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<strong>Lernen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong>


<strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong>n zur Berufsbildung<br />

<strong>Lernen</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong>


ORGANISATION FÜR WIRTSCHAFTLICHE<br />

ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG<br />

Die <strong>OECD</strong> ist ein in seiner Art einzigartiges Forum, in dem Regierungen gemeinsam an<br />

der Bewältigung von Herausforderungen der Globalisierung im Wirtschafts-, Sozial- und<br />

Umweltbereich arbeiten. Die <strong>OECD</strong> steht auch in vorderster Linie bei den Bemühungen um ein<br />

besseres Verständnis der neuen Entwicklungen und durch sie ausgelöster Be<strong>für</strong>chtungen,<br />

indem sie Untersuchungen zu Themen wie Corporate Governance, Informationswirtschaft oder<br />

Bevölkerungsalterung durchführt. Die Organisation bietet den Regierungen einen Rahmen, der es<br />

ihnen ermöglicht, ihre Politikerfahrungen auszutauschen, nach Lösungsansätzen <strong>für</strong> gemeinsame<br />

Probleme zu suchen, empfehlenswerte Praktiken aufzuzeigen und auf eine Koordinierung<br />

nationaler und internationaler Politiken hinzuarbeiten.<br />

Die <strong>OECD</strong>-Mitgliedstaaten sind: Australien, Belgien, Chile, Dänemark, Deutschland,<br />

Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Kanada, Korea,<br />

Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, <strong>die</strong> Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal,<br />

Schweden, Schweiz, <strong>die</strong> Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, <strong>die</strong> Tschechische Republik,<br />

Türkei, Ungarn, das Vereinigte Königreich und <strong>die</strong> Vereinigten Staaten. Die Europäische<br />

Kommission nimmt an den Arbeiten der <strong>OECD</strong> teil.<br />

<strong>OECD</strong> Publishing sorgt da<strong>für</strong>, dass <strong>die</strong> Ergebnisse der statistischen Analysen und der<br />

Untersuchungen der Organisation zu wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Themen<br />

sowie <strong>die</strong> von den Mitgliedstaaten vereinbarten Übereinkommen, Leitlinien und Standards weite<br />

Verbreitung finden.<br />

Das vorliegende Dokument wird unter der Verantwortung des Generalsekretärs der <strong>OECD</strong><br />

veröffentlicht. Die darin zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Argumente spiegeln<br />

nicht zwangsläufig <strong>die</strong> offizielle Einstellung der Organisation oder der Regierungen ihrer<br />

Mitgliedstaaten wider.<br />

ISBN 978-92-64-08783-5 (Print)<br />

ISBN 978-92-64-08784-2 (PDF)<br />

Publikationsreihe:<br />

ISSN 2077-7728 (Print)<br />

ISSN 2077-7736 (<strong>Online</strong>)<br />

Originaltitel: <strong>OECD</strong> Reviews of Vocational Education and Training: Learning for Jobs – Formation et emploi : relever le défi de la<br />

réussite.<br />

Übersetzung durch den Deutschen Übersetzungs<strong>die</strong>nst der <strong>OECD</strong>.<br />

Foto(s): Deckblatt © Andres Rodriguez - Fotolia.com.<br />

Korrigenda zu <strong>OECD</strong>-Veröffentlichungen sind verfügbar unter: www.oecd.org/publishing/corrigenda.<br />

© <strong>OECD</strong> 2010<br />

Die <strong>OECD</strong> gestattet das Kopieren, Herunterladen und Abdrucken von <strong>OECD</strong>-Inhalten <strong>für</strong> den eigenen Gebrauch sowie das Einfügen<br />

von Auszügen aus <strong>OECD</strong>-Veröffentlichungen, -Datenbanken und -Multimediaprodukten in eigene Dokumente, Präsentationen,<br />

Blogs, Websites und Lehrmaterialien, vorausgesetzt <strong>die</strong> <strong>OECD</strong> wird in geeigneter Weise als Quelle und Urheberrechtsinhaber<br />

genannt. Sämtliche Anfragen bezüglich Verwendung <strong>für</strong> öffentliche oder kommerzielle Zwecke bzw. Übersetzungsrechte sind<br />

zu richten an: rights@oecd.org. Die Genehmigung zur Kopie von Teilen <strong>die</strong>ser Publikation <strong>für</strong> den öffentlichen oder<br />

kommerziellen Gebrauch ist direkt einzuholen beim Copyright Clearance Center (CCC) unter info@copyright.com oder beim Centre<br />

français d’exploitation du droit de copie (CFC) unter contact@cfcopies.com.


VORWORT – 3<br />

Vorwort<br />

Nach einer schweren Rezession muss ein wichtiges Ziel der <strong>OECD</strong>-<br />

Länder und ihrer Bildungssysteme darin bestehen, jungen Menschen dabei zu<br />

helfen, ihren Weg ins Erwerbsleben zu finden. Die Berufsbildung <strong>für</strong> junge<br />

Menschen kann bei der Bewältigung <strong>die</strong>ser Herausforderung eine bedeutende<br />

Rolle spielen, doch besteht, wie in <strong>die</strong>sem Bericht erläutert wird, in vielen<br />

Ländern <strong>die</strong>sbezüglich Reformbedarf.<br />

Die Absolventen von Berufsbildungsprogrammen müssen nicht nur mit<br />

den Kompetenzen ausgestattet werden, <strong>die</strong> ihnen den Einstieg ins Erwerbsleben<br />

ermöglichen, sondern auch mit umfassenderen Kapazitäten zur Fortsetzung<br />

ihres Lernprozesses am und außerhalb des Arbeitsplatzes, <strong>die</strong> sie benötigen, um<br />

auf einem sich rasch wandelnden Arbeitsmarkt ihre berufliche Entwicklung<br />

voranzutreiben. Daher müssen <strong>die</strong> Berufsbildungsprogramme qualitativ hochwertig<br />

sein, von Lehrkräften und Ausbildern angeboten werden, <strong>die</strong> sich der<br />

Erfordernisse der modernen Wirtschaft bewusst sind, und mit klaren Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

verknüpft sein. Das <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz sollte in<br />

allen Berufsbildungsgängen eine wichtige Rolle spielen. Vor allem benötigen<br />

wir eine effektive Partnerschaft zwischen den Berufsbildungssystemen und der<br />

Wirtschaft, damit betriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden<br />

und sichergestellt ist, dass <strong>die</strong> vermittelten Kompetenzen am Arbeitsmarkt wirklich<br />

nachgefragt werden und <strong>die</strong> jungen Menschen sich frühzeitig ein Bild von<br />

den Anforderungen der <strong>Arbeitswelt</strong> machen können.<br />

Der vorliegende <strong>OECD</strong>-Bericht baut auf 17 einzelnen Länderstu<strong>die</strong>n auf,<br />

<strong>die</strong> rund um den Globus durchgeführt wurden. Ziel <strong>die</strong>ser und auch der nachfolgenden<br />

Prüfung zur postsekundären beruflichen Bildung, <strong>die</strong> <strong>für</strong> den Zeitraum<br />

2011-2012 geplant ist, ist es, das breite Spektrum an internationalen Erfahrungen<br />

auf <strong>die</strong>sem Gebiet zu nutzen und Ländern auf <strong>die</strong>ser Basis bei der Konzipierung<br />

ihrer eigenen Strategien und Programme zu helfen.<br />

Die Autoren <strong>die</strong>ses Berichts waren Simon Field, Kathrin Hoeckel, Viktoria<br />

Kis und Małgorzata Kuczera. Jennifer Gouby kam <strong>die</strong> Schlüsselrolle bei der<br />

Vorbereitung des Berichts <strong>für</strong> <strong>die</strong> Veröffentlichung zu.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


4 – DANK<br />

Dank<br />

Im gesamten Verlauf <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> und der Ausarbeitung <strong>die</strong>ses Berichts<br />

wurden <strong>die</strong> Autoren von der Gruppe Nationaler Experten <strong>für</strong> Berufsbildung geleitet,<br />

deren Mitglieder <strong>die</strong> Arbeiten an <strong>die</strong>sem Bericht durch ihre Ratschläge<br />

und Beiträge unterstützten. In den geprüften Ländern sind wir den nationalen<br />

Behörden zu besonderem Dank <strong>für</strong> ihre Unterstützung und Beratung verpflichtet,<br />

<strong>die</strong> uns <strong>die</strong> Besuche vor Ort erleichtert haben, ebenso wie all denjenigen, <strong>die</strong><br />

einen Beitrag geleistet haben, insbesondere den nationalen Koordinatoren: Oon<br />

Ying Chin, Lorelle Johnson und Astrida Upitis in Australien; Evelien<br />

Masschelein in Belgien (Flandern); Hernán Araneda, Eliana Chamizo, Alejandra<br />

Villarzú Gallo und Katherine Villaroel in Chile; Jiaming Liu in China; Roger<br />

Cotes, Susan Edwards und Andrew Price in England und Wales; Lena Arends<br />

und Arne Simon in Deutschland; Ciara Phelan und Padraig Creed in Irland;<br />

Eunsang Cho in Korea; Deni Sanchez und Juan Manuel Martínez de la Calle in<br />

Mexiko; Cecilia Lyche in Norwegen; Reinhard Nöbauer in Österreich; Erik<br />

Henriks in Schweden; Adrian Wüest in der Schweiz; Milada Stalker und Jitka<br />

Pohanova in der Tschechischen Republik; Zsófia Lux in Ungarn sowie Bob Couch,<br />

Ray Boland und Amy McCaskill (South Carolina) und Vangie Stice-Israel<br />

(Texas) in den Vereinigten Staaten.<br />

Großer Dank gebührt auch den Experten, <strong>die</strong> in den einzelnen Prüfungsteams<br />

mitgewirkt haben oder Fachdokumente beisteuerten. Dies sind Giorgio<br />

Brunello, Mark Cully, Jim Davidson, Luisa Ferreira, Emily Forrest Cataldi,<br />

Norton Grubb, Gábor Halász, Nancy Hoffman, Troy Justesen, Bob Schwartz,<br />

Stefan Wolter, Tony Watts und Thomas Zwick.<br />

Innerhalb der <strong>OECD</strong> sind wir einigen Kollegen sehr stark zu Dank verpflichtet,<br />

darunter Susan Copeland, Cassandra Davis, Mihály Fazekas, Deborah<br />

Fernandez, Moonhee Kim, Elke Lüdemann, Afonso Mendoza-Reis, Svenja<br />

Peterson, Paulo Santiago, Anne Sonnet und Greg Wurzburg. Deborah<br />

Roseveare war in ihrer Funktion als Leiterin der Abteilung Bildungs- und Ausbildungspolitik<br />

während der gesamten Dauer des Projekts eine unermüdliche<br />

Stütze.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


INHALTSVERZEICHNIS – 5<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong>: Zusammenfassung und wichtigste<br />

Erkenntnisse <strong>für</strong> <strong>die</strong> Politik ................................................................................... 9<br />

Kapitel 1 Die Herausforderung der Berufsbildung ...................................................... 25<br />

Warum der Blick auf <strong>die</strong> Berufsbildung gerichtet werden sollte ............................. 26<br />

Der Wert von Berufsbildungsprogrammen <strong>für</strong> Jugendliche ..................................... 28<br />

Abhängigkeit der beruflichen Erstausbildung von den Arbeitsmarktmerkmalen ..... 31<br />

Die Berufsbildungsprogramme den Erfordernissen der modernen Welt anpassen .. 34<br />

Die <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> ..................................................................................................... 41<br />

Literaturverzeichnis ................................................................................................ 45<br />

Kapitel 2 Dem Arbeitsmarktbedarf gerecht werden ................................................... 49<br />

Finanzierung und Angebotsmix ............................................................................... 50<br />

Für <strong>die</strong> richtige Anzahl ausgebildeter Personen sorgen ........................................... 53<br />

Den richtigen Qualifikationsmix in der Berufsbildung erzielen ............................... 62<br />

Dem Arbeitsmarktbedarf gerecht werden: Zusammenfassung ................................. 71<br />

Literaturverzeichnis ................................................................................................ 73<br />

Kapitel 3 Bildungs- und Berufsberatung ...................................................................... 77<br />

Die wichtigsten Merkmale der Bildungs- und Berufsberatung ................................ 78<br />

Warum Bildungs- und Berufsberatung so wichtig ist .............................................. 79<br />

Die Herausforderungen ............................................................................................ 79<br />

Politikmaßnahmen .................................................................................................... 82<br />

Bildungs- und Berufsberatung: Schlussbetrachtungen .............................................. 88<br />

Literaturverzeichnis ................................................................................................ 90<br />

Kapitel 4 Leistungsfähige Lehrkräfte und Ausbilder .................................................. 93<br />

Klassifizierung der Lehrkräfte und Ausbilder .......................................................... 94<br />

Lehrkräfte und Ausbilder in Berufsbildungseinrichtungen ...................................... 94<br />

Vorbereitung der Ausbilder in den Betrieben .......................................................... 98<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


6 – INHALTSVERZEICHNIS<br />

Die Beziehungen zwischen den Berufsbildungseinrichtungen und den Betrieben<br />

stärken ...................................................................................................................... 101<br />

Leistungsfähige Lehrkräfte und Ausbilder: Schlussbetrachtungen .......................... 102<br />

Literaturverzeichnis ................................................................................................ 104<br />

Kapitel 5 <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz ................................................................................. 107<br />

Die Vorteile der Ausbildung im Betrieb .................................................................. 109<br />

Qualitätssicherung in der betrieblichen Ausbildung ................................................ 114<br />

Anreize <strong>für</strong> Arbeitgeber und Auszubildende ............................................................ 120<br />

<strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz: Schlussbetrachtungen ....................................................... 129<br />

Literaturverzeichnis ................................................................................................ 132<br />

Kapitel 6 Instrumente zur Unterstützung des Systems ................................................ 137<br />

Mechanismen zur Einbindung der verschiedenen Akteure ...................................... 138<br />

Einsatz von Qualifikationsrahmen zur Unterstützung von Berufsbildungssystemen .. 142<br />

Entwicklung eines einheitlichen Instrumentariums <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beurteilung<br />

praktischer Kompetenzen ......................................................................................... 148<br />

Stärkung der Daten zu Arbeitsmarktergebnissen ..................................................... 151<br />

Verbesserung der Informationsgrundlage ................................................................ 155<br />

Instrumente zur Politikunterstützung: Schlussbetrachtungen ................................... 158<br />

Literaturverzeichnis ................................................................................................ 160<br />

Anhang A Nationale Berufsbildungszentren in den <strong>OECD</strong>-Ländern ......................... 163<br />

Anhang B Kurzbeurteilungen und Politikempfehlungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> geprüften Länder ..... 167<br />

Glossar .............................................................................................................................. 207<br />

Tabellen<br />

2.1 Wer zahlt <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsbildung? ............................................................................. 52<br />

2.2 Wie viel praktische Ausbildung innerhalb einer Berufsausbildung? ....................... 65<br />

2.3 Lernpräferenzen nach Qualifikationsniveau, 2003 ................................................... 68<br />

5.1 Zeitanteil der Praktika, <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler im Rahmen<br />

der Berufsbildung absolvieren ................................................................................. 110<br />

5.2 Qualitätssicherung in Unternehmen, <strong>die</strong> eine praktische Ausbildung anbieten ....... 117<br />

5.3 Betriebliche Ausbildungsverträge ............................................................................ 120<br />

5.4 Wie Staat und Arbeitgeber <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung unterstützen ...................... 123<br />

5.5 Geschätzte öffentliche Ausgaben <strong>für</strong> Berufsausbildung .......................................... 125<br />

6.1 Wichtigste Dimensionen bei der Gestaltung von Qualifikationsrahmen .................. 143<br />

6.2 Arten von Erhebungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sammlung von Informationen zu<br />

Arbeitsmarktergebnissen ermöglichen ..................................................................... 154<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


INHALTSVERZEICHNIS – 7<br />

Abbildungen<br />

1 Relative Arbeitslosigkeit junger Erwachsener ......................................................... 12<br />

2 Anteil der Berufsbildung am Sekundarbereich II (ISCED 3), 2006 .......................... 14<br />

1.1 Relative Arbeitslosigkeit junger Erwachsener ......................................................... 30<br />

1.2 Teilnahmequoten an berufsbezogener Fort- und Weiterbildung .............................. 31<br />

1.3 Anteil der Berufsbildung am Sekundarbereich II (ISCED 3), 2006 .......................... 34<br />

1.4 Berufserwartungen Jugendlicher .............................................................................. 36<br />

2.1 Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeit und Sprachkompetenz .............................. 64<br />

3.1 Bildungs- und Berufsberatungsangebot in Sekundarschulen ................................... 78<br />

5.1 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15-19 Jahren, <strong>die</strong> einer Teilzeit- oder<br />

Vollzeitbeschäftigung nachgehen (einschl. Auszubildende) .................................... 109<br />

Kästen<br />

1 <strong>Lernen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong>: Die <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> ........................................................ 10<br />

1.1 <strong>Lernen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong>: Die <strong>OECD</strong>-Berufsbildungsstu<strong>die</strong> ................................. 26<br />

1.2 Definition der Berufsbildung ................................................................................... 28<br />

1.3 Die <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> Jobs for Youth ............................................................................ 33<br />

1.4 Berufsbildung in den Vereinigten Staaten ................................................................ 35<br />

1.5 Die Berufsausbildung – Kombination aus <strong>Lernen</strong> in der Schule und am Arbeitsplatz 37<br />

1.6 Maßnahmen, um Jugendliche im Schulsystem zu halten und ihnen<br />

eine zweite Chance zu geben ................................................................................... 40<br />

1.7 Internationale <strong>OECD</strong>-Erhebung zu Berufsbildungssystemen .................................. 42<br />

2.1 Hilft Wettbewerb bei der Verbesserung des Berufsbildungsangebots? .................... 57<br />

2.2 Hilfe beim Erwerb von Grundkompetenzen zur Förderung eines<br />

erfolgreichen Ausbildungsabschlusses ..................................................................... 67<br />

2.3 „Math-in-CTE“ – Einbeziehung der Grundkompetenzen in <strong>die</strong> Berufsbildung<br />

in den Vereinigten Staaten ....................................................................................... 69<br />

3.1 Ausbildung von Berufsberatern in England und der Schweiz .................................. 83<br />

3.2 Berufs-, Stu<strong>die</strong>n- und Laufbahnberatung in der Schweiz ......................................... 85<br />

3.3 Bildungs- und Berufsinformationen in verschiedenen Ländern ............................... 85<br />

3.4 Betriebspraktika ....................................................................................................... 87<br />

4.1 Das Programm „DIRECT“ in South Carolina .......................................................... 96<br />

4.2 Das Eidgenössische Hochschulinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung ........................................ 97<br />

4.3 Vorbereitung der Ausbilder in den Betrieben .......................................................... 100<br />

4.4 Lehr- und Arbeitskräfte im Tandem: Zusammenarbeit zwischen<br />

Berufsbildungseinrichtungen und Betrieben in Finnland ......................................... 102<br />

5.1 Betriebliche Ausbildung in Korea ............................................................................ 111<br />

5.2 Qualitätskontrolle der betrieblichen Ausbildung in der Schweiz ............................. 118<br />

5.3 Betriebliche Ausbildungsverträge ............................................................................ 119<br />

5.4 Kosten und Nutzen der Ausbildung von <strong>Lernen</strong> in der Schweiz .............................. 122<br />

5.5 An der Berufsausbildung beteiligte externe Organisationen .................................... 126<br />

6.1 Beispiele <strong>für</strong> institutionelle Rahmen zur Einbindung von Arbeitgebern<br />

und Gewerkschaften ................................................................................................. 138<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


8 – INHALTSVERZEICHNIS<br />

6.2 Einbindung der Arbeitgeber im Vereinigten Königreich ......................................... 140<br />

6.3 Qualifikationsrahmen und Qualifikationssysteme .................................................... 142<br />

6.4 Umgang mit parallelen Qualifikationssystemen ...................................................... 146<br />

6.5 Wie Auszubildende in Saskatchewan (Kanada) beurteilt werden ............................ 149<br />

6.6 Best Practices Clearinghouse in Texas ..................................................................... 152<br />

6.7 Zielgruppenbefragungen .......................................................................................... 153<br />

6.8 Politikbewertung und -evaluierung .......................................................................... 157<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK – 9<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong>: Zusammenfassung<br />

und wichtigste Erkenntnisse <strong>für</strong> <strong>die</strong> Politik<br />

Zentrale Botschaft des Berichts<br />

Die berufliche Bildung wurde vernachlässigt<br />

Die berufliche Bildung kann eine zentrale Rolle im Hinblick auf <strong>die</strong> Vorbereitung<br />

junger Menschen <strong>für</strong> das Arbeitsleben, <strong>die</strong> Weiterentwicklung der<br />

Kompetenzen Erwachsener und <strong>die</strong> Deckung des Arbeitsmarktbedarfs spielen.<br />

Trotz <strong>die</strong>ser wichtigen Rolle wurde <strong>die</strong> berufliche Bildung in der politischen<br />

Debatte vernachlässigt und häufig durch <strong>die</strong> wachsende Bedeutung in den<br />

Schatten gestellt, <strong>die</strong> der Allgemeinbildung und der Funktion der Schulen bei<br />

der Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler <strong>für</strong> <strong>die</strong> Hochschulbildung beigemessen<br />

wird. Zudem genoss <strong>die</strong> berufliche Bildung bei Schülerinnen und<br />

Schülern ebenso wie in der Öffentlichkeit insgesamt oftmals nur geringes Ansehen.<br />

Daher ist <strong>die</strong> vergleichende Politikanalyse in <strong>die</strong>sem Bereich nicht entwickelt,<br />

und es stehen nur in sehr begrenztem Umfang Daten zur Verfügung, wobei es<br />

vor allem an belastbaren Daten <strong>für</strong> Ländervergleiche mangelt.<br />

Starke Berufsbildungsprogramme erhöhen <strong>die</strong><br />

Wettbewerbsfähigkeit, viele <strong>die</strong>ser Programme<br />

werden jedoch den Arbeitsmarktanforderungen<br />

nicht gerecht<br />

Die Länder werden sich zunehmend bewusst, dass eine gute berufliche<br />

Erstausbildung einen großen Beitrag zur wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit<br />

leisten kann. Viele der ungelernten Tätigkeiten, <strong>die</strong> im <strong>OECD</strong>-Raum vor einer<br />

Generation noch weit verbreitet waren, werden immer seltener, sei es weil sie<br />

heute von Maschinen erledigt werden oder weil <strong>die</strong> <strong>OECD</strong>-Länder nicht mit<br />

dem niedrigeren Lohnkostenniveau weniger entwickelter Länder konkurrieren<br />

können. Die <strong>OECD</strong>-Länder müssen stattdessen ihre Wettbewerbsfähigkeit in<br />

Bezug auf <strong>die</strong> Qualität der von ihnen angebotenen Güter und Dienstleistungen<br />

unter Beweis stellen. Dazu bedarf es einer gut ausgebildeten Erwerbsbevölkerung,<br />

in der neben aus der Hochschulbildung resultierenden Spitzenqualifikatio-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


10 – LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK<br />

nen auch ein breites Spektrum handwerklicher, technischer und fachlicher<br />

Kompetenzen mittleren Niveaus vorhanden ist. Diese Kompetenzen werden<br />

häufig im Rahmen beruflicher Bildungsprogramme vermittelt. Die Berufsbildungssysteme<br />

stehen jedoch vor großen Herausforderungen. Berufsbildende<br />

Programme <strong>für</strong> junge Menschen sind häufig in Bildungseinrichtungen verankert<br />

und ten<strong>die</strong>ren dazu, eine Eigendynamik zu entfalten, und sie können auch zu<br />

stark von der sich rasch wandelnden Welt der modernen Wirtschaft abgeschottet<br />

sein. Die Anerkennung <strong>die</strong>ser Herausforderungen und ihrer Bedeutung war der<br />

direkte Auslöser <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausarbeitung der vorliegenden <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> <strong>Lernen</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> (Kasten 1).<br />

Kasten 1 <strong>Lernen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong>: Die <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong><br />

Mit <strong>die</strong>sem Bericht soll <strong>die</strong> Kluft zwischen der Welt der Bildung und der <strong>Arbeitswelt</strong><br />

überbrückt werden, indem untersucht wird, wie gewährleistet werden kann,<br />

dass <strong>die</strong> berufliche Erstausbildung <strong>für</strong> junge Menschen den Arbeitsmarktanforderungen<br />

besser gerecht wird. Dazu wird <strong>die</strong> berufliche Erstausbildung in Schulen, Fachschulen,<br />

Betrieben sowie sonstigen Einrichtungen unter <strong>die</strong> Lupe genommen, woraus<br />

wichtige Erkenntnisse <strong>für</strong> <strong>die</strong> Politik in allen Ländern ebenso wie konkrete Empfehlungen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Politikreform in den geprüften Ländern abgeleitet werden. Ein analyseorientiertes<br />

Arbeitsprogramm stützte sich auf Untersuchungsergebnisse aus allen<br />

<strong>OECD</strong>-Ländern, darunter ein internationaler Fragebogen über Berufsbildungssysteme<br />

sowie <strong>die</strong> Sichtung früherer <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong>n und der wissenschaftlichen Fachliteratur<br />

zu Themen wie Kosten und Nutzen der Berufsbildung, Berufsberatung<br />

und Berufsbildung in der Wirtschaftskrise. Die Ergebnisse der Analysearbeit sowie<br />

der Länderprüfungen flossen in den vorliegenden vergleichenden Bericht ein, dessen<br />

erste Fassung im Oktober 2009 auf der Internetseite der <strong>OECD</strong> veröffentlicht wurde.<br />

Darüber hinaus wurde eine separate <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> zu systematischer Innovation in<br />

der Berufsbildung herausgegeben (<strong>OECD</strong>, 2009a); <strong>die</strong> parallel dazu durchgeführte<br />

Untersuchung mit dem Titel Jobs for Youth wird Ende 2010 erscheinen.<br />

Ein neuer Politikbericht, in dem <strong>die</strong> postsekundäre Berufsbildung untersucht<br />

werden soll (Skills beyond School), wird von der <strong>OECD</strong> Anfang 2011 lanciert werden.<br />

Vgl. www.oecd.org/edu/learningforjobs.<br />

Länderprüfungen wurden im Zeitraum 2007-2010 in folgenden Ländern durchgeführt: Australien,<br />

Belgien (Flandern), Deutschland, Irland, Korea, Mexiko, Norwegen, Österreich, Schweden,<br />

Schweiz, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigtes Königreich (England und Wales),<br />

Vereinigte Staaten (South Carolina und Texas). Darüber hinaus wurden Sonderstu<strong>die</strong>n in<br />

Chile und in der Volksrepublik China durchgeführt. Dänemark, Finnland, Kanada und <strong>die</strong><br />

Niederlande leisteten zudem einen finanziellen Beitrag zu den Arbeiten.<br />

In <strong>die</strong>sem Bericht werden Reformen vorgeschlagen,<br />

um <strong>die</strong> Kluft zwischen Schule<br />

und <strong>Arbeitswelt</strong> zu überbrücken<br />

Dieser Bericht enthält eine Reihe miteinander verknüpfter Vorschläge, um<br />

<strong>die</strong> Kluft zwischen Schule und <strong>Arbeitswelt</strong> zu überbrücken und <strong>die</strong> berufliche<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK – 11<br />

Erstausbildung <strong>für</strong> junge Menschen umfassender auf <strong>die</strong> Erfordernisse der Wirtschaft<br />

abzustimmen. Zusammengefasst bedeutet das, sicherzustellen, dass das<br />

Angebot an berufsbildenden Programmen den sich rasch wandelnden Anforderungen<br />

der Arbeitgeber ebenso gerecht wird wie den Präferenzen der Schülerinnen<br />

und Schüler. Das heißt, dass in der beruflichen Bildung ein Fundament grundlegender<br />

und übertragbarer Kompetenzen vermittelt werden muss, um den Anforderungen<br />

einer Welt Rechnung zu tragen, in der man nicht mehr einen Beruf <strong>für</strong>s Leben<br />

wählt, sondern in der Berufslaufbahnen wechselhaft und Berufe ständig im<br />

Wandel und in der Entwicklung begriffen sind. Es bedeutet, dass das Berufsbild<br />

des Berufs- und Bildungsberaters neu definiert werden muss, damit alle jungen<br />

<strong>Lernen</strong>den auf der Grundlage solider Kenntnisse der Arbeitsmärkte sowie der<br />

Berufs- und Bildungsgänge aktiv beraten werden können. Es bedeutet, dass<br />

Lehrkräfte und Ausbilder in berufsbildenden Einrichtungen über aktuelle Erfahrung<br />

in Wirtschaft und Industrie verfügen müssen. Es bedeutet, dass der Betrieb als<br />

qualitativ hochwertiges Lernumfeld so intensiv wie möglich genutzt werden<br />

muss. Und es bedeutet auch, dass bessere Daten zur Verfügung stehen müssen,<br />

insbesondere um aufzuzeigen, wo <strong>die</strong> berufliche Bildung zu guten Arbeitsplätzen<br />

verhilft – und wo nicht –, und dass es konsistenterer Evaluierungs- und Qualifikationsrahmen<br />

bedarf, um <strong>die</strong> Transparenz des Systems zu erhöhen. Vor allem<br />

aber heißt es, dass eine wirkungsvolle Partnerschaft zwischen Staat, Arbeitgebern<br />

und Gewerkschaften aufgebaut werden muss, um sicherzustellen, dass<br />

<strong>die</strong> Welt der Bildung auf allen Ebenen mit der <strong>Arbeitswelt</strong> verbunden ist.<br />

Die Wirtschaftskrise hat neue Spannungen<br />

hervorgerufen<br />

Während der Ausarbeitung <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> kam es zu einer weltweiten Wirtschaftskrise,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> untersuchten Fragen in einem neuen und z.T. anderen Licht<br />

erscheinen lässt. Junge Kohorten stehen vor dem Problem, dass starkem Druck<br />

ausgesetzte Unternehmen, deren kurzfristiges Überleben auf dem Spiel steht,<br />

u.U. weniger bereit sind, betriebliche Ausbildungsplätze anzubieten. Ein geringeres<br />

Stellenangebot bedeutet, dass Lernwillige es vorziehen, in einer Vollzeitausbildung<br />

zu bleiben bzw. eine solche aufzunehmen. Zugleich wird es angesichts<br />

des durch <strong>die</strong> Krise verschärften Drucks auf <strong>die</strong> öffentlichen Finanzen<br />

schwieriger, der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden. Zudem müssen<br />

Berufsbildungssysteme Kompetenzen vermitteln, <strong>die</strong> in Zukunft gebraucht werden,<br />

und nicht solche, <strong>die</strong> in der Vergangenheit notwendig waren – was in<br />

Anbetracht des schwierigen und raschen wirtschaftlichen Strukturwandels eine<br />

besonders große Herausforderung darstellt. Dabei dürften sich jedoch auch<br />

Chancen ergeben, z.B. <strong>für</strong> eine neue Nutzung der praktischen Kompetenzen von<br />

Personen, <strong>die</strong> aus der Wirtschaft ausscheiden und stattdessen als Lehrer oder<br />

Ausbilder tätig werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


12 – LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK<br />

Warum und wie sollte der Staat <strong>die</strong> berufliche Erstausbildung<br />

fördern?<br />

Öffentliche Investitionen in <strong>die</strong> berufliche<br />

Erstausbildung können sich in wirtschaftlicher<br />

Hinsicht auszahlen<br />

Während der Staat <strong>die</strong> Grundausbildung gewährleistet, wird ein großer<br />

Teil der berufsbezogenen Ausbildung von den Arbeitgebern angeboten. Vieles<br />

spricht jedoch da<strong>für</strong>, dass der Staat <strong>die</strong>ses Angebot durch öffentlich geförderte<br />

berufsbildende Programme <strong>für</strong> junge Menschen ergänzen sollte. Auf Grund einer<br />

Reihe von Hindernissen ist es möglich, dass <strong>die</strong> Arbeitgeber ihre Mitarbeiter ohne<br />

Unterstützung von außen nicht ausreichend schulen, vor allem nicht, was übertragbare<br />

Kompetenzen anbelangt. Die berufliche Erstausbildung soll <strong>die</strong>se Lücke<br />

durch <strong>die</strong> Vermittlung der erforderlichen Kompetenzen schließen, und Forschungsergebnisse<br />

haben gezeigt, dass <strong>die</strong> dazu eingesetzten öffentlichen Investitionen<br />

hohe wirtschaftliche Erträge bringen können. Länder mit starken beruflichen<br />

Erstausbildungssystemen, wie z.B. Deutschland, waren bei der Bekämpfung der<br />

Jugendarbeitslosigkeit vergleichsweise erfolgreich (Abb. 1).<br />

4.5<br />

4<br />

3.5<br />

3<br />

2.5<br />

2<br />

1.5<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

Abbildung 1 Relative Arbeitslosigkeit junger Erwachsener<br />

Verhältnis zwischen der Arbeitslosenquote der 20- bis 24-Jährigen und<br />

der Erwachsenen (im Alter von 25-64 Jahren), 2009<br />

Deutschland<br />

Kanada<br />

Niederlande<br />

Japan<br />

Ver. Staaten<br />

Australien<br />

Dänemark<br />

Portugal<br />

Spanien<br />

Österreich<br />

Türkei<br />

Irland<br />

Slowak. Rep.<br />

Mexiko<br />

Schweiz<br />

Tschech. Rep.<br />

Island<br />

Finnland<br />

Ver. Königreich<br />

Frankreich<br />

Neuseeland<br />

Korea<br />

Ungarn<br />

Polen<br />

Griechenland<br />

Belgien<br />

Schweden<br />

Norwegen<br />

Italien<br />

Luxemburg<br />

Quelle: <strong>OECD</strong> (2010a), <strong>OECD</strong> Stat Extracts Website, http://stats.oecd.org/Index.aspx.<br />

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LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK – 13<br />

In einigen Ländern treten Jugendliche bereits<br />

früh in berufsbildende Programme ein, während<br />

<strong>die</strong>s in anderen Ländern erst im postsekundären<br />

Bereich geschieht<br />

Wenn <strong>die</strong> berufliche Bildung Teil des Ausbildungssystems <strong>für</strong> junge Menschen<br />

sein soll, fragt sich, in welchem Stadium damit begonnen werden sollte.<br />

In Österreich entscheiden zukünftige Auszubildende bereits im Alter von<br />

14 Jahren, während eines Ausbildungsvorbereitungsjahrs, über ihren Berufswunsch,<br />

und in vielen Ländern nehmen 14- bis 16-Jährige berufsbildende<br />

Programme auf, nachdem sie schon ihr Berufsziel gewählt haben. Be<strong>für</strong>worter<br />

solcher Systeme verteidigen <strong>die</strong>s damit, dass Jugendliche, <strong>die</strong> sich weniger <strong>für</strong><br />

eine weiterführende Bildung berufen fühlen, so an praktische Tätigkeiten herangeführt<br />

und bei ihrem Eintritt ins Erwerbsleben unterstützt werden können.<br />

Gegner solcher Systeme weisen darauf hin, dass es Heranwachsenden schwer<br />

fällt, eine wohlüberlegte Berufswahl zu treffen, und dass <strong>die</strong> praktische Ausbildung<br />

in <strong>die</strong>sem Stadium auf Kosten in der Schule vermittelter allgemeinerer<br />

Kompetenzen gehen kann, <strong>die</strong> den Prozess lebenslangen <strong>Lernen</strong>s erleichtern. In<br />

Abbildung 2 sind <strong>die</strong>se unterschiedlichen Herangehensweisen dargestellt, wobei<br />

deutlich wird, dass der Anteil einer Alterskohorte, der in Sekundarbereich II an<br />

berufsbildenden Programmen teilnimmt, im Ländervergleich stark schwankt.<br />

Am entgegengesetzten Ende zu Österreich stehen <strong>die</strong> Vereinigten Staaten, wo<br />

zwar viele Schülerinnen und Schüler des Sekundarbereichs II an berufsbezogenen<br />

Programmen teilnehmen, es sich dabei aber sehr häufig um wenig umfangreiche,<br />

auf <strong>die</strong> Information über berufliche Möglichkeiten ausgerichtete Programme<br />

handelt, während <strong>die</strong> berufliche Spezialisierung, wenn überhaupt, in<br />

der Regel erst im postsekundären Bereich erfolgt.<br />

Zusätzlich zu direkt am Arbeitsplatz einsetzbaren<br />

Kompetenzen müssen Berufsbildungsteilnehmer<br />

auch allgemeinere Kompetenzen erwerben, um<br />

eine Grundlage <strong>für</strong> ihre weitere berufliche<br />

Entwicklung zu schaffen<br />

Im 21. Jahrhundert sind bei Eintritt ins Erwerbsleben zwar sofort am Arbeitsplatz<br />

einsetzbare Kompetenzen erforderlich, darüber hinaus aber auch eine<br />

ganze Reihe anderer beruflicher Kompetenzen und kognitiver Fähigkeiten, <strong>die</strong><br />

es dem Einzelnen ermöglichen, mit einem sich verändernden Arbeits- und<br />

Berufsumfeld zurechtzukommen und seine Lernkapazität zu erhalten. Fast alle<br />

Länder berichten von einem erheblichen Career flux, d.h. einer ständigen Veränderung<br />

und Weiterentwicklung der Berufslaufbahnen und Berufe, was bedeutet,<br />

dass Personen, <strong>die</strong> <strong>für</strong> einen bestimmten Beruf ausgebildet wurden, später<br />

häufig in anderen Berufen tätig sind. Bildungsprogramme, <strong>die</strong> eine frühzeitige<br />

Spezialisierung beinhalten, müssen daher durch eine stärkere Ausrichtung auf<br />

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14 – LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK<br />

Abbildung 2 Anteil der Berufsbildung am Sekundarbereich II (ISCED 3), 2006<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

Prozentsatz der Schüler in kombinierten schulischen und betrieblichen Ausbildungen<br />

Prozentsatz der Schüler in schulischen Berufsbildungsprogrammen<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Quelle: <strong>OECD</strong> (2008), Bildung auf einen Blick 2008: <strong>OECD</strong>-Indikatoren, Tabelle C1.1, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

Anmerkung: In <strong>die</strong>sen Zahlen nicht enthalten sind <strong>die</strong> zahlreichen Programme, <strong>die</strong> zwar berufsbezogene<br />

oder technische Optionen und Module umfassen, <strong>die</strong>s aber nicht in ausreichendem Maße, um von dem<br />

betreffenden Land als berufsbildende Programme eingestuft zu werden. Die Zahlen <strong>für</strong> Neuseeland und<br />

<strong>die</strong> Vereinigten Staaten bleiben unberücksichtigt, letztere in Anbetracht der Tatsache, dass das Berufsbildungskonzept<br />

der High Schools in den Vereinigten Staaten anders ist (vgl. Kasten 1.4).<br />

Anmerkung: In Ungarn wurde der Anteil der Schülerinnen und Schüler in berufsbildenden Schulen vom<br />

