf die Wehrmacht<br />

und gelten sowohl für den Eisenbahn-, als auch für den Binnenschiffahrts- und Kraftwagenverkehr.<br />

[.....]<br />

Zum Aufbau eines rationellen Transportsystems würde u.a. auch eine sorgfältige und zweckmässige<br />

Aufbereitung des Transportgutes und die stärkere Beachtung des Grundsatzes <strong>der</strong> Verkehrslenkung<br />

nach Gesichtspunkten <strong>der</strong> Transportintensivität gehören. Ferner wäre eine stärkere Ausnutzung des<br />

Frachtraumes, vor allem bei Rückfahrten, anzustreben. Eine nicht zu unterschätzende Verkehrsentlastung<br />

liesse sich vor allem aber auch durch eine stärkere Abst<strong>im</strong>mung und bessere Aufgabenverteilung<br />

<strong>der</strong> einzelnen Verkehrsträger untereinan<strong>der</strong> erzielen. Viele Transporte könnten vom Kraftverkehr<br />

auf die Eisenbahn und noch stärker von <strong>der</strong> Eisenbahn auf die Binnenschiffahrt verlagert werden.<br />

Im einzelnen seien folgende Gesichtspunkte über mangelnde Verkehrsdisposition in den verschiedenen<br />

Wirtschaftszweigen hervorgehoben:<br />

[.....]<br />

Bayreuth<br />

[.....]<br />

<strong>Die</strong> <strong>im</strong> übrigen <strong>Reich</strong>sgebiet <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahndirektion Regensburg ansässigen Möbelverteiler erhalten<br />

ihre Möbel gleichfalls aus weiten Entfernungen zugewiesen. Nachstehend wird eine Übersicht über<br />

die einzelen Versandund Empfangsbahnhöfe gegeben:<br />

Versandbahnhof:!<br />

Wien!Regensburg<br />

<strong>Reich</strong>enberg!<br />

Ölza (RBD Dresden)!<br />

Rabenau (RBD Dresden)!<br />

Geringswalde (RBD Dresden)!<br />

Neusorg (RBD Regensburg)!<br />

Steinhe<strong>im</strong> a.d. MURR (RBD Stuttgart)!<br />

Empfangsbahnhof:<br />

Regensburg<br />

Regensburg<br />

Regensburg<br />

Regensburg<br />

Pegnitz<br />

Regensburg<br />

Seite 91


Langenwiesen (Thür.) (RBD Erfurt)!<br />

Löningen (RBD Münster)!<br />

Wien!<br />

Schwerin! Cham<br />

Uslar (RBD Hannover)!<br />

Prag!<br />

Prag!<br />

Nürnberg!<br />

Regensburg<br />

Regensburg<br />

Hof / Saale<br />

Regensburg<br />

Hof / Saale<br />

Regensburg<br />

Hof / Saale<br />

<strong>Die</strong>se Beispiele liessen sich beliebig vermehren. <strong>Die</strong>se Art <strong>der</strong> Absatzlenkung hat in den davon betroffenen<br />

Kreisen <strong>der</strong> Tischler- und Möbelhändler starke Erbitterung hervorgerufen.<br />

[.....]<br />

Königsberg<br />

<strong>Die</strong> Molkereigenossenschaft H. wollte Butter verladen. Auf dem in Frage kommenden <strong>Bahn</strong>hof stand<br />

ein leerer Waggon, <strong>der</strong> für diese Verladung geeignet war. <strong>Die</strong>ser Waggon wurde von <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn<br />

nicht freigegeben, da er leer nach Königsberg beor<strong>der</strong>t war. Für die Verladung <strong>der</strong> Butter kam dann<br />

ein leerer Waggon wie<strong>der</strong> aus Königsberg zurück. <strong>Die</strong>se Klagen werden von den verschiedensten<br />

Unternehmen bestätigt.<br />

.... z.B. für Viehtransporte liesse sich <strong>der</strong> Wagenraum wesentlich besser ausnutzen, wenn die<br />

<strong>Reich</strong>sbahn bei <strong>der</strong> Zusage <strong>der</strong> Wagen grundsätzlich auch die Grösse <strong>der</strong> Ladefläche mitteilen würde.<br />

<strong>Die</strong> gebräuchlichsten Wagen haben beispielsweise Ladeflächen von 12, 16, 18, 21 und 27 qm.<br />

