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Von Puzzlern lernen

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<strong>Von</strong> <strong>Puzzlern</strong> <strong>lernen</strong><br />

Mathematiker lösen Layoutprobleme mit Puzzlestrategien<br />

Puzzle sind eine beliebte Freizeitbeschäftigung für Groß und Klein. Richtig zusammengesetzt zeigen sie<br />

uns unzählige Motive von Städten, Landschaften, Kunstwerken, Personen und liebevoll arrangierten<br />

Gegenständen. Der Weg hin zum vollendeten Puzzle ist aber oft lang und schwierig. Je größer das Puzzle<br />

und je anspruchsvoller das Motiv, desto mehr müssen wir uns anstrengen, um für jedes Teil seinen<br />

richtigen Platz zu finden. Wer es besonders schwierig mag, wagt sich an das derzeit größte Puzzle mit<br />

über 32000 Teilen von Ravensburger. Oder er löst ein Puzzle ohne das fertige Bild überhaupt zu kennen.<br />

Die schwierigsten Puzzles aber sind einfarbige ohne jede Struktur.<br />

Puzzler haben verschiedene Strategien entwickelt, um für jedes Teil die richtige Position zu finden. Wer<br />

kleine Kinder beim Puzzlen beobachtet, wird feststellen, dass diese zwei sehr einfache Strategien<br />

anwenden: Sie greifen eher zufällig zwei Teile heraus und probieren, ob sie zusammengehören. Oder sie<br />

suchen die Position eines Teils im Bild und legen es an die entsprechende Position auf dem Tisch. Für<br />

große Puzzles sind diese Strategien allerdings ungeeignet. Es würde zu lange dauern,<br />

zusammengehörende Teile zu finden. Auch kann die Position eines einzelnen Teils aufgrund seiner<br />

geringen Größe gar nicht mehr bestimmt werden. In diesen Fällen wenden Puzzler raffiniertere<br />

Methoden an.<br />

Die meisten von ihnen puzzeln zunächst den Rand und schaffen sich so den Rahmen, an dem sie sich<br />

anschließend orientieren. Andere puzzeln als Erstes markante Ausschnitte des Motivs, deren Teile sie<br />

leicht im Gewirr aller Teile identifizieren können. Diese Ausschnitte versuchen sie anschließend<br />

miteinander zu verbinden. Sie schaffen sich also wie den Rand eine Orientierungshilfe für weitere Teile.<br />

Häufig ist es auch sinnvoll, die Puzzleteile nach Farbe oder Form zu sortieren. Das Sortieren nach Farben<br />

gruppiert Teile, die vermutlich nahe beieinander liegen. Passende Teile zu finden ist so erheblich<br />

einfacher, da sehr viel weniger Teile zur Auswahl stehen. Das Sortieren nach Formen ermöglicht zudem<br />

gegen Ende eines Puzzles, die Kandidaten für eine Lücke auf wenige mögliche einzuschränken. Man<br />

ändert somit quasi die Suchrichtung. Statt für ein Teil die passende Position zu suchen, sucht man nun<br />

für eine Lücke das passende Teil.<br />

All diese Strategien dienen dazu, ein Puzzle in einfacher zu lösenden Teilprobleme zu zerlegen. Dadurch<br />

werden strukturierende Orientierungshilfen geschaffen, und das Finden bestimmter Teile durch das<br />

geschickte Gruppieren der Teile wird erleichtert. Dass diese Strategien nicht nur beim Lösen von Puzzlen<br />

erfolgreich eingesetzt werden, sondern auch bei anderen Problemen, zeigt die Arbeit von<br />

Wissenschaftlern am Fraunhofer ITWM.<br />

Mathematiker der Abteilung Optimierung beschäftigen sich seit einiger Zeit mit sogenannten<br />

Layoutproblemen. Ein Layout (Lageplan) legt die Position einer Komponente in einem Container fest. Der<br />

Container ist quasi der Rahmen innerhalb dessen die Komponenten liegen. Das zentrale Ziel dabei ist es,<br />

den gegebenen Container so gut wie möglich mit Komponenten zu füllen. Die Teile dürfen dazu beliebig<br />

oft verwendet, nicht aber beliebig positioniert werden. Vielmehr müssen dabei komplexe Bedingungen


eachtet werden. Diese spiegeln häufig technische Anforderungen der Anwendung wieder, für die<br />