Bildungsministerium auf 23% geschätzt (2007/2008).<br />

allgemeine schulische Fertigkeiten sowie soziale Kompetenzen ausgeglichen<br />

werden, um <strong>die</strong> Grundlagen <strong>für</strong> lebenslanges <strong>Lernen</strong>, <strong>für</strong> eine effektive Teilhabe<br />

an Staat und Gesellschaft sowie <strong>für</strong> einen erfolgreichen Berufsweg zu schaffen.<br />

<strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz kann hier eine wichtige Rolle spielen, da viele soziale<br />

Kompetenzen besonders gut im betrieblichen Umfeld vermittelt werden können,<br />

und so ist <strong>die</strong> Kombination von <strong>Lernen</strong> in der Schule und am Arbeitsplatz eine<br />

leistungsfähige und wirksame Methode, um Jugendliche auf <strong>die</strong> Erwerbstätigkeit<br />

vorzubereiten. Von besonderem Wert erweisen sich solche Ansätze, darunter<br />

auch das duale System, bei stark reguliertem Arbeitsmarkt, und sie scheinen<br />

sehr wirksam zu sein, wenn es darum geht, einen reibungslosen Übergang in ein<br />

erstes Beschäftigungsverhältnis sicherzustellen, wie in der <strong>OECD</strong>-Publikation<br />

Jobs for Youths unterstrichen wird.<br />

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LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK – 15<br />

Berufsbildende Programme des Sekundarbereichs<br />

II müssen <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler<br />

häufig ebenso <strong>für</strong> eine weiterführende Bildung<br />

wie <strong>für</strong> den Arbeitsplatz vorbereiten<br />

Viele berufsbildende Programme sind traditionell als Sprungbretter in einen<br />

bestimmten Beruf gedacht. Durch <strong>die</strong> Zunahme der Bildungsmöglichkeiten wird<br />

<strong>die</strong>s jedoch in Frage gestellt. Immer mehr junge Menschen, auch solche, <strong>die</strong> an<br />

berufsbildenden Programmen teilnehmen, beabsichtigen heute, anschließend ein<br />

tertiäres oder sonstiges postsekundäres Bildungsprogramm zu absolvieren. So<br />

besuchen z.B. ein Viertel der holländischen und drei Viertel der koreanischen<br />

Absolventen beruflicher Bildungsgänge des Sekundarbereichs II anschließend<br />

ein tertiäres Berufsbildungsprogramm. Um <strong>die</strong>sen neuen Gegebenheiten Rechnung<br />

zu tragen, müssen berufsbildende Programme des Sekundarbereichs II <strong>die</strong><br />

Schülerinnen und Schüler nicht nur <strong>für</strong> den Arbeitsmarkt, sondern auch <strong>für</strong> den<br />

Eintritt in <strong>die</strong> Tertiärbildung vorbereiten. Dies bedeutet, dass zusätzlich zur<br />

Vermittlung praktischer Fertigkeiten auch sichergestellt werden muss, dass <strong>die</strong><br />

Allgemeinbildung genügend Aufmerksamkeit erhält.<br />

Rechen-, Schreib- und Lesekompetenzen müssen<br />

systematisch überprüft werden, damit Personen,<br />

<strong>die</strong> besondere Unterstützung benötigen, <strong>die</strong>se<br />

auch erhalten<br />

Unter den allgemeinen schulischen Fertigkeiten sind Rechen-, Schreibund<br />

Lesekompetenzen von zunehmender Bedeutung auf dem Arbeitsmarkt, und<br />

Berufsbildungsteilnehmer weisen in <strong>die</strong>sen Bereichen häufig Schwächen auf.<br />

Solche (oft unerkannt bleibende) Probleme können das Risiko des Abbruchs der<br />

Ausbildung erhöhen und <strong>die</strong> weiteren beruflichen Aussichten ebenso wie <strong>die</strong><br />

Möglichkeiten <strong>für</strong> lebenslanges <strong>Lernen</strong> verringern. Daher müssen <strong>die</strong>se Kompetenzen<br />

in berufsbildenden Programmen ausreichendes Gewicht erhalten, und <strong>die</strong><br />

Teilnehmer sollten zu Beginn der Programme in den fraglichen Bereichen geprüft<br />

werden, um ein Grundniveau an Kompetenzen zu sichern und <strong>die</strong>jenigen<br />

zu identifizieren, <strong>die</strong> gezielte Unterstützung benötigen.<br />

Dem Arbeitsmarktbedarf gerecht werden<br />

Das Angebot an berufsbildenden Programmen<br />

muss einen Ausgleich zwischen den Präferenzen<br />

der Schülerinnen und Schüler und dem Bedarf<br />

der Arbeitgeber schaffen<br />

In allen Berufsbildungssystemen sind Mechanismen erforderlich, um<br />

sicherzustellen, dass sich <strong>die</strong> Zahl der Auszubildenden in den verschiedenen<br />

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16 – LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK<br />

Berufen mit dem Arbeitsmarktbedarf deckt, damit z.B. <strong>die</strong> Zahl der Klempnerlehrlinge<br />

auch der Nachfrage nach Klempnern entspricht. Den Neigungen der<br />

Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden, ist zwar wichtig, reicht jedoch<br />

üblicherweise nicht aus. Und während der Bedarf der Arbeitgeber von großer<br />

Bedeutung ist, ist es nicht immer einfach festzustellen, wie sich <strong>die</strong>ser Bedarf<br />

darstellt oder wie er sich in der Folge entwickeln wird. Öffentlich finanzierte<br />

Programme müssen den Interessen der Gesellschaft insgesamt <strong>die</strong>nen, indem sie<br />

einen Ausgleich zwischen den Präferenzen der Schüler und dem Bedarf der<br />

Arbeitgeber schaffen. Im Idealfall sollten berufsbildende Programme eine Komponente<br />

des <strong>Lernen</strong>s am Arbeitsplatz umfassen, da <strong>die</strong> Bereitschaft der Arbeitgeber,<br />

solche Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen – von den unmittelbaren<br />

Lerneffekten einmal abgesehen –, auch ein Zeichen da<strong>für</strong> ist, dass <strong>die</strong> in dem<br />

betreffenden Programm vermittelten Kompetenzen tatsächlich auf dem<br />

Arbeitsmarkt nachgefragt werden.<br />

Was hier das richtige Gleichgewicht ist, hängt<br />

aber auch davon ab, welcher Anteil der<br />

Finanzierung jeweils vom Staat, von den<br />

Auszubildenden und von den Arbeitgebern<br />

bereitgestellt wird<br />

Das Angebotsspektrum sollte auch den (sachlich fun<strong>die</strong>rten) beruflichen<br />

Präferenzen der Schülerinnen und Schüler Rechnung tragen, vor allem wenn<br />

<strong>die</strong>se <strong>die</strong> Gesamtheit oder den Großteil der Kosten tragen. Umgekehrt erheben<br />

<strong>die</strong> Arbeitgeber, wo sie <strong>die</strong> Ausbildung finanzieren, naturgemäß Anspruch darauf,<br />

über <strong>die</strong> Lehrinhalte zu entscheiden. Zwischen <strong>die</strong>sen beiden Extremsituationen<br />

gibt es eine Vielzahl von Modellen der Mischfinanzierung durch Staat,<br />

Auszubildenden und Arbeitgeber.<br />

Bildungs- und Berufsberatung<br />

Je vielgestaltiger sich <strong>die</strong> Berufslaufbahnen<br />

entwickeln, umso wichtiger und zugleich<br />

schwieriger wird <strong>die</strong> Berufsberatung<br />

Komplexer werdende berufliche Laufbahnen, <strong>die</strong> mehr Berufs- ebenso wie<br />

Bildungsmöglichkeiten beinhalten, bieten vielen Menschen neue Chancen. Für<br />

junge Menschen wird manches dadurch aber auch schwerer, da sie sich im Verlauf<br />

ihres Lebens mit einer Aufeinanderfolge komplexer bildungs- und berufsbezogener<br />

Entscheidungen konfrontiert sehen werden. Jungen Menschen<br />

bei <strong>die</strong>sen Entscheidungen zu helfen, ist Aufgabe der Bildungs- und Berufsberatung.<br />

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LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK – 17<br />

Die Berufsberatung weist jedoch in vielen<br />

<strong>OECD</strong>-Ländern gravierende Schwachstellen auf<br />

In vielen Ländern steht <strong>die</strong> Bildungs- und Berufsberatung allerdings vor<br />

einer Reihe von Herausforderungen. Allzu häufig ist das zuständige Personal<br />

nicht ausreichend mit Arbeitsmarktfragen vertraut, wobei hinzukommt, dass der<br />

Berufsberatung neben der psychologischen Beratung oft nur eine untergeordnete<br />

Rolle zugewiesen wird. Berufsberatungs<strong>die</strong>nste können auch fragmentiert sein,<br />

nicht über ausreichende Ressourcen verfügen und nur reaktiv handeln, was bedeutet,<br />

dass gerade <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> Beratung am dringendsten benötigen, sie u.U.<br />

nicht erhalten. Zudem mangelt es der Beratung mitunter an Objektivität, weil<br />

<strong>die</strong> Beratungskräfte in Bildungseinrichtungen angesiedelt sind, in denen das<br />

Augenmerk stärker auf akademische Bildungsgänge gerichtet wird. Einschlägige<br />

Arbeitsmarktinformationen sind nicht verfügbar bzw. nicht ohne weiteres verständlich.<br />

Außerdem ist <strong>die</strong> Evidenzbasis in Bezug darauf, was im Bereich der<br />

Berufsberatung erfolgversprechend ist und was nicht, unzureichend.<br />

Berufsberatung muss kohärent, ausreichend finanziert,<br />

proaktiv, objektiv und evidenzbasiert sein<br />

Wo solche Schwachstellen bestehen, sind erhebliche Reformen erforderlich.<br />

Es bedarf eines kohärenten Berufsbilds des Berufsberaters, das eine gute<br />

Kenntnis der Arbeitsmärkte und eine Trennung des Aufgabenbereichs von dem<br />

der psychologischen Beratung voraussetzt. Für <strong>die</strong> Berufsberatung müssen ausreichende<br />

Ressourcen bereitstehen, und an wichtigen Entscheidungspunkten <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> berufliche Laufbahn sollte nach Möglichkeit eine proaktive Einzelberatung<br />

gewährleistet sein. Berufsberatungskräfte sollten unabhängig sein, anstatt Lehreinrichtungen<br />

anzugehören, damit ihre Objektivität nicht in Frage gestellt ist, und<br />

sie müssen auf ein breites Spektrum an Informationen und Internetressourcen<br />

zurückgreifen können. Starke Beziehungen zwischen den Schulen und den in<br />

der Gegend ansässigen Arbeitgebern sind ein sehr wichtiges Instrument, um<br />

junge Menschen in <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> einzuführen. Zusätzlich bedarf es einer<br />

solideren Grundlage an Evaluierungsdaten.<br />

Leistungsfähige Lehrkräfte und Ausbilder<br />

In der Berufsbildung tätige Lehrkräfte und<br />

Ausbilder müssen mit der modernen <strong>Arbeitswelt</strong><br />

vertraut sein<br />

Wie in der Allgemeinbildung sind auch in der Berufsbildung gute Lehrkräfte<br />

eine entscheidende Voraussetzung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Qualität der Bildungsprogramme.<br />

Bedingt durch <strong>die</strong> Alterung der Erwerbsbevölkerung sehen sich viele Länder<br />

mit einem Mangel an Lehrkräften und Ausbildern in berufsbildenden Einrich-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


18 – LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK<br />

tungen konfrontiert. Einigen Lehrkräften und Ausbildern fehlt es zudem an aktueller<br />

betrieblicher Arbeitsplatzerfahrung. Es sollten flexiblere Stellenbesetzungsmöglichkeiten<br />

gefördert werden, damit es <strong>für</strong> Fachkräfte mit Praxiserfahrung aus<br />

Industrie und Wirtschaft leichter wird, als Ausbilder bzw. Lehrkräfte in berufsbildenden<br />

Einrichtungen tätig zu werden. Außerdem sollten Teilzeitbeschäftigungen<br />

unterstützt werden, damit in berufsbildenden Einrichtungen als Ausbilder<br />

tätige Kräfte nebenher in Wirtschaft und Industrie arbeiten können, um ihr betriebliches<br />

Know-how auf dem neuesten Stand zu halten.<br />

Die in den Betrieben <strong>für</strong> Praktikanten und<br />

Auszubildende zuständigen Mitarbeiter müssen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong>se Aufgabe geschult werden<br />

In den Unternehmen stellt sich ein anderes Problem. Die Mitarbeiter, <strong>die</strong><br />

in den Betrieben mit der Ausbildung und Beaufsichtigung der Auszubildenden<br />

und Praktikanten betraut sind, verfügen häufig nicht über eine spezifische pädagogische<br />

Schulung oder sonstige Vorbereitung, obwohl Forschungsergebnisse<br />

gezeigt haben, dass sich eine solche Vorbereitung positiv auf <strong>die</strong> Ausbildungsergebnisse<br />

auswirkt. Daher sollte <strong>für</strong> eine ausreichende pädagogische und sonstige<br />

Schulung der in den Betrieben <strong>für</strong> Praktikanten und Auszubildende zuständigen<br />

Mitarbeiter gesorgt werden, wobei der Grad <strong>die</strong>ser Vorbereitung auf <strong>die</strong> Art der<br />

in den Betrieben angebotenen Lernerfahrung abgestimmt werden sollte.<br />

<strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz<br />

Alle berufsbildenden Systeme müssen maximalen<br />

Nutzen aus der Möglichkeit des <strong>Lernen</strong>s am<br />

Arbeitsplatz ziehen<br />

Die meisten berufsbildenden Programme enthalten Elemente des <strong>Lernen</strong>s<br />

am Arbeitsplatz, auch wenn <strong>die</strong>se Komponente manchmal nur gering ausgebaut<br />

ist; mitunter wird sie auch überhaupt nicht angeboten. Betriebe sind ein sehr<br />

gutes Lernumfeld, da dort konkrete Fertigkeiten im Umgang mit modernen<br />

Maschinen und Geräten erworben und durch realitätsnahe Erfahrungen in<br />

Bereichen wie Teamarbeit, Kommunikation und Verhandlung auch wichtige<br />

soziale Kompetenzen entwickelt werden können; <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz<br />

erleichtert zudem den Einstellungsprozess, da Arbeitgeber und potenzielle<br />

Arbeitnehmer <strong>die</strong> Möglichkeit erhalten, sich kennenzulernen, während <strong>die</strong> Auszubildenden<br />

zugleich zur Produktion des Unternehmens beitragen. Im Angebot<br />

an Möglichkeiten des <strong>Lernen</strong>s am Arbeitsplatz drückt sich auch direkt der<br />

Bedarf der Arbeitgeber aus, <strong>die</strong> besonderes Interesse daran haben, Ausbildungsmöglichkeiten<br />

in Bereichen anzubieten, in denen Fachkräftemangel besteht. Die<br />

Lehre, ein weitverbreitetes Modell des <strong>Lernen</strong>s am Arbeitsplatz, kann eine außerordentlich<br />

wirkungsvolle Form der beruflichen Bildung sein. Diese verschiede-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK – 19<br />

nen Argumente sind zusammengenommen so überzeugend, dass eigentlich alle<br />

Berufsbildungssysteme bemüht sein sollten, starken Gebrauch von der Möglichkeit<br />

des <strong>Lernen</strong>s am Arbeitsplatz zu machen.<br />

Die Qualitätskontrolle ist beim <strong>Lernen</strong> am<br />

Arbeitsplatz von entscheidender Bedeutung<br />

Wie vorteilhaft sich das <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz auswirkt, hängt von seiner<br />

Qualität ab. Fehlt es an einer Qualitätskontrolle, kann es sein, dass <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

zum <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz <strong>für</strong> junge Menschen von den Arbeitgebern als<br />

Möglichkeit zur Beschäftigung billiger Arbeitskräfte missbraucht wird oder dass<br />

nur sehr begrenzte und unternehmensbezogene Kompetenzen vermittelt werden.<br />

Die Qualitätskontrolle kann sich auf vertragliche Vereinbarungen stützen, in<br />

denen <strong>die</strong> Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Auszubildenden dargelegt<br />

sind, und Inspektionen, Selbstevaluierungen und Prüfungen der während der<br />

Ausbildung erworbenen Fähigkeiten umfassen.<br />

Durch eine Reihe von Anreizen kann das<br />

Engagement der Auszubildenden und der<br />

Unternehmen <strong>für</strong> das <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz<br />

gefördert werden<br />

<strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz setzt auch ein ausreichendes Maß an Unterstützung<br />

und Interesse seitens der Unternehmen und der Auszubildenden voraus. Das heißt,<br />

dass geeignete Anreize <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitgeber zur Einrichtung von Ausbildungsmöglichkeiten<br />

vorhanden sein müssen. Die Länder setzen hier ein breites Spektrum<br />

finanzieller Anreize ein, darunter direkte Zuschüsse, besondere Steuervergünstigungen<br />

und Lastenteilungsvereinbarungen zwischen Gruppen von Unternehmen.<br />

Nach der Finanzkrise und dem anschließenden Konjunkturabschwung wurden<br />

in vielen <strong>OECD</strong>-Ländern z.T. besondere Unterstützungsmaßnahmen notwendig.<br />

Instrumente zur Unterstützung des Berufsbildungssystems<br />

Berufsbildungssysteme müssen wichtige Akteure<br />

einbeziehen und Transparenz durch Information<br />

gewährleisten<br />

Berufsbildungssysteme existieren nicht isoliert; ihre Wirksamkeit hängt<br />

vielmehr von ihren Verknüpfungen zum Arbeitsmarkt ab. Dies bedeutet, dass zwei<br />

Arten unterstützender Elemente gewährleistet sein müssen. Notwendig sind erstens<br />

Instrumente, mit denen wichtige Akteure in <strong>die</strong> Berufsbildung einbezogen werden<br />

können, insbesondere um den Arbeitgebern <strong>die</strong> Möglichkeit zu geben, darzulegen,<br />

über welche Kompetenzen ihre Mitarbeiter verfügen müssen, und mit anderen<br />

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20 – LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK<br />

Akteuren darüber zu verhandeln, wie <strong>die</strong>se Kompetenzen gesichert werden können.<br />

Zweitens sind Informationsinstrumente erforderlich, mit denen der Nutzen berufsbildender<br />

Programme analysiert, identifiziert und anerkannt werden kann.<br />

Bei <strong>die</strong>sen Informationsinstrumenten kann es sich um Qualifikationsrahmen, Beurteilungssysteme<br />

sowie Datenerhebungen und Forschungsarbeiten handeln.<br />

Starke Institutionen sind erforderlich, um Arbeitgeber<br />

und Gewerkschaften ebenso wie <strong>die</strong><br />

Interessen der Auszubildenden in <strong>die</strong> Berufsbildung<br />

einzubeziehen<br />

Die Mitwirkung der Arbeitgeber und der Gewerkschaften ist notwendig,<br />

um sicherzustellen, dass Organisation und Inhalt von berufsbildenden Programmen<br />

den Anforderungen der Arbeitgeber, der Auszubildenden sowie der<br />

Wirtschaft insgesamt gerecht werden. Dazu bedarf es in der Regel einer Reihe<br />

miteinander vernetzter Institutionen auf nationaler, regionaler und Branchenebene,<br />

insbesondere um <strong>die</strong> Zusammenarbeit zwischen dem Berufsbildungssystem<br />

und den Arbeitgebern zu gewährleisten, wobei <strong>die</strong> Zuständigkeiten <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> verschiedenen Elemente des Berufsbildungssystems klar festgelegt sein sollten.<br />

Qualifikationsrahmen können <strong>für</strong> Berufsbildungssysteme<br />

nützlich sein, sie müssen jedoch mit<br />

anderen Maßnahmen verknüpft werden<br />

Viele Länder arbeiten derzeit an der Umsetzung von Qualifikationsrahmen<br />

oder haben <strong>die</strong>s in jüngster Zeit getan. Solche Rahmen können im Prinzip <strong>die</strong><br />

Transparenz von Berufsbildungssystemen erhöhen, so dass der Wert der verschiedenen<br />

Qualifikationen <strong>für</strong> Schülerinnen und Schüler, Arbeitgeber und<br />

sonstige Akteure klarer ersichtlich ist. Starke Qualifikationsrahmen dürften im<br />

Prinzip auch das lebenslange <strong>Lernen</strong> erleichtern und den Zugang zu höherer<br />

Bildung verbessern. Sie müssen aber durch eine starke Methodik <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zuordnung<br />

der Qualifikationen zu verschiedenen Bildungsniveaus untermauert werden,<br />

<strong>die</strong> von wichtigen Akteuren unterstützt und durch ergänzende Maßnahmen<br />

zur Vereinheitlichung des Berufsbildungssystems und Verbesserung der Übergänge<br />

innerhalb des Bildungssystems flankiert wird. Die Umsetzung von Qualifikationsrahmen<br />

sollte daher am besten als Teil eines umfassenderen Konzepts<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Qualität und Kohärenz des Berufsbildungsangebots gesehen werden.<br />

Eine standardisierte Beurteilung von Qualifikationen<br />

der beruflichen Bildung gewährleistet Konsistenz<br />

Die Prüfung grundlegender allgemeiner Kenntnisse in den Schulen und <strong>die</strong><br />

Nutzung der Ergebnisse solcher Prüfungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beurteilung sowohl der<br />

Schülerinnen und Schüler als auch der Qualität des ihnen erteilten Unterrichts<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK – 21<br />

sind heute Gegenstand intensiver Debatten. Die Prüfung berufsbezogener Kompetenzen<br />

erhielt bislang weniger Aufmerksamkeit, obwohl <strong>die</strong> Fragestellungen<br />

ähnlich sind. Standardisierte landesweite Prüfungen berufsbezogener Kompetenzen<br />

können dazu beitragen, <strong>die</strong> Konsistenz des Spektrums und des Niveaus<br />

der vermittelten Kompetenzen zu sichern, und gestatten es, Kompetenzen auf<br />

unterschiedliche Weise zu erwerben, was Innovation und Effizienz bei der Aneignung<br />

von Kompetenzen fördert und eine klare Grundlage <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anerkennung<br />

früherer Lernerträge schafft.<br />

Bessere Daten, insbesondere zu den<br />

Arbeitsmarktergebnissen der beruflichen<br />

Bildung, sind unerlässlich<br />

Informationen stärken <strong>die</strong> Verknüpfungen zwischen Berufsbildung und<br />

Arbeitsmarkt. Sie gestatten es den Schülerinnen und Schülern, ihren Weg durch<br />

<strong>die</strong> Bildungsprogramme in den Arbeitsmarkt zu gehen, geben Arbeitgebern <strong>die</strong><br />

Möglichkeit zu beurteilen, was ihre Einstellungskandidaten in berufsbildenden<br />

Programmen gelernt haben, und versetzen Politikverantwortliche und Ausbildungseinrichtungen<br />

in <strong>die</strong> Lage, zu untersuchen, ob <strong>die</strong> Absolventen von beruflichen<br />

Bildungsprogrammen passende Arbeitsplätze finden. Bessere Informationen<br />

könnten durch einmalige Umfragen gewonnen werden, <strong>die</strong> unter Absolventen<br />

von Berufsbildungsprogrammen durchgeführt werden, um deren Arbeitsmarkterfolg<br />

zu beurteilen, oder durch <strong>die</strong> Beobachtung einzelner Alterskohorten<br />

auf ihrem Weg durch <strong>die</strong> Berufsbildung in den Arbeitsmarkt, um Laufbahnentwicklungen<br />

aufzuzeichnen. Zusätzlich zu solchen Daten müssen auch <strong>die</strong> erforderlichen<br />

institutionellen Kapazitäten vorhanden sein, um <strong>die</strong> Daten analysieren<br />

und nutzen zu können, z.B. in nationalen Zentren zur Berufsbildungsforschung.<br />

Politikempfehlungen<br />

Sicherung des richtigen Qualifikationsmix <strong>für</strong><br />

den Arbeitsmarkt<br />

1. Für über den Sekundarbereich hinausgehende berufsbildende Programme<br />

sollte eine Teilung der Kosten zwischen Staat, Arbeitgebern und Auszubildenden<br />

gewährleistet werden, <strong>die</strong> sich an dem Nutzen orientiert, der<br />

<strong>die</strong>sen verschiedenen Akteuren jeweils aus den Programmen erwächst.<br />

2. Das Angebot an Ausbildungsplätzen sollte sowohl den Schülerpräferenzen<br />

als auch dem Arbeitgeberbedarf gerecht werden. Dies sollte durch Angebote<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausbildung am Arbeitsplatz sowie durch Planungs- und<br />

Anreizmechanismen erreicht werden.<br />

3. Arbeitgeber und Gewerkschaften sollten in <strong>die</strong> Ausarbeitung der Lehrpläne<br />

einbezogen werden, und es sollte sichergestellt werden, dass<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


22 – LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK<br />

<strong>die</strong> vermittelten Kompetenzen den Anforderungen moderner Betriebe entsprechen.<br />

4. Berufsbildungssysteme sollten junge Menschen mit den allgemeinen,<br />

übertragbaren Kompetenzen ausstatten, <strong>die</strong> zur Förderung beruflicher<br />

Mobilität und lebenslangen <strong>Lernen</strong>s notwendig sind, ebenso wie mit den<br />

erforderlichen berufsbezogenen Fertigkeiten, <strong>die</strong> den unmittelbaren Bedarf<br />

der Arbeitgeber decken.<br />

5. Es sollte sichergestellt werden, dass alle Berufsbildungsteilnehmer über<br />

ausreichende Rechen-, Schreib- und Lesekompetenzen verfügen, um <strong>für</strong><br />

lebenslanges <strong>Lernen</strong> gerüstet zu sein und sich beruflich weiterentwickeln<br />

zu können. Schwachstellen in <strong>die</strong>sem Bereich müssen identifiziert und<br />

behoben werden.<br />

Reform der Berufsberatung zur Gewährleistung<br />

wirkungsvoller Beratung <strong>für</strong> alle<br />

1. Ein kohärentes Berufsbild des Berufsberaters sollte entwickelt werden, das<br />

von der psychologischen Beratung unabhängig ist und eine gute Kenntnis<br />

der Arbeitsmärkte voraussetzt.<br />

2. Es sollten ausreichende Ressourcen <strong>für</strong> eine „proaktive“ Bildungs- und<br />

Berufsberatung bereitgestellt werden.<br />

3. Die Unabhängigkeit der Berufsberatungskräfte sollte gewährleistet sein, um<br />

eine objektive Beratung zu fördern.<br />

4. Es sollten gute Informationsquellen über Berufe und Bildungsgänge bereitgestellt<br />

werden.<br />

5. Durch Partnerschaften mit den Arbeitgebern sollte ein umfassender Rahmen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsberatung geschaffen werden.<br />

6. Eine angemessene Evaluierung von Berufsberatungsinitiativen sollte gewährleistet<br />

werden.<br />

Gewährleistung der richtigen Kombination an<br />

betrieblicher Erfahrung und pädagogischen<br />

sowie sonstigen Kompetenzen bei Lehrkräften<br />

und Ausbildern<br />

1. Es sollte sichergestellt werden, dass Berufsbildungseinrichtungen über<br />

genügend Lehrkräfte und Ausbilder verfügen und dass <strong>die</strong>se mit den Anforderungen<br />

moderner Betriebe vertraut sind. Hierzu sollten folgende<br />

Maßnahmen ergriffen werden:<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK – 23<br />

• Förderung von Teilzeitarbeit, damit in Berufsbildungseinrichtungen<br />

beschäftigte Ausbilder nebenher einer betrieblichen Tätigkeit nachgehen<br />

können.<br />

• Flexibilisierung der Stellenbesetzung und Erleichterung der Einstellung<br />

von Personen mit betrieblicher Erfahrung durch wirkungsvolle<br />

Vorbereitung.<br />

2. Die Ausbilder, einschließlich der Vorgesetzen, von Praktikanten und Auszubildenden<br />

sollten eine bedarfsgerechte pädagogische und sonstige Schulung<br />

erhalten, wobei der Grad <strong>die</strong>ser Vorbereitung auf <strong>die</strong> Art der in den<br />

Betrieben angebotenen Lernerfahrung abgestimmt werden sollte.<br />

3. Austauschprogramme sowie Partnerschaften zwischen Bildungseinrichtungen<br />

und Unternehmen sollten gefördert werden, damit Lehrkräfte und<br />

Ausbilder an berufsbildenden Einrichtungen Zeit in Betrieben verbringen<br />

können, um ihre Kenntnisse auf den neuesten Stand zu bringen, und in Betrieben<br />

beschäftigte Ausbilder zeitweise in Berufsbildungseinrichtungen<br />

tätig werden können, um ihre pädagogischen Kompetenzen zu verbessern.<br />

Optimale Nutzung des <strong>Lernen</strong>s am Arbeitsplatz<br />

1. In der beruflichen Erstausbildung sollte <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz großen<br />

Raum einnehmen.<br />

2. Es sollte sichergestellt werden, dass der Rahmen <strong>für</strong> das <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz<br />

<strong>die</strong> Teilnahme sowohl der Arbeitgeber als auch der Schülerinnen<br />

und Schüler fördert.<br />

3. Durch ein wirkungsvolles Qualitätssicherungssystem und klare vertragliche<br />

Vereinbarungen <strong>für</strong> Berufsausbildungen muss da<strong>für</strong> gesorgt werden, dass<br />

das <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz hohen Qualitätsanforderungen gerecht wird.<br />

4. In Bereichen, in denen ein anderes Lernumfeld wirkungsvoller ist, sollte<br />

das <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz durch andere Formen des <strong>Lernen</strong>s ergänzt<br />

werden (z.B. durch Ausbildungswerkstätten in Schulen); <strong>die</strong>s gilt besonders<br />

dann, wenn <strong>die</strong> Möglichkeit des <strong>Lernen</strong>s am Arbeitsplatz nicht gegeben<br />

ist.<br />

5. Im derzeitigen Kontext müssen wirkungsvolle Antworten auf den Wirtschaftsabschwung<br />

entwickelt werden, um das <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz zu<br />

fördern und der gestiegenen Nachfrage nach Vollzeitberufsausbildungen<br />

nachzukommen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


24 – LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT: ZUSAMMENFASSUNG UND WICHTIGSTE ERKENNTNISSE FÜR DIE POLITIK<br />

Unterstützung des Berufsbildungssystems durch<br />

Instrumente zur Förderung der Mitwirkung<br />

wichtiger Akteure und transparenzsteigernde<br />

Informationen<br />

1. Arbeitgeber und Gewerkschaften sollten in den Prozess der Gestaltung der<br />

Berufsbildungspolitik und des Berufsbildungsangebots einbezogen werden,<br />

und es sollten entsprechende Mechanismen entwickelt werden, um <strong>die</strong>s zu<br />

fördern.<br />

2. Bei der Entwicklung und Umsetzung von Qualifikationsrahmen sollten<br />

Arbeitgeber, Gewerkschaften und sonstige wichtige Akteure systematisch<br />

einbezogen werden. Zur Unterstützung der Qualifikationsrahmen sollte <strong>die</strong><br />

Qualitätssicherung im gesamten Berufsbildungssystem gestärkt werden.<br />

3. Es sollten standardisierte nationale Evaluierungsrahmen eingeführt werden,<br />

um <strong>die</strong> Qualität und Konsistenz des Berufsbildungsangebots zu sichern.<br />

4. Die Datenbasis über <strong>die</strong> Arbeitsmarktergebnisse beruflicher Bildungsgänge<br />

sollte verbessert und <strong>die</strong> nötigen institutionellen Kapazitäten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Analyse<br />

und Verbreitung <strong>die</strong>ser Daten sollten zur Verfügung gestellt werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG – 25<br />

Kapitel 1<br />

Die Herausforderung der Berufsbildung<br />

Die Länder messen dem lange vernachlässigten Thema der Berufsbildung<br />

inzwischen wesentlich mehr Gewicht bei, da sie deren wirtschaftliche<br />

Rolle sowie <strong>die</strong> Notwendigkeit erkannt haben, den aufkommenden<br />

Spannungen in den Berufsbildungssystemen zu begegnen. Das gestiegene<br />

Interesse an der Berufsbildung führte zur Initiierung der hier vorgestellten<br />

<strong>OECD</strong>-Politikanalyse, <strong>die</strong> Berichte über <strong>die</strong> Berufsbildungssysteme<br />

von 16 Ländern umfasst.<br />

Obwohl viele berufliche Kompetenzen am Arbeitsplatz erworben werden<br />

können, sind <strong>die</strong> Unternehmen häufig nicht bereit, in Ausbildungsmaßnahmen<br />

zu investieren. Aus <strong>die</strong>sen und anderen Gründen ist es in vielen<br />

Fällen sinnvoll, Jugendlichen durch Berufsbildung einen reibungslosen<br />

Übergang ins Erwerbsleben zu ermöglichen. Der vorliegende Bericht<br />

bezieht sich in erster Linie auf <strong>die</strong> berufliche Erstausbildung, d.h. auf<br />

Programme, <strong>die</strong> hauptsächlich <strong>für</strong> Jugendliche vorgesehen sind. Sein<br />

Schwerpunkt liegt auf der Frage, wie Berufsbildungssysteme besser auf<br />

<strong>die</strong> Arbeitsmarkterfordernisse abgestimmt werden können.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


26 – 1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG<br />

Warum der Blick auf <strong>die</strong> Berufsbildung gerichtet werden sollte<br />

Am 22. September 2005 begannen in Kopenhagen (<strong>OECD</strong>, 2005a) zweitägige<br />

Gespräche hochrangiger Beamter der Bildungsministerien der <strong>OECD</strong>-<br />

Länder. Die Tagesordnung hatte insofern weitreichenden Charakter, als <strong>die</strong><br />

Teilnehmer gebeten worden waren, ihre wichtigste Politikpriorität im Bildungssektor<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> nächsten Jahre zu ermitteln. Ihre Antwort auf <strong>die</strong>se Frage war <strong>für</strong><br />

viele überraschend, da sie weder <strong>die</strong> Schulen noch <strong>die</strong> Hochschulen, sondern<br />

den Bereich der Berufsbildung nannten (vgl. Kasten 1.2), ein Thema, dessen<br />

Bedeutung in der Folge im Rahmen eines informellen <strong>OECD</strong>-Ministertreffens<br />

über Berufsbildung unterstrichen wurde, das im Januar 2007 in Kopenhagen<br />

stattfand. Die durch <strong>die</strong>se Zusammenkünfte in Gang gesetzte Dynamik war letztlich<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Erstellung <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> verantwortlich (Kasten 1.1).<br />

Kasten 1.1 <strong>Lernen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong>:<br />

Die <strong>OECD</strong>-Berufsbildungsstu<strong>die</strong><br />

Ziel <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> ist es, durch eine Untersuchung der Frage, wie <strong>die</strong> berufliche<br />

Erstausbildung Jugendlicher besser auf <strong>die</strong> Arbeitsmarkterfordernisse abgestimmt<br />

werden kann, eine Brücke zwischen Berufsbildung und <strong>Arbeitswelt</strong> zu schlagen.<br />

Es wird daher ein Blick auf <strong>die</strong> berufliche Erstausbildung in Schulen und Fachschulen,<br />

im Betrieb und in sonstigen Einrichtungen geworfen, und es werden allen<br />

<strong>OECD</strong>-Ländern anhand von 17 Länderprüfberichten Politikhinweise sowie konkrete<br />

Ratschläge <strong>für</strong> Politikreformen gegeben. Ein analyseorientiertes Arbeitsprogramm<br />

stützte sich auf Untersuchungsergebnisse aus allen <strong>OECD</strong>-Ländern. Hierzu gehörten<br />

<strong>die</strong> Antworten auf einen internationalen Fragebogen über Berufsbildungssysteme,<br />

<strong>die</strong> Sichtung der in früheren <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong>n erörterten Fachliteratur und der wissenschaftlichen<br />

Fachliteratur zu Themen wie Kosten und Nutzen der Berufsbildung,<br />

Bildungs- und Berufsberatung sowie Berufsbildung in der Wirtschaftskrise. Die<br />

Ergebnisse der Analysearbeit sowie der Länderprüfungen flossen in den vorliegenden<br />

vergleichenden Bericht ein. Eine erste Fassung <strong>die</strong>ses Berichts wurde im Oktober<br />

2009 auf der Internetseite der <strong>OECD</strong> verfügbar gemacht. Eine weitere <strong>OECD</strong>-Arbeit<br />

über systemische Innovation in der Berufsbildung wurde von der <strong>OECD</strong> (2009a)<br />

herausgegeben; <strong>die</strong> hiermit verbundene Stu<strong>die</strong> Jobs for Youth wird Ende 2010 veröffentlicht<br />

werden.<br />

Ein neuer Politikbericht mit dem Schwergewicht auf der postsekundären Berufsbildung<br />

(Skills beyond School) wird von der <strong>OECD</strong> Anfang 2011 lanciert.<br />

Vgl. www.oecd.org/learningforjobs.<br />

Länderprüfungen wurden im Zeitraum Ende 2007-2010 in folgenden Ländern<br />

durchgeführt: Australien, Belgien (Flandern), Deutschland, Irland, Korea, Mexiko,<br />

Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigtes<br />

Königreich (England und Wales), Vereinigte Staaten (South Carolina und Texas).<br />

Sonderstu<strong>die</strong>n wurden zudem in Chile und in der Volksrepublik China durchgeführt.<br />

Dänemark, Finnland, Kanada und <strong>die</strong> Niederlande leisteten zudem einen finanziellen<br />

Beitrag zu den Arbeiten.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG – 27<br />

Für das wachsende Interesse der politischen Entscheidungsträger an der<br />

Berufsbildung gibt es vor allem drei Gründe: <strong>die</strong> wirtschaftlichen Gegebenheiten,<br />

Spannungen im System und <strong>die</strong> Vernachlässigung <strong>die</strong>ses Bereichs in der<br />

Vergangenheit.<br />

Wirtschaftliche Gegebenheiten: Die <strong>OECD</strong>-Länder sind einem sich ständig<br />

verschärfenden weltweiten Wettbewerb ausgesetzt. Da sie es im Hinblick auf <strong>die</strong><br />

Lohnkosten nicht mit weniger entwickelten Ländern aufnehmen können, müssen<br />

sie ihre Konkurrenzfähigkeit im Bereich der Qualität der von ihnen angebotenen<br />

Güter und Dienstleistungen unter Beweis stellen. Hierzu bedarf es einer hochqualifizierten<br />

Erwerbsbevölkerung, <strong>die</strong> neben den aus einer Hochschulbildung<br />

resultierenden Spitzenqualifikationen auch ein breites Spektrum handwerklicher,<br />

technischer und fachlicher Kompetenzen mittleren Niveaus umfasst. Das große<br />

Angebot an Arbeitsplätzen <strong>für</strong> ungelernte Kräfte, das <strong>für</strong> <strong>die</strong> vorige Generation<br />

noch vorhanden war, schrumpft zusehends, vor allem in den <strong>OECD</strong>-Ländern, da<br />