Der normale deutsche Güter-Wagen besitzt eine Ladefläche und 18 o<strong>der</strong> 21 qm und verfügt über einen<br />

Platzraum für 30 bis 40 Schweine bzw. für 9 bis 11 Rin<strong>der</strong>. Da nur in den seltesten Fällen, wie<br />

gesagt, die Ladefläche vorher <strong>der</strong> Viehverwertungsgenossenschaft bekannt ist, wird <strong>der</strong> Wagenraum<br />

nur selten wirklich ausgenützt. Noch schwieriger ist es, wenn Wagen mit 12 o<strong>der</strong> 14 qm gestellt werden,<br />

in denen dann das durch die Bauern herangeschaffte Vieh nicht weggebracht werden kann. An<strong>der</strong>erseits<br />

wie<strong>der</strong>um kommt es vor, daß für eine Partie von 60 Schweinen Wagen neuerer Art mit einer<br />

Ladefläche von 27 qm gestellt werden, in denen 90 und 100 Schweine Platz finden. Da in <strong>der</strong><br />

kurzen Zeit, die für die Verladung zur Verfügung steht, nicht weiteres Vieh herangeholt werden kann,<br />

müssen die Wagen unausgelastet abfahren.<br />

Breslau<br />

<strong>Die</strong> Maschinenfabrik W. in Januar erhält laufend auf 20 t-O-Wagen Knüppel und Halbzeug für die Gelenkschmiede.<br />

Nach Entladung werden die Waggons leer von <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn zurückgeholt, anstatt<br />

sie sofort für die Verladung von Schrott zu verwenden. Ferner treffen laufend G.-Wagen mit Blechen<br />

und Zulieferungsteilen ein. Sie können sofort <strong>der</strong> Verladung von Schmiedestücken, Munition, Pak-Gefässen<br />

usw. zugeführt werden, wenn sie nicht von <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn zu an<strong>der</strong>er Verwendung leer zurückgeholt<br />

würden. Dafür werden dem Werk täglich die gleichen Waggontypen leer aus an<strong>der</strong>en Bereichen<br />

zugeführt.<br />

Zusammenfassend ist hervorzuheben, daß sich über die Möglichkeiten <strong>der</strong> Verkehrsentflechtung ein<br />

Überblick nur schwierig gewinnen lässt. Der Verkehrszusammenhänge, z.B. die Transportabst<strong>im</strong>-<br />

Seite 92


mung <strong>der</strong> Produktionsstufen, das Transportgefälle usw. seien zu berücksichtigen. Neben diesen verkehrswirtschaftlichen<br />

bestünden jedoch noch an<strong>der</strong>e Ursachen für die Entwicklung des Transportbildes,<br />

z.B. seien die Dispositionen <strong>der</strong> Rüstungsindustrie oftmals von leistungsmässigen, arbeitseinsatzmässigen,<br />

terminmässiger und an<strong>der</strong>en Voraussetzungen abhängig. Immerhin seien zweifellos<br />

Möglichkeiten für eine weitere Transportentflechtung und -entlastung gegeben, z.B. durch Schaffung<br />

gebietsmässiger Lieferungs- und Absatzbeschränkungen für weiter Waren bzw. Waren-Gruppen, verkehrsnaher<br />

Einsatz des Aussenhandels, Austausch gleichwertiger ziviler und militärischer Lieferungen,<br />

zweckmäßige Aufbereitung des Transportgutes, stärkerer Berücksichtigung <strong>der</strong> Transportintensität<br />

bei Massengütern und bessere Ausnutzung <strong>der</strong> Ladeflächen.<br />

Meldungen aus den SD-Abschnittsbereichen vom 22. Juli 1944<br />

[.....]<br />

Totaler Krieg<br />

<strong>Die</strong> Einschränkung des Zugverkehrs ab 17.7. wird <strong>im</strong> allgemeinen als notwendig verstanden, teilweise<br />

sogar als eine <strong>der</strong> populärsten Massnahmen <strong>der</strong> letzten Monate begrüsst. Von vielen Volksgenossen<br />

wird die Ansicht vertreten, daß die Einschränkung schon vor Jahren hätte kommen müssen. Sie<br />

wird in weiten Kreisen für lange nicht scharf genug gehalten, denn man befürchtet, daß ihre Wirkung<br />

durch viele Hintertüren und Ausnahmen abgeschwächt werde (Sudeten).<br />

<strong>Die</strong> Einschränkung des Reiseverkehrs hat fast durchweg lebhafte Zust<strong>im</strong>mung gefunden. Kritisiert<br />

wird lediglich, daß diese Massnahme nicht schon früher in Kraft getreten ist und daß ähnlich dem totalen<br />