Layouts berechnet werden sollen.<br />

Im Fall von Layoutproblemen geht es also im Gegensatz zum Puzzle nicht darum ein bekanntes Bild<br />

nachzubauen, sondern unter den gegebenen Bedingungen (Bauteile, Container und technische<br />

Anforderungen) ein neues Layout zu erzeugen.<br />

Dr. Kai Plociennik und seine Kollegen planen beispielsweise große Photovoltaikanlagen zur<br />

Stromerzeugung. „Wir versuchen möglichst viele Solarmodule auf einem Grundstück zu platzieren, so<br />

dass es zu möglichst wenigen Verschattungen zwischen den Modulen kommt. Diese würden die<br />

Stromausbeute senken, die der Anlagenbesitzer ja gerade maximieren möchte.“, erzählt er. Das<br />

Grundstück entspricht dabei dem oben genannten Container, die Solarmodule den Komponenten.<br />

„Dabei müssen wir aber auch eine ganze Reihe von technischen Vorgaben beachten, zum Beispiel die<br />

Berücksichtigung von Servicewegen und Kabelkanälen“, ergänzt er.<br />

Dr. Heiner Ackermann beschäftigt sich dagegen mit Schnittbildern für Sägewerke. „Ein Schnittbild<br />

bestimmt, an welcher Position welches Brett aus einem Baumstamm geschnitten wird“, erklärt er. „Ziel<br />

ist es, genau solche Schnittbilder zu finden, die von den Sägelinien umgesetzt werden können und die<br />

möglichst wenig Verschnitt erzeugen.“ Hier entsprechen die Bretter also den Komponenten, ein<br />

Baumstamm dem Container und die Möglichkeiten der Sägen den technischen Anforderungen.<br />

Die Lösungsstrategien, die die beiden Forscher zur Erzeugung guter Layouts einsetzen, ähneln den<br />

Strategien zum Lösen von Puzzeln: Zunächst untersuchen sie, welchen Einfluss die verschiedenen<br />

Bedingungen auf die gesuchten Layouts haben. Der Einfluss einiger Bedingungen ist größer, der anderer<br />

kleiner. Mit Hilfe dieses Wissens können sie die Probleme in Teilprobleme zerlegen, wobei sie die<br />

Teilprobleme so aufeinander abstimmen, dass eine Lösung für das eine Problem eine Orientierungshilfe<br />

für die Lösung eines anderen liefert. Im Fall der Planung von Solarparks ist es beispielsweise sinnvoll, sich<br />

zunächst Gedanken zur Anzahl und Gestaltung der Fahrwege zumachen. Anschließend werden daran die<br />

Solarmodule und zum Schluss die Kabelschächte ausgerichtet.<br />

Analog zum Vorabsortieren der Puzzleteile nach Form und Farbe kann man auch im Fall von<br />

Layoutproblemen die Suchrichtung umkehren. Dazu berechnen die Mathematiker für Teilprobleme<br />

mögliche Lösungen vor. Insbesondere im Fall von Lücken können diese Lösungen schnell nach guten<br />

lückenfüllenden Kandidaten durchsucht werden. Dies ist häufig einfacher, als für eine gegebene Lücke<br />

passende Lösungen explizit zu berechnen. Im Fall der Schnittbildberechnung werden zum Beispiel<br />

außenliegende Brettkonfigurationen vorberechnet. Wie hoch und breit sind sie? Wie nah dürfen sie im<br />

Schnittbild nach außen rücken? So können Kandidaten für bekannte Lücken schnell gefunden und die<br />

Schnittbildberechnung erheblich beschleunigt werden.<br />

Die Verfahren werden seit einiger Zeit erfolgreich von Photovoltaikanlagenbauern und in Sägewerken<br />

eingesetzt. „Am erstaunlichsten daran ist, dass Puzzlestrategien schlussendlich helfen, Solarstrom<br />

günstig zu produzieren und unsere Wälder zu schonen.“, schließen die beiden Mathematiker und freuen<br />

sich schon auf das nächste komplizierte Puzzle.


1. Eine Photovoltaikanlage 2. Ein Schnittbild

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