<strong>die</strong>se Art von Stellen besonders stark der Konkurrenz aus Niedriglohnländern<br />

ausgesetzt ist. Und obwohl auch <strong>die</strong> Bedeutung der allgemeinen Bildung nicht<br />

unterschätzt werden sollte, ist doch <strong>die</strong> berufliche Bildung häufig das richtige<br />

Instrument, um denjenigen Kompetenzen zu vermitteln, denen es sonst an Qualifikationen<br />

mangeln würde, und um <strong>für</strong> <strong>die</strong>sen Personenkreis einen reibungslosen<br />

Übergang ins Erwerbsleben sicherzustellen. Die Weltwirtschaftskrise 2008-2009<br />

hat <strong>die</strong> Aufmerksamkeit wieder verstärkt auf <strong>die</strong>ses Problem gelenkt, da <strong>die</strong> steigenden<br />

Jugendarbeitslosenquoten den Blick auf das Potenzial der Berufsbildungssysteme<br />

lenkten, Jugendliche wirksam beim Übergang in ein Beschäftigungsverhältnis<br />

zu unterstützen.<br />

In den bestehenden Berufsbildungssystemen treten Spannungen auf. Diese<br />

sind zum einen durch das Fehlen betrieblicher Ausbildungsplätze bedingt, zum<br />

anderen durch einen Mangel an Ausbildern. In einigen Ländern hat <strong>die</strong> rasante<br />

Ausweitung des tertiären Bildungsbereichs negative Auswirkungen auf <strong>die</strong><br />

schulbasierte Berufsbildung. Das Phänomen des Career flux führt dazu, dass das<br />

lineare Verhältnis zwischen der Erstausbildung und der lebenslangen Ausübung<br />

ein und desselben Berufs seltener denn je geworden ist – was <strong>die</strong> Zweckmäßigkeit<br />

einer beruflichen Erstausbildung in <strong>die</strong>ser Form in Frage stellt. In den Vereinigten<br />

Staaten ist an <strong>die</strong> Stelle des Begriffs Vocational Education and Training<br />

(Berufsbildung) <strong>die</strong> Bezeichnung Career and technical Education getreten, woran<br />

deutlich wird, dass das Gewicht mehr auf einem Berufsweg, als allein auf einem<br />

einzigen Beruf liegen soll.<br />

Die Berufsbildung wurde vernachlässigt. Die umfangreichen Reformmaßnahmen,<br />

von denen <strong>die</strong> allgemeinbildenden Schulen und das Hochschulsystem<br />

erfasst wurden, hatten zwar häufig Auswirkungen auf <strong>die</strong> Berufsbildung, <strong>die</strong><br />

dabei aber selten im Mittelpunkt stand. Schwierigen Fragestellungen, z.B. wie<br />

praktische Kompetenzen vermittelt werden sollen oder <strong>die</strong> rasche Zunahme der<br />

Berufsbildungsprogramme im Tertiärbereich, wurde nur begrenzt Aufmerksamkeit<br />

entgegengebracht. Von Analysten wird Berufsbildung zuweilen als uninteressant<br />

oder schwer fassbar betrachtet, was vielleicht daran liegt, dass sie selbst nur selten<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


28 – 1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG<br />

Kasten 1.2 Definition der Berufsbildung<br />

Die Berufsbildung (Vocational Education and Training) umfasst Bildungsund<br />

Ausbildungsprogramme, <strong>die</strong> <strong>für</strong> einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte<br />

Berufskategorie konzipiert sind und in der Regel zur Ausübung des betreffenden<br />

Berufs hinführen. Sie ist im Allgemeinen mit einer praktischen Ausbildung und dem<br />

Erwerb einschlägiger theoretischer Kenntnisse verbunden. Sie unterscheidet sich<br />

von der (schulischen) Allgemeinbildung, z.B. in Mathematik, <strong>die</strong> <strong>für</strong> eine Vielzahl von<br />

Berufen relevant ist. In den Vereinigten Staaten wird <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsbildung üblicherweise<br />

der Begriff Career and technical Education verwendet. Obwohl <strong>die</strong><br />

Definition auch auf <strong>die</strong> Bildung und Ausbildung <strong>für</strong> einige Berufe mit hohem Qualifikationsniveau<br />

wie Arzt- und Rechtsberufe zutrifft, wird der Begriff Berufsbildung<br />

bei <strong>die</strong>sen Berufsfeldern üblicherweise nicht verwendet, und sie bleiben daher im<br />

Rahmen der vorliegenden Stu<strong>die</strong> unberücksichtigt.<br />

Die berufliche Erstausbildung umfasst Programme, <strong>die</strong> in erster Linie <strong>für</strong> junge<br />

Erwachsene (im Rahmen <strong>die</strong>ser Untersuchung <strong>die</strong> unter 30-Jährigen) zu Beginn ihrer<br />

Berufslaufbahn und in der Regel vor der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit vorgesehen<br />

sind und von ihnen in Anspruch genommen werden. Hierzu gehören viele<br />

Programme im Sekundarbereich II und im Tertiärbereich. Die Weiterbildung betrifft<br />

alle übrigen Arten beruflicher Bildung, wie z.B. betriebliche Ausbildung von Arbeitnehmern<br />

und Berufsbildungsmaßnahmen speziell <strong>für</strong> Personen, <strong>die</strong> ihren Arbeitsplatz<br />

verloren haben.<br />

Die Trennlinie zwischen <strong>die</strong>sen Definitionen und Unterscheidungen ist zwangsläufig<br />

etwas unscharf, da <strong>die</strong> Programme den relevanten Kriterien u.U. nur teilweise,<br />

aber nicht vollständig entsprechen (z.B. Programme, <strong>die</strong> <strong>für</strong> einen direkten Eintritt<br />

ins Erwerbsleben konzipiert sind, aber selten dazu führen).<br />

einen derartigen Bildungsweg beschritten haben. Der als niedrig empfundene<br />

Status der Berufsbildung erwies sich daher auch als ein Faktor, der dem Interesse<br />

Grenzen setzte, sich mit <strong>die</strong>sem Bereich zu befassen, und wirkte sich gleichzeitig<br />

auf <strong>die</strong> Art und Weise aus, wie <strong>die</strong>ses Thema im Rahmen von Untersuchungen<br />

betrachtet wurde. Ein Ziel des vorliegenden Berichts ist es, das in der Vergangenheit<br />

Versäumte nachzuholen.<br />

Der Wert von Berufsbildungsprogrammen <strong>für</strong> Jugendliche<br />

Viele Kompetenzen werden von den Beschäftigten informell oder im<br />

Rahmen einer formellen Ausbildung am Arbeitsplatz erworben. Diese Art des<br />

<strong>Lernen</strong>s am Arbeitsplatz hat, wie in Kapitel 5 <strong>die</strong>ses Berichts dargelegt wird,<br />

zahlreiche Vorteile. Viele Qualifikationsanforderungen sind unbeständig und<br />

unterliegen einem raschen technologischen Wandel – und derartigen Erfordernissen<br />

kann natürlich durch <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz Rechnung getragen werden.<br />

Warum sollte dann <strong>die</strong> Berufsbildung nicht dem Arbeitgeber überlassen und <strong>die</strong><br />

Grundbildung ausschließlich dem Erwerb allgemeiner kognitiver Kompetenzen<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG – 29<br />

vorbehalten bleiben? Letztere würden Kompetenzen in Rechnen, Lesen und<br />

Schreiben sowie in allgemeinbildenden Fächern wie Naturwissenschaften, Geschichte<br />

und Geografie umfassen. Warum also bedarf es einer beruflichen Erstausbildung?<br />

Hierauf gibt es mehrere Antworten:<br />

• Erstens bieten <strong>die</strong> Unternehmen dem Argument der klassischen Wirtschaftstheorie<br />

zufolge ihren Beschäftigten zwar eine betriebsspezifische<br />

Ausbildung, doch haben sie insofern keinerlei Anreiz, Ausbildungsmaßnahmen<br />

<strong>für</strong> den Erwerb allgemeiner Kompetenzen anzubieten, als unter<br />

vollkommenen Wettbewerbsbedingungen <strong>die</strong> durch den Erwerb allgemeiner<br />

Kompetenzen bedingten Produktivitätssteigerungen ausschließlich den Beschäftigten<br />

(in Form höherer Löhne) zugute kommen (Becker, 1975). In<br />

der Praxis verhält es sich so, dass auf Grund von Marktunvollkommenheiten<br />

aller Art <strong>die</strong> Unternehmen den Erwerb allgemeiner Kompetenzen zwar<br />

teilweise, meist aber nicht genug unterstützen. Ein weiteres Hindernis sind<br />

u.a. <strong>die</strong> begrenzten Ausbildungsmöglichkeiten kleinerer Unternehmen. Eine<br />

Aufgabe der beruflichen Erstausbildung in Schulen und Ausbildungseinrichtungen<br />

besteht darin, durch <strong>die</strong> Vermittlung erster solider Grundlagen in<br />

Form beruflicher Kompetenzen, einschließlich allgemeiner Qualifikationen,<br />

einen Ausgleich <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Hindernisse zu schaffen.<br />

• Zweitens könnten <strong>die</strong> Unternehmen dort, wo <strong>die</strong> Einstellung junger Kräfte<br />

ohne Berufserfahrung kostenaufwendig ist (z.B. auf Grund strenger Beschäftigungsschutzbestimmungen<br />

oder gesetzlicher bzw. tariflicher Mindestlöhne),<br />

zögern, junge Arbeitskräfte einzustellen, es sei denn, <strong>die</strong>se sind in<br />

der Lage, sich potenziellen Arbeitgebern als „sofort einsatzfähig“ zu präsentieren.<br />

Eine berufliche Erstausbildung kann eine entscheidende Rolle<br />

dabei spielen, <strong>die</strong>sem Personenkreis im Hinblick auf <strong>die</strong> Erfüllung <strong>die</strong>ses<br />

Kriteriums zu helfen. In Abbildung 1.1 werden <strong>die</strong> Arbeitslosenquoten<br />

Jugendlicher mit definitionsgemäß begrenzter Arbeitsmarkterfahrung<br />

denen der erwachsenen Erwerbsbevölkerung insgesamt gegenübergestellt.<br />

Daraus ergibt sich eine Messgröße <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitsmarktprobleme Jugendlicher.<br />

In allen Ländern ist <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeit <strong>für</strong><br />

Jugendliche höher, doch ist ihr relativer Nachteil von Land zu Land unterschiedlich.<br />

In Deutschland, den Niederlanden und Kanada ist <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit<br />

der Arbeitslosigkeit bei 20- bis 24-Jährigen gegenüber<br />

älteren Kräften nur geringfügig höher, was vermuten lässt, dass Jugendliche<br />

in <strong>die</strong>sen Ländern weniger Probleme haben, eine erste Arbeitsstelle zu<br />

finden, als in vielen anderen Ländern.<br />

• Drittens gibt es tragfähige Belege da<strong>für</strong>, dass gut ausgebildete Personen im<br />

weiteren Lebensverlauf mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit Fortbildungsmaßnahmen<br />

in Anspruch nehmen, ihre Kompetenzen aktualisieren<br />

und neue Fertigkeiten erwerben (vgl. Abb. 1.2, aus der hervorgeht, dass in<br />

den <strong>OECD</strong>-Ländern <strong>die</strong>jenigen mit dem niedrigsten Bildungsniveau – unterhalb<br />

der Sekundarstufe II – wesentlich weniger als <strong>die</strong> durchschnittliche<br />

berufsbezogene Fort- und Weiterbildung erhalten). Ebenso dürften Personen<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


30 – 1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG<br />

4.5<br />

4<br />

3.5<br />

3<br />

2.5<br />

2<br />

1.5<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

Abbildung 1.1 Relative Arbeitslosigkeit junger Erwachsener<br />

Verhältnis zwischen der Arbeitslosenquote der 20- bis 24-Jährigen und<br />

der Erwachsenen (im Alter von 25-64 Jahren), 2009<br />

Deutschland<br />

Kanada<br />

Niederlande<br />

Japan<br />

Ver. Staaten<br />

Australien<br />

Dänemark<br />

Portugal<br />

Spanien<br />

Österreich<br />

Türkei<br />

Irland<br />

Slowak. Rep.<br />

Mexiko<br />

Schweiz<br />

Tschech. Rep.<br />

Island<br />

Finnland<br />

Ver. Königreich<br />

Frankreich<br />

Neuseeland<br />

Korea<br />

Ungarn<br />

Polen<br />

Griechenland<br />

Belgien<br />

Schweden<br />

Norwegen<br />

Italien<br />

Luxemburg<br />

Quelle: <strong>OECD</strong> (2010a), <strong>OECD</strong> Stat Extracts Website, http://stats.oecd.org/Index.aspx.<br />

mit niedrigerem Bildungsniveau – <strong>die</strong> zudem am meisten von zusätzlichen<br />

Kompetenzen profitieren würden – nicht so leicht in der Lage sein, <strong>die</strong>se<br />

zu erwerben, wenn sie erst einmal erwerbstätig sind. Die Betreffenden<br />

könnten wirksamer berufsbezogene Kompetenzen erwerben, solange sie<br />

sich noch auf Vollzeitbasis im Bildungssystem befinden und noch nicht<br />

ins Erwerbsleben eingetreten sind. Die Aufgabe der beruflichen Erstausbildung<br />

bestünde darin, <strong>die</strong>se Kompetenzen zu vermitteln.<br />

• Viertens wurde von einigen Kommentatoren das Argument angeführt, dass<br />

<strong>die</strong> Länder, wenn keine systemischen Maßnahmen zur Anhebung des Qualifikationsniveaus<br />

durchgeführt werden, in ein sogenanntes „Niedrigqualifikationsgleichgewicht“<br />

abgleiten könnten, bei dem <strong>für</strong> keinen Akteur genügend<br />

Anreize bestehen, in Qualifikationsverbesserungen zu investieren<br />

(Finegold und Soskice, 1988). Umgekehrt könnte <strong>die</strong> Verfügbarkeit einer<br />

hochqualifizierten Erwerbsbevölkerung in einem Land zu Investitionen<br />

ermutigen, durch <strong>die</strong> sich das Wirtschaftswachstum erhöht, während auf<br />

individueller Ebene <strong>die</strong> Qualifikationen eines Arbeitnehmers positive<br />

Auswirkungen auf <strong>die</strong> seiner Arbeitskollegen haben könnten.<br />

• Fünftens können sich Berufsbildungsprogramme am Arbeitsmarkt bezahlt<br />

machen. In den Vereinigten Staaten, wo das Berufsbildungsangebot auf der<br />

Ebene der Sekundarstufe II relativ gering ist, ist nach einer sorgfältig konzi-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG – 31<br />

Abbildung 1.2 Teilnahmequoten an berufsbezogener Fort- und Weiterbildung<br />

Nach Bildungsstand, 2003<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

%<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Griechenland<br />

Italien<br />

Ungarn<br />

Spanien<br />

Portugal<br />

Polen<br />

Niederlande<br />

Irland<br />

Tschech. Rep.<br />

Deutschland<br />

Luxemburg<br />

Belgien<br />

Österreich<br />

Frankreich<br />

Slowak. Rep.<br />

Kanada 1<br />

Ver. Königreich<br />

Schweiz<br />

Finnland<br />

Ver. Staaten<br />

Dänemark<br />

Schweden<br />

Alle Bildungsbereiche zusammen<br />

Unterhalb des Sekundarbereichs II<br />

Anmerkung 1: Referenzjahr 2002.<br />

Quelle: <strong>OECD</strong> (2008), Bildung auf einen Blick 2008: <strong>OECD</strong>-Indikatoren, Tabelle C5.1a, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

pierten Stu<strong>die</strong> von Meer (2007), <strong>die</strong> um eine ganze Reihe potenziell verzerrender<br />

Variablen bereinigt wurde, <strong>die</strong> Bildungsrendite des berufsbildenden<br />

Sekundarbereichs II positiv. Im recht unterschiedlichen Fall der Schweiz,<br />

wo zwei Drittel der Kohorte <strong>die</strong> eine oder andere Form beruflicher Bildung im<br />

Sekundarbereich in Anspruch nehmen, ergaben <strong>die</strong> Berechnungen <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Berufsbildung im Sekundarbereich II gute Renditen (Wolter und Weber,<br />

2005). Diese beiden Beispiele, <strong>die</strong> jeweils am entgegengesetzten Ende des<br />

Berufsbildungsspektrums liegen, haben nur hinweisenden Charakter, legen<br />

aber den Schluss nahe, dass <strong>die</strong> berufliche Erstausbildung, wenn sie auf<br />

<strong>die</strong> Gegebenheiten des betreffenden Landes zugeschnitten ist, in vielen<br />

Bildungssystemen eine nützliche Rolle spielen kann.<br />

Abhängigkeit der beruflichen Erstausbildung von den<br />

Arbeitsmarktmerkmalen<br />

Welche Rolle <strong>die</strong> berufliche Erstausbildung spielt, ist vom Kontext der<br />

Arbeitsmarktregulierung und der Wirtschaftsstruktur abhängig. In Ländern mit<br />

dereguliertem Arbeitsmarkt könnte es Arbeitgebern in der Tat möglich sein, ein<br />

informelles Berufsausbildungssystem zu unterhalten, indem sie Jugendliche zu<br />

niedrigen Löhnen einstellen, sie ausbilden und <strong>die</strong> produktivsten unter ihnen langfristig<br />

beschäftigen. Deregulierte Arbeitsmärkte sind jedoch keine Garantie da<strong>für</strong>,<br />

dass es ein Aus- und Weiterbildungsangebot <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beschäftigten gibt. Bei starker<br />

Stellenfluktuation und hoher Lohnflexibilität erweist es sich <strong>für</strong> Jugendliche u.U. als<br />

leichter, eine erste Arbeitsstelle zu finden – wobei es sich aber zuweilen um unsichere<br />

und befristete Beschäftigungsverhältnisse handelt. Zudem kann es anschließend<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


32 – 1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG<br />

<strong>für</strong> sie schwierig sein, in ein beständigeres Arbeitsverhältnis zu gelangen, und es<br />

besteht <strong>die</strong> Gefahr, dass sie in unattraktiven Beschäftigungsverhältnissen mit<br />

geringen Qualifikationsanforderungen und niedrigen Löhnen gefangen bleiben.<br />

Umgekehrt ist festzustellen, dass auf stärker regulierten Arbeitsmärkten<br />

mit Mindestlohn und starkem Beschäftigungsschutz sich der Übergang von der<br />

Schule ins Erwerbsleben <strong>für</strong> Jugendliche u.U. als schwierig erweisen kann, es<br />

sei denn, es existieren formelle in Beschäftigung mündende Wege, wie z.B. <strong>die</strong><br />

Berufsausbildung. Die Unternehmen bieten nur dann eine Ausbildung am<br />

Arbeitsplatz an, wenn sie darin einen Vorteil sehen, und <strong>die</strong> Tatsache, dank solcher<br />

Ausbildungsmaßnahmen qualifizierte Kräfte einstellen zu können, ist ein starker<br />

Anreiz. Am stärksten ist <strong>die</strong>ser, wenn der Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber<br />

schwierig oder unattraktiv ist und <strong>die</strong> Arbeitgeber sorgfältig ausgewählte<br />

Kräfte behalten können. Dies bedeutet, dass ein solides System beruflicher Erstausbildung<br />

u.U. in den Ländern erstrebenswerter ist, deren Arbeitsmärkte in den<br />

oben genannten Punkten stärker reguliert sind. Zum Teil werden <strong>die</strong>se Fragen in der<br />

<strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> Jobs for Youth untersucht (Kasten 1.3).<br />

Die betriebliche Fort- und Weiterbildung <strong>für</strong> Erwachsene und <strong>die</strong> Erfordernis<br />

beruflicher Erstausbildungsprogramme sind zudem komplementär. In einigen<br />

Ländern werden von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mitunter kaum<br />

Weiterbildungsmaßnahmen angeboten – wahrscheinlich weil ihre Beschäftigten<br />

bei Erwerb einer höheren Qualifikation weniger Möglichkeiten haben, innerhalb<br />

des Betriebs aufzusteigen, als in großen Unternehmen, und daher dazu neigen<br />

könnten, zwecks einer besseren Stelle das Unternehmen zu wechseln. Unternehmen<br />

mit niedrigem Technologiegehalt, <strong>die</strong> auf ungelernte Billigkräfte mit<br />

befristetem Arbeitsverhältnis angewiesen sind, investieren in der Regel weniger in<br />

<strong>die</strong> Qualifizierung, als Unternehmen mit hochqualifizierten Kräften und neuen<br />

Technologien (vgl. z.B. Gashi, Pugh und Adnett, 2008). Unter <strong>die</strong>sen Bedingungen<br />

könnte der beruflichen Erstausbildung insofern eine im Verhältnis wichtigere<br />

Rolle zukommen, als sie <strong>die</strong> zu einem unzureichenden Weiterbildungsangebot <strong>für</strong><br />

Erwachsene führenden Marktunvollkommenheiten kompensiert.<br />

Auf das Qualifikationsangebot haben noch viele andere außerhalb der Berufsbildungssysteme<br />

liegende Faktoren Einfluss. Dazu gehören informelles <strong>Lernen</strong>,<br />

Migrationsbewegungen und <strong>die</strong> Erwerbsbeteiligung (<strong>die</strong> wiederum von Faktoren<br />

wie z.B. dem Rentensystem und den Kinderbetreuungsmöglichkeiten beeinflusst<br />

wird). Dies hat zwei wichtige Konsequenzen. Erstens steht, je nachdem um<br />

welche Art von Arbeitsmarkterfordernissen es sich handelt, eine Vielzahl potenziell<br />

relevanter Instrumente staatlicher Politik zur Verfügung, und in einigen Fällen<br />

könnte den Erfordernissen des Arbeitsmarkts z.B. besser durch <strong>die</strong> Zulassung<br />

erhöhter Zuwanderung oder eine Reform des Rentensystems, als durch berufliche<br />

Erstausbildung entsprochen werden. Zweitens bedarf es, um Entscheidungen<br />

<strong>die</strong>ser Art zu treffen, einer hervorragenden Koordinierung zwischen allen Ressorts,<br />

<strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong>se verschiedenen Politikbereiche zuständig sind. Diese enorme Herausforderung<br />

der Entwicklung einer kohärenten Qualifizierungsstrategie, <strong>die</strong> all<br />

<strong>die</strong>se Elemente umfasst, wird in den <strong>OECD</strong>-Ländern zunehmend anerkannt.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG – 33<br />

Kasten 1.3 Die <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> Jobs for Youth<br />

Im Auftrag der Arbeitsminister der <strong>OECD</strong>-Länder wurde von der <strong>OECD</strong> im Zeitraum 2006-<br />

2010 eine thematische Stu<strong>die</strong> über <strong>die</strong> Beschäftigungssituation <strong>für</strong> Jugendliche in 16 Ländern<br />

(Australien, Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Japan, Kanada, Korea, Neuseeland,<br />

Niederlande, Norwegen, Polen, Slowakische Republik, Spanien, Vereinigtes Königreich und<br />

Vereinigte Staaten) durchgeführt. Die wichtigsten Ergebnisse:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Jugendliche wurden von der gegenwärtigen Rezession besonders hart getroffen, und ihre Arbeitslosenquote<br />

wird wahrscheinlich weit in <strong>die</strong> Phase der Konjunkturerholung hinein hoch bleiben.<br />

Lange Zeiten der Arbeitslosigkeit und Nichterwerbstätigkeit könnten <strong>die</strong> Beschäftigungsfähigkeit<br />

Jugendlicher auf Dauer reduzieren, besonders <strong>die</strong> der Geringqualifizierten und der<br />

jungen Erwachsenen ohne Arbeitserfahrung.<br />

Selbst in guten Zeiten liegt <strong>die</strong> Arbeitslosenquote Jugendlicher im <strong>OECD</strong>-Raum durchschnittlich<br />

zwei- bis dreimal so hoch wie bei Erwachsenen. Bei etwa 30-40% der Schulabgänger in<br />

den <strong>OECD</strong>-Ländern besteht <strong>die</strong> Gefahr schlechter Arbeitsmarktergebnisse in den ersten<br />

Jahren der Erwerbstätigkeit.<br />

In vielen <strong>OECD</strong>-Ländern sind Heranwachsende eine der Hauptzielgruppen aktiver Arbeitsmarktprogramme<br />

(d.h. Programme zur Unterstützung bei der Arbeitsuche, <strong>für</strong> Beschäftigung<br />

oder Ausbildung). Dies gilt besonders <strong>für</strong> Europa, wo Jugendliche im Alter von 15-24 Jahren<br />

Mitte der 2000er Jahre einen durchschnittlichen Anteil von 27% aller Teilnehmer an aktiven<br />

Arbeitsmarktmaßnahmen stellten, aber nur 11% der Gesamtbeschäftigung.<br />

Um wirksam zu sein, sollten aktive Arbeitsmarktmaßnahmen auf gegenseitigen Verpflichtungen<br />

basieren, d.h. dass Jugendliche, <strong>die</strong> Leistungen in Form von Einkommensstützung und (Wieder-)<br />

Beschäftigungsmaßnahmen erhalten, im Gegenzug aktiv an den Maßnahmen teilnehmen müssen,<br />

und ihnen bei Weigerung moderate Leistungskürzungen drohen.<br />

Hohe Arbeitskosten und ein zu strenger Beschäftigungsschutz wirken der Beschäftigung Jugendlicher<br />

in vielen Ländern häufig entgegen. Der Übergang von der Schule ins Erwerbsleben verläuft<br />

auf wenig regulierten Arbeitsmärkten <strong>für</strong> viele Jugendliche insofern relativ reibungslos, als<br />

sich ein „erster Job“, selbst wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, das nicht dem<br />

Standard entspricht, im Allgemeinen schnell als Sprungbrett <strong>für</strong> einen Berufseinstieg erweist.<br />

An stärker regulierten Arbeitsmärkten hilft ein auf der betrieblichen Ausbildung basierendes duales<br />

System den meisten Jugendlichen, besonders den Geringqualifizierten, einen erfolgreichen Übergang<br />

von der Schule in <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> sicherzustellen. Durch Berufsausbildungsverträge wird eine<br />

doppelte Dividende erzielt: geringere Arbeitskosten und eine vertraglich begründete Ausbildungspflicht<br />

des Arbeitgebers.<br />

Ein Synthesebericht mit Schwergewicht auf den wichtigsten Themen und Politikempfehlungen der<br />

Stu<strong>die</strong> erscheint Ende 2010. Er wird sich weitgehend auf <strong>die</strong> 16 veröffentlichten Länderprüfberichte<br />

stützen, aber auch neue, in den 16 Ländern seit der Prüfung eingeleitete Maßnahmen sowie <strong>die</strong> in<br />

allen <strong>OECD</strong>-Ländern beschlossenen Initiativen zur Unterstützung Jugendlicher vorstellen.<br />

Quelle: <strong>OECD</strong> (2010b), Website von Jobs for Youth, www.oecd.org/employment/youth, Zugriff im Juni 2010.<br />

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34 – 1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG<br />

Die Berufsbildungsprogramme den Erfordernissen der modernen<br />

Welt anpassen<br />

Merkmale der nationalen Systeme<br />

Die nationalen Berufsbildungssysteme sind sehr unterschiedlich – und in<br />

einigen Ländern ist es wenig sinnvoll, <strong>die</strong>sbezüglich überhaupt von einem einheitlichen<br />

System zu sprechen. Viele Länder verfügen über umfangreiche Berufsbildungsprogramme<br />

auf Ebene der Sekundarstufe II, wohingegen in anderen,<br />

vor allem im englischsprachigen Raum, solche Berufsbildungsprogramme in der<br />

Regel erst im postsekundären Bereich anzutreffen sind. In Deutschland beispielsweise<br />

beträgt der Anteil der an einem Berufsbildungsprogramm im Sekundarbereich<br />

II teilnehmenden Jugendlichen 60%. In Irland gibt es im Sekundarbereich<br />

II nur wenig Berufsbildungsprogramme, aber ein weitreichendes Angebot<br />

oberhalb <strong>die</strong>ses Niveaus, darunter auch <strong>die</strong> Möglichkeit zur Teilnahme an einer<br />

Berufsausbildung (Abb. 1.3).<br />

Abbildung 1.3 Anteil der Berufsbildung am Sekundarbereich II (ISCED 3), 2006<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

Prozentsatz der Schüler in kombinierten schulischen und betrieblichen Ausbildungen<br />

Prozentsatz der Schüler in schulischen Berufsbildungsprogrammen<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Quelle: <strong>OECD</strong> (2008), Bildung auf einen Blick 2008: <strong>OECD</strong>-Indikatoren, Tabelle C1.1, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

Anmerkung: In <strong>die</strong>sen Zahlen nicht enthalten sind <strong>die</strong> zahlreichen Programme, <strong>die</strong> zwar berufsbezogene<br />

oder technische Optionen und Module umfassen, <strong>die</strong>s aber nicht in ausreichendem Maße, um von dem<br />

betreffenden Land als berufsbildende Programme eingestuft zu werden. Die Zahlen <strong>für</strong> Neuseeland und<br />

<strong>die</strong> Vereinigten Staaten bleiben unberücksichtigt, letztere in Anbetracht der Tatsache, dass das Berufsbildungskonzept<br />

der High Schools in den Vereinigten Staaten anders ist (Kasten 1.4).<br />

Anmerkung: In Ungarn schätzt das Bildungsministerium den Anteil der Schülerinnen und Schüler in<br />

berufsbildenden Schulen (2007/2008) auf 23%.<br />

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1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG – 35<br />

Kasten 1.4 Berufsbildung in den Vereinigten Staaten<br />

Career and Technical Education (CTE), <strong>die</strong> amerikanische Form der Berufsbildung, findet im<br />

Sekundarbereich II (High School), in Einrichtungen des postsekundären und tertiären Bereichs, u.a.<br />

in Community Colleges und in Erwachsenenbildungseinrichtungen statt. Die unterschiedliche Ausgestaltung<br />

in den Vereinigten Staaten erklärt sich aus der wichtigen Rolle, <strong>die</strong> den Bundesstaaten bei der<br />

Festlegung der Bildungspolitik zukommt. Die CTE in der High School kontrastiert insofern mit<br />

der Berufsbildung des Sekundarbereichs II vieler anderer Länder, als sie nicht immer darauf<br />

ausgerichtet ist, <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler sofort beschäftigungsfähig zu machen – einige<br />

Schülerinnen und Schüler nehmen an CTE-Kursen teil, um verschiedene Berufe zu son<strong>die</strong>ren,<br />

andere wiederum sehen darin eine Möglichkeit, sich auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten.<br />

Zusätzlich zu Pflichtkursen können <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler zwischen diversen Optionen<br />

wählen, zu denen auch eine Berufsbildung gehört. 2005 nahmen fast alle High-School-Absolventen<br />

an mindestens 1 CTE-Kurs teil, und jeder fünfte Absolvent erzielte mindestens 3 Credits in einem<br />

Bereich. In 48 Bundesstaaten gibt es High-School-CTE-Programme, <strong>die</strong> zu einem von der Wirtschaft<br />

anerkannten Abschluss führen. Die Schülerinnen und Schüler können in schulischen<br />

Workshops sowie durch Praktika in Unternehmen praktische Fertigkeiten erlernen. In der Regel<br />

werden schulische Werkstätten von einer Comprehensive High School auf dem eigenen Schulgelände<br />

oder aber in regionalen Berufsbildungszentren angeboten, an <strong>die</strong> mehrere High Schools angeschlossen<br />

sind (Forrest Cataldi, 2009).<br />

Obwohl das Engagement der Arbeitgeber in den von den Bundesstaaten betriebenen Berufsbildungssystemen<br />

unterschiedlich ist, stehen den Schülerinnen und Schülern mehrere Arten des Erwerbs<br />

von Arbeitserfahrung in Betrieben zur Wahl – von ein paar Stunden Beobachtung von Arbeitssituationen<br />

bis hin zu längeren Praktika. Einer Schulstu<strong>die</strong> zufolge bieten 85% der Einrichtungen den<br />

Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten, praktische Erfahrungen zu sammeln. Ein hoher Anteil der<br />

amerikanischen High-School-Schülerinnen und -Schüler erwirbt zudem außerhalb des Bildungssystems<br />

Arbeitserfahrung im Rahmen von Ferienjobs (<strong>OECD</strong>, 2009b).<br />

Zwei Drittel der High-School-Absolventen setzen ihren Bildungsweg im postsekundären<br />

Bereich fort. Niedriger ist <strong>die</strong> Übergangsquote bei den Absolventen, <strong>die</strong> CTE-Credits erworben haben,<br />

aber höher als in vielen Ländern bei Schülerinnen und Schülern, <strong>die</strong> einen beruflichen Bildungsgang<br />

absolvierten. Unter den Schülerinnen und Schülern, <strong>die</strong> 2004 <strong>die</strong> Schule abgeschlossen und<br />

in einem Programm mindestens 2 CTE-Credits erworben hatten, schrieben sich 65% innerhalb<br />

weniger Monate nach dem Abschluss in Einrichtungen des postsekundären Bereichs ein, gegenüber<br />

72% der anderen Schülerinnen und Schüler (Forrest Cataldi, 2009). Die Einrichtungen des<br />

postsekundären Bereichs haben ein breitgefächertes Programmangebot, darunter solche mit<br />

4-jähriger Stu<strong>die</strong>ndauer, mit associate’s degree nach 2-jährigem Studium und eine ganze Reihe<br />

verschiedener Programme kürzerer Dauer. Etwa zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler im<br />

postsekundären Bereich nehmen an Programmen teil, <strong>die</strong> als „berufsbildend“ im Gegensatz zu<br />

„allgemeinbildend“ ausgewiesen sind (vgl. NCES, nces.ed.gov/surveys/ctes/tables/index.asp).<br />

Große Herausforderungen bestehen nach wie vor bei vielen postsekundären Programmen,<br />

besonders in den Community Colleges, <strong>die</strong> hohe Abbruchquoten zu verzeichnen haben.<br />

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36 – 1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG<br />

Auch <strong>die</strong> Betriebe spielen eine unterschiedliche Rolle. Die Ansätze reichen<br />

vom dualen System mit einer durch Schulunterricht ergänzten betrieblichen<br />

Lehre (Kasten 1.5) bis hin zu Modellen, bei denen Jugendliche informell außerhalb<br />

des Schulsystems durch Teilzeitbeschäftigung und Arbeitsplatzrotation Berufserfahrung<br />

erwerben (<strong>für</strong> <strong>die</strong> Vereinigten Staaten vgl. Harhoff und Kane,<br />

1997). Die Vereinigten Staaten haben insofern ein (im internationalen Vergleich)<br />

fast einzigartiges System auf Ebene der Sekundarstufe II, als ein Großteil der Berufsbildung<br />

als „career exploration“, d.h. als berufliche Orientierung, und nicht<br />

als Vorbereitung auf einen bestimmten Beruf konzipiert ist (Kasten 1.4).<br />

Innerhalb einzelner Kategorien von Berufsbildungssystemen gibt es zudem<br />

deutliche Unterschiede, z.B. zwischen den Berufsausbildungsansätzen Deutschlands<br />

und der Schweiz (vgl. Kapitel 5). Viele <strong>die</strong>ser Unterschiede zwischen den<br />

Bildungs- und Ausbildungssystemen spiegeln sich stark in den Arbeitsmarktstrukturen<br />

und in den kulturbedingten Einstellungen, z.B. im Hinblick auf den<br />

Berufswunsch, wider. Veranschaulicht wird <strong>die</strong>s durch eine auffällige Parallele<br />

zwischen dem Umfang der Berufsbildung auf Ebene der Sekundarstufe II in den<br />

einzelnen Ländern und dem Wunsch der 15-Jährigen nach einer Facharbeitertätigkeit<br />

(Abb. 1.4). Zu <strong>die</strong>sen Facharbeitertätigkeiten gehören traditionelle<br />

Ausbildungsberufe wie Klempner und Elektriker, <strong>die</strong> eine Lehre voraussetzen.<br />

Zugleich werden von den meisten <strong>OECD</strong>-Ländern zurzeit auch <strong>die</strong> Berufsbildungsprogramme<br />

in fachlich neuen Angestelltenberufen, z.B. in den Bereichen<br />

medizinische Versorgung und Informatik, erweitert.<br />

Abbildung 1.4 Berufserwartungen Jugendlicher<br />

Erwartungen 15-Jähriger hinsichtlich der Tätigkeit,<br />

<strong>die</strong> sie im Alter von 30 Jahren ausüben werden: Prozentsatz derjenigen,<br />

<strong>die</strong> erwarten, einer betrieblichen/handwerklichen Tätigkeit nachzugehen<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Quelle: <strong>OECD</strong> (2004), Bildung auf einen Blick 2004: <strong>OECD</strong>-Indikatoren, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

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1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG – 37<br />

Kasten 1.5 Die Berufsausbildung – Kombination aus<br />

<strong>Lernen</strong> in der Schule und am Arbeitsplatz<br />

Bei Berufsausbildungen sind Bildung und Ausbildung in Schulen oder anderen<br />

Berufsbildungseinrichtungen mit der Ausbildung am Arbeitsplatz kombiniert. In<br />

einigen Ländern wird <strong>die</strong> Berufsausbildung häufig als „duales System“ bezeichnet<br />

(z.B. Deutschland, Österreich). Die Berufsausbildung ist in deutschsprachigen<br />

Ländern wie Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz weit verbreitet<br />

und existiert auch in Belgien (Flandern), Dänemark, den Niederlanden und Norwegen.<br />

In mehreren Ländern findet <strong>die</strong> Berufsausbildung außerhalb des Schulsystems<br />

auf postsekundärer Ebene statt – z.B. in Australien, Irland und den Vereinigten<br />

Staaten. Die Ausgestaltung ist sehr unterschiedlich: Die betrieblichen und<br />

schulischen Komponenten wechseln innerhalb einer Woche ab (z.B. in Belgien/<br />

Flandern, Deutschland, Österreich und der Schweiz) oder sind auf Blöcke von mehreren<br />

Wochen verteilt (z.B. in Irland). In Norwegen folgen auf zwei Jahre schulischer<br />

Ausbildung zwei Jahre im Betrieb.<br />

Gesetzlicher Rahmen. Die Berufsausbildung unterliegt in der Regel spezifischen<br />

Gesetzesbestimmungen und basiert <strong>die</strong>sen zufolge in der Regel auf einem<br />

Vertrag zwischen dem ausbildenden Arbeitgeber und den Auszubildenden (oder<br />

ihren Eltern bzw. gesetzlichen Vertretern).<br />

Die Einbeziehung des Arbeitgebers. Die Arbeitgeber sind in der Regel stark<br />

einbezogen, nicht nur im Hinblick auf das betriebliche Ausbildungselement, sondern<br />

auch bei der Gestaltung des Ausbildungssystems, einschließlich der Gesetzgebung,<br />

des Lehrplans und der Prüfungen. Die Arbeitgeber kommen in der Regel <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Kosten der Ausbildung im Betrieb auf (wobei es in einigen Ländern Beihilfen<br />

gibt), während der schulische Ausbildungsteil vom Staat finanziert wird.<br />

Lehrkräfte und Ausbilder. In einigen Ländern müssen <strong>die</strong> in Berufsbildungseinrichtungen<br />

unterrichtenden Lehrkräfte einen Hochschulabschluss haben, während<br />

in anderen Ländern auch eine Berufsqualifikation ausreicht. In der Schweiz gibt es<br />

mit dem Eidgenössischen Hochschulinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung (EHB) eine spezifische<br />