Kriegseinsatz auch hier wie<strong>der</strong> "unliebsame Zeitgenossen" die Möglichkeit finden werden,<br />

"durch die Maschen <strong>der</strong> Gesetze durchzuschlüpfen" (Norddeutschland).<br />

[.....]<br />

<strong>Die</strong> Mitteilung über die Reiseeinschränkungen hat überwiegend Zust<strong>im</strong>mung ausgelöst. Häufig wird<br />

geäussert, daß eine <strong>der</strong>artige Massnahme schon vor Jahren hätte kommen müssen. Im übrigen ist<br />

man vielfach davon überzeugt, daß es auch jetzt noch Möglichkeiten gebe, diese Beschränkungen zu<br />

umgehen (Ostdeutschland).<br />

<strong>Die</strong> jetzt veröffentlichte Reisebeschränkung wird in ihren Einzelheiten stark kritisiert. Man habe wie<strong>der</strong><br />

den Leuten Konzessionen gemacht, die Zeit und Geld zum Reisen hätten. An den schaffenden Menschen<br />

denke man nur, wenn man ihn brauche, aber in Deutschland nehme man auf die "oberen<br />

Schichten" und notorischen Drückeberger und auf die, die von den Kriegserschwernissen verschont<br />

geblieben seien, <strong>im</strong>mer Rücksicht. Auch von <strong>der</strong> Proklamation des totalen Krieges wäre diese Schicht<br />

nicht betroffen worden. <strong>Die</strong> Reisebeschränkung bedeute für die, die tatsächlich reisen müssen, eine<br />

Erschwerung, während die an<strong>der</strong>en, die Zeit hätten, mit Personen- und Eilzügen 100 km zu fahren<br />

und dann 100 km nachzulösen, an ihren Reisen nicht gehin<strong>der</strong>t würden (Mitteldeutschland).<br />

SD-Berichte zu Inlandsfragen vom 24. Juli 1944 (Gelbe Serie)<br />

Zusammenstellung kritischer Äusserungen aus <strong>der</strong> Bevölkerung zur Verleihung von Kriegsverdienstkreuzen.<br />

[.....]<br />

<strong>Die</strong> gleichen Klagen werden vom Strassenbahnpersonal vorgebracht. Noch kein männlicher Angestellter<br />

<strong>der</strong> Duisburger Strassenbahngesellschaft z.B. habe das KVK bekommen. Es würden nur Ver-<br />

Seite 93


gleiche angestellt mit den Hausmeistern städtischer Gebäude, die mit dem KVK bedacht wurden, und<br />

zwar angeblich nur, weil sie regelmässig die Verdunklung angebracht hätten. Dabei müsse <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nst<br />

des Strassenbahnpersonals unter grossen Verkehrsschwierigkeiten und Behin<strong>der</strong>ungen durch Alarme<br />

und Angriffe durchgeführt werden. Sehr oft komme man infolge des Alarms erst um 2 o<strong>der</strong> 3 Uhr morgens<br />

nach Hause und müsse um 4.35 Uhr schon wie<strong>der</strong> ausfahren. Gerüchteweise verlautet,<br />

Staatsminister Meissner habe sich gegen eine Verleihung von KVK an Angehörige von Verkehrsbetrieben<br />

ausgesprochen. Dem vermöge man jedoch keinen Glauben zu schenken, da ja zahlreiche<br />

Eisenbahner das KVK erhalten hätten.<br />

[.....]<br />

Bericht an den <strong>Reich</strong>sschatzmeister <strong>der</strong> NSDAP vom 29. August 1944<br />

Auswirkungen <strong>der</strong> militärischen Lage <strong>im</strong> Osten für das östliche <strong>Reich</strong>sgebiet und das Generalgouvernement.<br />

[.....]<br />

III. Verlagerung von Betrieben und lebenswichtigen Gütern<br />

Meldungen, beson<strong>der</strong>s aus dem Generalgouvernement, daß <strong>im</strong> <strong>Reich</strong> nicht für genügend Ausweichstellen<br />

für Betriebe gesorgt ist. Bekanntgabe <strong>der</strong> Räumung und Verlagerung so kurzfristig, daß Abtransport<br />

lebenswichtiger Güter und Maschinen dadurch infrage gestellt. Dazu Schwierigkeiten wegen<br />

Waggongestellung und Mangel an Arbeitskräften, die für Schanzarbeiten eingesetzt werden.<br />

[.....]<br />

Nachwort<br />

Nach dem 29. August 1944 wird die <strong>Reich</strong>sbahn bzw. an<strong>der</strong>e Verkehrsträger in den gehe<strong>im</strong>en Lageberichten<br />

des Sicherheitsdienstes <strong>der</strong> SS nicht mehr erwähnt. Das kann nicht weiter verwun<strong>der</strong>n, da<br />

die Zahl <strong>der</strong> Berichte - <strong>der</strong> letzte Bericht stammt von Ende März 1945 - in den letzten Kriegsmonaten<br />

rapide abnahm: Auch die SS hatte keine Zeit mehr zum Schreiben - Laufen war angesagt. Ausserdem<br />

war es sinnlos, über etwas zu schreiben, was faktisch nicht mehr existierte, längst waren die Verkehrswege<br />

und damit auch die Deutsche <strong>Reich</strong>sbahn in Schutt und Asche gesunken.<br />

Bewusst habe ich die Berichte unkommentiert gelassen. Eine Anmerkung aber sei mir zum Schluss<br />

gestattet:<br />

Selbstverständlich hat auch die SS in ihren Berichten teilweise übertrieben, um die Fortschritte "ihrer<br />

Arbeit" zu dokumentieren. Sicher hat sie ihre Berichte auch zu Propagandazwecke benutzt, aber man<br />

darf auch nicht vergessen, daß hier "dem Volk aufs Maul geschaut wurde". In dieser Perfektion - ich<br />

habe ja nur einen sehr kleinen Teil <strong>der</strong> Berichte wie<strong>der</strong>gegeben - ist dies vorher nie geschehen und<br />

vielleicht auch nachher nicht mehr erreicht worden (?).<br />

Einmal mehr wird aber aus den St<strong>im</strong>mungen deutlich, daß Faschismus ein Massenphänomen ist, ohne<br />

die "rechte" Einstellung <strong>der</strong> breiten Massen ist diese Ideologie nicht denkbar.<br />

<strong>Die</strong>s mag ansich schon erschreckend genug sein, für übler halte ich jedoch, daß es nicht ungewöhnlich<br />

ist, eine Reihe <strong>der</strong> zitierten Äusserungen auch heute an Stammtischen zu hören.....<br />

(Klaus Köppen (121:4945/0))<br />

Seite 94


Übersicht über die <strong>Reich</strong>sbahndirektionen während des 2. Weltkrieges<br />

GBL-West<br />

Essen<br />

Frankfurt/Main<br />

Hamburg<br />

Hannover<br />

Kassel<br />

Köln<br />

Mainz<br />

Saarbrücken<br />

Wuppertal<br />

GBL-Süd<br />

Augsburg<br />

Erfurt<br />

Karlsruhe<br />

München<br />

Nürnberg<br />

Linz<br />

Regensburg<br />

Stuttgart<br />

Villach<br />

GBL-Ost<br />

Berlin<br />

Breslau<br />

Danzig<br />

Dresden<br />

Halle<br />

Königsberg<br />

Oppeln<br />

Osten (Frankfurt/O<strong>der</strong>)<br />

Posen<br />

Schwerin<br />

Stettin<br />

Wien<br />

Vergleich des Zustandes <strong>der</strong> deutschen Eisenbahnen <strong>im</strong> 1. und 2. Weltkrieg<br />

Jahr! Güterwagen! Loks! Tonnage in! Wagenstellungen! Durchschnittliche! Netto! Durchschnittlich.! Umlauf<br />

! ! ! Millionen! in Millionen! Wagenstellungen! Tonnen-! zurückgelegte! in Tagen<br />

! ! ! ! ! pro Tag! kilometer! Entfernung<br />

1913! 617.748! 27.214! 501! 40,7! 13<strong>3.</strong>433! 67,7 km! 119! 3,05<br />

1938! 650.229! 25.183! 547! 47,2! 154.521! 92,8 km! 182! 4,20<br />

1916! 711.507! 31.038! 416! 51,4! 167.213! --! 164! 4,60<br />

1943! 97<strong>3.</strong>045! 36.329! 675! 48,6! 158.352! 178,0 km! 269! 7,60<br />