Tertiärbildungseinrichtung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Aus- und Weiterbildung von Berufsbildungsverantwortlichen.<br />

Die in den Unternehmen tätigen Ausbilder müssen in der Regel<br />

eine Berufsbildungsqualifikation haben. In mehreren Ländern müssen sie zudem<br />

an Didaktikkursen teilnehmen (z.B. in Belgien/Flandern und der Schweiz) oder<br />

Kenntnisse in <strong>die</strong>sem Bereich anderweitig nachweisen können (z.B. AEVO-<br />

Prüfung in Deutschland, Ausbilderprüfung in Österreich). In einigen Ländern (z.B.<br />

Dänemark) gibt es <strong>für</strong> Ausbilder keine Standardanforderungen.<br />

Wann sollte <strong>die</strong> Berufsbildung beginnen?<br />

In welchem Alter und auf welcher Bildungsstufe sollten Jugendliche eine<br />

berufsspezifische Ausbildung beginnen? In einem Extremfall, nämlich Österreich,<br />

treffen z.B. <strong>die</strong> Auszubildenden <strong>die</strong> Entscheidung <strong>für</strong> ihren künftigen Beruf<br />

schon im Alter von 14 Jahren, im Jahr vor Beginn der eigentlichen Lehrzeit.<br />

Hier<strong>für</strong> wird das Argument angeführt, dass es so möglich ist, Jugendliche, <strong>die</strong> sich<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


38 – 1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG<br />

weniger <strong>für</strong> eine weiterführende Bildung berufen fühlen, an praktische Tätigkeiten<br />

heranzuführen, ihre Lernmotivation aufrechtzuerhalten und sie bei ihrem Eintritt<br />

ins Erwerbsleben zu unterstützen. Wie aus Abbildung 1.1 ersichtlich, ist <strong>die</strong> Jugendarbeitslosigkeit<br />

(im Vergleich zur Arbeitslosigkeit bei Erwachsenen) in Ländern<br />

wie Deutschland, <strong>die</strong> ein starkes duales Ausbildungssystem aufweisen, in der<br />

Regel sicherlich ein geringeres Problem (Kasten 1.5). Das Gegenargument lautet,<br />

dass es <strong>für</strong> Heranwachsende schwierig sei, so früh eine wohlüberlegte Berufswahl<br />

zu treffen, und dass <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem Stadium überwiegend praktische Ausbildung<br />

in der Regel zu Lasten in der Schule erworbener allgemeinerer Kompetenzen<br />

ginge, <strong>die</strong> den Prozess lebenslangen <strong>Lernen</strong>s erleichtern, insbesondere was spätere<br />

Möglichkeiten der Teilnahme an tertiären oder anderen (Weiter-)Bildungsangeboten<br />

betrifft. Eine deutsche wissenschaftliche Stu<strong>die</strong> führt aus, dass auf der Basis der<br />

Eigenangaben der Arbeitskräfte der Wert der in einer Berufsausbildung erworbenen<br />

Kompetenzen tendenziell schneller sinkt als der Wert von auf tertiärem<br />

Bildungsniveau erworbenen Kompetenzen (Ludwig und Pfeiffer, 2005).<br />

Die im vorliegenden Bericht in <strong>die</strong>sem wichtigen Punkt vertretene Auffassung<br />

liegt in der Mitte. Es wird der Standpunkt vertreten, dass <strong>die</strong> Betriebe<br />

ein sehr wichtiges Lernumfeld bieten und dass <strong>die</strong> Kombination aus <strong>Lernen</strong> in<br />

der Schule und im Betrieb eine leistungsfähige und wirksame Methode darstellt,<br />

um Jugendliche auf <strong>die</strong> Erwerbstätigkeit und Berufswege vorzubereiten. Von<br />

besonderem Wert erweisen sich solche Ansätze, darunter auch das duale System,<br />

bei stark reguliertem Arbeitsmarkt, und sie scheinen sehr wirksam zu sein, wenn es<br />

darum geht, einen reibungslosen Übergang in ein erstes Beschäftigungsverhältnis<br />

sicherzustellen. Zugleich wird in <strong>die</strong>sem Bericht <strong>die</strong> These verfochten, dass bei<br />

Programmen, <strong>die</strong> eine frühzeitige Spezialisierung vorsehen, der Rechen-, Schreibund<br />

Lesekompetenz und anderen allgemeinen schulischen Fertigkeiten sowie<br />

sozialen Kompetenzen genügend Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, um<br />

<strong>die</strong> Grundlagen <strong>für</strong> lebenslanges <strong>Lernen</strong> und <strong>für</strong> eine effektive Teilhabe an Staat und<br />

Gesellschaft sowie <strong>die</strong> Basis <strong>für</strong> den Erwerb der Kompetenzen zu legen, <strong>die</strong> erforderlich<br />

sind, um durch eine fortdauernde Kombination aus <strong>Lernen</strong> und Erwerbstätigkeit<br />

einen erfolgreichen Berufsweg zu beschreiten und <strong>die</strong>sen kontinuierlich<br />

fortzusetzen.<br />

Berufsbildungsprogramme und lebenslanges <strong>Lernen</strong><br />

Im 21. Jahrhundert sind bei Eintritt ins Erwerbsleben zwar sofort am Arbeitsplatz<br />

einsetzbare Kompetenzen erforderlich, darüber hinaus aber auch berufliche<br />

Kompetenzen und kognitive Fähigkeiten, <strong>die</strong> es dem Einzelnen ermöglichen,<br />

mit verschiedenen Tätigkeiten zurechtzukommen und seine Lernkapazität zu<br />

erhalten, wobei nicht vergessen werden darf, dass der technologische Fortschritt<br />

<strong>die</strong> Nachfrage nach fachlichen Kompetenzen höheren Niveaus, insbesondere<br />

nach Berufsbildungsabschlüssen im tertiären Bereich, verstärkt hat. Viele der<br />

jetzt an Berufsbildungsprogrammen des Sekundarbereichs II teilnehmenden<br />

Personen gehen nicht davon aus, anschließend direkt ins Erwerbsleben einzutreten,<br />

sondern beabsichtigen, einen postsekundären Bildungsgang der einen oder anderen<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG – 39<br />

Art zu absolvieren. In dem Maße, wie <strong>die</strong> Teilnahme an tertiären Bildungsgängen<br />

zugenommen hat, entscheiden sich <strong>die</strong> Absolventen von Berufsbildungsprogrammen<br />

des Sekundarbereichs II immer häufiger <strong>für</strong> eine Fortsetzung ihres Bildungswegs<br />

im tertiären Bereich – sei es in einem verwandten Berufsbildungsbereich,<br />

sei es in einem ganz anderen Sektor oder einem eher akademischen Stu<strong>die</strong>nfach.<br />

In den Niederlanden setzt beispielsweise ein Viertel der Berufsschüler und -schülerinnen<br />

des Sekundarbereichs II ihren Bildungsweg im tertiären Berufsbildungsbereich<br />

fort, und in Korea gilt <strong>die</strong>s <strong>für</strong> rund drei Viertel. Die Berufsbildungsprogramme<br />

auf Ebene der Sekundarstufe II haben eine Doppelfunktion, denn sie<br />

<strong>die</strong>nen einerseits dem direkten Einstieg in den Arbeitsmarkt und geben andererseits<br />

Zugang zum postsekundären Bildungsbereich.<br />

In den Ländern, in denen <strong>die</strong> Übergangsmöglichkeiten von Berufsbildungsprogrammen<br />

auf Sekundarstufe-II-Niveau in den Tertiärbereich eher begrenzt<br />

sind, ist häufig Reformbedarf gegeben. In Deutschland, wo gegenwärtig sehr<br />

wenige, <strong>die</strong> lediglich über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, ihren<br />

Bildungsweg im Tertiärbereich fortsetzen, bietet eine Reform von 2009 allen<br />

Inhabern eines Meisterbriefs, eines technischen oder Fachwirtabschlusses ebenso<br />

wie allen, <strong>die</strong> ein Berufsbildungsprogramm auf Ebene der Sekundarstufe II absolviert<br />

und eine 3-jährige Erfahrung im entsprechenden Beruf haben, Zugang<br />

zu einem Hochschulstudium. Es ist indes noch zu früh, um <strong>die</strong> Auswirkungen<br />

<strong>die</strong>ser Reformmaßnahmen beurteilen zu können (Hoeckel und Schwartz, 2010).<br />

Der Übergang von der Schule ins Erwerbsleben: Arbeitslosigkeit und<br />

Schulabbruch<br />

Quintini und Manfredi (2009) erörtern verschiedene Übergangsmuster von<br />

der Schule ins Erwerbsleben in den <strong>OECD</strong>-Ländern. Die Verfasser stellen fest,<br />

dass in Ländern mit reguliertem Arbeitsmarkt und starkem Berufsausbildungssystem,<br />

wie z.B. Deutschland, etwa 80% der Schulabgänger erfolgreich ins Erwerbsleben<br />

eintreten 1 . Einen starken Kontrast hierzu bilden Länder mit reguliertem<br />

Arbeitsmarkt, aber ohne starke arbeitsbezogene Ausbildung im Rahmen des<br />

formalen Schulsystems, wie z.B. Italien und Spanien, wo über ein Drittel der<br />

Jugendlichen letzten Endes arbeitslos oder inaktiv ist. Die Übergangsquote<br />

Deutschlands ist beeindruckend, besonders <strong>die</strong> von Berufsfachschulabsolventen,<br />

<strong>die</strong> zu Beginn ihres Berufswegs <strong>die</strong>selbe Beschäftigungsquote aufweisen wie<br />

Jugendliche mit einem Tertiärabschluss (<strong>OECD</strong>, 2010d). Jedoch verschlechtern<br />

sich ihre Beschäftigungsaussichten mit der Zeit gegenüber denen von Hochschulabsolventen.<br />

Länder mit reguliertem Arbeitsmarkt, aber ohne starkes Berufsbildungssystem<br />

ermutigen <strong>die</strong> Arbeitgeber, junge unerfahrene Kräfte einzustellen,<br />

indem sie <strong>die</strong> Beschäftigungskosten <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Erwerbspersonen senken. Infolgedessen<br />

treten viele Jugendliche mit einem befristeten Vertrag ins Erwerbsleben<br />

ein 2 . In einigen Fällen führte <strong>die</strong>s zum Entstehen eines dualen Arbeitsmarkts,<br />

mit einem Sektor unbefristeter und stark geschützter Arbeitsplätze und einem<br />

von <strong>die</strong>sem getrennten zweiten Sektor mit befristeten Verträgen und weniger<br />

sicheren Arbeitsplätzen (vgl. z.B. Maurin, 2009, bezüglich Frankreichs).<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


40 – 1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG<br />

Kasten 1.6 Maßnahmen, um Jugendliche im Schulsystem zu halten<br />

und ihnen eine zweite Chance zu geben<br />

Maßnahmen <strong>für</strong> das Verweilen im Schulsystem<br />

In Österreich haben Schülerinnen und Schüler, <strong>die</strong> keine Ausbildungsstelle<br />

finden, <strong>die</strong> Möglichkeit, an Kursen der überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) teilzunehmen,<br />

<strong>die</strong> rechtlich mit einer Berufsausbildung identisch sind. Die Schülerinnen<br />

und Schüler befinden sich auf Vollzeitbasis in überbetrieblichen Ausbildungszentren<br />

(ÜAZ), um ihren Lehrabschluss zu erhalten, oder nehmen an einer Ausbildung<br />

in simulierten Unternehmen teil und werden von ÜAZ unterstützt, um eine<br />

reguläre Lehrstelle zu finden.<br />

Quelle: Hoeckel (2010).<br />

In Belgien (Flandern) sind bei der Berufsbildung auf Teilzeitbasis wöchentlich<br />

1-2 Tage in der Schule mit 3-4 Tagen anderer Aktivitäten kombiniert. Dies<br />

können eine Erwerbsbeschäftigung, freiwillige Dienste, spezielle Programme zur<br />

Aneignung von Kompetenzen zwecks Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit und<br />

eine individuelle Berufsberatung <strong>für</strong> Schülerinnen und Schüler mit besonderen<br />

Problemen sein.<br />

Quelle: Flämisches Ministerium <strong>für</strong> Bildung und Ausbildung (2010).<br />

In Deutschland zielt <strong>die</strong> neu lancierte Bildungsketten-Initiative darauf ab, <strong>die</strong><br />

Schülerinnen und Schüler zu unterstützen, <strong>für</strong> <strong>die</strong> sich der Übergang von der Schule<br />

ins Berufsbildungssystem gegenwärtig als schwierig erweist. Das Ziel besteht darin,<br />

vereinzelte Übergangsmaßnahmen durch strukturierte Hilfen <strong>für</strong> gefährdete Schülerinnen<br />

und Schüler zu ersetzen. Nach einem nationalen Screening-Verfahren in der<br />

7. Klasse werden zwei Strategien verfolgt: innerhalb der Schule, um <strong>die</strong> Schülerinnen<br />

und Schüler beim Erwerb grundlegender Kernkompetenzen zu unterstützen, und außerhalb<br />

der Schule, wo ein Berufseinstiegsbegleiter Jugendlichen bei ihrem Übergang<br />

in Berufsbildungsprogramme – vor allem betriebliche Ausbildungen – hilft.<br />

Quelle: Hoeckel, K. und R. Schwartz (2010).<br />

Möglichkeiten <strong>für</strong> eine zweite Chance<br />

In Irland bietet Youthreach arbeitslosen Schulabbrechern im Alter von 15-20 Jahren<br />

ein Programm an, das Allgemeinbildung, Berufsbildung und Betriebspraktika<br />

umfasst. Die über 21-Jährigen können am Vocational Training Opportunities Scheme<br />

teilnehmen, um Allgemein- und Berufsbildungsabschlüsse zu erwerben, oder im Rahmen<br />

der Back to Education Initiative Bildungsmaßnahmen auf Teilzeitbasis absolvieren.<br />

Quelle: www.youthreach.ie; www.vtos.ie; www.education.ie.<br />

In den Vereinigten Staaten können Jugendliche über 16 Jahren, <strong>die</strong> ohne Abschluss<br />

von der High School abgegangen sind, General Educational Development<br />

(GED) Tests ablegen, um einen Leistungsnachweis (in Form eines diploma oder<br />

certificate, je nach Bundesstaat) zu bekommen. Die GED-Tests ermitteln <strong>die</strong><br />

Kompetenzen und Kenntnisse in Mathematik, Lesen, Schreiben, Naturwissenschaften<br />

und Sozialkunde. Ein GED-Zeugnis wird im Allgemeinen einem High-School-<br />

Diplom gleichgestellt.<br />

Quelle: American Council on Education (2010), GED Testing Service Website,<br />

www.acenet.edu/AM/Template.cfm?Section=GED_TS, Internetzugriff im Juni 2010.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG – 41<br />

Der Ausbildungsabbruch stellt fast alle Länder vor eine große Herausforderung,<br />

und <strong>die</strong> Berufsbildungsprogramme weisen in der Regel eine höhere Abbruchquote<br />

auf als <strong>die</strong> allgemeinbildenden Programme. Zu den Maßnahmen gehören<br />

Angebote, um <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler dazu zu bewegen, ihre Berufsbildung<br />

fortzusetzen, und eine zweite Chance <strong>für</strong> <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Schule abgebrochen<br />

haben (Kasten 1.6). Für eine <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> über Maßnahmen zur Verhinderung<br />

des Schulabbruchs im Sekundarbereich II, vgl. Lyche (2010, erscheint demnächst).<br />

Die <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong><br />

Im Rahmen der vorliegenden <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> zum Thema <strong>Lernen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Arbeitswelt</strong> wurden eine ganze Reihe von Analysen und 17 Länderprüfungen<br />

durchgeführt, um <strong>die</strong> Länder bei ihren Bemühungen zu beraten, <strong>die</strong> Anpassungsfähigkeit<br />

ihrer beruflichen Erstausbildungssysteme gegenüber den Arbeitsmarkterfordernissen<br />

zu verbessern. Nähere Einzelheiten hierzu finden sich in<br />

Kasten 1.1. Während der Ausarbeitung der Stu<strong>die</strong> kam es zu einer weltweiten<br />

Wirtschaftskrise, von der <strong>die</strong> einzelnen Länder zwar in sehr unterschiedlichem<br />

Maße getroffen wurden, <strong>die</strong> aber offensichtlich einige signifikante Effekte auf<br />

<strong>die</strong> Berufsbildungssysteme hatte. So war beispielsweise Irland mit dem Problem<br />

konfrontiert, dass Auszubildende entlassen wurden, <strong>die</strong> sich noch mitten in der<br />

Lehre befanden. Wenn <strong>die</strong> Unternehmen starkem Druck ausgesetzt sind und ihr<br />

kurzfristiges Überleben auf dem Spiel steht, sind sie u.U. weniger willens, betriebliche<br />

Ausbildungsplätze anzubieten, eine Frage, <strong>die</strong> im Rahmen <strong>die</strong>ser <strong>OECD</strong>-<br />

Analyse von Brunello (2009) untersucht wurde. Die Tatsache, dass weniger<br />

Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, führt häufig dazu, dass Jugendliche ihren<br />

Arbeitsmarkteintritt auf einen späteren Zeitpunkt verschieben und es vorziehen,<br />

ihre Berufsbildung auf Vollzeitbasis fortzusetzen, während es der krisenbedingt<br />

stärker werdende Druck auf <strong>die</strong> öffentlichen Ausgaben zuweilen ganz wesentlich<br />

erschwert, der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Allerdings eröffnen<br />

sich auch neue Wege, indem z.B. <strong>die</strong> praktischen Kompetenzen arbeitsloser<br />

Fachkräfte als Ausbilder genutzt werden.<br />

Sammlung vergleichender Daten über <strong>die</strong> Berufsbildungssysteme der<br />

einzelnen Länder<br />

Da kein systematisches vergleichendes Datenmaterial über <strong>die</strong> Unterschiede<br />

zwischen den Berufsbildungssystemen der verschiedenen Länder vorhanden<br />

war, bestand ein Teil <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> darin, den nationalen Behörden einen<br />

Fragebogen zu übermitteln, der darauf angelegt war, <strong>die</strong> wichtigsten Merkmale<br />

der nationalen Berufsbildungssysteme zu ermitteln, darunter <strong>die</strong> Art und Weise,<br />

wie <strong>die</strong> praktische Ausbildung erfolgt, <strong>die</strong> Finanzierung, <strong>die</strong> Einbeziehung der<br />

Sozialpartner und <strong>die</strong> Dezentralisierung der Kontrolle (Kasten 1.7). Mit <strong>die</strong>ser<br />

Stu<strong>die</strong> wird <strong>die</strong> schwierige Aufgabe eines Ländervergleichs der Merkmale der<br />

nationalen Berufsbildungssysteme in Angriff genommen. Hierzu müssen <strong>die</strong><br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


42 – 1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG<br />

Kasten 1.7 Internationale <strong>OECD</strong>-Erhebung zu<br />

Berufsbildungssystemen<br />

Im Rahmen <strong>die</strong>ses Vorhabens stellte <strong>die</strong> <strong>OECD</strong> den teilnehmenden Ländern<br />

eine Vielzahl von Fragen über ihre Berufsbildungssysteme in Bezug auf Lehrkräfte<br />

und Ausbilder, <strong>die</strong> Konsultation der Sozialpartner, <strong>die</strong> Finanzierung und <strong>die</strong><br />

Dezentralisierung der Kontrolle. Der Fragebogen bestand aus drei Teilen, <strong>die</strong> sich<br />

auf <strong>die</strong> Berufsbildung im Sekundarbereich II, <strong>die</strong> berufliche Weiterbildung und<br />

bereichsübergreifende Fragen erstrecken.<br />

Um einen Ländervergleich durchführen zu können, mussten <strong>die</strong> Ergebnisse<br />

der verschiedenen Programme aggregiert werden. Die Ergebnisse wurden großenteils<br />

in Form von Prozentsätzen der nationalen Berufsbildungsprogramme angegeben,<br />

auf <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> jeweilige Antwort bezieht. Hieraus wird der gewichtete Durchschnitt<br />

der Teilnahme an den verschiedenen Programmen ermittelt.<br />

Alle Einzelheiten sind Kuczera (erscheint demnächst) zu entnehmen.<br />

verschiedenen Berufsbildungsprogramme in den Ländern in Form aggregierter<br />

Messgrößen aufbereitet werden, so dass es möglich ist, sie international zu vergleichen.<br />

Die interne Vielfalt der einzelnen Länder und ihrer Einrichtungen<br />

kommt daher in <strong>die</strong>sen tabellarischen Aufstellungen nicht zum Ausdruck, ein<br />

Nachteil, der in Kauf zu nehmen ist, um aussagekräftige internationale Vergleiche<br />

durchführen zu können. Die Ergebnisse werden hier umfassend genutzt.<br />

Berücksichtigung früherer und parallel durchgeführter Arbeiten<br />

Analysen zur Berufsbildung wurden von Hochschulen und nationalen Institutionen<br />

sowie internationalen Organisationen wie UNESCO (United Nations Educational,<br />

Scientific and Cultural Organization), ILO (Internationale Arbeitsorganisation)<br />

und Einrichtungen der Europäischen Kommission, dem CEDEFOP (Europäisches<br />

Zentrum <strong>für</strong> <strong>die</strong> Förderung der Berufsbildung) und der ETF (Europäische<br />

Stiftung <strong>für</strong> Berufsbildung) erarbeitet. In der <strong>OECD</strong> sind Arbeiten im Gange,<br />

<strong>die</strong> sich mit dem Thema des Übergangs von der Schule ins Erwerbsleben und<br />

den damit verbundenen Arbeitsmarktfragen beschäftigen (z.B. <strong>OECD</strong>, 2009c,<br />

über <strong>die</strong> Vereinigten Staaten), desgleichen Arbeiten über lokale Qualifikationsstrategien<br />

(<strong>OECD</strong>, 2010c) und Analysen der Berufsbildungssysteme im Rahmen<br />

der regelmäßig erscheinenden länderspezifischen <strong>OECD</strong>-Wirtschaftsberichte (z.B.<br />

über Deutschland vgl. <strong>OECD</strong>, 2010d). Ein Überblick über frühere <strong>OECD</strong>-<br />

Arbeiten findet sich in Hoeckel (2008).<br />

Bei den Arbeiten in <strong>die</strong>sem Bereich bestehen nach wie vor erhebliche Lücken.<br />

Dies betrifft erstens <strong>die</strong> Durchführung vergleichender Politikanalysen <strong>für</strong> ein<br />

ganzes Spektrum von Ländern mit der Maßgabe, zielführende Lösungsansätze<br />

zu ermitteln. Trotz einiger nützlicher Initiativen, wie z.B. einer unlängst von der<br />

Bertelsmann Stiftung durchgeführten Stu<strong>die</strong> (Rauner, 2009), ist <strong>die</strong>sbezüglich<br />

kaum Material vorhanden.<br />

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1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG – 43<br />

Das zweite große Manko besteht im Bereich des Datenmaterials. Die<br />

ISCED (Internationale Standardklassifikation des Bildungswesens) ist <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Identifizierung der Berufsbildungsprogramme im Sekundar- und Tertiärbereich<br />

nach wie vor ein unzureichendes Instrument, so dass <strong>die</strong> Daten über den Prozentsatz<br />

der Angehörigen einer Kohorte, der eine Berufsbildung beginnt, weiterhin sehr<br />

lückenhaft sind. Eine Verknüpfung von Berufsbildungsdaten mit Arbeitsmarktergebnissen<br />

ist auf internationaler Ebene nach wie vor unmöglich. Diese Datendefizite<br />

stellen zwar weiterhin eine große Herausforderung dar, doch zielen <strong>die</strong><br />

neuen Arbeitsprogramme im Bereich der Berufsbildungsstatistik sowohl im<br />

<strong>OECD</strong>- als auch im EU-Kontext darauf ab, hier Abhilfe zu schaffen.<br />

Festlegung des Untersuchungsrahmens<br />

Der vorliegende Bericht konzentriert sich in erster Linie, aber nicht ausschließlich,<br />

auf <strong>die</strong> berufliche Erstausbildung von Jugendlichen. Dies hat zwei<br />

Gründe. Erstens hat <strong>die</strong> <strong>OECD</strong> der Berufsbildung bereits in der Vergangenheit<br />

im Zusammenhang mit der innerbetrieblichen Ausbildung von Beschäftigten<br />

und der Erwachsenenbildung, insbesondere im Rahmen ihrer thematischen Untersuchung<br />

der Erwachsenenbildung (<strong>OECD</strong>, 2005b), Aufmerksamkeit gewidmet.<br />

Zweitens lag bei den durchgeführten Länderprüfungen der Hauptschwerpunkt,<br />

wie von den geprüften Ländern gewünscht, auf der beruflichen Erstausbildung.<br />

Bei vielen Länderprüfberichten war <strong>die</strong> Berufsbildung auf Ebene der Sekundarstufe<br />

II (ISCED-Stufe 3) das Schwerpunktthema. Daher betreffen auch <strong>die</strong> wichtigsten<br />

Politikaussagen der vorliegenden Stu<strong>die</strong> <strong>die</strong> berufliche Erstausbildung. Diese<br />

Politikaussagen beziehen sich daher nicht auf <strong>die</strong> innerbetriebliche Weiterbildung<br />

von Beschäftigten durch <strong>die</strong> Unternehmen.<br />

Der vorliegende Bericht ist im Hinblick auf seinen Erfassungsbereich<br />

zwangsläufig selektiv. Das Leitprinzip bestand darin, Material nur dann aufzunehmen,<br />

wenn damit nützliche Aussagen gemacht werden konnten. Bei einer<br />

ersten Bestimmung des Untersuchungsrahmens wurde ein breites Spektrum<br />

potenziell zu berücksichtigender Fragen identifiziert (Grubb, 2007), darunter<br />

auch zahlreiche Themen, <strong>die</strong> hier ausgeklammert bleiben. Um sicherzustellen,<br />

dass der Fokus der Stu<strong>die</strong> gewahrt bleibt und <strong>die</strong> Untersuchung den Erfordernissen<br />

der einzelnen Länder gerecht wird, wurde ein einheitliches Ziel definiert<br />

– nämlich, dass <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong> <strong>die</strong> Länder dabei unterstützen soll, <strong>die</strong> Anpassungsfähigkeit<br />

ihrer Berufsbildungssysteme im Blick auf <strong>die</strong> Erfordernisse des<br />

Arbeitsmarkts zu verbessern. Wir interpretieren <strong>die</strong>se Zielsetzung hier folgendermaßen:<br />

Sicherstellen, dass Teilnehmern an einer Berufsbildung <strong>die</strong> <strong>für</strong> eine Tätigkeit<br />

im Kontext eines „Berufseinstiegs“ erforderlichen Qualifikationen<br />

sowie <strong>die</strong> umfassenderen und flexiblen Kompetenzen vermittelt werden,<br />

<strong>die</strong> sie in einem Umfeld rascher und zuweilen unvorhersehbarer Veränderungen<br />

der beruflichen Bedingungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Fortsetzung eines erfüllenden<br />

Berufswegs benötigen.<br />

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44 – 1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG<br />

Der Aufbau des Berichts<br />

In Kapitel 2, Dem Arbeitsmarktbedarf gerecht werden, wird beschrieben,<br />

wie zu erreichen ist, dass Berufsbildungssysteme <strong>die</strong> richtige Zahl ausgebildeter<br />

Personen mit genau dem Mix von Kompetenzen hervorbringen, <strong>die</strong> dem Arbeitsmarktbedarf<br />

entspricht. Kapitel 3, Bildungs- und Berufsberatung, beschreibt <strong>die</strong><br />

Rolle der Bildungs- und Berufsberatung, <strong>die</strong> Herausforderungen im Hinblick auf<br />

ein effizientes Bildungs- und Berufsberatungsangebot und Reformvorschläge.<br />

Kapitel 4, Leistungsfähige Lehrkräfte und Ausbilder, schlägt Maßnahmen vor,<br />

um das Angebot an Lehrkräften und Ausbildern in den Schulen sowie in den<br />

Betrieben zu erhalten und zu verbessern. Kapitel 5, <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz, erklärt<br />

<strong>die</strong> zahlreichen Vorteile der betrieblichen Ausbildung und schlägt eine Reihe<br />

von Wegen vor, um einerseits <strong>die</strong> Arbeitgeber dazu zu ermutigen, innerbetriebliche<br />

Ausbildungen anzubieten, und andererseits wirksame Maßnahmen zur Sicherung<br />

der Qualität zu ergreifen. Kapitel 6, Instrumente zur Unterstützung des Systems,<br />

untersucht einige der wichtigsten Instrumente, <strong>die</strong> zur Gewährleistung der Effizienz<br />

des <strong>Lernen</strong>s <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> erforderlich sind. Hierzu gehören Institutionen<br />

zur Einbeziehung der Sozialpartner, Qualifizierungsrahmen, standardisierte Bewertungssysteme,<br />

besseres Datenmaterial über <strong>die</strong> Arbeitsmarktergebnisse der Berufsbildung<br />

und ein systematischerer Ansatz <strong>für</strong> eine evidenzbasierte Politikgestaltung.<br />

Anmerkungen<br />

1. 90% mit Beschäftigungsverhältnis in einem Zeitraum von 5 Jahren.<br />

2. Bei <strong>die</strong>sem vereinfachten Schema bleibt der Bildungsabschluss unberücksichtigt,<br />

der indessen Einfluss auf <strong>die</strong> Übergangsmuster hat.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


1. DIE HERAUSFORDERUNG DER BERUFSBILDUNG – 45<br />

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2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 49<br />

Kapitel 2<br />

Dem Arbeitsmarktbedarf gerecht werden<br />

In <strong>die</strong>sem Kapitel wird untersucht, wie der Mix der Berufsbildungsangebote<br />

festgelegt wird – im Hinblick auf <strong>die</strong> Anzahl der in verschiedenen<br />

Bereichen ausgebildeten Personen sowie, innerhalb der jeweiligen<br />

Bereiche, in Bezug auf den Mix der zu vermittelnden allgemeinen und<br />

berufsspezifischen Kompetenzen.<br />

Drei Hauptfaktoren werden zur Festlegung des Angebotsmix verwendet<br />

– <strong>die</strong> Schülerpräferenzen, der Arbeitgeberbedarf und <strong>die</strong> Angebotskapazitäten.<br />

Es wird angeführt, dass das richtige Gleichgewicht zwischen<br />

<strong>die</strong>sen Faktoren von Fragen wie der Finanzierungsquelle <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Ausbildung und dem Alter der <strong>Lernen</strong>den abhängt. Die verschiedenen<br />

Möglichkeiten zur Bestimmung der Bedürfnisse der Arbeitgeber werden<br />

erläutert und <strong>die</strong> praktischen Schwierigkeiten der Prognostizierung des<br />

künftigen Qualifikationsbedarfs erörtert.<br />

Die Absolventen von Berufsbildungsprogrammen benötigen berufsspezifische<br />

Kompetenzen neben den allgemeinen übertragbaren Kompetenzen,<br />

<strong>die</strong> ihnen als ein Gerüst <strong>für</strong> ihr weiteres Arbeitsleben <strong>die</strong>nen<br />

werden, darunter auch <strong>die</strong> Fähigkeit, sich rasch verändernden Arbeitsanforderungen<br />

anzupassen. Rechen-, Lese- und Rechtschreibkompetenzen<br />

werden in einem modernen Arbeitsumfeld immer wichtiger, und <strong>die</strong><br />

Berufsbildungssysteme müssen ihnen genügend Gewicht geben.<br />

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50 – 2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN<br />

Finanzierung und Angebotsmix<br />

Ökonomen führen eine Reihe von Gründen an, warum <strong>die</strong> Grundbildung<br />

im Wesentlichen von staatlicher Seite angeboten und finanziert werden sollte,<br />

statt dem Einzelnen überlassen zu werden:<br />

• Elterliche Verantwortung: Kinder benötigen Schutz und Fürsorge, um<br />

sicherzustellen, dass <strong>die</strong> von ihren Eltern getroffenen Entscheidungen in<br />

ihrem Interesse sind.<br />

• Effizienz: Investitionen in den frühen Sta<strong>die</strong>n der Bildung sind kostenwirksamer<br />

als zu einem späteren Zeitpunkt, u.a. weil auf <strong>Lernen</strong> wiederum<br />

<strong>Lernen</strong> folgt.<br />

• Beschränkt verfügbare finanzielle Mittel: Familien verfügen u.U. nicht<br />

über ausreichende Liquidität und Möglichkeiten der Kreditaufnahme, um<br />

wünschenswerte Bildungsinvestitionen zu finanzieren.<br />

• Soziale Gerechtigkeit: Die Gelegenheit, Humanpotenzial durch Bildung zu<br />

realisieren, sollte so wenig wie möglich vom sozialen Hintergrund und<br />

dem familiären Wohlstand abhängen.<br />

• Externalitäten: Die positiven Auswirkungen von Bildung kommen sowohl<br />

dem Einzelnen als auch der Gesellschaft zugute.<br />

Angesichts des Gewichts <strong>die</strong>ser fünf Punkte in ihrer Gesamtheit bieten <strong>die</strong><br />

<strong>OECD</strong>-Länder in der Regel eine kostenfreie oder fast kostenfreie allgemeine<br />

Grundbildung, und in den meisten <strong>OECD</strong>-Ländern wird <strong>die</strong> Bildung auf Sekundarstufe-II-Niveau<br />

(einschließlich der Berufsbildung) als eine höhere Stufe der<br />

Grundbildung betrachtet, <strong>die</strong> häufig kostenfrei bleibt. Nach der Grundbildung ist<br />

das Bildungsangebot manchmal stärker eingeschränkt und/oder kostenpflichtig.<br />

Die einzelnen Länder regulieren den Zugang zur kostenlosen staatlichen Bildung<br />

auf unterschiedlichen Wegen. Eine Möglichkeit besteht darin, Regeln hinsichtlich<br />

der Zugangsberechtigung zu staatlich finanzierten Angeboten aufzustellen.<br />

In Norwegen begünstigt das gesetzliche Recht auf Bildung (Jugendrecht)<br />

<strong>die</strong> Jüngeren. Es garantiert den Schülerinnen und Schülern ab 15 Jahre,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Primarstufe und <strong>die</strong> Sekundarstufe I absolviert haben, das Recht auf drei<br />

Jahre Vollzeitbildung auf Sekundarstufe-II-Niveau, einschließlich beruflicher<br />

Bildung in einem von drei Programmen ihrer Wahl. Das Anrecht muss innerhalb<br />

eines Zeitraums von fünf bis sechs Jahren vollständig in Anspruch genommen<br />

werden. Diejenigen, <strong>die</strong> nicht dazu berechtigt sind, können sich dennoch in<br />

ein Sekundarstufe-II-Berufsbildungsprogramm einschreiben, werden jedoch<br />

keine prioritäre Zugangsberechtigung zu einer Ausbildung ihrer Wahl erhalten,<br />

falls <strong>die</strong>se unter jüngeren Schülern sehr nachgefragt wird.<br />

Nutzen und Kosten teilen<br />

Die Berufsbildung bezweckt <strong>die</strong> Vermittlung von Kompetenzen <strong>für</strong> eine<br />

Beschäftigung oder einen Beruf. Diese Kompetenzen sind <strong>für</strong> Arbeitgeber von<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 51<br />

direktem Nutzen. Die Verteilung der Erträge hängt in der Regel von der<br />

Zusammensetzung der erlernten Kompetenzen ab – so nützen beispielsweise<br />

einem Industriesektor <strong>die</strong> <strong>für</strong> ihn spezifischen Kompetenzen. Die Nutzenverteilung<br />

sollte sich idealerweise in der Aufteilung der Finanzierungsverantwortung<br />

widerspiegeln, um <strong>die</strong> richtigen Anreize <strong>für</strong> ein optimales Kompetenzangebot<br />

zu schaffen. Bei der Konzipierung der Finanzierungsmodalitäten, insbesondere<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> postsekundäre Berufsbildung, sollten <strong>die</strong> folgenden Punkte berücksichtigt<br />

werden:<br />

• Da <strong>die</strong> Nutzeffekte <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitgeber je nach Berufsbildungsprogramm<br />

unterschiedlich ausfallen, würden uneingeschränkte Wahlmöglichkeiten<br />

der Teilnehmer zwischen einzelnen Programmen wahrscheinlich nicht <strong>die</strong><br />

optimale Zusammensetzung der Berufsbildungsangebote bewirken. Wenn<br />

beispielsweise Maschinenbauqualifikationen <strong>die</strong> Innovation und das Wirtschaftswachstum<br />

in einer <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wirtschaft hilfreichen Weise ankurbeln,<br />

<strong>die</strong> Erträge sich jedoch nicht entsprechend in den Gehältern der Maschinenbautechniker<br />

niederschlagen, könnte <strong>die</strong>s bedeuten, dass <strong>die</strong> Anreize <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Aufnahme einer entsprechenden Ausbildung eingeschränkt wären und<br />

es weniger ausgebildete Maschinenbautechniker gäbe, als gesellschaftlich<br />

wünschenswert wäre. Unter <strong>die</strong>sen Umständen könnten sowohl der Staat als<br />

auch Arbeitgeber aus dem Maschinenbau zu Recht entsprechende Angebote<br />

mit Zuschüssen fördern.<br />

• Wenn <strong>die</strong> Nutzeffekte beiden Seiten zufallen, entsteht häufig das Risiko<br />

einer Angebotsknappheit, da alle Beteiligten einen Anreiz haben, als Trittbrettfahrer<br />

von den Beiträgen anderer zu profitieren. Zum Beispiel könnten<br />

Arbeitgeber <strong>die</strong> Absicht hegen, von den Ausbildungsbeiträgen des<br />

Staats und der Schülerinnen und Schüler zu profitieren, ohne selbst etwas<br />

beizutragen.<br />

• Ein Markt <strong>für</strong> Berufsbildung, bei dem <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler sämtliche<br />

Ausbildungskosten tragen, würde wahrscheinlich weniger Qualifikationen<br />

produzieren und wäre somit suboptimal, da er nur <strong>die</strong> Erträge<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler und nicht <strong>die</strong> allgemeineren Nutzeffekte<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitgeber und <strong>die</strong> Wirtschaft insgesamt widerspiegeln würde.<br />

Falls beispielsweise <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler Kosten in Höhe von<br />

1 000 Euro tragen und Erträge von 800 Euro erzielen, dann bestehen <strong>für</strong><br />

sie wenig Anreize, an der entsprechenden Ausbildung teilzunehmen, obwohl<br />

es dadurch, dass den Arbeitgebern ein Nutzen von – angenommenen<br />

– 600 Euro entsteht, <strong>für</strong> <strong>die</strong> Allgemeinheit unter dem Strich vorteilhaft<br />

wäre, wenn der Betreffende an der Ausbildung teilnehmen würde. Eine<br />

Lösung besteht darin, dass <strong>die</strong> Regierung <strong>die</strong> Gebühren <strong>für</strong> Berufsschüler<br />

subventioniert, so dass z.B. der Berufsbildungsteilnehmer <strong>für</strong> den betreffenden<br />

Kurs hier nur 400 Euro bezahlen muss. Alternativ dazu könnten<br />

lokale Arbeitgeber <strong>die</strong> Lernangebote fördern, indem sie vielleicht einen<br />

Teil der Ausbildung am Arbeitsplatz durchführen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


52 – 2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN<br />

Als Antwort auf <strong>die</strong>se gemeinsamen Nutzeffekte hat sich eine Vielzahl<br />

von Finanzierungsmodellen entwickelt, <strong>die</strong> jeweils eine gewisse Aufteilung der<br />

Kosten der Bildungsangebote zwischen Staat, Berufsbildungsteilnehmern und<br />

Arbeitgebern beinhalten. Bei manchen Beiträgen handelt es sich um Sachleistungen,<br />

z.B. in Form von Zeit und Infrastruktur, <strong>die</strong> Arbeitgeber <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Ausbildung am Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, oder Arbeitsfreistellungen<br />

zu Ausbildungszwecken. Ein typisches Beispiel da<strong>für</strong> ist <strong>die</strong> Berufsausbildung<br />

im dualen System, bei der der Staat oft <strong>die</strong> Kosten der schulischen Ausbildung<br />

trägt und <strong>die</strong> Arbeitgeber <strong>die</strong> Ausbildung im Betrieb, einschließlich einer<br />

bescheidenen Vergütung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Auszubildenden, finanzieren. Tabelle 2.1 zeigt<br />

einige der Optionen der Kostenaufteilung zwischen Staat und den Schülerinnen<br />

und Schülern im Sekundarbereich. Der relative Umfang <strong>die</strong>ser Elemente spielt<br />

eine große Rolle. So sind z.B. <strong>die</strong> Gebühren <strong>für</strong> staatlich finanzierte Berufsbildungsprogramme<br />

der Sekundarstufe II in Australien niedrig – sie decken nur<br />

einen kleinen Anteil der wahren Kosten der Bildungsangebote. In Dänemark<br />

und Finnland werden nur bei Berufsbildungsprogrammen <strong>für</strong> Erwachsene<br />

Gebühren erhoben, während <strong>die</strong> Kosten <strong>für</strong> Jugendliche durch ein System von<br />

Zuschüssen und Krediten ausgeglichen werden.<br />

Tabelle 2.1 Wer zahlt <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsbildung?<br />

Prozentualer Anteil der Sekundarstufe-II-Programme<br />

Programme von<br />

Einrichtungen, <strong>die</strong><br />

Gebühren erheben<br />

Programme, bei denen <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler<br />

folgende staatliche Unterstützungsleistungen erhalten<br />

können:<br />

Steuererleichterungen* Kredite* Zuschüsse*<br />

Australien 1,2 - <br />

Belgien (Flandern) - - <br />

Dänemark - <br />

Deutschland - - <br />

Finnland 1 - <br />

Japan - <br />

Niederlande 1 - <br />

Norwegen - - <br />

Österreich - <br />

Schweden - - <br />

Schweiz - - - <br />

Ungarn - - - <br />

Türkei 1 - -<br />

Anmerkung: Geschätzter Prozentsatz der Berufsbildungsprogramme auf Sekundarstufe-II-Niveau: - 0%;<br />

1-25%; 26-50%; 51-75%; 76-100%.<br />

1. Im öffentlichen Sektor sind Gebühren staatlichen Richtlinien unterworfen.<br />

2. Die meisten Programme sind zwar nach der ISCED-Klassifizierung auf Sekundarstufe-II-Niveau angesiedelt,<br />

werden jedoch außerhalb des Schulsektors angeboten.<br />

* Begriffsdefinitionen vgl. Glossar.<br />

Quelle: Kuczera, M. (erscheint demnächst), The <strong>OECD</strong> International Survey of VET Systems, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 53<br />

Unabhängig von den in den einzelnen Ländern gültigen Modalitäten muss<br />

<strong>die</strong> Finanzierung der Berufsbildung mit den Finanzierungsprinzipien der allgemeinen<br />

Bildung im Einklang sein. Werden z.B. in einem Land <strong>die</strong> Gebühren<br />

<strong>für</strong> Tertiärbildung durch einkommensabhängige Kredite finanziert, wobei<br />

Stu<strong>die</strong>rende mit niedrigen Einkommen durch Zuschüsse unterstützt werden,<br />

dann würde in <strong>die</strong>sem Rahmen <strong>für</strong> Berufsbildungsprogramme höheren Niveaus<br />

im Prinzip <strong>die</strong> gleiche Regelung gelten – es sei denn, es gibt Belege da<strong>für</strong>, dass<br />

Teilnehmer an Berufsbildungsmaßnahmen ein anderes Verhalten zeigen, z.B.<br />

weil es ihnen eher widerstrebt, einen Kredit aufzunehmen, oder weil Berufsbildungsprogramme<br />

zu einem höheren Lohnvorteil führen als andere postsekundäre<br />

Bildungswege. So empfahl der <strong>OECD</strong>-Länderbericht <strong>für</strong> Australien, dass<br />

<strong>die</strong> Gebühren <strong>für</strong> Berufsbildungsprogramme höheren Niveaus auf der gleichen<br />

breiten Basis wie <strong>die</strong> Gebühren <strong>für</strong> Hochschulbildung erhoben werden und mit<br />

den gleichen einkommensabhängigen Krediten gedeckt werden sollten, <strong>die</strong> auch<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Hochschulbildung gelten (Hoeckel et al., 2008). Dies ist seither durch<br />

das Programm VET FEE HELP umgesetzt worden. Allgemein gültige Prinzipien<br />

schließen natürlich eine differenzierte Finanzierung von Berufsbildungs- und<br />

anderen Bildungsprogrammen nicht aus, z.B. weil Arbeitgeber mehr Nutzen aus<br />

den Berufsbildungsprogrammen ziehen und deshalb ein höherer Beitrag von<br />

ihnen erwartet werden kann.<br />

Für <strong>die</strong> richtige Anzahl ausgebildeter Personen sorgen<br />

Junge Menschen im Ausbildungsalter treffen Entscheidungen – eine weitere<br />

Fremdsprache lernen, einen Kurs in höherer Mathematik besuchen, einen berufsbildenden<br />

Catering-Kurs belegen. Das sind schwierige Entscheidungen, <strong>die</strong><br />

langfristige Auswirkungen haben können. Sie unterliegen ferner Sachzwängen:<br />

Manche Möglichkeiten werden nicht angeboten oder nicht staatlich finanziert.<br />

Die Präferenzen der Schülerinnen und Schüler und der Arbeitgeber können sich<br />

überschneiden, sind z.T. aber auch unterschiedlich gelagert. Die Arbeitgeber<br />

erwarten, dass <strong>die</strong> Berufsausbildung ihnen <strong>die</strong> besten Arbeitskräfte zur Verfügung<br />

stellt, <strong>die</strong> über <strong>die</strong> von ihnen benötigten Kompetenzen verfügen. Die<br />

politisch Verantwortlichen im Berufsbildungsbereich (wie in anderen Bildungsbereichen)<br />

müssen entscheiden, bis zu welchem Grad sie den Schülerinnen und<br />

Schülern <strong>die</strong> von ihnen präferierten Programme anbieten und inwiefern sie <strong>die</strong><br />

Programme zur Verfügung stellen, <strong>die</strong> dem Arbeitgeberbedarf entsprechen (und<br />

entscheiden, wie <strong>die</strong>ser Bedarf erfasst werden sollte). Darüber hinaus können<br />

<strong>die</strong> Länder nur in den Bereichen berufsbildende Programme anbieten, in denen<br />

sie über <strong>die</strong> entsprechenden Lehrkräfte, Ausbilder und Einrichtungen verfügen,<br />

<strong>die</strong> dazu notwendig sind.<br />

Wichtigste Einflussfaktoren<br />

Drei Hauptfaktoren werden herangezogen, um den Angebotsmix festzulegen<br />

– Schülerpräferenzen, Arbeitgeberbedarf und Angebotskapazitäten.<br />

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54 – 2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN<br />

Schülerpräferenzen<br />

Die Präferenzen einzelner Schülerinnen und Schüler <strong>für</strong> <strong>die</strong> gewählten<br />

Ausbildungsgänge sind aus drei Gründen wichtig. Erstens können <strong>die</strong> Schülerinnen<br />

und Schüler ihre Fähigkeiten und <strong>die</strong> Eigenschaften, <strong>die</strong> sie <strong>für</strong> einen<br />

bestimmten Beruf besonders empfehlen, oft recht gut einschätzen – ihre Präferenzen<br />

zu berücksichtigen, führt somit zu höherer Produktivität. Zweitens<br />

wissen sie über das, was sie am liebsten tun, selbst besser Bescheid, so dass sie<br />

auch schwächere Erträge auf dem Arbeitsmarkt durch höheres Wohlbefinden<br />

kompensieren können. Drittens ist es kontraproduktiv, Schülerinnen und Schülern<br />

eine Berufswahl aufzuzwingen, <strong>die</strong> sie nicht wünschen – der in fast allen<br />

Ländern sehr hohe Anteil an Berufsbildungsabsolventen, <strong>die</strong> nach nur wenigen<br />

Jahren den Beruf wechseln, ist wahrscheinlich ein Hinweis auf manche willkommene<br />

Karriereentwicklung, kann aber auch das Ergebnis einer misslungenen<br />

Berufswahl sein.<br />

Arbeitgeberbedarf<br />

Dort, wo der Mix an Berufsbildungsangeboten geplant wird (und nicht von<br />

den Schülerpräferenzen abhängt), muss als Basis der aktuelle und künftige<br />

Arbeitgeberbedarf systematisch untersucht werden. Orientiert sich das Berufsbildungsangebot<br />

indessen ausschließlich an der Perspektive der Arbeitgeber, ist<br />

<strong>die</strong>s mit Risiken verbunden. Die Interessen der Arbeitgeber decken sich weder<br />

mit denen der Schülerinnen und Schüler noch mit denen der Gesellschaft. Die<br />

Arbeitgeber wünschen u.U. sehr eng definierte Kompetenzen in beruflichen<br />

Nischen oder Kompetenzen <strong>für</strong> schrumpfende Industrien und <strong>für</strong> Berufe, <strong>die</strong><br />

unangenehm und schlecht bezahlt sind, oder sie fordern ein Überangebot an<br />

ausgebildeten Kräften, um <strong>die</strong> Löhne in den dazugehörigen Berufen zu senken.<br />

Qualifikationsdefizite aus Sicht der Arbeitgeber können aus Sicht der potenziellen<br />

Arbeitnehmer oder Auszubildenden Beschäftigungsfelder mit „Niedriglöhnen“<br />

oder „mit unangenehmen Arbeitsbedingungen“ sein. Schrumpfende Industriezweige<br />

mit Strukturproblemen können sich auch über Qualifikationsdefizite<br />

beklagen, weil es ihnen nicht gelingt, Arbeitskräfte <strong>für</strong> Niedriglohntätigkeiten<br />

mit offensichtlich geringen Aufstiegschancen zu gewinnen. Veränderungen des<br />

Berufsbildungssystems werden <strong>die</strong>se Probleme nicht lösen. Die Arbeitgebernachfrage<br />

nach gewissen Kompetenzen ist keine feste Größe, da es Wege gibt,<br />

Technologie und Arbeitsplätze anzupassen, um <strong>die</strong> unangenehmsten Tätigkeiten<br />

abzuschaffen und sich dem verfügbaren Qualifikationsangebot anzupassen. Diese<br />

Arbeitgeberansprüche müssen gegen das gesamtgesellschaftliche Interesse<br />

abgewogen werden, einschließlich der Interessen der Schülerinnen und Schüler.<br />

Prinzipiell verfolgen <strong>die</strong> Gewerkschaften das Ziel, sicherzustellen, dass<br />

Berufsbildungsangebote nicht zu einem Überangebot an Kompetenzen führen<br />

(da <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Löhne drücken und Arbeitslosigkeit schaffen würde) und ausreichend<br />

übertragbare Kompetenzen entwickelt werden, um zu gewährleisten,<br />

dass ihre Mitglieder über <strong>die</strong> Möglichkeit verfügen, in andere verwandte Berufe<br />

zu wechseln, da sie erkannt haben, dass potenzielle Mobilität ihre Position bei<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 55<br />

Tarifverhandlungen verbessert. Gleichzeitig können <strong>die</strong> Gewerkschaften Interesse<br />

daran haben, Neuzugänge zu einem Beruf einzuschränken, um <strong>die</strong> Löhne<br />

hoch zu halten.<br />

Sowohl <strong>die</strong> Ansichten der Arbeitgeber und der Gewerkschaften zur Berufsbildung<br />

als auch der Umfang ihres entsprechenden Politikengagements sind von<br />

Land zu Land sehr unterschiedlich und hängen von zahlreichen Faktoren ab, u.a.<br />

von der Struktur der Industrie und des Bildungssystems, der Organisation der<br />

Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen und der Anerkennung, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se<br />

unter den von ihnen Vertretenen genießen. In Korea beispielsweise sind <strong>die</strong><br />

Gewerkschaften in der Regel nicht an beruflicher Erstausbildung auf Sekundarstufe-II-Ebene<br />

interessiert, weil der KMU-Sektor, zu dem eine Sekundarstufe-II-<br />

Berufsbildung tendenziell führt, nicht gewerkschaftlich organisiert ist (vgl.<br />

Kuczera, Kis und Wurzburg, 2009). Diese Fragen werden in Kapitel 6 eingehender<br />

erläutert.<br />

Zweifelsohne haben <strong>die</strong> Teilnehmer an einer Berufsbildung andere Interessen<br />

hinsichtlich ihrer Bildung und Ausbildung als Gewerkschaften und Arbeitgeber.<br />

Grundsätzlich sollte auch ihren Interessen bei der Planung der Berufsbildungsangebote<br />

Rechnung getragen werden. In der Praxis sind <strong>die</strong> Schülerinnen und<br />

Schüler meist nicht ausreichend gut organisiert, um ihre Interessen nachdrücklich<br />

kollektiv zu vertreten, weshalb der Staat <strong>die</strong>se an ihrer Stelle artikulieren muss.<br />

Angebotskapazitäten<br />

Die Berufsbildungseinrichtungen und ihre Mitarbeiter stehen <strong>für</strong> eine historische<br />

Verpflichtung. Angebotsbeschränkungen haben durchaus einen Einfluss<br />

auf den Angebotsmix – <strong>die</strong> Schulen können nicht sofort auf eine sich rasch verändernde<br />

Nachfrage reagieren, da <strong>die</strong> Ausstattung teuer ist, <strong>die</strong> Lehrkräfte und<br />

Ausbilder nicht so einfach ausgewechselt oder umgeschult werden können und<br />

bis zum Abschluss eines Ausbildungsprogramms ein gewisser Zeitraum erforderlich<br />

ist. Selbst langfristig können Kostenfaktoren <strong>die</strong> Angebote einschränken, da<br />

manche Ausstattungselemente <strong>für</strong> berufsbildende Einrichtungen einfach zu kostspielig<br />

sind. In rasch wachsenden Industriesektoren können gewisse Kompetenzen<br />

u.U. so hoch honoriert werden, dass es möglicherweise schwierig ist, jemanden<br />

zu finden, der sie beherrscht und bereit ist, als Ausbilder zu arbeiten.<br />

Während das Tempo der Anpassung stets begrenzt ist, muss es auf der<br />

Angebotsseite der Berufsbildungseinrichtungen genügend Anreize geben, auf<br />

neue und sich abzeichnende Arbeitsmarktbedürfnisse zu reagieren. Manchmal<br />

werden finanzielle Anreize eingesetzt, um <strong>die</strong> Berufsbildungseinrichtungen zu<br />

einer raschen Reaktion auf neuen und unvermittelt auftretenden Arbeitsmarktbedarf<br />

zu bewegen (z.B. <strong>die</strong> Schaffung von Programmen im Bereich der Umwelttechnologien).<br />

Wettbewerbsorientierte Zuschüsse werden in den Vereinigten<br />

Staaten zur Steigerung von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Berufsbildungseinrichtungen<br />

angewandt. So vergibt z.B. der „Perkins Instructional<br />

Equipment and Supplies Grant“ Mittel zum Kauf moderner Lehrausrüstung und<br />

-materialien. Im Bewerbungsverfahren müssen <strong>die</strong> Schulen nachweisen, dass<br />

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56 – 2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN<br />

<strong>die</strong> Ausrüstung von Unternehmen und Industrie empfohlen wurde, und beschreiben,<br />

welchen Nutzen <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler daraus ziehen werden<br />

(http://finance1.doe.mass.edu/Grants/grants10/rfp/411.html). Der Wettbewerb<br />

unter Schulen ist eine andere Möglichkeit zur Begrenzung von Angebotsbeschränkungen.<br />

Wenn der Einzelne <strong>die</strong> freie Wahl des Aus- und Weiterbildungsanbieters<br />

hat, schafft <strong>die</strong>s potenziell einen Markt oder einen Quasimarkt<br />

der Anbieter und verbessert <strong>die</strong> Reaktionsfähigkeit der Berufsbildungseinrichtungen<br />

auf <strong>die</strong> Schüler- und Arbeitgeberpräferenzen. Dies gilt in der Regel <strong>für</strong><br />

Systeme, in denen <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler bei der Berufsbildung <strong>die</strong> freie<br />

Schul- oder Arbeitgeberwahl haben und in denen <strong>die</strong> öffentliche Finanzierung<br />

der Anbieter auf Pro-Kopf-Basis definiert wird und den Schülerinnen und Schülern<br />

folgt. In Kasten 2.1 werden einige der Vor- und Nachteile eines solchen marktorientierten<br />

Ansatzes erörtert.<br />

Ausgleich zwischen Schülerpräferenzen und Arbeitgeberbedarf:<br />

einige Prinzipien<br />

Da sowohl <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler als auch <strong>die</strong> Arbeitgeber <strong>die</strong><br />

Nutzeffekte der Berufsbildung realisieren, muss ein effektives Berufsbildungssystem<br />

sowohl <strong>die</strong> Arbeitgebernachfrage als auch <strong>die</strong> Schülerpräferenzen widerspiegeln.<br />

Das jeweilige relative Gewicht <strong>die</strong>ser Faktoren ist von Land zu Land<br />

unterschiedlich. Das optimale Gleichgewicht hängt von verschiedenen Faktoren<br />

ab, darunter:<br />

• Kostenträgerschaft: Falls <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler den Großteil oder<br />

<strong>die</strong> Gesamtheit der Kosten des Berufsbildungsprogramms tragen, z.B. im<br />

postsekundären Bereich, dann sollte der Mix ebenfalls zu Gunsten der<br />

(fun<strong>die</strong>rten) Schülerpräferenzen ausfallen. Wenn <strong>die</strong> Arbeitgeber den<br />

Angebotsmix beeinflussen wollen, sollten sie auf allen Ebenen bereit sein,<br />

etwas zu dem entsprechenden Angebot beizutragen, meist in Form von<br />

Ausbildung und Praktika im Betrieb.<br />

• Alter der Schülerinnen und Schüler: Jüngere Schülerinnen und Schüler<br />

sind möglicherweise weniger in der Lage, langfristige Karriereentscheidungen<br />

zu treffen, und daher sollten <strong>die</strong> Schülerpräferenzen <strong>für</strong> bestimmte Berufsausbildungen<br />

durch eine Berücksichtigung der Arbeitsmarkterträge ausgeglichen<br />

werden, besonders dort, wo <strong>die</strong> Berufsbildung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Teilnehmer<br />

kostenfrei ist.<br />

• Breite und Orientierung der Programme: Programme mit einem großen<br />

Anteil allgemeinbildender Qualifikationen, <strong>die</strong> oft da<strong>für</strong> konzipiert sind,<br />

<strong>die</strong> Teilnehmer sowohl auf <strong>die</strong> nächste Bildungsstufe als auch auf den direkten<br />

Arbeitsmarktzugang vorzubereiten, müssen weniger stark durch spezifische<br />

Erfordernisse der Arbeitgeber eingeengt sein. Umgekehrt sollten bei Programmen,<br />

<strong>die</strong> <strong>für</strong> einen direkten Arbeitsmarktzugang gedacht sind, <strong>die</strong><br />

einen großen Anteil an berufsspezifischen Inhalten aufweisen und <strong>die</strong> nur<br />

selten zu höheren Bildungsgängen führen, <strong>die</strong> Beschäftigungsaussichten<br />

ein wesentlicher Faktor bei der Festlegung des Angebots sein.<br />

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2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 57<br />

Kasten 2.1 Hilft Wettbewerb bei der Verbesserung des<br />

Berufsbildungsangebots?<br />

In der Berufsbildung, wie in vielen anderen öffentlichen Politikbereichen, versuchen<br />

manche Länder, <strong>die</strong> Märkte zur Effizienzsteigerung zu nutzen. Ein potenzieller<br />

Vorteil des Wettbewerbs ist, dass er das System zwingen könnte, hinsichtlich<br />

des Angebotsmix <strong>die</strong> Schülerpräferenzen zu berücksichtigen. Berufsbildungseinrichtungen,<br />

<strong>die</strong> unattraktive Programme anbieten, werden sowohl Teilnehmer<br />

als auch finanzielle Mittel verlieren.<br />

Ganz allgemein wurde von einigen <strong>die</strong> Auffassung vertreten, dass Wettbewerb<br />

<strong>die</strong> Kosteneffizienz steigert, <strong>die</strong> Leistungen der Schülerinnen und Schüler verbessert<br />

und ein System hervorbringt, das besser auf <strong>die</strong> Bedürfnisse der Schülerinnen und<br />

Schüler zugeschnitten ist (Bradley et al., 2001; Woodfield und Gunby, 2003). Andere<br />

führen an, dass Wettbewerbsdruck <strong>die</strong> Schülerergebnisse senken kann, wenn <strong>die</strong><br />

Marktmechanismen und <strong>die</strong> Autonomie der Einrichtungen nicht mit einem passenden<br />

System zur Gewährleistung der Rechenschaftspflicht einhergehen (Wößmann et al.,<br />

2007). Dieser Druck kann außerdem <strong>die</strong> Qualität und Quantität des Angebots <strong>für</strong><br />

benachteiligte, schwer erreichbare Gruppen einschränken und bei Fehlen gezielter<br />

Abhilfemaßnahmen zu mehr Segregation führen (Bradley und Taylor, 2002).<br />

In Ländern, <strong>die</strong> sich <strong>für</strong> einen offenen Markt entschieden haben, sollte der<br />

Wettbewerb zwischen den Bildungseinrichtungen, ob privat oder staatlich, fair sein, da<br />

so ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis gesichert wird. Wenn <strong>die</strong> staatlichen Einrichtungen<br />

allein eine Universal<strong>die</strong>nstverpflichtung erfüllen (indem sie beispielsweise<br />

Schülerinnen und Schüler aufnehmen müssen, wenn private Einrichtungen ihren<br />

Betrieb einstellen), muss <strong>die</strong>s entsprechend anerkannt und honoriert werden.<br />

In Australien betreiben <strong>die</strong> Bundesstaaten und Territorien eine national vereinbarte<br />

Politik der nutzerbestimmten Finanzierung <strong>für</strong> Berufsausbildungen und<br />

Praktika. Entsprechend <strong>die</strong>ser Politik können der Arbeitgeber und der Auszubildende/Praktikant<br />

<strong>die</strong> Bildungseinrichtung und <strong>die</strong> Art der Ausbildung wählen. Die<br />

Bundesstaaten und Territorien setzen <strong>die</strong>se Politik auf unterschiedliche Weise um.<br />

Manche Staaten definieren, welche Berufsausbildungen oder Praktika <strong>für</strong> <strong>die</strong> nutzerbestimmte<br />

Finanzierung in Frage kommen, was hauptsächlich als Strategie <strong>für</strong> eine<br />

Rationierung der Ausbildungsplätze und eine Sicherung der Angebotsqualität <strong>die</strong>nt.<br />

In Schweden besuchen <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler <strong>die</strong> Sekundarstufe-II-<br />

Berufsbildungseinrichtung ihrer Wahl. Alle Sekundarstufe-II-Einrichtungen, einschließlich<br />

anerkannter unabhängiger (privater) Schulen, werden <strong>für</strong> jeden Schüler vollständig<br />

durch <strong>die</strong> Gemeinde finanziert, und der Unterricht ist gebührenfrei. Die Erlaubnis<br />

zum Aufbau einer Privatschule wird unter der Bedingung erteilt, dass <strong>die</strong> Schule<br />

dem national vereinbarten Lehrplan folgt und <strong>die</strong>selben demokratischen Werte<br />

vermittelt wie von den Schulbehörden verwaltete Einrichtungen (Swedish Association<br />

of Independent Schools: www.friskola.se/Om_oss_In_English_DXNI-38495_.aspx;<br />

Skolverket: www.skolverket.se/sb/d/354). Allerdings sind <strong>die</strong> staatlichen und <strong>die</strong><br />

unabhängigen Schulen nicht genau an <strong>die</strong> gleichen Regeln gebunden, z.B. müssen<br />

sich <strong>die</strong> unabhängigen Schulen nicht den Auflagen unterwerfen, <strong>die</strong> auf Gemeindeebene<br />

festgelegt werden (Skolverket, 2006), was ein potenzielles Risiko <strong>für</strong> den<br />

fairen Wettbewerb unter den Einrichtungen darstellt.<br />

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58 – 2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN<br />

• Vorhersehbarkeit: In manchen Bereichen, wie dem Bildungs- und dem<br />

Gesundheitswesen, ist der Arbeitskräftebedarf möglicherweise besser vorhersehbar<br />

als in anderen. In <strong>die</strong>sen Bereichen kann es vernünftiger sein,<br />

<strong>die</strong> Angebote eng an den erwarteten Bedarf zu knüpfen (unter Berücksichtigung<br />

möglicher migrationsbedingter Veränderungen).<br />

Ausgleichsmechanismen<br />

Die einzelnen Länder be<strong>die</strong>nen sich unterschiedlicher Mechanismen, um<br />

einen Ausgleich zwischen Schülerpräferenzen und Arbeitgeberbedarf zu schaffen<br />

und gleichzeitig <strong>die</strong> Angebotsbeschränkungen zu begrenzen, <strong>die</strong> zu Verzerrungen<br />

des Angebotsmix führen können. Dabei gibt es im Wesentlichen drei Ansätze:<br />

Erstens kann das Angebot durch <strong>die</strong> Verfügbarkeit von betrieblicher Ausbildung<br />

reguliert werden (siehe unten). Zweitens können <strong>die</strong> <strong>für</strong> Berufsbildung zuständigen<br />

Behörden eine Überprüfung des Kompetenzbedarfs initiieren, <strong>die</strong> dann in<br />

<strong>die</strong> Strategie zur Bereitstellung des Berufsbildungsangebots einfließt. Drittens<br />

kann Berufsberatung <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler über sich verändernde Anforderungen<br />

am Arbeitsmarkt informieren und dadurch <strong>die</strong> Schülerpräferenzen besser<br />

mit dem Arbeitgeberbedarf abstimmen. In der Praxis werden <strong>die</strong>se Ansätze oft<br />

miteinander verbunden, wobei jeweils einer von ihnen mehr Gewicht erhält als<br />

<strong>die</strong> anderen.<br />

Ein ganz allgemeines Problem ist, dass Berufsbildungsprogramme oft auf<br />

mehrere Jahre angelegt sind, so dass zwischen der Entscheidung über den Angebotsmix<br />

und den Eintritt der Absolventen in den Arbeitsmarkt ein zeitlicher<br />

Abstand besteht. So erhalten <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler in Dänemark beispielsweise<br />

zwei Jahre vor Beginn der Berufsausbildung ihre Zusage, also vier Jahre<br />

bevor sie <strong>für</strong> den Arbeitsmarkteintritt bereit sind. In Deutschland, Österreich<br />

und der Schweiz dauern Berufsausbildungen in der Regel zwei bis vier Jahre.<br />

Schulbasierte Berufsausbildungen sind ebenfalls mehrjährig. Für viele Arbeitgeber<br />

ist es schwierig, ihren künftigen Einstellungsbedarf vorauszuplanen. Auch<br />

<strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler empfinden es als schwierig, vorauszusehen, welche<br />

Berufe in Zukunft gefragt sein werden (Borghans, Grip und Heijke, 1996).<br />

Die Antizipierung des künftigen Bedarfs, und zwar sowohl auf regionaler Ebene<br />

als auch nach Berufszweig, und <strong>die</strong> Definition der benötigten Berufsbildungsergebnisse<br />

sind auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Planer eine schwierige Aufgabe. Dennoch ist da<strong>für</strong><br />

ein Mechanismus erforderlich. Wenn <strong>die</strong> Berufsbildungsangebote nicht durch<br />

den Arbeitsmarktbedarf beeinflusst werden, spiegeln sie eher <strong>die</strong> Kompetenz<br />

der Berufsbildungseinrichtungen 1 (<strong>die</strong> oft bereits vorhandene und billigere Programme<br />

begünstigen) und wenig fun<strong>die</strong>rte Schülerpräferenzen wider. Diese<br />

Schwierigkeiten bei der Antizipierung künftiger Kompetenzen untermauern das<br />

Argument zu Gunsten einer Ausstattung junger Menschen mit guten allgemeinen<br />

Qualifikationen, da <strong>die</strong>se das lebenslange <strong>Lernen</strong> und <strong>die</strong> Anpassungsfähigkeit<br />

an sich verändernde Rahmenbedingungen fördern (siehe unten).<br />

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2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 59<br />

Anpassung durch betriebliche Ausbildung<br />

Der Arbeitgeberbedarf und <strong>die</strong> Schülerpräferenzen können durch einen<br />

Markt <strong>für</strong> betriebliche Ausbildung miteinander in Einklang gebracht werden. In<br />

Systemen, in denen das Berufsausbildungsangebot an das Vorhandensein von<br />

betrieblichen Ausbildungsplätzen gebunden ist, können Arbeitgeber <strong>die</strong> Anzahl<br />

und den Mix der Ausbildungsplätze durch ihre Bereitschaft beeinflussen,<br />

betriebliche Ausbildungen anzubieten, z.B. in Form von Lehrstellen. Die Schülerinnen<br />

und Schüler haben dadurch <strong>die</strong> Wahl zwischen einer ganzen Bandbreite<br />

von Programmen, sind aber faktisch auf <strong>die</strong>jenigen beschränkt, <strong>für</strong> welche eine<br />

betriebliche Ausbildung angeboten wird. So können <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler,<br />

<strong>die</strong> keinen Ausbildungsplatz finden, in Deutschland und der Schweiz keinen<br />

berufsqualifizierenden Abschluss erlangen. (Oft gründet sich der endgültige<br />

Angebotsmix natürlich nicht allein auf Marktanpassung; während <strong>die</strong> Verfügbarkeit<br />

von Ausbildung im Betrieb ein sehr wichtiger Faktor ist, spielt in vielen<br />

Ländern mit Berufsausbildungssystemen auch der Staat eine aktive Rolle durch<br />

Ausbau der außerbetrieblichen praktischen Ausbildung oder indem den Unternehmen<br />

Ausbildungsanreize geboten werden, vgl. Kapitel 5.)<br />

Selbst überwiegend schulbasierte Programme können <strong>die</strong> Verfügbarkeit<br />

von betrieblichen Ausbildungsplätzen als Indikator <strong>für</strong> Arbeitsmarktrelevanz<br />

verwenden – der <strong>OECD</strong>-Prüfbericht Schweden empfahl beispielsweise, ein<br />

15-wöchiges Arbeitspraktikum während eines Zeitraums von drei Jahren <strong>für</strong> alle<br />

Berufsbildungsprogramme auf Sekundarstufe-II-Niveau obligatorisch zu<br />

machen (Kuczera et al., 2008). Die Idee hinter <strong>die</strong>ser Empfehlung bestand darin,<br />

das Verhältnis zwischen schulischer Ausbildung und Unternehmen zu verändern,<br />

so dass trotz des relativ kleinen Anteils von 15 Wochen an der gesamten<br />

Ausbildung auf <strong>die</strong>se gänzlich verzichtet werden sollte, wenn da<strong>für</strong> nicht mindestens<br />

<strong>die</strong> Unterstützung der Arbeitgeber <strong>für</strong> ein kurzes Arbeitspraktikum gesichert<br />

werden kann. Diese Empfehlung wird derzeit in Schweden umgesetzt.<br />

Die Nutzung der betrieblichen Ausbildung kann auch das Verhältnis zwischen<br />

Arbeitsmarktbedarf und Berufsbildungsangebot verbessern, indem verzerrende<br />

Angebotsbeschränkungen reduziert werden. Dort, wo <strong>die</strong> praktische Ausbildung<br />

hauptsächlich in Unternehmen stattfindet, wird <strong>die</strong> Fähigkeit der Berufsbildungseinrichtungen,<br />

moderne Ausrüstung sowie mit den neuesten Kenntnissen und<br />

Techniken vertraute Lehrkräfte und Ausbilder zur Verfügung zu stellen, weniger<br />

stark eingeschränkt.<br />

Beurteilung des künftigen Kompetenzbedarfs<br />

Sinn der Berufsbildung ist es, <strong>die</strong> notwendigen Kompetenzen <strong>für</strong> künftige<br />

Arbeitsplätze zu vermitteln. Der Arbeitsmarktbedarf der Zukunft ist naturgemäß<br />

jedoch ungewiss. Die Herausforderung besteht darin, zu ermitteln, was sowohl<br />

kurzfristig als auch über einen Zeitraum von einigen Jahren einigermaßen vorhersehbar<br />

ist, und was nicht. Der Qualifikationsbedarf in unterschiedlichen Bereichen<br />

des Arbeitsmarkts lässt sich auf verschiedenste Weise ermitteln: Eine<br />

Möglichkeit wären Konsultationen mit lokalen Arbeitgebern und Gewerkschaften<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


60 – 2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN<br />

zum jeweils aktuellen Qualifikationsbedarf. Eine andere wären langfristige Projektionen<br />

des künftigen Bedarfs auf der Basis von Konsultationen mit den Unternehmen<br />

oder durch unabhängige Instanzen. Zahlreiche <strong>OECD</strong>-Länder (z.B.<br />

Australien, Kanada, Irland und Finnland) prognostizieren <strong>die</strong> Beschäftigungstrends<br />

hauptsächlich nach Berufskategorien, oft mit einem Zeithorizont von fünf<br />

bis zehn Jahren (Neugart und Schömann, 2002). Die Europäische Union hat<br />

sowohl <strong>für</strong> <strong>die</strong> Union insgesamt als auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> einzelnen Mitgliedstaaten ebenfalls<br />

mittelfristige Prognosen des Qualifikationsbedarfs erstellt (CEDEFOP,<br />

2008).<br />

Viele Länder (z.B. Irland, Finnland) nutzen Kompetenzprognosen als eine<br />

sehr allgemeine Richtschnur <strong>für</strong> <strong>die</strong> politische Entscheidungsfindung der Regierungen<br />

und öffentlichen Stellen sowie zur Information der Schülerinnen und<br />

Schüler und der Sozialpartner. In Irland erstellen <strong>die</strong> „Expert Group on Future<br />

Skills Needs“ und das „FÁS/ESRI Manpower Forecasting Programme“ mittelund<br />

langfristige Prognosen, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Kompetenzstrategie des Landes einfließen<br />

(EGFSN, 2007). Manche Länder, wie Australien, haben solche Projektionen<br />

auch zur genaueren Planung ihres beruflichen Aus- und Weiterbildungsangebots<br />

verwendet. Auf der Basis nationaler Prognosen wird eine nationale Strategie<br />

erstellt, welche dann <strong>die</strong> Basis des Aus- und Weiterbildungsplans in jedem<br />

Bundestaat und Territorium bildet (DEST, 2006). Auf Ebene der Bundesstaaten<br />

können lokale Faktoren einbezogen werden, um <strong>die</strong> zentral geplanten Zahlen zu<br />

revi<strong>die</strong>ren (Gasskov, 2000). In jüngster Zeit, nach der Einführung von Skills<br />

Australia, hat Australien seinen Ansatz in Richtung eines eher nachfrageorientierten<br />

Modells verschoben. Mancherorts, wie in South Carolina (Vereinigte<br />

Staaten) und Belgien/Flandern werden zur Planung eher Ad-hoc-Konsultationen<br />

mit der Wirtschaft verwendet. Solche Konsultationen <strong>die</strong>nen dazu, <strong>die</strong> Nachfrage<br />

unter den lokalen Unternehmen zu ermitteln, bevor in der postsekundären<br />

beruflichen Bildung ein neues Programm gestartet werden kann.<br />

Die Konzipierung verlässlicher Prognosemodelle stellt eine große Herausforderung<br />

dar, weil <strong>die</strong> Kompetenznachfrage von zahlreichen Faktoren abhängt,<br />

wovon viele schwer vorauszusagen sind, z.B. der technische Fortschritt, das<br />

weltweite Konjunkturumfeld und <strong>die</strong> staatlichen Politiken, <strong>die</strong> wiederum vom<br />

Wählerverhalten beeinflusst werden. Evaluierungen von Prognosemodellen deuten<br />

darauf hin, dass sie nützliche Hinweise auf allgemeine Arbeitsmarkttrends<br />

liefern können, jedoch auf der Ebene einzelner Berufe oft nicht verlässlich sind<br />

(Neugart und Schömann, 2002; Sexton, 2002; Barnow, 2002; Richardson und<br />

Tan, 2007). In manchen spezifischen Bereichen, wie im Gesundheitswesen und<br />

im Bildungswesen, können Prognosen eine zentralere Rolle spielen, da sie mit<br />

relativ stabilen demografischen Trends verbunden werden können und der Staat<br />

oft der dominierende Arbeitgeber ist. Selbst in <strong>die</strong>sen Bereichen sorgt <strong>die</strong> internationale<br />

Migration jedoch immer öfter <strong>für</strong> einen Bruch im Verhältnis zwischen<br />

den nationalen Ausbildungsbemühungen und dem Arbeitskräfteangebot – z.B.<br />

durch <strong>die</strong> internationale Migration von Krankenpflegekräften.<br />

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2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 61<br />

Bildungs- und Berufsberatung<br />

Eine effektive Bildungs- und Berufsberatung kann auch <strong>die</strong> Schülerpräferenzen<br />

besser an den Arbeitsmarkterfordernissen orientieren (vgl. Kapitel 3). In<br />

einer früheren Stu<strong>die</strong> von Fogel und Mitchell (1973) wurde <strong>die</strong> Auffassung vertreten,<br />

dass <strong>die</strong> Vorlieben der Schülerinnen und Schüler nicht immer den<br />