Seite 95


Güterwagenstellung bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn<br />

Kohlewirtschaftsjahr insgesamt! Güterwagen! Steinkohle! Braunkohle<br />

1940/41! 48.37<strong>3.</strong>843! 16.755.046! 7.021.224<br />

1941/42! 44.321.721! 16.566.984! 7.179.648<br />

1942/43! 47.947.837! 17.704.156! 7.872.571<br />

1943/44! 48.401.403! 18.332.517! 8.029.474<br />

April! 4.212.504! 1.54<strong>3.</strong>563! 724.882<br />

Mai! 4.314.253! 1.510.917! 737.670<br />

Juli! 4.425.408! 1.587.478! 727.545<br />

August! 4.147.549! 1.562.702! 714.775<br />

September! 4.05<strong>3.</strong>384! 1.549.386! 692.166<br />

Oktober! 4.140.404! 1.487.124! 636.948<br />

November! <strong>3.</strong>814.007! 1.426.495! 572.132<br />

Dezember! <strong>3.</strong>672.800! 1.435.911! 567.684<br />

Januar! <strong>3.</strong>77<strong>3.</strong>474! 1.567.836! 640.645<br />

Februar! <strong>3.</strong>626.078! 1.506.356! 607.162<br />

März! <strong>3.</strong>977.489! 1.612.191! 688.296<br />

1944/45<br />

April! <strong>3.</strong>805.508! 1.527.737! 668.427<br />

Mai! <strong>3.</strong>992.116! 1.596.763! 672.884<br />

Juni! 4.007.934! 1.585.631! 664.626<br />

Juli! <strong>3.</strong>969.625! 1.480.723! 667.521<br />

August! <strong>3.</strong>940.944! 1.39<strong>3.</strong>692! 666.967<br />

September! <strong>3.</strong>442.133! 1.086.075! 612.272<br />

Oktober! <strong>3.</strong>241.506! 88<strong>3.</strong>443! 568.058<br />

November! 2.976.302! 850.323! 542.347<br />

Dezember! 2.570.707! 888.779! 508.235<br />

Januar! 1.877.738! 690.573! 475.183<br />

Februar! 1.069.322! -! -<br />

Quellen:<br />

<strong>Reich</strong>sbahn-Zentralamt, Blätter 90, 91, 92<br />

National Archives, Washington D.C. RG 243, 200(a), 95, 96, 97<br />

Wagengestellung für Steinkohle bei <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn (in 10-t-Einheiten)<br />

Jahr/Monat! Ruhr! Saar (1)! Oberschlesien! Insgesamt<br />

1943<br />

Jan.! 630.253! 141.749! 622.208! 1.524.162<br />

Feb.! 572.756! 140.144! 630.613! 1.462.673<br />

März! 645.983! 156.855! 719.774! 1.659.237<br />

April! 607.103! 150.487! 655.464! 1.54<strong>3.</strong>563<br />

Seite 96


Mai! 565.795! 152.747! 665.949! 1.510.917<br />

Juni! 565.214! 158.574! 691.447! 1.542.558<br />

Juli! 569.988! 16<strong>3.</strong>072! 725.830! 1.587.478<br />

Aug.! 561.201! 161.074! 711.011! 1.562.702<br />

Sept.! 572.905! 158.644! 691.651! 1.549.386<br />

Okt.! 555.527! 151.528! 658.349! 1.487.124<br />

Nov.! 501.732! 152.961! 661.614! 1.426.495<br />

Dez.! 54<strong>3.</strong>638! 158.350! 620.589! 1.435.911<br />

1944<br />

Jan.! 618.420! 167.008! 654.460! 1.567.836<br />

Feb.! 582.193! 148.762! 657.221! 1.506.356<br />

März! 618.566! 156.930! 709.591! 1.612.191<br />

April! 580.211! 150.263! 684.001! 1.527.737<br />

Mai! 591.430! 149.682! 734.392! 1.586.763<br />

Juni! 605.006! 155.178! 706.485! 1.585.631<br />

Juli! 586.117! 146.640! 63<strong>3.</strong>170! 1.480.723<br />

Aug.! 565.143! 135.470! 582.330! 1.39<strong>3.</strong>692<br />

Sept.! 46<strong>3.</strong>246! 52.068! 524.222! 1.086.075<br />

Okt.! 252.595! 35.967! 532.562! 88<strong>3.</strong>443<br />

Nov.! 232.210! 49.890! 50<strong>3.</strong>741! 850.323<br />

Dez.! 25<strong>3.</strong>330! 9.024! 558.198! 888.779<br />

1945<br />

Jan.! 299.632! 10.509! 315.175! 690.573<br />

Feb.! 215.368! 15.835! 65.773! 318.542<br />

März! 66.129! 15.197! 72.570! 368.753<br />

(1) Ab November 1943 wurden von <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahn das Saarland und Lothringen bei <strong>der</strong> Kohlenwagenzählung<br />