Bedürfnissen des Arbeitsmarkts angepasst sind. Der Einfluss marktfremder Faktoren<br />

ist an sich nicht problematisch. Einige marktfremde Einflüsse, wie Persönlichkeit<br />

und Interessen, sind laut Culpepper (2006) wünschenswert. Manch andere<br />

hingegen, wie Vorurteile gegenüber einem Beruf, sollten minimiert werden.<br />

Tatsächlich spielen Schülerpräferenzen auf der Basis guter Informationen über<br />

<strong>die</strong> Arbeitsmarktperspektiven eine Schlüsselrolle bei der Verbindung des<br />

Berufsbildungsangebots mit den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts, weil Schülerinnen<br />

und Schüler im Allgemeinen lieber Kurse belegen, <strong>die</strong> auf gute Arbeitsplätze<br />

vorbereiten. Eine deutsche Stu<strong>die</strong> (Heckhausen und Tomasik, 2002)<br />

gelangte zu der Erkenntnis, dass Informationen über Arbeitsmarktperspektiven<br />

konstruktiv dazu beitragen können, <strong>die</strong> Ansichten der Schülerinnen und Schüler<br />

über ihren „Traumberuf“ zu verändern. Je näher der Bewerbungsschluss <strong>für</strong><br />

Ausbildungsplätze rückte und je mehr Antworten potenzieller Arbeitgeber <strong>die</strong><br />

Schülerinnen und Schüler erhielten, desto bescheidener und realistischer wurden<br />

<strong>die</strong> Vorstellungen der Schüler von ihrem „Traumjob“.<br />

Anreize einsetzen<br />

Es können zusätzliche Anreize eingesetzt werden, um Qualifikationsdefiziten zu<br />

begegnen. Daraus folgt:<br />

• Gezielte Zuschüsse können Schülerinnen und Schülern bewilligt werden,<br />

<strong>die</strong> sich in durch Qualifikationsdefizite gekennzeichneten Bereichen ausbilden<br />

lassen. In Ungarn z.B. wurde vor kurzem ein solcher Zuschuss <strong>für</strong><br />

Berufsschülerinnen und -schüler auf Sekundarstufe-II-Niveau in bestimmten<br />

Sektoren eingeführt.<br />

• Anreize zur Behebung von Qualifikationsdefiziten können dazu verwendet<br />

werden, <strong>die</strong> Anzahl der arbeitgeberseitig angebotenen betrieblichen Ausbildungsplätze<br />

zu erhöhen. In vielen Ländern werden Unternehmen Anreize<br />

geboten (z.B. Beihilfen, Steuervorteile) und nichtfinanzielle Maßnahmen<br />

ergriffen, um das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen zu erhöhen<br />

(vgl. Kapitel 5).<br />

• Der Einfluss der Verfügbarkeit betrieblicher Ausbildungsplätze auf den<br />

Mix der Berufsbildungsangebote kann ferner reduziert werden, wenn <strong>die</strong><br />

<strong>für</strong> Berufsbildung zuständigen Behörden als Antwort auf <strong>die</strong> fehlenden<br />

Lehrstellen eine außerbetriebliche praktische Ausbildung anbieten (z.B. in<br />

Dänemark und Österreich). Solche Angebote können jedoch an <strong>die</strong> ermittelten<br />

Bedürfnisse des Arbeitsmarkts angepasst werden. In Österreich berücksichtigt<br />

das Arbeitsmarktservice, das solche Ausbildungen organisiert, <strong>die</strong><br />

Nachfrage nach Fachkräften. In Dänemark schränkt der Staat <strong>die</strong> Zulassung<br />

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62 – 2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN<br />

zu Programmen ein, in denen <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler keinen Ausbildungsplatz<br />

finden oder wo schlechte Beschäftigungsaussichten bestehen<br />

(Dänisches Bildungsministerium, 2005).<br />

Den richtigen Qualifikationsmix in der Berufsbildung erzielen<br />

Natürlich können <strong>die</strong> Arbeitgeber besonders gut einschätzen, welcher<br />

Qualifikationsmix <strong>für</strong> welche Berufe am besten geeignet ist, weshalb es sinnvoll<br />

ist, dass <strong>die</strong> Unternehmen bei der Erarbeitung des Lehrprogramms eine Schlüsselrolle<br />

spielen. Wenn <strong>die</strong> Arbeitgeber jedoch einen zu dominanten Einfluss ausüben,<br />

können <strong>die</strong> Lehrpläne möglicherweise <strong>die</strong> Bedeutung der berufsspezifischen<br />

Kompetenzen überschätzen und den allgemeinen Kompetenzen nicht genügend<br />

Rechnung tragen, <strong>die</strong> <strong>für</strong> den Wechsel von einem Unternehmen und<br />

einem Beruf zum anderen benötigt werden (Smits, 2007). Die Interessen der<br />

Arbeitgeber hängen davon ab, auf welcher Ebene sie ausgedrückt werden.<br />

Während <strong>die</strong> Arbeitgeber auf lokaler Ebene vielleicht nicht wünschen, dass ihre<br />

Arbeitskräfte ausgeprägte übertragbare Kompetenzen besitzen, weil <strong>die</strong>s <strong>die</strong><br />

Arbeitskräftefluktuation erhöhen könnte, sind Arbeitgeber kollektiv an einer<br />

flexiblen und anpassungsfähigen Erwerbsbevölkerung interessiert.<br />

Wie in Kapitel 1 erörtert wurde, muss <strong>die</strong> berufliche Bildung ein Gleichgewicht<br />

erreichen zwischen der Vermittlung einer Reihe ganz praktischer berufsbezogener<br />

Kompetenzen, dank derer <strong>die</strong> <strong>Lernen</strong>den direkt beschäftigungsfähig<br />

und produktiv werden und somit leichter in den Arbeitsmarkt integriert werden<br />

können, und einer Reihe allgemeinerer übertragbarer Kompetenzen, darunter<br />

(beispielsweise) Rechnen, Lesen und Schreiben, Teamarbeit, Kommunikationsfähigkeit,<br />

Flexibilität und <strong>die</strong> Fähigkeit, sich neue Kompetenzen anzueignen.<br />

Einige <strong>die</strong>ser Kompetenzen sind <strong>die</strong> Basis anderer Lernerfahrungen, einschließlich<br />

des Erlernens praktischer beruflicher Kompetenzen. Sie bereichern außerdem<br />

das Kompetenzspektrum des Einzelnen um <strong>die</strong> Fähigkeit, sich an veränderte<br />

Umstände und Qualifikationsanforderungen anzupassen. Diese übertragbaren<br />

Kompetenzen sind bei möglichem späteren Arbeitsplatzwechsel oder beruflicher<br />

Veränderung und auch zur Unterstützung des weiteren <strong>Lernen</strong>s erforderlich.<br />

Während alle hier erwähnten Kompetenzen von Bedeutung sind, betreffen <strong>die</strong><br />

meisten verwertbaren Belege zu den übertragbaren Kompetenzen <strong>die</strong> sprachlichen<br />

und mathematischen Fähigkeiten, <strong>die</strong> deshalb hauptsächlich, aber nicht<br />

ausschließlich im Fokus der nachstehenden Erörterung liegen.<br />

Wie ebenfalls in Kapitel 1 erörtert wurde, folgt in den <strong>OECD</strong>-Ländern auf<br />

eine Berufsausbildung der Sekundarstufe II vielfach ein tertiärer Bildungsgang.<br />

Dies erfordert eine ausreichende Betonung der Kernkompetenzen in Lesen,<br />

Schreiben und Mathematik, nicht nur um ein absolutes Minimum an Grundbildung<br />

<strong>für</strong> alle sicherzustellen, sondern auch um das ganze Potenzial von<br />

Schülerinnen und Schülern zu nutzen, <strong>die</strong> in der Lage sind, nach einer Berufsausbildung<br />

an fortgeschrittenen Bildungsprogrammen teilzunehmen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 63<br />

Kommentatoren haben unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der<br />

relativen Bedeutung spezifischer und allgemeiner Kompetenzen geäußert (Billet<br />

und Hayes, 1998; Kilpatrick, Hamilton und Falk, 2001). In der Berufsbildung<br />

erworbene spezifische Kompetenzen sollten einen leichten Übergang in den<br />

Arbeitsmarkt ermöglichen, ohne langwierige zusätzliche berufsspezifische Einarbeitung.<br />

Berufsausbildungen benötigen firmenspezifische Elemente, um <strong>die</strong><br />

kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen zu be<strong>die</strong>nen, zumindest<br />

zu Beginn, da <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Arbeitgeber auch dazu anregen wird, Ausbildungsplätze<br />

anzubieten. Das Gewicht der unterschiedlichen Kompetenzen in berufsbildenden<br />

Programmen der Sekundarstufe II ist sehr unterschiedlich, doch an<br />

einem Ende des Spektrums, bei vielen Berufsausbildungen, entfällt auf Sprachund<br />

Mathematikkompetenzen nur ein eher kleiner Teil des (üblichen) ein- bis<br />

eineinhalb Wochentage umfassenden Schulanteils im dualen System. Am anderen<br />

Ende des Spektrums erhalten einige Auszubildende an Vollzeit-Berufsbildungseinrichtungen<br />

ein komplettes Sprach- und Mathematiklehrprogramm – z.B. in<br />

schwedischen berufsbildenden Schulen, wo <strong>die</strong> Kernerfordernisse <strong>die</strong> gleichen<br />

sind wie in der allgemeinbildenden Sekundarstufe II.<br />

Warum allgemeine Kompetenzen immer wichtiger werden<br />

In mehreren Stu<strong>die</strong>n wird <strong>die</strong> Bedeutung allgemeiner Kompetenzen in den<br />

Lehrplänen betont. In modernen Volkswirtschaften erfordern immer mehr Berufe,<br />

einschließlich der manuellen, solide allgemeine Qualifikationen. Eine Stu<strong>die</strong> aus<br />

den Vereinigten Staaten (Autor, Levy und Murnane, 2003) deutet darauf hin,<br />

dass der technische Fortschritt (insbesondere <strong>die</strong> Informatisierung) <strong>die</strong> Bedeutung<br />

von Problemlösungsfähigkeiten und komplexen Kommunikationskompetenzen<br />

auf dem Arbeitsmarkt erheblich gesteigert hat. Die Entwicklung <strong>die</strong>ser<br />

Qualifikationen wird durch gute Sprach- und Mathematikkompetenzen unterstützt<br />

(Levy und Murnane, 2004). Ganz allgemein ist <strong>Lernen</strong> – sowohl in der<br />

Erstausbildung als auch in Form lebenslangen <strong>Lernen</strong>s – ohne solide Grundkompetenzen<br />

schwierig. Die Arbeitsmärkte verändern sich schnell und oft unvorhersehbar.<br />

Da praktisch alle Arbeitskräfte im Lauf ihres Berufslebens neue<br />

Kompetenzen erwerben werden müssen, sind Sprach- und Mathematikkompetenzen<br />

langfristig besonders wertvoll (Kézdi, 2006). In Bereichen, <strong>die</strong> raschem<br />

technologischem Wandel unterworfen sind, ist <strong>die</strong> Lernfähigkeit entscheidend,<br />

und <strong>die</strong> allgemeinen Kompetenzen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Fähigkeit unterstützen, haben bei<br />

den Arbeitgebern einen hohen Stellenwert (Smits, 2007; Ghost, 2002; Köllő,<br />

2006). In Branchen mit niedrigem Technologiegehalt und auf niedrigeren Kompetenzebenen<br />

werden allgemeine Qualifikationen möglicherweise von den<br />

Arbeitgebern weniger hoch bewertet, dennoch müssen <strong>die</strong> dort tätigen Arbeitskräfte<br />

in der Lage sein, <strong>die</strong> Stelle zu wechseln, da gerade sie von der Arbeitslosigkeit<br />

durch ein schrumpfendes Stellenangebot bedroht sind (Smits, 2007).<br />

Solide Sprach- und Mathematikkompetenzen sind mit besseren Ergebnissen<br />

auf dem Arbeitsmarkt verbunden. Daten aus der Internationalen Vergleichsstu<strong>die</strong><br />

zu den Grundqualifikationen Erwachsener (International Adult Literacy Survey<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


64 – 2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN<br />

– IALS) zeigen, dass Menschen mit schwachen Sprachkompetenzen mit höherer<br />

Wahrscheinlichkeit arbeitslos sind, selbst wenn andere Hintergrundvariablen<br />

(Bildungsergebnisse, Alter, Geschlecht) einbezogen werden (Abb. 2.1). Eine<br />

australische Stu<strong>die</strong> (Chiswick, Lee und Miller, 2002) ergab, dass etwa <strong>die</strong> Hälfte<br />

des Gesamteffekts der Bildung auf <strong>die</strong> Arbeitsmarktergebnisse (Erwerbsbeteiligung,<br />

Arbeitslosigkeit) auf Sprach- und Mathematikkompetenzen zurückzuführen ist 2 .<br />

Abbildung 2.1 Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeit und Sprachkompetenz<br />

Wahrscheinlichkeit einer Arbeitslosigkeit anhand der Sprachkompetenzergebnisse im<br />

Umgang mit Texten, Männer zwischen 16 und 25 Jahren mit weniger als<br />

Sekundarstufe-II-Abschluss, 1994-1998<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500<br />

Norwegen<br />

Irland<br />

Australien<br />

Ver. Staaten<br />

Schweiz<br />

Quelle: <strong>OECD</strong> und Statistics Canada (2009), Literacy in the Information Age. Final Report of the International<br />

Adult Literacy Survey, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

Unzureichende Abdeckung der allgemeinen Kompetenzen in manchen<br />

Berufsbildungsprogrammen<br />

Eine der wichtigsten Funktionen der Pflichtschuljahre ist <strong>die</strong> Vermittlung<br />

von Grundqualifikationen in Lesen, Schreiben und Rechnen, und <strong>die</strong>sbezügliche<br />

Schwächen sind nicht dem Berufsbildungssystem anzulasten. Sehr oft werden<br />

jedoch <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler mit schwachen Sprach- und Mathematikkompetenzen<br />

in Richtung berufsbildender Programme orientiert. So wiesen in<br />

Österreich im Jahr 2003 fast 40% der Schülerinnen und Schüler an den Berufsschulen<br />

schwache Sprachkompetenzen auf (Stufe 1 und niedriger im PISA-Test)<br />

(Hoeckel, 2010). Wenngleich <strong>die</strong> beste Lösung <strong>die</strong>ser Probleme ohne Zweifel<br />

darin bestünde, Maßnahmen im Vorschul- und Schulbereich zu treffen, müssen<br />

<strong>die</strong> berufsbildenden Programme eindeutig den auftretenden Problemen begegnen.<br />

In Tabelle 2.2 wird dargestellt, dass in einigen <strong>OECD</strong>-Ländern <strong>die</strong> Teilnehmer<br />

an Berufsausbildungen mehr als <strong>die</strong> Hälfte ihrer Zeit in der praktischen<br />

Ausbildung verbringen. In der verbleibenden Zeit wird z.T. <strong>die</strong> Theorie ihres<br />

Zielberufs gelernt, und der Rest ist in der Regel der allgemeineren Bildung<br />

gewidmet.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 65<br />

Tabelle 2.2 Wie viel praktische Ausbildung* innerhalb einer Berufsausbildung?<br />

Geschätzter prozentualer Anteil der Berufsbildungsprogramme des Sekundarbereichs II<br />

Anteil der in praktischer Ausbildung verbrachten Zeit<br />

an der Gesamtausbildung<br />

75% oder<br />

mehr<br />

Zwischen<br />

50% und<br />

75%<br />

Zwischen<br />

25% und<br />

50%<br />

Unter<br />

25%<br />

Schwankt je nach<br />

Einrichtung, Programm,<br />

Bereich usw.<br />

Australien 1<br />

<br />

Belgien (Fl) - - <br />

Dänemark - - - -<br />

Deutschland - - -<br />

Finnland - - - -<br />

Frankreich - - -<br />

Niederlande <br />

Norwegen - - - <br />

Österreich -<br />

Schweden - - - -<br />

Schweiz - - <br />

Tschech. Rep. - - -<br />

Türkei - - -<br />

Ungarn - -<br />

Ver. Staaten - - - -<br />

Anmerkung: Geschätzter Prozentsatz der Berufsbildungsprogramme auf Sekundarstufe-II-Niveau: - 0%;<br />

1-25%; 26-50%; 51-75%; 76-100%.<br />

1. Die meisten Sekundarstufe-II-Ausbildungen finden außerhalb des Schulbereichs statt.<br />

* Begriffsdefinitionen vgl. Glossar.<br />

Quelle: Kuczera, M. (erscheint demnächst), The <strong>OECD</strong> International Survey of VET Systems, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

Entwicklung allgemeiner Qualifikationen in Berufsbildungsprogrammen<br />

Maßnahmen zur Behebung starker Defizite bei Sprach- und<br />

Mathematikkompetenzen<br />

Für manche Schülerinnen und Schüler in Berufsbildungsprogrammen sind<br />

sehr schwache Grundqualifikationen eine ernste Hürde. Stu<strong>die</strong>n zeigen, dass<br />

viele Personen ihre eigenen Sprach- und Mathematikschwächen nicht richtig<br />

einschätzen können. Daten aus dem Vereinigten Königreich zeigen, dass viele<br />

Personen mit schwachen Grundkompetenzen ihre Schwierigkeiten nicht erkennen,<br />

insbesondere hinsichtlich der Rechenkompetenz (Bynner und Parsons, 2006).<br />

Eine Sprachkompetenzerhebung in Kanada ergab, dass <strong>die</strong> durchschnittliche<br />

Korrelation zwischen Selbsteinschätzungen von Fähigkeiten und tatsächlichen<br />

Testergebnissen nur 0,42 betrug (Finnie und Meng, 2005). Diese Stu<strong>die</strong> deutet<br />

auch darauf hin, dass Personen ihre Sprachkompetenz im Verhältnis zu einer Art<br />

„lokaler Norm“ einschätzen, sich also mit ihren Klassenkameraden, Freunden oder<br />

Kollegen vergleichen, so dass sie sich ihrer Sprachprobleme möglicherweise<br />

überhaupt nicht bewusst werden, wenn sich ihr Umfeld auf einer ähnlich niedrigen<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


66 – 2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN<br />

Sprachkompetenzebene befindet. Dieselbe Stu<strong>die</strong> zeigt andererseits, dass Hintergrundfaktoren<br />

(wie Lernschwierigkeiten/Lernstörungen in der Kindheit) größere<br />

Auswirkungen auf <strong>die</strong> Selbsteinschätzung der Kompetenzen als auf <strong>die</strong><br />

tatsächlichen Lese- und Rechtschreibkompetenzen haben. Mit anderen Worten<br />

besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, dass Personen mit früheren Lernschwierigkeiten/Lernstörungen<br />

ihre Probleme auch angeben, während Personen<br />

ohne solche Nachteile mit größerer Wahrscheinlichkeit ihre Kompetenzen überschätzen.<br />

Selbst wenn Personen wissen, dass sie Sprach- und Mathematikprobleme<br />

haben, fällt es ihnen teilweise schwer, <strong>die</strong>s zuzugeben. Eine Stu<strong>die</strong> zu<br />

„Further Education Colleges“ im Vereinigten Königreich (Basic Skills Agency,<br />

1997) hat ergeben, dass schwachen Grundkompetenzen ein Stigma anhaftet, was<br />

in der Folge zum Hindernis <strong>für</strong> <strong>die</strong> Inanspruchnahme von Unterstützung in <strong>die</strong>sem<br />

Bereich wurde.<br />

Ein geschärftes Bewusstsein <strong>für</strong> Probleme im Bereich der Sprach- und<br />

Mathematikkompetenzen ermutigt viele Personen, Hilfe zu suchen. Eine Analyse<br />

auf der Basis britischer Kohortenstu<strong>die</strong>n (Bynner und Parsons, 2006) ergab,<br />

dass Personen, wenn sie sich einmal der Schwäche ihrer Grundkompetenzen<br />

bewusst geworden waren, tendenziell ein Interesse bekundeten, <strong>die</strong>se zu verbessern.<br />

Dies deckt sich mit einer früheren Stu<strong>die</strong> unter Teilnehmern an Berufsbildungsmaßnahmen<br />

(Basic Skills Agency, 1997), der zufolge vielen Personen nicht bewusst<br />

war, dass <strong>die</strong> Grundkompetenzen zum erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung<br />

von herausragender Bedeutung waren. Obwohl <strong>die</strong> Sprach- und Mathematikschwächen<br />

der Berufsschülerinnen und -schüler auf Defizite in der Grundbildung<br />

zurückzuführen sind, gibt es Hinweise darauf, dass spätere Maßnahmen<br />

zur Behebung <strong>die</strong>ser Probleme <strong>die</strong> Lernergebnisse der Berufsbildungsprogramme<br />

verbessern können, wobei eine Stu<strong>die</strong> sogar gezeigt hat, dass solche Maßnahmen<br />

beeindruckende Auswirkungen haben können (Kasten 2.2).<br />

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Probleme im Bereich der Grundkompetenzen<br />

weitverbreitet, nachteilig, oft unerkannt, aber zu beheben sind.<br />

Dies ist ein sehr überzeugendes Argument zu Gunsten einer systematischen<br />

Prüfung der Sprach- und Mathematikkompetenzen von Schülerinnen und Schülern<br />

zu Beginn der Berufsbildungsprogramme, um <strong>die</strong>jenigen zu ermitteln, <strong>die</strong><br />

Unterstützung benötigen. In Belgien (Flandern) beispielsweise unterziehen sich<br />

Arbeitsuchende einem Schnelltest und werden dann bei Bedarf an Grundbildungszentren<br />

<strong>für</strong> Erwachsene vermittelt. In den Vereinigten Staaten werden<br />

Neuzugänge zu postsekundären Einrichtungen getestet und können an Förderunterrichtsprogramme<br />

(developmental education) verwiesen werden, <strong>die</strong> Lücken<br />

bei den allgemeinen Qualifikationen füllen sollen. Solche Tests müssen jedoch<br />

mit Vorsicht gehandhabt werden, damit sie nicht einfach als Auswahlinstrument<br />

und Zugangshindernis betrachtet werden. Derartige Maßnahmen sollten so<br />

geplant werden, dass zu ihrer Inanspruchnahme ermutigt wird: Die Hilfe sollte<br />

leicht zugänglich und an <strong>die</strong> unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Personen<br />

angepasst sein, einschließlich derer mit niedriger Motivation und eingeschränkten<br />

autonomen Lernkompetenzen, und sie sollte positiv vermittelt<br />

werden, um eine Stigmatisierung zu vermeiden (Basic Skills Agency, 1997).<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 67<br />

Kasten 2.2 Hilfe beim Erwerb von Grundkompetenzen zur Förderung<br />

eines erfolgreichen Ausbildungsabschlusses<br />

In einer Stu<strong>die</strong> aus dem Vereinigten Königreich (Basic Skills Agency, 1997)<br />

wurde <strong>die</strong> Verbindung zwischen der Förderung des Erwerbs von Grundkompetenzen<br />

und den Abbrecher-, Wiederholungs- und Abschlussquoten in Further Education<br />

(FE) Colleges untersucht. Von 15 000 Schülerinnen und Schülern wurden 4 400<br />

als hilfsbedürftig im Bereich der Grundkompetenzen identifiziert, 90% davon in<br />

Berufsbildungsprogrammen. Die Stu<strong>die</strong> hat <strong>die</strong>se Schülerinnen und Schüler begleitet<br />

– weniger als <strong>die</strong> Hälfte erhielt Unterstützung in Rechnen, Lesen und Schreiben.<br />

Gründe <strong>für</strong> <strong>die</strong> Nichtinanspruchnahme. Einige Schülerinnen und Schüler<br />

wurden über <strong>die</strong> Ergebnisse der Grundkompetenzevaluierung nicht informiert oder<br />

verstanden <strong>die</strong> Bedeutung der Ergebnisse nicht. Andere konnten aus terminlichen<br />

Gründen keine Unterstützung wahrnehmen. Die Teilnahmequote war höher, wenn<br />

<strong>die</strong> Unterstützung im Rahmen der Ausbildung angeboten wurde, als wenn sie ein<br />

zusätzliches Wahlfach darstellte. Die wichtigste Hürde war jedoch <strong>die</strong> eigene Einstellung<br />

– insbesondere jungen Erwachsenen widerstrebte es, Unterstützung anzunehmen,<br />

weil mangelhaften Grundkompetenzen ein Stigma anhaftet. Auch waren<br />

sich viele nicht der Tatsache bewusst, dass sie ihre Grundkompetenzen verbessern<br />

mussten, um ihre Ausbildung abzuschließen.<br />

Formen der Unterstützung bei den Grundkompetenzen. Die Hilfe beim<br />

Erwerb von Grundkompetenzen wurde durch Unterstützung in Form von Workshops,<br />

sowohl auf Ad-hoc-Basis als auch im Rahmen des Stundenplans, <strong>für</strong> Einzelne<br />

und Gruppen angeboten. Manche Colleges entwickelten Tandem-Unterricht,<br />

bei dem Spezialisten <strong>für</strong> Grundkompetenzen und Ausbilder zusammenarbeiteten,<br />

um Unterstützung im Rahmen des Unterrichts anzubieten. Dieser Ansatz hatte<br />

zwei Vorteile: Es konnte denjenigen geholfen werden, <strong>die</strong> nur ungern gezielte<br />

Workshops besuchten, und es wurde eine Verbindung zwischen der Entwicklung<br />

der Grundkompetenzen und der eigentlichen Ausbildung hergestellt.<br />

Konnte <strong>die</strong> Hilfe beim Erwerb von Grundkompetenzen eine Veränderung<br />

bewirken? Bei Schülerinnen und Schülern, <strong>die</strong> Hilfe beim Erwerb von<br />

Grundkompetenzen erhielten, war <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit eines Ausbildungsabbruchs<br />

dreimal niedriger. Ihre Abschlussquote (bei zweijährigen wie bei einjährigen<br />

Ausbildungsgängen) war ebenfalls höher als bei den Schülerinnen und Schülern,<br />

<strong>die</strong> nicht unterstützt wurden.<br />

Abbruch<br />

Jahr beendet/Abschluss erworben<br />

Abbruchquote<br />

Beendet/<br />

abgeschlossen<br />

Nicht<br />

beendet<br />

Nicht überprüft/<br />

Ergebnisse<br />

unbekannt<br />

Unterstützung 10% 75% 16% 10%<br />

Keine<br />

30% 54% 33% 13%<br />

Unterstützung<br />

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68 – 2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN<br />

Kontextlernen<br />

Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Vermittlung von Grundkompetenzen<br />

in Berufsbildungsprogrammen wäre es, <strong>die</strong> Zahl der Unterrichtsstunden zu<br />

erhöhen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>sen Kompetenzen gewidmet sind. Allerdings wollen <strong>die</strong> Schülerinnen<br />

und Schüler (insbesondere <strong>die</strong> jungen Männer, <strong>die</strong> <strong>die</strong> größten Probleme<br />

haben, zumal im Sprachbereich) nicht unbedingt zusätzliche Stunden in der<br />

Schule verbringen, und <strong>die</strong> Lehrer vermitteln auch ungern Grundkompetenzen<br />

an unmotivierte Schülerinnen und Schüler, während <strong>die</strong> Arbeitgeber im dualen<br />

System nicht <strong>die</strong> Zeit verringern möchten, <strong>die</strong> Auszubildende am Arbeitsplatz<br />

verbringen. Die Einbeziehung von Erfahrungen am Arbeitsplatz in <strong>die</strong> Lehrpläne<br />

der weniger schulisch orientierten Schülerinnen und Schüler kann ebenfalls hilfreich<br />

sein. Solga und Kohlrausch (2009) stellten fest, dass Hauptschüler, deren<br />

Lehrplan praktische Elemente enthielt, sowohl hinsichtlich der schulischen<br />

Ergebnisse als auch bei der darauffolgenden Suche nach einem Ausbildungsplatz<br />

relativ positive Ergebnisse erzielten. Es gibt auch Hinweise darauf, dass<br />

niedrigqualifizierte Personen es tendenziell vorziehen, anwendungsbezogen zu<br />

lernen anstatt anhand abstrakter Konzepte oder autonom (Tabelle 2.3).<br />

Tabelle 2.3 Lernpräferenzen nach Qualifikationsniveau, 2003<br />

Über 15-jährige EU-Bürger plus Norwegen und Island, n=18 007, in Prozent<br />

Präferierte Lernformen<br />

Hochqualifizierte<br />

Geringqualifizierte<br />

Informationen zu einem Thema suchen, das einen interessiert 38 12<br />

Kurse in einer Schule, einer Hochschule oder einer<br />

Weiterbildungseinrichtung<br />

33 15<br />

Andere Menschen führen oder ausbilden 25 10<br />

Beobachtung und Analyse von Situationen 23 18<br />

Mit neuen Maschinen oder neuer Ausrüstung etwas Neues machen 25 29<br />

Etwas gemeinsam mit Freunden machen 25 27<br />

Ausbildung am Arbeitsplatz 16 23<br />

Beobachtung, wie andere etwas machen, und Nachahmung 11 23<br />

Quelle: Eurostat, Eurobarometer.<br />

Angesichts solcher Erkenntnisse besteht eine Möglichkeit darin, <strong>die</strong> Grundkompetenzen<br />

in den beruflichen Kontext einzubetten, so dass <strong>die</strong> Auszubildenden<br />

beispielsweise beim Schreinern Trigonometrie lernen. Ein Beispiel aus den Vereinigten<br />

Staaten unterstreicht das Potenzial <strong>die</strong>ses Ansatzes (Kasten 2.3). Andere<br />

<strong>OECD</strong>-Länder, wie Belgien (Flandern) und Deutschland, be<strong>die</strong>nen sich desselben<br />

Modells. Gleichzeitig stellt <strong>die</strong>se Herangehensweise große Anforderungen. Sie<br />

bedarf umsichtiger Planung sowie der engen Zusammenarbeit zwischen den Lehrern<br />

der allgemeinbildenden Fächer und den Ausbildern.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 69<br />

Kasten 2.3 „Math-in-CTE“ – Einbeziehung der Grundkompetenzen<br />

in <strong>die</strong> Berufsbildung in den Vereinigten Staaten<br />

Was ist der Math-in-CTE-Ansatz?<br />

Der „Math-in-CTE“-Ansatz wurde aus der Idee heraus entwickelt, dass Mathematik<br />

in allen Bereichen der Berufsbildung (in den Vereinigten Staaten: „Career and<br />

Technical Education“ – CTE) eine Rolle spielt, <strong>die</strong> allerdings sowohl <strong>für</strong> <strong>die</strong> Lehrer als<br />

auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler oft implizit ist. Er soll <strong>die</strong> Mathematik<br />

expliziter als ein Instrument darstellen, das zur Lösung von Problemen am Arbeitsplatz<br />

notwendig ist, und dazu beitragen, das Verständnis der Schülerinnen und Schüler<br />

<strong>für</strong> Mathematik sowohl im Kontext als auch außerhalb zu verbessern. Er besteht aus<br />

beruflichen Fortbildungsmaßnahmen <strong>für</strong> Lehrer und einem pädagogischen Rahmen.<br />

Im Rahmen einer Forschungsarbeit (Stone et al., 2006) wurde <strong>die</strong>ses Modell<br />

in fünf Berufsfeldern getestet. In der Testgruppe bildete jeder Berufsausbilder ein<br />

Tandem mit einem Mathematiklehrer. Gemeinsam erarbeiteten sie einen Lehrplan<br />

mit Schnittstellen zwischen mathematischen und CTE-Konzepten, ermittelten<br />

Möglichkeiten, um Mathematik innerhalb des Lehrplans stärker zu betonen, und<br />

entwickelten Unterrichtseinheiten, um <strong>die</strong>se auf der Basis eines spezifischen pädagogischen<br />

Rahmens umzusetzen. Dieser Rahmen macht mathematische Konzepte innerhalb<br />

von Berufsbildungskursen explizit, indem stufenweise von vollständig im Berufsbildungskontext<br />

liegenden Beispielen zu abstrakterer Mathematik übergegangen<br />

wird. Beispielsweise kann <strong>die</strong> Erklärung des Umgangs mit der Reißschiene in einem<br />

Schreinerkurs Gelegenheit bieten, den Satz des Pythagoras zu vermitteln.<br />

Nach einem Jahr Unterricht mit zusätzlichem Mathematikschwerpunkt erzielten<br />

<strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler der Testgruppe bessere Ergebnisse bei den standardisierten<br />

Mathematikkompetenzprüfungen. Dies wirkte sich nicht negativ auf das Erlernen<br />

der berufsbildenden Inhalte aus – am Jahresende bestanden keine Unterschiede<br />

zwischen der Test- und der Kontrollgruppe hinsichtlich der berufsbildenden oder<br />

technischen Kenntnisse.<br />

Erfahrungen<br />

Die teilnehmenden Lehrer haben <strong>die</strong> Erfahrung gemacht, dass <strong>die</strong> Teamarbeit<br />

der Lehrer entscheidend war. Eine enge persönliche Zusammenarbeit zwischen<br />

Mathematik- und CTE-Lehrern verbesserte das Vertrauen der CTE-Lehrer in <strong>die</strong><br />

Mathematik und verstärkte den gegenseitigen Respekt vor dem Fachwissen des<br />

Kollegen. Ein anderer Schlüsselfaktor war <strong>die</strong> Tatsache, dass das Programm weiterging<br />

als eine „Reihe von Lehrplänen“: Die Lehrer arbeiteten in einem strukturierten<br />

Rahmen zusammen und nahmen an Fortbildungen teil. „Das Modell funktioniert,<br />

aber es ist arbeitsintensiv und kann nur dann erfolgreich sein, wenn <strong>die</strong> Lehrer<br />

mitmachen wollen“.<br />

Die Stu<strong>die</strong> identifizierte außerdem bestimmte Herausforderungen. Manche<br />

Lehrer sorgten sich, weil CTE-Lehrer nicht <strong>für</strong> den Mathematikunterricht ausgebildet<br />

werden und <strong>die</strong>ser Zeit in Anspruch nimmt, <strong>die</strong> dann bei den berufsbildenden Inhalten<br />

fehlt. Eine weitere Frage war, ob es in der Verantwortung der CTE-Lehrer liegt,<br />

mathematisches Wissen zu vermitteln, das von den Schülerinnen und Schülern<br />

doch schon früher hätte gelernt werden sollen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


70 – 2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN<br />

Allgemeinere übertragbare Qualifikationen<br />

In vielen Ländern belegen Stu<strong>die</strong>n, dass Arbeitgeber den Sozialkompetenzen<br />

(soft skills) wie Team- und Kommunikationsfähigkeit sowie Arbeitsdisziplin<br />

einen hohen Stellenwert beimessen. So zeigte eine Stu<strong>die</strong> aus Österreich, dass<br />

fehlende Sozialkompetenzen, wie Verlässlichkeit und angemessene Manieren, <strong>für</strong><br />

Unternehmen ein häufiger Ablehnungsgrund von Ausbildungsplatzbewerbern<br />

waren (Schneeberger und Nowak, 2007). In South Carolina erwähnten Arbeitgeber<br />

Berufsethos und Reife als <strong>die</strong> am meisten vermissten Qualifikationen unter<br />

ihren direkt nach der High School eingestellten Mitarbeitern (21%), danach kamen<br />

grundlegende Lese- und Schreibkompetenzen, direkt gefolgt von Sozialkompetenzen<br />

(jeweils 18% und 17%). Im Vergleich dazu bemängelten 9% der Arbeitgeber<br />

<strong>die</strong> fehlende praktische Arbeitserfahrung und technische Ausbildung.<br />

Am Arbeitsplatz besteht ein besonders effektives Umfeld, um übertragbare<br />

Sozialkompetenzen zu entwickeln. Ein Auszubildender, der eine Elektrikerlehre<br />

absolviert, kann zwar in einer berufsbildenden Schule mit der einschlägigen<br />

elektrischen Ausrüstung lernen, wie man elektrische Leitungen in einem Haus<br />

verlegt, wird in der Regel aber nur im Rahmen eines Praktikums erfahren, wie<br />

man mit einem Kunden umgeht, der sich beschwert. Eine Stu<strong>die</strong> über Vertriebsassistenten<br />

in Dänemark (Aarkrog, 2005) ergab, dass sich Sozialkompetenzen<br />

am besten am Arbeitsplatz erwerben lassen. Simulationsübungen (z.B. durch<br />

Rollenspiele) in der Schule wurden von den Schülerinnen und Schülern als<br />

künstlich und wenig nützlich empfunden. Einer Stu<strong>die</strong> aus Finnland (Lasonen,<br />

2005) zufolge vermittelte <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung den Schülerinnen und<br />

Schülern unternehmerisches Denken, förderte ihre Reife und unterstützte <strong>die</strong><br />

Entwicklung praktischer Sozialkompetenzen wie Eigeninitiative, Problemlösungsfähigkeiten<br />

sowie <strong>die</strong> Nutzung von Informationsquellen. Wenngleich ein<br />

gewisser Anteil an sachbezogener Theorie sich am besten im Klassenzimmer<br />

erlernen lässt, ist das Arbeitsplatzumfeld häufig notwendig, um <strong>die</strong> Theorie mit<br />

Leben zu erfüllen. Andere Forschungsarbeiten ergaben, dass es einfacher ist,<br />

berufliche Kompetenzen durch betriebliche Ausbildung zu erwerben, als theoretische<br />

Kenntnisse aus der Schule in <strong>die</strong> Praxis umzusetzen (Aarkrog, 2005;<br />

Woerkom, Nijhof und Nieuwenhuis, 2002).<br />

Andere Qualifikationen, wie unternehmerisches Denken, sind <strong>für</strong> viele<br />

Berufe, zu denen berufsbildende Zweige hinführen, von hoher Relevanz, wurden<br />

jedoch in traditionellen Berufsausbildungen oft vernachlässigt. Manche<br />

Länder haben <strong>die</strong> Bedeutung unternehmerischer Qualifikationen erkannt und<br />

Programme in <strong>die</strong>sem Bereich aufgelegt. In Belgien (Flandern) beispielsweise<br />

soll <strong>die</strong> Flämische Agentur <strong>für</strong> unternehmerische Ausbildung (Syntra Vlaanderen)<br />

den Unternehmergeist fördern. Diese Agentur bietet eine Reihe von Ausbildungen<br />

an, darunter Kurse in Unternehmensführung, unternehmerische Lehrgänge<br />

im Rahmen von Berufsausbildungen und spezifische Unternehmerausbildungen<br />

auf ISCED-4C-Niveau.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 71<br />

Dem Arbeitsmarktbedarf gerecht werden: Schlussbetrachtungen<br />

Diskussion und Erkenntnisse<br />

• Berufsbildung bringt Erträge <strong>für</strong> den Einzelnen, den Arbeitgeber und <strong>die</strong><br />

Gesellschaft.<br />

• Drei Faktoren sind <strong>für</strong> <strong>die</strong> Angebotszusammensetzung in der Berufsbildung<br />

maßgeblich bzw. sollten in <strong>die</strong>sem Bereich maßgeblich sein: <strong>die</strong><br />

Schülerpräferenzen, der Arbeitgeberbedarf und <strong>die</strong> Fähigkeit des Systems,<br />

verschiedene Arten von Ausbildungen anzubieten.<br />

• Die Schülerpräferenzen sollten ein wichtiger Motor des Angebots sein, da<br />

<strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Fähigkeiten und Interessen<br />

kennen, doch sollte in der Regel auch der Arbeitgeberbedarf berücksichtigt<br />

werden, um ein gewisses Gleichgewicht herzustellen. Wenn <strong>die</strong> Gebühren<br />

vollständig von den Teilnehmern selbst getragen werden und <strong>die</strong> Schülerinnen<br />

und Schüler älter sind, sollten <strong>die</strong> Schülerpräferenzen eine bestimmendere<br />

Rolle bei der Entscheidung über <strong>die</strong> Angebotsinhalte erhalten.<br />

• Die Prognostizierung des künftigen Qualifikationsbedarfs, sowohl auf<br />

lokaler Ebene als auch im Hinblick auf verschiedene Berufssparten, stellt<br />

sich als Mittel zur Planung des Berufsbildungsangebots problematisch dar.<br />

• Es sind verschiedene Mechanismen verfügbar, um Schülerpräferenzen und<br />

Arbeitgeberbedarf in Einklang zu bringen, darunter <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Planungs- und Anreizmechanismen sowie <strong>die</strong> Verfügbarkeit von Ausbildungsplätzen,<br />

wie im dualen Ausbildungssystem.<br />

• Berufsausbildungsabsolventen benötigen einen guten Mix berufsspezifischer<br />

und allgemeinerer übertragbarer Kompetenzen. Allgemeine Kompetenzen<br />

im Bereich Rechnen, Lesen und Schreiben spielen auf dem<br />

Arbeitsmarkt eine wachsende Rolle. Schwächen in <strong>die</strong>sen Grundkompetenzen<br />

sind unter Teilnehmern an der Berufsbildung weitverbreitet, oft<br />

unerkannt und nachteilig, jedoch behebbar.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


72 – 2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN<br />

Dem Arbeitsmarktbedarf gerecht werden:<br />

<strong>OECD</strong>-Empfehlungen<br />

Für über den Sekundarbereich hinausgehende berufsbildende Programme<br />

sollte eine Teilung der Kosten zwischen Staat, Arbeitgebern<br />

und <strong>Lernen</strong>den gewährleistet werden, <strong>die</strong> sich an dem Nutzen orientiert,<br />

der <strong>die</strong>sen verschiedenen Akteuren jeweils aus den Programmen<br />

erwächst.<br />

Das Angebot an Ausbildungsplätzen sollte sowohl den Schülerpräferenzen<br />

als auch dem Arbeitgeberbedarf gerecht werden. Dies sollte<br />

durch Angebote <strong>für</strong> <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung sowie durch<br />

Planungs- und Anreizmechanismen erreicht werden.<br />

Arbeitgeber und Gewerkschaften sollten in <strong>die</strong> Ausarbeitung der<br />

Lehrpläne einbezogen werden, und es sollte sichergestellt werden,<br />

dass <strong>die</strong> vermittelten Kompetenzen den Anforderungen moderner<br />

Betriebe entsprechen.<br />

Berufsbildungssysteme sollten junge Menschen mit allgemeinen,<br />

übertragbaren Kompetenzen ausstatten, <strong>die</strong> zur Förderung von beruflicher<br />

Mobilität und lebenslangem <strong>Lernen</strong> notwendig sind, ebenso wie<br />

mit den erforderlichen berufsspezifischen Fertigkeiten, <strong>die</strong> dem unmittelbaren<br />

Bedarf der Arbeitgeber entsprechen.<br />

Es sollte sichergestellt werden, dass alle Berufsbildungsteilnehmer<br />

über ausreichende Rechen-, Schreib- und Lesekompetenzen verfügen,<br />

um <strong>für</strong> lebenslanges <strong>Lernen</strong> gerüstet zu sein und sich beruflich weiterentwickeln<br />

zu können. Schwachstellen in <strong>die</strong>sem Bereich müssen<br />

identifiziert und behoben werden.<br />

Anmerkungen<br />

1. An <strong>die</strong>ser Stelle und im gesamten Bericht wird der Begriff „Berufsbildungseinrichtungen“<br />

verwendet, um Berufsbildungsanbieter zu beschreiben, darunter Schulen,<br />

Aus- und Weiterbildungsstätten, Fachoberschulen und private Anbieter, jedoch ohne<br />

<strong>die</strong> von Unternehmen angebotene betriebliche Ausbildung.<br />

2. Die Einbeziehung von Sprach- und Mathematikkompetenzen in eine Regression des<br />

Arbeitsmarktstatus auf <strong>die</strong> Schulbildung erhöht <strong>die</strong> Erklärungskraft des Modells.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


2. DEM ARBEITSMARKTBEDARF GERECHT WERDEN – 73<br />

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3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG – 77<br />

Kapitel 3<br />

Bildungs- und Berufsberatung<br />

Eine Möglichkeit, da<strong>für</strong> zu sorgen, dass Berufsbildungsprogramme den<br />

Arbeitsmarktanforderungen gerecht werden, besteht darin, Berufsbildungsteilnehmern<br />

gute Beratung anzubieten. Je vielfältiger sich <strong>die</strong><br />

Berufslaufbahnen entwickeln, umso wichtiger und zugleich schwieriger<br />

wird <strong>die</strong> Berufswahl und damit auch <strong>die</strong> Berufsberatung.<br />

Um <strong>die</strong>ser Herausforderung gerecht zu werden, bedarf es eines kohärenten<br />

Berufsbilds des Berufsberaters, das eine gute Kenntnis der Arbeitsmärkte<br />

und eine Trennung des Aufgabenbereichs von dem der psychologischen<br />

Beratung voraussetzt. Für <strong>die</strong> Berufsberatung müssen ausreichende<br />

Ressourcen bereitstehen, und an wichtigen Entscheidungspunkten <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> berufliche Laufbahn sollte nach Möglichkeit eine proaktive Einzelberatung<br />

gewährleistet sein. Berufsberatungskräfte müssen unabhängig<br />

sein, damit ihre Objektivität nicht in Frage gestellt ist, und sie müssen<br />

auf ein breites Spektrum an Informationen und Internetressourcen zurückgreifen<br />

können. Starke Beziehungen zwischen den Schulen und den in<br />

der Gegend ansässigen Arbeitgebern sind ein sehr wichtiges Instrument,<br />

um junge Menschen in <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> einzuführen. Berufsberatungsinitiativen<br />

müssen zudem sorgsam evaluiert werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


78 – 3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG<br />

Die wichtigsten Merkmale der Bildungs- und Berufsberatung<br />

Wie in Kapitel 2 beschrieben wurde, können <strong>die</strong> Schülerpräferenzen in<br />

vielen Ländern eine sehr wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, den Mix<br />

des Berufsbildungsangebots zu bestimmen. Statt den Erfordernissen der Wirtschaft<br />

entgegenzustehen, können <strong>die</strong> Schülerpräferenzen, wenn sie gut orientiert<br />

sind, dazu beitragen, einen Angebotsmix zu liefern, der mit <strong>die</strong>sen Erfordernissen<br />

im Einklang steht. Eine umfassende Prüfung der Berufsberatungspolitik und<br />

-praxis wurde von der <strong>OECD</strong> (2004) durchgeführt, und im Rahmen der Stu<strong>die</strong><br />

<strong>Lernen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> ging einer der Autoren des im Jahr 2004 veröffentlichten<br />

Berichts erneut auf <strong>die</strong>se Aspekte ein und stellte sie mit den besonderen<br />

Herausforderungen der Berufsbildungsberatung in Zusammenhang (Watts,<br />

2009). Abbildung 3.1 liefert einen (recht begrenzten) Indikator <strong>für</strong> <strong>die</strong> Prävalenz<br />

der Bildungs- und Berufsberatung in den <strong>OECD</strong>-Ländern.<br />

Die Bildungs- und Berufsberatung umfasst zwei wesentliche Elemente:<br />

• Berufsorientierung, in deren Rahmen <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler durch<br />

Berufskundeunterricht und andere Aktivitäten, wie Betriebspraktika, an<br />

<strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> herangeführt werden und Kompetenzen zur Berufslaufbahnplanung<br />

entwickeln;<br />

Abbildung 3.1 Bildungs- und Berufsberatungsangebot in Sekundarschulen<br />

Prozentsatz der Sekundarschulen, in denen laut Angaben der Schulleitung<br />

Bildungs- und Berufsberatung formell im Stundenplan vorgesehen ist<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Quelle: <strong>OECD</strong> (2007), Internationale Schulleistungsstu<strong>die</strong> (PISA), PISA-2006-Datenbank,<br />

http://pisa2006.acer.edu.au/.<br />

Anmerkung: Diese Daten sind mit Vorsicht zu behandeln. Sie stammen aus Befragungen der Schulleitungen,<br />

<strong>die</strong> im Rahmen der PISA-Stu<strong>die</strong> durchgeführt wurden, und in manchen Fällen scheinen sie der<br />

formell erklärten Schulpolitik entgegenzustehen, der zufolge Bildungs- und Berufsberatung in manchen<br />

Ländern obligatorisch ist. Dies könnte sich aus Nuancen oder empfundenen Nuancen bei der Bedeutung<br />

von „formell vorgesehen“ erklären.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG – 79<br />

• persönliche Beratung im Einzelsetting, in deren Rahmen entweder proaktiv<br />

(obligatorische Beratungsgespräche <strong>für</strong> alle) oder reaktiv (auf Nachfrage)<br />

eine spezifische Beratung im Hinblick auf Berufswahlentscheidungen<br />

erbracht wird.<br />

Beide Elemente werden durch Berufsinformationen über Bildungsgänge,<br />

Berufe und Berufslaufbahnen gestützt. Derartige Informationen sind zunehmend<br />

webbasiert. Sowohl <strong>die</strong> Beratungs<strong>die</strong>nste in Schulen als auch in Berufsbildungseinrichtungen<br />

werden dadurch unterstützt, und den <strong>Lernen</strong>den werden<br />

Informationen direkt zur Verfügung gestellt.<br />

Warum Bildungs- und Berufsberatung so wichtig ist<br />

In fast allen <strong>OECD</strong>-Ländern wachsen und diversifizieren sich <strong>die</strong> Bildungssysteme,<br />

was zur Folge hat, dass den verschiedenen Zielgruppen mehr<br />

Bildungsgänge angeboten werden. Gleichzeitig sind <strong>die</strong> Arbeitsplätze und<br />

Berufsbilder ständig im Fluss, während <strong>die</strong> Arbeitsplatzsicherheit schwindet.<br />

Wenngleich <strong>die</strong>se Veränderungen <strong>die</strong> Wahlmöglichkeiten ausweiten, erhöhen<br />

sie auch <strong>die</strong> Komplexität und <strong>die</strong> Schwierigkeit der Entscheidungen, <strong>die</strong> junge<br />

Menschen treffen müssen. Wie in Kapitel 1 erläutert wurde, ist <strong>die</strong> Vorstellung,<br />

dass <strong>die</strong> berufliche Erstausbildung Schülerinnen und Schüler <strong>für</strong> ihr ganzes<br />

Erwerbsleben auf einen Beruf vorbereiten sollte, in Bezug auf Berufsbildung<br />

zunehmend durch eine Abfolge komplexer Entscheidungen und Veränderungen<br />

im Verlauf des Bildungs- und Berufslebens abgelöst worden. Infolgedessen<br />

wird <strong>die</strong> Berufswahl und daher <strong>die</strong> Bildungs- und Berufsberatung einerseits<br />

wichtiger und andererseits anspruchsvoller.<br />

Wenn formelle Quellen der Bildungs- und Berufsberatung nicht verfügbar<br />

sind, stützen sich <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler auf informelle Quellen, wie<br />

Familie und Freunde. Wenngleich solche Quellen sicherlich ihre Stärken haben,<br />

fehlt es ihnen möglicherweise an Zuverlässigkeit und Neutralität und beschränken<br />

sie <strong>die</strong> Entscheidungen u.U. nur auf das Altbekannte und Vertraute (<strong>OECD</strong>,<br />

2004). Sie können zudem tendenziell vorhandene soziale Nachteile verstärken,<br />

da z.B. schlecht ausgebildete Eltern vielleicht nicht in der Lage sind, ihre Kinder<br />

über sämtliche Berufswahlmöglichkeiten zu beraten, <strong>die</strong> ihnen u.U. offenstehen.<br />

Wenn junge Menschen von Anfang an den falschen Beruf wählen, können <strong>die</strong><br />

Kosten späterer Veränderungen hoch sein (obwohl <strong>die</strong>se Kosten durch flexiblere<br />

Übergänge zu anderen Berufs- oder Bildungswegen verringert werden könnten).<br />

Die Herausforderungen<br />

Im Prinzip können effektive Beratungs<strong>die</strong>nste hohe Erträge bringen. Forschung<br />

zeigt, dass eine Bildungs- und Berufsberatung von hoher Qualität <strong>die</strong><br />

berufsbezogenen Kompetenzen, <strong>die</strong> Selbsteinschätzung und das Selbstwertgefühl<br />

fördert, was zu stu<strong>die</strong>n- und berufsbezogenen Entscheidungen führt, <strong>die</strong><br />

sich später auszahlen (Bowes et al., 2005; Hughes et al., 2002) 1 . Es gilt allerdings,<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


80 – 3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG<br />

eine Reihe von Herausforderungen zu bewältigen, wenn <strong>die</strong> <strong>OECD</strong>-Länder <strong>die</strong>se<br />

Erträge erzielen wollen. Die <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsberatung zuständigen Mitarbeiter sind<br />

manchmal nicht angemessen ausgebildet, um sich mit Arbeitsmarktfragen auseinanderzusetzen,<br />

<strong>die</strong> Berufsberatungs<strong>die</strong>nste sind u.U. fragmentiert und verfügen<br />

nicht über ausreichende Ressourcen, der Beratung mangelt es häufig an<br />

Objektivität, einschlägige Arbeitsmarktinformationen sind nicht immer verfügbar,<br />

und Berufsberatungsinitiativen werden oft nicht wirksam evaluiert.<br />

Unzureichende Ausbildung der Berufsberatungskräfte<br />

Die in der Berufsberatung tätigen Kräfte werden sehr häufig im Bereich<br />

der psychologischen Beratung ausgebildet, wobei eine starke Betonung auf psychischen<br />

Störungen liegt. Auch wenn <strong>die</strong>ser Hintergrund geeignet sein kann, um<br />

Schülerinnen und Schüler mit persönlichen Problemen zu unterstützen, liefert er<br />

nicht das geeignete Rüstzeug <strong>für</strong> eine Beratung über verschiedene Berufe, Karriereaussichten<br />

und Lernmöglichkeiten. Arbeitsmarktinformationen spielen in überwiegend<br />

psychologisch orientierten Programmen häufig nur eine begrenzte Rolle<br />

(Watts, 2009).<br />

Psychologische Beratung mit Bildungs- und Berufsberatungs<strong>die</strong>nsten zu<br />

kombinieren, weist auch Nachteile auf. Belege aus verschiedenen Ländern zeigen,<br />

dass Beratungsfachkräfte, <strong>die</strong> <strong>für</strong> beide Aufgabenbereiche zuständig sind, einen<br />

Großteil ihrer Zeit mit den Lern- und Verhaltensproblemen einer Minderheit<br />

von Schülerinnen und Schülern zubringen. Die Berufsberatung wird dann marginalisiert<br />

und konzentriert sich in der Regel auf <strong>die</strong> unmittelbaren Bildungsoptionen<br />

und nicht auf <strong>die</strong> längerfristige Berufswegplanung (Fretwell und Watts, 2004;<br />

<strong>OECD</strong>, 2004; <strong>OECD</strong>, 2002a). Die <strong>Lernen</strong>den wollen vielleicht nicht dabei gesehen<br />

werden, wie sie an der Tür eines Beraters klopfen, da sie wegen persönlicher<br />

Probleme stigmatisiert werden könnten. Im Vereinigten Königreich hat <strong>die</strong><br />

Zusammenlegung von Berufsberatungs- und persönlichkeitsbezogenen Diensten,<br />

<strong>die</strong> auf gefährdete junge Menschen ausgerichtet sind, den Stellenwert von Arbeitsmarktfragen<br />

in der Berufsberaterausbildung verringert (Colley et al., 2008) und<br />

<strong>die</strong> Zahl der Schülerinnen und Schüler reduziert, <strong>die</strong> eine Berufsberatung erhalten<br />

(Watts, 2008).<br />

Auch der Bildungshintergrund des <strong>für</strong> Berufsberatung zuständigen Personals<br />

spielt eine Rolle. Wenn <strong>die</strong>se den Großteil ihres Berufslebens im Bildungswesen<br />

tätig waren (z.B. akademisch ausgebildete Lehrkräfte, <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bildungs- und<br />

Berufsberatung zuständig sind), ist ihre Erfahrung der <strong>Arbeitswelt</strong> im weiteren<br />

Sinne begrenzt, und ihre formellen oder informellen Ratschläge <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Lernen</strong>den<br />

könnten in Richtung allgemeinbildender und universitärer Laufbahnen neigen.<br />

Sie empfehlen möglicherweise nur widerstrebend Berufsbildungsgänge,<br />

insbesondere im Fall der begabteren Schülerinnen und Schüler. Einem Bericht<br />

des Vereinigten Königreichs zufolge betrachteten Eltern, junge Menschen und<br />

Arbeitgeber allesamt eine Berufsausbildung als eine echte Alternative zum allgemeinbildenden<br />

Sekundarbereich II, wohingegen nur sehr wenige Lehrer <strong>die</strong>se<br />

Ansicht teilten (Skills Commission, 2009).<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG – 81<br />

Fragmentierung und unzureichende Ressourcenausstattung<br />

Die Bildungs- und Berufsberatung ist häufig fragmentiert und/oder wird<br />

denselben Zielgruppen von mehreren Stellen angeboten. Innerhalb der Schulen<br />

wird sie oft von regulären Lehrkräften erbracht, <strong>die</strong> zusätzlich <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bildungsund<br />

Berufsberatung zuständig sind. Diese Funktion ist häufig mit unzureichenden<br />

Ressourcen ausgestattet, weil <strong>die</strong> Aktivität mit den allgemeinen Lehrfunktionen<br />

der Bildungseinrichtungen konkurriert, <strong>die</strong> in der Regel über <strong>die</strong> Prioritäten<br />

bestimmen. Obgleich Anreize bestehen, <strong>die</strong> Bildungs- und Berufsberatung in<br />

einen breiten Lehrplan einzubinden, könnte sie leicht vernachlässigt werden,<br />

wenn sie lediglich als ein Aspekt eines anderen Fachs angeboten wird. Den<br />

Schulen fehlt es häufig an Kapazität und Wissen, um den recht komplexen<br />

Anforderungen eines integrierten Dienstes zu genügen (National Audit Office,<br />

2005). Manchmal wird <strong>die</strong> Bildungs- und Berufsberatung durch öffentlich<br />

finanzierte Beschäftigungs<strong>die</strong>nste erbracht, <strong>die</strong> aber in erster Linie darauf ausgerichtet<br />

sind, Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt ein- und aus dem Leistungsbezug<br />

auszugliedern, was <strong>die</strong> Perspektive in unerwünschter Weise verengt,<br />

wenn es darum geht, junge Menschen bei ihren Berufswahlentscheidungen zu<br />

begleiten. Manchmal, insbesondere <strong>für</strong> Erwachsene, erfolgt <strong>die</strong> Berufsberatung<br />

durch andere Stellen, wie Gewerkschaften, Arbeitgeber, ehrenamtliche Einrichtungen<br />

und Organisationen des privaten Sektors.<br />

Wenn <strong>die</strong> Ressourcen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bildungs- und Berufsberatung nicht ausreichend<br />

bemessen sind, wird eine persönliche Beratung u.U. nur <strong>Lernen</strong>den<br />

angeboten, <strong>die</strong> sich selbst darum kümmern, was bedeutet, dass sie nur von den<br />

Schülerinnen und Schülern in Anspruch genommen wird, <strong>die</strong> sich ihres Werts<br />

bewusst sind, wobei <strong>die</strong> unsichersten und am stärksten benachteiligten Schülerinnen<br />

und Schüler, <strong>die</strong> eine Beratung oftmals am dringendsten benötigen, ins<br />

Abseits geraten. Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler sind eher bereit,<br />

Beratung und Informationen zu suchen und haben klarere Vorstellungen über<br />

ihre Berufslaufbahn (Transition Review Group, 2005).<br />

Mangel an Objektivität auf Grund institutionell bedingter<br />

Voreingenommenheit<br />

In vielen Ländern bieten <strong>die</strong> Schulen und andere Bildungs- und Berufsbildungseinrichtungen<br />

selbst Informationen und Berufsberatung <strong>für</strong> potenzielle<br />

Auszubildende an. Diese Beratungslehrer sind u.U. nicht in der Lage, einen<br />

objektiven Überblick über alle Berufswahlmöglichkeiten oder eine neutrale Bewertung<br />

der Arbeitsmarktergebnisse der von ihrer Einrichtung angebotenen<br />

Ausbildungsgänge zu liefern. Darüber hinaus haben <strong>die</strong>se Einrichtungen im<br />

Allgemeinen ein Interesse daran, Schülerinnen und Schülern an Bildungsgänge<br />

zu verweisen, <strong>die</strong> an ihrer eigenen Einrichtung angeboten werden, selbst wenn<br />

das nicht im Interesse der <strong>Lernen</strong>den liegt. Derartiger Druck ist besonders in<br />

Systemen ausgeprägt, in denen <strong>die</strong> Finanzierung der Bildungseinrichtungen an<br />

<strong>die</strong> Anwerbung von Schülerinnen und Schülern geknüpft ist (<strong>OECD</strong>, 2004) und<br />

wo ein demografischer Rückgang der Zahl der <strong>Lernen</strong>den verzeichnet wird.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


82 – 3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG<br />

Fehlen einschlägiger Arbeitsmarktinformationen<br />

Es stehen zahlreiche Informationsquellen über einzelne Bildungsgänge und<br />

Berufe zur Verfügung, <strong>die</strong> Informationen werden aber vielfach in Form einseitigen<br />

Werbematerials geliefert. In einigen Ländern stellen Regierungsstellen u.U. objektives<br />

Material mit Berufsprognosen zur Verfügung, wie das jährliche Occupational<br />

Outlook Handbook des US Bureau of Labor Statistics 2 . Auch wenn all <strong>die</strong>se Informationen<br />

online zu finden sind, könnte es <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beratungskräfte noch immer eine<br />

große Herausforderung darstellen, <strong>die</strong> Informationen effektiv zu nutzen.<br />

Schwieriger ist es allerdings, Informationen über den optimalen (und möglichen)<br />

Weg von der Schule in einen Beruf, den Grad, zu dem bestimmte Bildungsgänge<br />

zum gewünschten Beruf führen, sowie <strong>die</strong> üblichen Lohnsätze und das<br />

Arbeitslosigkeitsrisiko in verschiedenen Berufsfeldern zu erhalten. Arbeitsmarktdaten<br />

sind komplex und erfordern häufig eine sorgsame Interpretation. Längsschnittund<br />

Follow-up-Daten, <strong>die</strong> zeigen, wie es Schulabgängern ergeht, sobald sie<br />

einmal am Arbeitsmarkt teilnehmen, sind ein sehr wichtiger Indikator <strong>für</strong> den<br />

Wert von Bildungsgängen, häufig aber nicht vorhanden.<br />

Es bedarf weiterer Daten aus Evaluierungen<br />

Theoretische und empirische Argumente stützen <strong>die</strong> Auffassung, dass <strong>die</strong><br />

Bildungs- und Berufsberatung sowohl <strong>für</strong> den Einzelnen als auch <strong>die</strong> Wirtschaft<br />

nützliche Ergebnisse bringt. Aus der empirischen Literatur geht ein positiver<br />

Effekt der Bildungs- und Berufsberatung auf <strong>die</strong> kurzfristigen Lernergebnisse<br />

sowie das Wissen über Berufswahlmöglichkeiten und <strong>die</strong> Entscheidungsfindungskompetenz<br />

hervor. Es sind auch einige Belege <strong>für</strong> <strong>die</strong> positiven Effekte<br />

auf Ergebnisse wie den Bildungsabschluss vorhanden. Die Belege <strong>für</strong> längerfristige<br />

Folgen sind hingegen eher begrenzt (<strong>OECD</strong>, 2004).<br />

Politikmaßnahmen<br />

Ein kohärentes Berufsbild<br />

Die Zuständigkeiten in der Bildungs- und Berufsberatung sind anspruchsvoll<br />

und umfassend, <strong>die</strong> Einbettung des Beraterberufs in <strong>die</strong> psychologische<br />

Beratung verzerrt und marginalisiert jedoch <strong>die</strong>se Rolle. Aus <strong>die</strong>sem Grund sollten<br />

<strong>die</strong> Länder generell bestrebt sein, ein separates Berufsbild des Berufsberaters<br />

zu entwickeln. Eine entsprechende Empfehlung wurde z.B. in der <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong><br />

zur Berufsbildung in der Tschechischen Republik gegeben (Kuczera, 2009).<br />

Die notwendigen Kompetenzen in der Bildungs- und Berufsberatung umfassen<br />

u.a.:<br />

• eine gute Kenntnis der Arbeitsmärkte, der Berufe und der Lernmöglichkeiten<br />

sowie <strong>die</strong> Kapazität, einschlägige Informationsquellen zu identifizieren<br />

und sie weiterzuverwenden, um dem Einzelnen eine spezifischere Berufsberatung<br />

zu bieten;<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG – 83<br />

• <strong>die</strong> Kapazität, herauszufinden, welches <strong>die</strong> Interessen, Fähigkeiten und <strong>die</strong><br />

Ziele der Jugendlichen sind, und gemeinsam Berufswahlmöglichkeiten zu<br />

identifizieren, <strong>die</strong> sowohl realistisch sind als auch ihren Bedürfnissen entsprechen.<br />

Die Ausbildung der Berufsberater sollte so konzipiert sein, dass u.a. <strong>die</strong>se<br />

Kompetenzen vermittelt werden (vgl. z.B. Kasten 3.1). Für einen Lehrer, der auf<br />

Teilzeitbasis Beratungslehrer sein will, könnte sie ein Kurzprogramm umfassen,<br />

und <strong>für</strong> <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> eine Vollzeittätigkeit als Fachkräfte <strong>für</strong> Bildungs- und<br />

Berufsberatung anstreben, ein wesentlich umfangreicheres Programm. Idealerweise<br />

würde sich ein Qualifikationssystem <strong>für</strong> Berufsberater nicht nur auf <strong>die</strong> in<br />

den Schulen tätigen Kräfte erstrecken, sondern auch auf andere Berufsberatungsfachkräfte,<br />

<strong>die</strong> im Bereich der tertiären Bildung sowie in Arbeitsämtern und<br />

sonstigen Diensten <strong>für</strong> Erwachsene tätig sind. Das würde <strong>die</strong> Anerkennung und<br />

<strong>die</strong> Übertragbarkeit der Kompetenzen von Berufsberatern zwischen <strong>die</strong>sen Einrichtungen<br />

erleichtern. Ein Kompetenzrahmen <strong>für</strong> Berufsberater trägt auch dazu<br />

bei, sowohl <strong>die</strong> vertikalen als auch <strong>die</strong> horizontalen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

auszubauen und folglich den Status des Berufs zu verbessern (<strong>OECD</strong>, 2004).<br />

Kasten 3.1 Ausbildung von Berufsberatern in England<br />

und der Schweiz<br />

Die University of East London bietet ein Postgraduiertendiplom in Bildungsund<br />

Berufsberatung an; Voraussetzung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zulassung zu <strong>die</strong>sem Studium ist<br />

ein anerkannter Hochschulabschluss oder ein gleichwertiger Qualifikationsnachweis.<br />

Das Studium kann entweder innerhalb eines Jahres auf Vollzeitbasis oder in<br />

zwei bis drei Jahren auf Teilzeitbasis absolviert werden. Es bereitet auf <strong>die</strong> Arbeit<br />

mit verschiedenen Kundengruppen vor. Der Stu<strong>die</strong>ngang umfasst: Theorie und<br />

Praxis der Bildungs- und Berufsberatung, Unterricht in Strategien zur Förderung<br />

der Chancengleichheit im Kontext der Bildungs- und Berufsberatung sowie<br />

Studium des Arbeitsmarkts, der Bildungssysteme und der Organisation der<br />

Beratungsstrukturen (<strong>OECD</strong>, 2004).<br />

Berufs-, Stu<strong>die</strong>n- und Laufbahnberater in der Schweiz besitzen ein fachbezogenes<br />

Diplom von Hochschulen oder anderen öffentlich anerkannten Einrichtungen.<br />

Ihr Ausbildungsprogramm umfasst fünf große inhaltliche Bereiche: Persönlichkeitsentwicklung<br />

(Lern- und Entwicklungspsychologie), der Mensch in der<br />

Gesellschaft (Soziologie, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften), der Mensch und<br />

<strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> (Bildungssystem, Berufs- und Stu<strong>die</strong>nwahl, Arbeitspsychologie,<br />

Arbeitsmarkt), Arbeitsmethoden (Diagnostik, Berufswahlvorbereitung, Erfolgskontrollen,<br />

Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit) sowie Berufsethik, Berufsidentität<br />

und Qualitätsentwicklung. Ein 12-monatiges Praktikum ist ebenfalls Teil<br />

des Programms (Schweizerischer Bundesrat, 2009).<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


84 – 3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG<br />

Der berufliche Erfolg hängt neben den enger gefassten Kapazitäten wie<br />

Rechnen, Lesen und Schreiben stark von der Kapazität ab, <strong>die</strong> eigenen Kompetenzen<br />

zu steuern und einzusetzen (<strong>OECD</strong>, 2002b). Daraus folgt, dass <strong>die</strong> Berufsberatung<br />

nicht nur bei der Beratung Einzelner im Hinblick auf bestimmte<br />

Entscheidungen, sondern auch bei der Entwicklung der Kapazität, <strong>die</strong> eigene<br />

Berufslaufbahn zu steuern, eine sehr wichtige Rolle spielt. Die Australian<br />

Blueprint for Career Development, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ser Logik folgt und 2008 veröffentlicht<br />

wurde, soll dazu beitragen, <strong>die</strong> Kompetenzen, Einstellungen und Kenntnisse<br />

zu ermitteln, <strong>die</strong> der Einzelne braucht, um fun<strong>die</strong>rte Berufswahlentscheidungen<br />

zu treffen. Die Blaupause kann von Lehrkräften, Eltern, Bildungs- und Berufsberatungskräften<br />

und anderen zur Unterstützung individueller Berufslaufbahnen<br />

verwendet werden (MCEETYA, o.J.).<br />

Angemessene Ressourcen und proaktive Beratung<br />

Falsche Berufswahlentscheidungen sind sowohl <strong>für</strong> den <strong>Lernen</strong>den als<br />

auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gesellschaft kostspielig. Bildungs- und Berufsberatungs<strong>die</strong>nste<br />

müssen angemessen finanziert und vor dem Risiko geschützt sein, kontinuierlich<br />

an den Rand einer Aktivität, wie das reguläre Unterrichten, gedrängt zu<br />

werden. Die Kernelemente der Bildungs- und Berufsberatung sollten <strong>für</strong> alle<br />

<strong>Lernen</strong>den proaktiv erbracht werden, so dass <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler im<br />

Rahmen eines persönlichen Beratungsgesprächs von Fachkräften unterstützt<br />

werden können, wenn sie wichtige Berufswahlentscheidungen treffen. Das<br />

heißt, dass z.B. ein obligatorisches Einzelgespräch mit einer Beratungsfachkraft<br />

stattfinden sollte, wenn sich <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler <strong>für</strong> einen Schulzweig<br />

oder ein bestimmtes Schul- bzw. Berufsbildungsprogramm entscheiden.<br />

Unabhängigkeit der Berufsberatungskräfte<br />

Auch wenn es sinnvoll ist, Bildungs- und Berufsberatung in Schulen anzubieten,<br />

um den Zugang aller <strong>Lernen</strong>den zu gewährleisten, ist es wichtig, dass<br />

<strong>die</strong> Berufsberatungsfachkräfte ihre Unabhängigkeit von der Schule wahren. Dies<br />

könnte z.B. bedeuten, dass ein professioneller Bildungs- und Berufsberatungs<strong>die</strong>nst<br />

außerschulisch verwaltet wird, jedoch in den Schulen <strong>die</strong> Funktion eines<br />

„mobilen Diensts“ übernimmt (Kasten 3.2). Das könnte auch implizieren, dass<br />

Lehrkräfte zu Beratungsfachkräften ausgebildet werden, <strong>die</strong> bezüglich ihrer Zuständigkeiten<br />

gemäß den mit dem externen Berufsberatungs<strong>die</strong>nst vereinbarten<br />

Standards rechenschaftspflichtig sind und deren Engagement in der Orientierungsarbeit<br />

auf eine bestimmte Stundenzahl begrenzt ist.<br />

Gute Informationsquellen<br />

In der Regel sind Berufsinformationen webbasiert, sie können aber<br />

nützlicherweise durch gedrucktes Material sowie Kontaktpersonen unterstützt<br />

werden, <strong>die</strong> bei bestimmten Fragen über einzelne Berufe hilfreich sein können. Die<br />

Informationsquellen müssen regelmäßig aktualisiert werden, um neu entstehende<br />

Berufe und Bereiche, in denen Fachkräftemangel herrscht, zu identifizieren,<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG – 85<br />

Kasten 3.2 Berufs-, Stu<strong>die</strong>n- und Laufbahnberatung in der Schweiz<br />

In der Schweiz ist der Besuch von Berufsinformationsveranstaltungen Teil des<br />

Pflichtprogramms im Sekundarbereich. Daher erhalten alle Lehrkräfte Schulungen<br />

über Arbeitsmarktchancen. In der 7., 8. und 9. Klasse werden <strong>die</strong> Schülerinnen und<br />

Schüler an ihren Schulen über <strong>die</strong> verschiedenen Berufswahlmöglichkeiten informiert<br />

und mit den wichtigsten Einrichtungen <strong>für</strong> Berufsorientierung und -beratung,<br />

den Berufsinformationszentren (BIZ), vertraut gemacht. Die Berufsinformationszentren<br />

sind unabhängige Einrichtungen, <strong>die</strong> Informationen und Beratung <strong>für</strong> alle<br />

Bildungs- und Ausbildungsniveaus anbieten. Die Schülerinnen und Schüler können<br />

sich zunächst an Berufsberater wenden, <strong>die</strong> über ein breites Wissen über <strong>die</strong><br />

Berufsbildung verfügen; <strong>für</strong> spezifischere Informationen zu einzelnen Berufsfeldern<br />

stehen ihnen dann auf bestimmte Bereiche spezialisierte Berater zur Verfügung.<br />

In enger Zusammenarbeit mit den Schulen kommt es auch vor, dass<br />

Berufsberatungen direkt an den Schulen stattfinden, womit sich der Besuch eines<br />

Berufsinformationszentrums erübrigt.<br />

ebenso wie aktuelle und potenzielle Bereiche, in denen ein Überangebot an<br />

Fachkräften und Arbeitslosigkeit besteht. Eine wichtige Funktion von Beratungskräften<br />

wird es sein, den Einzelnen bei der Nutzung all <strong>die</strong>ser Informationsquellen<br />

zu begleiten (Kasten 3.3).<br />

Kasten 3.3 Bildungs- und Berufsinformationen<br />

in verschiedenen Ländern<br />

In der Tschechischen Republik bietet eine Website Informationen über <strong>die</strong><br />

verschiedenen Bildungsmöglichkeiten und ihre Arbeitsmarktergebnisse. Die Nutzer<br />

<strong>die</strong>ser Website können sich über <strong>die</strong> einzelnen Bildungsprogramme, <strong>die</strong> von<br />

den Einrichtungen des Sekundar- und Tertiärbereichs angeboten werden, <strong>die</strong> Zugangsvoraussetzungen<br />

sowie <strong>die</strong> Qualifikationen und Berufe informieren, zu denen<br />

<strong>die</strong>se Programme hinführen. Zudem werden Informationen über <strong>die</strong> Beschäftigungsbedingungen<br />

und <strong>die</strong> Zufriedenheit der Beschäftigten in verschiedenen Berufen<br />

präsentiert. Dies wird durch Daten über Beschäftigungs-/Arbeitslosenquoten<br />

und Gehälter gestützt, <strong>die</strong> nach Bildungsabschluss und Berufsfeld aufgeschlüsselt<br />

sind. Die Webnutzer können auch Informationen über verschiedene Berufe einholen,<br />

indem sie das auf der Website verfügbare Videomaterial anschauen und <strong>die</strong><br />

Beiträge über <strong>die</strong> Erfordernisse der Wirtschaft sowie <strong>die</strong> Erwartungen der Arbeitgeber<br />

im Hinblick auf <strong>die</strong> gesuchten Qualifikationen und Kompetenzen potenzieller<br />

Arbeitskräfte lesen.<br />

Quelle: Národní ústav odborného vzdělávání (2010), Informační systém o uplatnění<br />

absolventů škol na trhu práce, www.infoabsolvent.cz/, Internetzugriff im Juni 2010.<br />

(Fortsetzung nächste Seite)<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


86 – 3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG<br />

(Fortsetzung)<br />

In Mexiko hat das Bildungsministerium ein Instrument zur Berufsorientierung<br />

entwickelt, das auf USB-Sticks und online verfügbar ist. Es umfasst Hilfsmittel,<br />

damit <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler ihre Stärken und Interessen identifizieren<br />

können, Informationen über Einrichtungen und Berufsbildungsprogramme sowie<br />

Daten über <strong>die</strong> Arbeitsmarktergebnisse verschiedener (wenn auch noch nicht aller)<br />

Berufe und Ausbildungsniveaus. Die Schülerinnen und Schüler können verschiedene<br />

Berufswahlmöglichkeiten vergleichen und erfahren, ob <strong>die</strong> Absolventen in einem<br />

ihrer Ausbildung entsprechenden Beruf tätig sind, wie viel sie ver<strong>die</strong>nen und wie<br />

lang ihre durchschnittliche Arbeitszeit ist.<br />

Quelle: SEP (Secretaría de Educación Pública) (Sekretariat <strong>für</strong> öffentliches Bildungswesen)<br />

(2008), Orientación Vocacional en mi memoria Website, www.orientacionvocacional.<br />

sems.gob.mx, Internetzugriff im Oktober 2008.<br />

In South Carolina bietet das College and Career Planning System Schülerinnen<br />

und Schülern, Eltern und Pädagogen detaillierte <strong>Online</strong>-Informationen über ein<br />

breites Themenspektrum. Der Bereich „career planning“ umfasst einen Überblick<br />