zusammengefasst. Aus Gründen <strong>der</strong> Übersichtlichkeit wurden bei dieser Tabelle die Zahlen<br />

bei<strong>der</strong> Regionen von Anfang an addiert.<br />

Quellen:<br />

<strong>Reich</strong>sbahn-Zentralamt, Blatt 92, Januar 1943 - Januar 1945<br />

<strong>Reich</strong>svereinigung Kohle: "Wagenstellung für Kohle nach Revieren", Bundesarchiv Koblenz R10 VIII/<br />

16, ff. 629, 631<br />

<strong>Reich</strong>sbahn-Güterwagenstellung <strong>im</strong> Vergleich<br />

! I! II! III! Special! Transport-! Ardennen-! Übergangsplan! Ruhr-<br />

! 1943-44! 1943-44! 1943-44! Priority! Bombardierungs-! offensive! des CSTC! gebiets-<br />

! ! ! ! Strategie! plan! ! ! plan<br />

<strong>Reich</strong>sbahn! -1,83! -7,75! -4,22! -20,05! -22,84! -43,20! -70,44! -89,18<br />

RBD's<br />

Essen! -0,94! -4,60! -9,67! -42,10! -59,96! -60,85! -66,71<br />

Wuppertal! -1,81! -3,73! -5,70! -15,99! -37,37! -58,02! -66,13<br />

Seite 97


Köln! +7,59! -11,75! -9,09! -65,97! -78,46! -83,78! -86,00<br />

Münster! +5,76! -4,59! -16,99! -36,39! -21,39! -31,02! -53,82<br />

Saarbrücken! -1,35! -13,46! -34,41! -69,01! -75,46! -96,35! -89,27<br />

Karlsruhe! -8,01! -11,84! -19,65! -22,83! -39,67! -72,41! -82,53<br />

Stuttgart! -5,29! -3,54! -13,09! -27,51! -18,95! -52,00! -61,10<br />

Kassel! -2,99! -3,07! -7,27! -25,86! -16,25! -45,30! -57,66<br />

Hannover! +24,96! -8,63! -8,62! -14,09! -21,20! -29,93! -49,64<br />

Berlin! -7,95! -19,46! -15,08! -8,84! +8,58! -15,99! -47,08<br />

Halle! +3,95! -9,27! -6,14! -0,40! +1,49! -19,95! -44,16<br />

Oppeln! +2,05! -1,09! -15,96! -17,35! -17,10! -13,16! -90,38<br />

Alle Angaben durchschnittliche Prozentzahlen.<br />

Quellen:<br />

<strong>Reich</strong>sbahn-Zentralamt, Blatt 90, Januar 1943 - Januar 1945<br />

National Archive Washington D.C. RG 243, 200(a), 94, 95, 96, 116, 117<br />

Bundesarchiv R5, Anh. I/11<br />

Das Soll <strong>der</strong> <strong>Reich</strong>sbahnkohlewagenstellung, 24. Mai 1944<br />

RBD!<br />

Osten (Frankfurt/O<strong>der</strong>)! 60<br />

Breslau! 1.330<br />

Oppeln! 26.000<br />

Hannover! 930<br />

Münster! 370<br />

Kassel! 240<br />

Halle! 11.680<br />

Dresden! 6.580<br />

Essen! 20.850<br />

Köln! 6.750<br />

Saarbrücken! 6.000<br />

Frankfurt/Main! 10<br />

Erfurt! 600<br />

Augsburg! 40<br />

München! 340<br />

Regensburg! 1.520<br />

Wien! 950<br />

Villach! 300<br />

Insgesamt! 84.700<br />

Einheiten pro Tag<br />

Quelle:<br />

Hauptwagenamt, WD 141 Vwbo 17, Berlin, 24. Mai 1944 Bundesarchiv R5/<strong>3.</strong>181<br />

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