über nahezu 1 000 Berufe, in dem <strong>die</strong> Tätigkeit, <strong>die</strong> wichtigen Interessen, <strong>die</strong><br />

Kompetenzen und Fähigkeiten, <strong>die</strong> Ausbildungsanforderungen und das Einkommen<br />

beschrieben werden. Die Schülerinnen und Schüler können Informationen<br />

über <strong>die</strong> nach der High School möglichen Ausbildungsgänge erhalten, <strong>die</strong> von<br />

3-monatigen Berufsbildungsprogrammen bis hin zu Promotionsstu<strong>die</strong>ngängen<br />

reichen. Sie können sich zudem über <strong>die</strong> Vorbereitung auf verschiedene Ausbildungen<br />

und <strong>die</strong> Finanzierung ihres Studiums informieren.<br />

Quelle: Personal Pathways to Success. (2010), www.scpathways.org/Masterweb/content/<br />

SC/dispatch.aspx?category=career&page=main&major=guest&minor=career, Internetzugriff<br />

im Juni 2010.<br />

In Schweden betreibt <strong>die</strong> nationale Bildungsbehörde eine Website, <strong>die</strong> Beschreibungen<br />

der Programme des Sekundarbereichs II und der Berufe, zu denen<br />

<strong>die</strong>se Programme führen, sowie Informationen darüber enthält, was <strong>die</strong> ehemaligen<br />

Teilnehmer an den einzelnen Berufsbildungsprogrammen fünf Jahre nach ihrem<br />

Abschluss machen – z.B. <strong>die</strong> Art der weiterführenden Bildung, ihren Beruf und<br />

den Prozentsatz der Nichterwerbspersonen.<br />

Quelle: Skolverket (2010), Utbildningsinfo.se Website, www.utbildningsinfo.se, Internetzugriff<br />

im Juni 2010.<br />

Ein umfassender Rahmen<br />

Eine persönliche Beratung sollte Teil eines umfassenden Rahmens <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Berufsberatung sein, zu dem auch ein systematisches Berufsbildungsprogramm<br />

gehört, das <strong>die</strong> <strong>Lernen</strong>den über <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> und <strong>die</strong> Karrieremöglichkeiten<br />

informiert. Das bedeutet, dass <strong>die</strong> Schulen Kenntnisse über <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> von<br />

den ersten Schuljahren an fördern sollten, was durch Besuche in Betrieben und<br />

Betriebspraktika gestützt werden sollte. Partnerschaften zwischen den Schulen<br />

und den in der näheren Umgebung ansässigen Unternehmen ermöglichen es<br />

sowohl den Lehrern als auch den Schülerinnen und Schülern, Zeit in Unterneh-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG – 87<br />

men zu verbringen. Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass junge Menschen<br />

Informationen über Arbeitsplätze und Berufsbilder besonders schätzen, wenn sie<br />

in einem wirklichen Unternehmen und durch Kontakte mit Erwerbstätigen eingeholt<br />

werden (Transition Review Group, 2005) (Kasten 3.4). Durch solche<br />

Erfahrungen können <strong>die</strong> Jugendlichen einen Eindruck von den Wahlmöglichkeiten<br />

gewinnen, denen sie sich in ihrer Berufs- und Bildungslaufbahn gegenübersehen<br />

werden.<br />

In den Vereinigten Staaten werden z.B. viele der an der High School angebotenen<br />

Berufsbildungsgänge (oder Career and Technical Education, wie sie<br />

gemeinhin in den Vereinigten Staaten bezeichnet wird) als „Berufserkundung“<br />

gesehen. Solche Bildungsgänge sollen den Schülerinnen und Schülern häufig<br />

einen Einblick in einen Beruf vermitteln, ohne dass sie so weit gehen, <strong>die</strong><br />

Schülerinnen und Schüler gänzlich auf einen bestimmten Beruf vorzubereiten<br />

(Kasten 1.4). Viele Länder setzen auch Betriebspraktika als Mittel der Berufsorientierung<br />

ein (Kasten 3.4).<br />

Kasten 3.4 Betriebspraktika<br />

In Deutschland, Österreich und der Schweiz müssen <strong>die</strong> Schülerinnen und<br />

Schüler der Sekundarstufe-I-Programme, <strong>die</strong> zu einer Berufsausbildung führen,<br />

kurze Betriebspraktika absolvieren. Sie sollen den jungen Menschen eine Berufserfahrung<br />

vermitteln, <strong>die</strong> ihnen dabei helfen kann, einen Berufsweg zu wählen und<br />

einen Ausbildungsplatz zu finden. Die Schülerinnen und Schüler absolvieren <strong>die</strong>se<br />

Praktika meistens während der Schulferien. Eine Erhebung unter 1 000 Schülerinnen<br />

und Schülern in der Schweiz ergab, dass solche Kurzpraktika eine wichtige Informationsquelle<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufswahl sind, und 61% wurde nach einem Praktikum ein<br />

Ausbildungsplatz angeboten (Herzog et al., 2004).<br />

In Dänemark haben <strong>die</strong> meisten Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I<br />

ebenfalls <strong>die</strong> Möglichkeit, einen Einblick in ein reales Arbeitsumfeld zu bekommen.<br />

Im Alter zwischen 14 und 16 Jahren absolvieren sie in der Regel mindestens<br />

zwei verschiedene einwöchige Betriebspraktika (<strong>OECD</strong>, 2002c).<br />

In Norwegen müssen fast alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I,<br />

unabhängig davon, ob sie beabsichtigen, an einem Berufsbildungsprogramm teilzunehmen,<br />

in der 9. Klasse ein einwöchiges Betriebspraktikum und in der<br />

10. Klasse ein weiteres absolvieren. Die Schulen bauen häufig Partnerschaften mit<br />

den in der Gegend ansässigen Unternehmen auf, um den Austausch zwischen den<br />

Schülerinnen bzw. Schülern und den Arbeitgebern zu erleichtern (<strong>OECD</strong>, 2002c).<br />

Bessere Belege darüber, was wirksam ist<br />

Berufsberatungsinitiativen müssen sorgsam evaluiert werden, um eine<br />

effektive Ressourcenausstattung rechtfertigen und den optimalen Einsatz <strong>die</strong>ser<br />

Ressourcen ermitteln zu können. Die unmittelbaren Effekte könnten durch<br />

Follow-up-Erhebungen unter denjenigen, <strong>die</strong> eine Beratung erhalten (und unter<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


88 – 3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG<br />

jenen, <strong>die</strong> sie nicht erhalten), untersucht werden, während längerfristige Effekte<br />

über mehrere Jahre ebenfalls gemessen werden müssen. Anhand randomisierter<br />

kontrollierter Versuche können <strong>die</strong> Effekte (zusätzlicher) intensiver Bildungsund<br />

Berufsberatung auf <strong>die</strong> nach dem Zufallsprinzip ausgewählten jungen<br />

Menschen bewertet und dann mit Kontrollgruppen verglichen werden, <strong>die</strong> keine<br />

Beratung erhalten.<br />

Bildungs- und Berufsberatung: Schlussbetrachtungen<br />

Diskussion und Erkenntnisse<br />

• Angesichts der Tatsache, dass <strong>die</strong> Schülerpräferenzen bei der Bestimmung<br />

des Angebotsmix ein entscheidendes Element bilden, ist eine gute Beratung<br />

bei der Förderung <strong>die</strong>ser Präferenzen ein sehr wichtiger Weg, um das Angebot<br />

mit dem Arbeitsmarktbedarf abzustimmen. Eine derartige Beratung<br />

gewinnt zunehmend an Bedeutung, da sich das Spektrum der dem Einzelnen<br />

offenstehenden Berufs- und Bildungsmöglichkeiten vergrößert.<br />

• Das <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsberatung zuständige Personal ist in manchen Fällen<br />

nicht angemessen ausgebildet, um mit Arbeitsmarktfragen vertraut zu sein,<br />

wobei hinzukommt, dass der Berufsberatung oft nur eine untergeordnete<br />

Rolle neben der psychologischen Beratung zugewiesen wird.<br />

• Die Berufsberatungs<strong>die</strong>nste können fragmentiert und nicht mit ausreichenden<br />

Ressourcen ausgestattet sein und handeln u.U. nur reaktiv, was<br />

bedeutet, dass gerade <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> Beratung am dringendsten benötigen,<br />

sie möglicherweise nicht erhalten.<br />

• Der Beratung mangelt es mitunter an Objektivität, weil <strong>die</strong> Beratungskräfte in<br />

Bildungseinrichtungen angesiedelt sind, in denen das Augenmerk stärker<br />

auf akademische Bildungsgänge gerichtet wird.<br />

• Einschlägige Arbeitsmarktinformationen sind nicht immer verfügbar bzw.<br />

nicht ohne weiteres verständlich.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG – 89<br />

<br />

Bildungs- und Berufsberatung: <strong>OECD</strong>-Empfehlungen<br />

Ein kohärentes Berufsbild des Berufsberaters sollte entwickelt<br />

werden, das von der psychologischen Beratung unabhängig ist und<br />

eine gute Kenntnis der Arbeitsmärkte voraussetzt.<br />

Es sollten ausreichende Ressourcen <strong>für</strong> eine proaktive Bildungs- und<br />

Berufsberatung bereitgestellt werden.<br />

Die Unabhängigkeit der Berufsberatungskräfte sollte gewährleistet<br />

sein, um eine objektive Beratung zu fördern.<br />

Es sollten gute Informationsquellen über Berufe und Bildungsgänge<br />

bereitgestellt werden.<br />

Durch Partnerschaften mit den Arbeitgebern sollte ein umfassender<br />

Rahmen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsberatung geschaffen werden.<br />

Eine angemessene Evaluierung von Berufsberatungsinitiativen sollte<br />

gewährleistet werden.<br />

Anmerkungen<br />

1. Für weitere Informationen über <strong>die</strong> Schwierigkeiten bei der Evaluierung von Effekten<br />

der Bildungs- und Berufsberatung vgl. z.B. Maguire und Killeen (2003).<br />

2. Das Occupational Outlook Handbook enthält Informationen über 250 verschiedene<br />

Berufe, <strong>die</strong> in der US-Wirtschaft 90% der Arbeitsplätze abdecken. Für jeden Beruf<br />

liefert es Informationen über: <strong>die</strong> erforderliche Bildung und Ausbildung, den Ver<strong>die</strong>nst,<br />

<strong>die</strong> zu erwartenden Beschäftigungsaussichten, den Aufgabenbereich der<br />

Beschäftigten und <strong>die</strong> Arbeitsbedingungen. Vgl. www.bls.gov/OCO/.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


90 – 3. BILDUNGS- UND BERUFSBERATUNG<br />

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LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


4. LEISTUNGSFÄHIGE LEHRKRÄFTE UND AUSBILDER – 93<br />

Kapitel 4<br />

Leistungsfähige Lehrkräfte und Ausbilder<br />

Wie beim allgemeinbildenden Unterricht auch, ist <strong>die</strong> Qualität der<br />

Lehrkräfte und Ausbilder in berufsbildenden Programmen <strong>für</strong> effektives<br />

<strong>Lernen</strong> von entscheidender Bedeutung. In <strong>die</strong>sem Kapitel wird <strong>die</strong> Auffassung<br />

vertreten, dass <strong>die</strong> Länder angesichts des Personalmangels<br />

kreative Maßnahmen benötigen, um <strong>die</strong> Einstellung von Lehrkräften<br />

und Ausbildern in der Berufsbildung zu fördern und sicherzustellen,<br />

dass <strong>die</strong>se über einschlägige und aktuelle betriebliche Kompetenzen<br />

verfügen. Hier<strong>für</strong> müssen <strong>die</strong> Einstellung von praxiserfahrenen Kräften<br />

aus den Betrieben in Berufsbildungseinrichtungen sowie <strong>die</strong> nebenberufliche<br />

Tätigkeit von Ausbildern, <strong>die</strong> hauptberuflich in einem Betrieb<br />

tätig sind, gefördert werden, um in den Berufsbildungseinrichtungen<br />

das Verständnis <strong>für</strong> Betriebsabläufe zu verbessern. Die Betreuer der<br />

Auszubildenden in den Betrieben benötigen eine einschlägige<br />

Qualifikation, um insbesondere ihrer pädagogischen Rolle gerecht zu<br />

werden. Austauschmöglichkeiten sowie Partnerschaften zwischen<br />

Berufsbildungseinrichtungen und Betrieben sollten gefördert werden.<br />

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94 – 4. LEISTUNGSFÄHIGE LEHRKRÄFTE UND AUSBILDER<br />

Klassifizierung der Lehrkräfte und Ausbilder<br />

Im allgemeinbildenden Bereich wird anerkannt, dass <strong>die</strong> Qualität der<br />

Lehrkräfte einer der wesentlichen Faktoren ist, <strong>die</strong> ein effektives <strong>Lernen</strong> unterstützen.<br />

Dies hat zu einer breiten Palette von Politikinitiativen geführt, <strong>die</strong> auf<br />

<strong>die</strong> Verbesserung der Qualität der Lehrkräfte abzielen. Für Lehrkräfte und Ausbilder<br />

in Berufsbildungsprogrammen gelten sehr ähnliche Erwägungen.<br />

In jedem Berufsbildungssystem sind viele Personen offiziell und inoffiziell an<br />

der Vermittlung beruflicher Kompetenzen und Kenntnisse beteiligt. In <strong>die</strong>sem Bericht<br />

werden als Ausbilder <strong>die</strong>jenigen bezeichnet, <strong>die</strong> entweder in Berufsbildungseinrichtungen<br />

oder in den Betrieben in erster Linie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vermittlung praktischer<br />

beruflicher Kompetenzen zuständig sind, und als Berufsschullehrer <strong>die</strong>jenigen,<br />

<strong>die</strong> in erster Linie theoretische berufliche Kompetenzen vermitteln. Darüber hinaus<br />

verfügen zahlreiche Berufsbildungseinrichtungen auch über Lehrer <strong>für</strong> allgemeinbildende<br />

Fächer, <strong>die</strong> etwa Mathematik oder Fremdsprachen unterrichten. In der<br />

Praxis wird sich <strong>die</strong> Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen Lehrer- und Ausbilderkategorien<br />

in den einzelnen Ländern sehr unterscheiden, und <strong>die</strong> Grenzen<br />

werden sich oftmals verwischen: In Norwegen beispielsweise werden <strong>die</strong> theoretischen<br />

und <strong>die</strong> praktischen Inhalte der Berufsausbildung zunehmend kombiniert<br />

unterrichtet, während <strong>die</strong> allgemeinbildenden Fächer (z.B. Naturwissenschaften) in<br />

der Schweiz oft an das jeweilige Berufsfeld angepasst werden (z.B. <strong>für</strong> Elektriker).<br />

Lehrkräfte und Ausbilder in Berufsbildungseinrichtungen<br />

Alternde Arbeitskräfte und begrenzte betriebliche Berufserfahrung<br />

stellen ein Problem dar<br />

Viele <strong>OECD</strong>-Länder sind im Hinblick auf ihr Lehr- und Ausbildungspersonal<br />

mit zwei miteinander zusammenhängenden Problemen konfrontiert. Zum<br />

einen altern <strong>die</strong> Lehrkräfte. In zahlreichen europäischen Ländern mangelt es in<br />

den Berufsbildungseinrichtungen an Lehrkräften und Ausbildern oder dürfte in<br />

absehbarer Zeit ein solcher Mangel entstehen (Cort, Härkönen und Volmari,<br />

2004). In Schweden etwa ist über <strong>die</strong> Hälfte der Berufsschullehrer und Ausbilder<br />

im Sekundarbereich II älter als 50 Jahre (Skolverket, 2007). Die Alterung<br />

der Lehrkräfte an Berufsbildungseinrichtungen stellt auch in Australien eine<br />

Herausforderung dar (NCVER, 2004).<br />

Einer Vielzahl von Ländern ist es schwergefallen, <strong>die</strong> wachsende Verrentungswelle<br />

auszugleichen. Bei der Einstellung von Lehrkräften und Ausbildern<br />

waren Berufsbildungseinrichtungen bisweilen gezwungen, mit der Wirtschaft zu<br />

konkurrieren, und sind oftmals nicht in der Lage, wettbewerbsfähige Gehälter<br />

zu zahlen, insbesondere bei Wachstumsberufen, wo <strong>die</strong> Nachfrage nach Ausbildern<br />

am höchsten ist. Im Kontext eines Wirtschaftsabschwungs und steigender<br />

Arbeitslosigkeit nimmt <strong>die</strong> relative Attraktivität der Tätigkeit als Berufsschullehrer<br />

jedoch zu, wie während der jüngsten Rezession zu beobachten war. Die<br />

Länder müssen bereit sein, <strong>die</strong>sen Umstand zu nutzen, indem sie Möglichkeiten<br />

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4. LEISTUNGSFÄHIGE LEHRKRÄFTE UND AUSBILDER – 95<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterbildung von Personen mit einschlägigen beruflichen Kompetenzen<br />

zu Lehrkräften und Ausbildern schaffen.<br />

Eine zweite Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass Ausbilder<br />

in Berufsbildungseinrichtungen – und in geringerem Umfang Lehrkräfte <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

berufliche Theorie – mit den sich rasch verändernden Anforderungen moderner<br />

betrieblicher Arbeitsplätze vertraut sind. Auch wenn es wenig empirische Befunde<br />

zu <strong>die</strong>sem Thema gibt, lässt eine Prüfung der vorhandenen Daten <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Vereinigten Staaten darauf schließen, dass einschlägige Berufserfahrung hilfreich<br />

ist, insbesondere <strong>für</strong> Nachwuchslehrer und -ausbilder, da sie <strong>die</strong>sen einen<br />

Kontext bietet und ihnen Selbstvertrauen beim Unterrichten ihres Fachs verleiht.<br />

Betriebliche Arbeitserfahrung, <strong>die</strong> über einen gewissen Schwellenwert hinausgeht,<br />

scheint allerdings keine weiteren positiven Auswirkungen auf <strong>die</strong> Unterrichtseffizienz<br />

zu haben, weshalb <strong>die</strong> Art der Berufserfahrung möglicherweise<br />

wichtiger ist als ihre Dauer (Lynch, 1998).<br />

Die Kenntnisse und Fertigkeiten der Lehrkräfte und Ausbilder in den<br />

Berufsbildungseinrichtungen müssen auf dem aktuellen Stand bleiben. Eine<br />

australische Stu<strong>die</strong> (Harris et al., 2001) ergab, dass lediglich 28% der Vollzeit- und<br />

55% der Teilzeitausbilder ihre Fachkenntnisse als aktuell einstuften. Angesichts<br />

der überragenden Bedeutung des betrieblichen Arbeitsplatzes <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ziele der<br />

Berufsausbildung sollten alle Ausbilder in Berufsbildungseinrichtungen dazu<br />

ermutigt werden, Zeit im Betrieb zu verbringen und wenigstens gelegentlich<br />

dort zu arbeiten. Dalton und Smith (2004) stellen fest, dass sich Berufsschullehrer<br />

in der Tendenz <strong>für</strong> beruflich zu stark eingebunden halten, um ihre Kompetenzen<br />

und Kenntnisse auf den neuesten Stand zu bringen, wenn <strong>die</strong> Fortbildung im<br />

Betrieb nicht formal in ihre Arbeit eingebunden und als Teil ihres Arbeitspensums<br />

anerkannt wird. Der Erwerb und <strong>die</strong> Aktualisierung arbeitsbezogenen<br />

Wissens kann auch durch – insbesondere vergütungsbezogene – Anreize gefördert<br />

werden.<br />

Lösungsmöglichkeiten<br />

Unterschiedliche Wege zum Beruf des Ausbilders<br />

Wo es den bereits in Berufsbildungseinrichtungen tätigen Ausbildern an<br />

betrieblicher Arbeitserfahrung mangelt, müssen mehr Personen mit praktischen<br />

betrieblichen Kenntnissen dazu ermutigt werden, sich als Ausbilder in derartigen<br />

Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Dies wird sowohl <strong>die</strong> Zahl der Einstellungen<br />

erhöhen als auch gewährleisten, dass <strong>die</strong> Ausbilder mit betrieblichen Arbeitsplätzen<br />

vertraut sind. Da<strong>für</strong> zu sorgen, dass Ausbilder in den Berufsbildungseinrichtungen<br />

über berufliche Kompetenzen verfügen, hat ferner den Vorteil, dass<br />

Arbeitgeber der Berufsausbildung in der Regel höhere Bedeutung beimessen,<br />

wenn <strong>die</strong> Ausbilder einschlägige Berufserfahrung nachweisen müssen (Spark,<br />

1999, in Dalton und Smith, 2004). Effektive und vielfältige Möglichkeiten, den<br />

Beruf der Lehrkraft/des Ausbilders an Berufsbildungseinrichtungen aufzunehmen,<br />

können hierzu einen Beitrag leisten.<br />

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96 – 4. LEISTUNGSFÄHIGE LEHRKRÄFTE UND AUSBILDER<br />

In vielen Ländern gibt es Beschäftigte, <strong>die</strong> einerseits als Ausbilder und andererseits<br />

in einem Betrieb tätig sind, jeweils auf Teilzeitbasis. Derartige Regelungen<br />

bieten besondere Vorteile, da <strong>die</strong>se Ausbilder in engem Kontakt mit den<br />

sich verändernden Anforderungen eines modernen betrieblichen Arbeitsumfelds<br />

bleiben und ein solches Arbeitsmodell u.U. auch <strong>für</strong> <strong>die</strong>jenigen attraktiv ist, <strong>die</strong><br />

Ausbilder werden, gleichzeitig jedoch weiterhin im Betrieb tätig sein möchten.<br />

Qualifizierte Arbeitskräfte können auch von ihrem Unternehmen beurlaubt und<br />

im Rahmen von Zeitverträgen <strong>für</strong> ihre Tätigkeit als Ausbilder unmittelbar eingestellt<br />

werden. Solche Modelle gibt es in Norwegen, wo <strong>die</strong> Berufsbildungseinrichtungen<br />

und <strong>die</strong> Arbeitgeber vor Ort zusammenarbeiten, um ein angemessenes<br />

Angebot an Berufsschullehrern zu gewährleisten. In Ländern, in denen der<br />

Status des Lehrerberufs im Allgemeinen niedrig ist und sich nur wenige junge<br />

Menschen <strong>für</strong> Stellen als Berufsschullehrer interessieren, helfen u.U. Partnerschaften<br />

zwischen Berufsbildungseinrichtungen und Arbeitgebern dabei, <strong>die</strong><br />

Attraktivität des Berufs zu steigern und damit qualifizierte und motivierte Kandidaten<br />

zu gewinnen. Um solche Modelle zu fördern, ist eine enge Zusammenarbeit<br />

zwischen Anbietern und Arbeitgebern von entscheidender Bedeutung.<br />

Einige Länder, insbesondere <strong>die</strong> Vereinigten Staaten, nutzen ein alternatives<br />

Zertifizierungssystem, um hochqualifizierte Kandidaten <strong>für</strong> den Beruf zu gewinnen<br />

(Kasten 4.1).<br />

Kasten 4.1 Das Programm „DIRECT“ in South Carolina<br />

In Ausbildungsgängen wie Schweißtechnik, Kosmetologie und Kochen können<br />

Personen mit einschlägiger Berufserfahrung den Lehrerberuf über das durch den<br />

Bundesstaat angebotene arbeitsbasierte Zertifizierungsprogramm im Bereich der<br />

Berufsbildung (career and technical training – CTE) ergreifen. Die Kandidaten<br />

müssen nachweisen, dass sie <strong>die</strong> erforderlichen Fertigkeiten besitzen, indem sie eine<br />

geeignete Branchenzertifizierung erwerben oder eine staatlich anerkannte Kompetenzprüfung<br />

in dem gewählten Bereich ablegen.<br />

Die künftigen CTE-Ausbilder, <strong>die</strong> aus den Betrieben und Unternehmen kommen,<br />

haben oftmals kaum Lehrerfahrung. Um ihnen pädagogische Kompetenzen zu<br />

vermitteln und ihnen einen erfolgreichen Übergang vom Betrieb in <strong>die</strong> Schule zu<br />

ermöglichen, wurde eigens <strong>für</strong> ihren Bedarf ein Pflichtlehrgang namens DIRECT<br />

entwickelt. Im Rahmen von DIRECT wird sowohl theoretisches als auch praktisches<br />

Wissen über Lehrmethoden, Klassen- und Labormanagement, Lehrpläne und<br />

<strong>die</strong> Leistungsprüfung vermittelt. Die Lehrgänge finden in Form von Blockunterricht<br />

über mehrere Tage im Sommer und an einigen Samstagen im Lauf des Schuljahrs<br />

statt.<br />

Quelle: Rex J., V. Evans Harrison und J. Couch (2008), South Carolina Five-Year Plan, July<br />

1, 2008-June 30, 2013 for the Carl D. Perkins Career and Technical Education Act of 2006,<br />

South Carolina Department of Eduction; DIRECT-Website: www.scdirect.org.<br />

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4. LEISTUNGSFÄHIGE LEHRKRÄFTE UND AUSBILDER – 97<br />

Flexibles Angebot an pädagogischer Ausbildung<br />

Die <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausübung des Lehrer-/Ausbilderberufs erforderlichen Qualifikationen<br />

unterscheiden sich von einem <strong>OECD</strong>-Land zum nächsten, wobei in<br />

vielen Ländern (z.B. Korea) <strong>die</strong> Anforderungen <strong>für</strong> Berufsschullehrer höher sind<br />

als <strong>für</strong> Ausbilder. Eine pädagogische Ausbildung ist ein wichtiger Teil der Vorbereitung<br />

der Ausbilder auf ihre Tätigkeit. Derartige Lehrgänge bereiten <strong>die</strong> Ausbilder<br />

zwar auf ihre Arbeit vor, zu hohe Anforderungen könnten jedoch Arbeitskräfte,<br />

<strong>die</strong> mitten in ihrer beruflichen Laufbahn stehen, davon abhalten, als Berufsschullehrer<br />

oder Ausbilder tätig zu werden. Wenn es qualifizierten Arbeitskräften<br />

ermöglicht wird, ihre pädagogischen Fähigkeiten auf flexible Art und Weise zu<br />

erwerben (z.B. Fernunterricht, Anerkennung früher erworbenen Wissens), werden<br />

<strong>die</strong>se zur Aufnahme einer Tätigkeit als Berufsschullehrer bzw. Ausbilder ermutigt.<br />

So können beispielsweise in Irland Ausbilder, <strong>die</strong> in der National Training and<br />

Employment Authority (FÁS) arbeiten, <strong>die</strong> erforderliche pädagogische Qualifikation<br />

durch Teilnahme an ein bis zwei Schulungstagen erwerben.<br />

Für Lehrerinnen und Lehrer <strong>für</strong> allgemeinbildende Fächer, z.B. <strong>die</strong>jenigen,<br />

<strong>die</strong> in den Berufsbildungseinrichtungen Elektriker in Physik unterrichten, gestaltet<br />

sich <strong>die</strong> Lage etwas anders. Betriebliche Arbeitserfahrung ist <strong>für</strong> sie zwar möglicherweise<br />

weniger relevant als <strong>für</strong> ihre Kollegen, <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vermittlung praktischer<br />

Kenntnisse verantwortlich sind, zu klären sind jedoch <strong>die</strong> Unterrichtsinhalte,<br />

<strong>die</strong> im Betrieb möglichst nützlich sein sollten, sowie <strong>die</strong> Vermittlungsweise,<br />

durch <strong>die</strong> sich den Schülerinnen und Schülern <strong>die</strong> Relevanz der Inhalte<br />

erschließen sollte. In der Schweiz müssen Lehrkräfte <strong>für</strong> <strong>die</strong>se allgemeinbildenden<br />

Fächer in Berufsbildungseinrichtungen zusätzliche Kurse belegen, um sicherzustellen,<br />

dass <strong>die</strong> Fächer dem Bedarf der Berufsschülerinnen und -schüler entsprechen.<br />

Für Personen mit Lehrbefähigung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Sekundarstufe II umfassen<br />

<strong>die</strong>se 300 Lernstunden 1 . Die Einrichtung, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Kurse in der Regel anbietet,<br />

<strong>die</strong>nt auch als Kompetenzzentrum <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausbildung von Lehrkräften und Ausbildern<br />

in Einrichtungen der beruflichen Bildung sowie von weiteren Berufsbildungsverantwortlichen<br />

(Kasten 4.2).<br />

Kasten 4.2 Das Eidgenössische Hochschulinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung<br />

Das Eidgenössische Hochschulinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung (EHB) ist das schweizerische<br />

Kompetenzzentrum <strong>für</strong> Lehre und Forschung in der Berufspädagogik und<br />

-bildung. Es bildet <strong>die</strong>jenigen aus, <strong>die</strong> in berufsbildenden Schulen und höheren<br />

Fachschulen unterrichten möchten. Darüber hinaus bietet es auch Weiterbildungskurse<br />

an, <strong>die</strong> Lehrkräften und Ausbildern dabei helfen, ihre Kenntnisse auf den<br />

neuesten Stand zu bringen und berufsbildende Schulen bei der Entwicklung ihres<br />

Managements unterstützen. Schließlich führt es Evaluationen und Forschungsarbeiten<br />

durch, <strong>die</strong> als Grundlage <strong>für</strong> <strong>die</strong> Politikgestaltung im Berufsbildungsbereich <strong>die</strong>nen.<br />

Quelle: Bundesamt <strong>für</strong> Berufsbildung und Technologie (2008), Berufsbildung in der Schweiz.<br />

Nationaler Bericht der Schweiz als Beitrag zur <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> zur Berufsbildung „Learning<br />

for Jobs“, Bundesamt <strong>für</strong> Berufsbildung und Technologie, Bern.<br />

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98 – 4. LEISTUNGSFÄHIGE LEHRKRÄFTE UND AUSBILDER<br />

Erhebung von Daten über Lehrkräfte und Ausbilder in der beruflichen<br />

Bildung<br />

In jedem System der beruflichen Bildung werden verlässliche Daten benötigt,<br />

um Herausforderungen in Bezug auf <strong>die</strong> Einstellung von Lehrkräften und<br />

Ausbildern zu diagnostizieren. Dies bedeutet, dass Daten über das Alter der Arbeitskräfte<br />

sowie Ruhestands- und Einstellungsquoten erhoben werden müssen, so<br />

dass einfache Extrapolationen <strong>für</strong> das Lehrpersonal vorgenommen werden können.<br />

Bessere Daten würden es den Politikverantwortlichen erlauben, nicht nur das<br />

Ausmaß eines möglichen Problems zu ermitteln, sondern auch seine Entwicklung<br />

im Lauf der Zeit angesichts der erwarteten Verbleibs- und Einstellungsquoten<br />

vorherzusagen und unterschiedliche Lösungsoptionen zu evaluieren, da<br />

sie z.B. den Vergleich des Effekts und der Kosten von Gehaltssteigerungen mit<br />

anderen Anreizmechanismen ermöglichen würden.<br />

In vielen Ländern lassen sich jedoch nur unzureichende Daten über Lehrkräfte<br />

und Ausbilder in berufsbildenden Einrichtungen finden. In Australien<br />

etwa, einem Land, in dem im Allgemeinen sehr verlässliche Daten über das Berufsbildungssystem<br />

vorhanden sind, gibt es keine einheitliche Quelle <strong>für</strong> Daten<br />

über <strong>die</strong> Arbeitskräfte, und <strong>die</strong> Daten der Bundesstaaten und Territorien decken<br />

nur <strong>die</strong> grundlegendsten Angaben wie Alter und Geschlecht auf einheitlicher<br />

Basis ab. Die Daten liegen in der Regel einzelnen Anbietern vor und unterscheiden<br />

sich erheblich in der Qualität (NCVER, 2004; Harris et al., 2001). Längsschnittdaten,<br />

zumindest auf der Grundlage einer Stichprobe, würden zur Klärung<br />

der Faktoren beitragen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Berufswegentscheidungen beeinflussen.<br />

Solche Daten existieren beispielsweise in den Vereinigten Staaten und wurden<br />

zur Identifizierung der wichtigsten Faktoren verwendet, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Arbeitskräfte im<br />

Lehrer- und Ausbilderbereich beeinflussen.<br />

Vorbereitung der Ausbilder in den Betrieben<br />

Der Wert weitergehender pädagogischer Kompetenzen<br />

Während <strong>die</strong> Einrichtungen der beruflichen Bildung <strong>die</strong> Vertrautheit ihrer<br />

Ausbilder mit dem betrieblichen Arbeitsumfeld oftmals verbessern möchten,<br />

besteht in den Betrieben ein größeres Interesse daran, <strong>die</strong> Betreuer der Auszubildenden<br />

und Praktikanten mit den nötigen pädagogischen Kompetenzen auszustatten.<br />

Den Betreuern kommt eine wichtige Rolle zu, sie geben <strong>die</strong> praktischen<br />

Kenntnisse weiter, vermitteln jedoch auch theoretisches Wissen, helfen<br />

den Auszubildenden und Praktikanten dabei, sich mit den sozialen Gepflogenheiten<br />

des Betriebs vertraut zu machen, und sind ganz allgemein <strong>für</strong> <strong>die</strong> Auszubildenden<br />

und Praktikanten verantwortlich (Gérard et al., 1998).<br />

Um eine praktische Fertigkeit zu vermitteln, genügt es nicht, <strong>die</strong>se lediglich<br />

zu beherrschen. Zum Unterrichten sind besondere Kompetenzen erforderlich.<br />

Eine Stu<strong>die</strong> ergab, dass <strong>die</strong> Auszubildenden <strong>die</strong> sozialen Kompetenzen der<br />

Betreuer, wie Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, sehr positiv bewerteten,<br />

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4. LEISTUNGSFÄHIGE LEHRKRÄFTE UND AUSBILDER – 99<br />

viele Betreuer jedoch der Ansicht waren, dass ihnen <strong>die</strong> Kompetenzen fehlten, um<br />

<strong>die</strong>se Erwartungen zu erfüllen (Harris, Simons und Bone, 2000). Laut einer im<br />

Vereinigten Königreich durchgeführten Stu<strong>die</strong> (Evans, Dovaston und Holland,<br />

1990) konzentrieren sich Betreuer ohne einschlägige Ausbildung in der Tendenz auf<br />

berufsbezogene Fertigkeiten und vernachlässigen <strong>die</strong> allgemeinen sozialen<br />

Kompetenzen. Kirpal und Tutschner (2008) fanden in einer Stu<strong>die</strong> über Ausbilder in<br />

Europa heraus, dass <strong>die</strong> Ausbildungstätigkeit in der Wahrnehmung der Ausbilder<br />

oft als zusätzliche Aufgabe am Rande ihrer Hauptaufgabe geleistet wird und<br />

dass Unternehmen, in denen nicht zwischen der Ausbildungsverantwortung und<br />

anderen Aufgaben unterschieden wird, ihren Beschäftigten in der Regel weniger<br />

Möglichkeiten bieten, einschlägige Ausbildungskompetenzen zu erwerben.<br />

Die Daten aus verschiedenen Ländern lassen darauf schließen, dass Lehrlingsbetreuer,<br />

<strong>die</strong> eine einschlägige Ausbildung durchlaufen, bessere Arbeit bei<br />

der Qualifizierung der Auszubildenden leisten. In Australien gaben <strong>die</strong> Ausbilder<br />

in den Betrieben an, dass gezielte Lehrgänge <strong>für</strong> den Erwerb von Kompetenzen<br />

im Bereich der Ausbildungsleitung hilfreich waren (Harris, Simons und<br />

Bone, 2000). In Deutschland scheint <strong>die</strong> Aussetzung der Ausbilder-Eignungsverordnung<br />

insgesamt einen negativen Effekt auf <strong>die</strong> Qualität der Berufsausbildung<br />

gehabt zu haben. Die Verordnung war <strong>für</strong> fünf Jahre ausgesetzt worden, da<br />

sich <strong>die</strong> Unternehmen beklagt hatten, dass <strong>die</strong>se eine Hürde <strong>für</strong> das Angebot von<br />

Ausbildungsplätzen darstelle, und wurde erst kürzlich wieder eingeführt. Die<br />

ersten Evaluierungen <strong>die</strong>ser Aussetzung zeigen, dass in Unternehmen ohne qualifiziertes<br />

Ausbildungspersonal <strong>die</strong> Abbruchquoten unter den Auszubildenden<br />

höher waren und sich <strong>die</strong>se Unternehmen stärker über <strong>die</strong> Leistungen ihrer Auszubildenden<br />

beklagten. Die Sozialpartner brachten <strong>die</strong> Aussetzung mit einer<br />

Verschlechterung des Ansehens und der Qualität der Berufsausbildung in Verbindung.<br />

Sowohl ausbildende als auch nichtausbildende Unternehmen betrachteten<br />

formale Anforderungen <strong>für</strong> Ausbilder in den Betrieben als Garantie <strong>für</strong> Mindeststandards<br />

(BIBB, 2008). Eine Ausbildung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausbilder in den Betrieben<br />

könnte auch positive Spillover-Effekte haben, da <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Ausbilder erworbenen<br />

Kompetenzen in der Regel im Unternehmen weitergereicht werden. Dies ist<br />

besonders wichtig, da <strong>die</strong> regulären Kollegen ebenfalls einen Beitrag zur Lernerfahrung<br />

der Auszubildenden leisten, indem sie Fragen beantworten, den Auszubildenden<br />

zeigen, wie Aufgaben ausgeführt werden, oder ihnen informelles Feedback geben<br />

(Robertson et al., 2000).<br />

Mindeststandards <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vorbereitung der Ausbilder sicherstellen<br />

In den meisten <strong>OECD</strong>-Ländern ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> Tätigkeit als Ausbilder einschlägige<br />

Berufserfahrung erforderlich, eine pädagogische Ausbildung oder der<br />

Erwerb von Führungskompetenzen wird jedoch seltener von den Ausbildern<br />

verlangt. Die letztgenannten Anforderungen sind z.T. in Ländern mit starken<br />

Berufsausbildungssystemen zu finden, z.B. in Deutschland, Österreich und der<br />

Schweiz (Kirpal und Tutschner, 2008). In Kasten 4.3 sind zwei Beispiele <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Vorbereitung der Ausbilder dargestellt.<br />

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100 – 4. LEISTUNGSFÄHIGE LEHRKRÄFTE UND AUSBILDER<br />

Kasten 4.3 Vorbereitung der Ausbilder in den Betrieben<br />

Im flämischen Teil Belgiens wird <strong>für</strong> Arbeitgeber, <strong>die</strong> Auszubildende einstellen,<br />

ein 12-stündiger Lehrgang namens „Estafette“ durchgeführt. Im Mittelpunkt<br />

des Programms stehen Themen wie <strong>die</strong> Aufnahme der Auszubildenden, das Geben<br />

von Anweisungen und Feedback sowie Konfliktmanagement. Dieser Lehrgang ist<br />

<strong>für</strong> alle Arbeitgeber und Betreuer, <strong>die</strong> erstmals Auszubildende einstellen, sowie <strong>für</strong><br />

erfahrene Arbeitgeber und Betreuer, <strong>die</strong> sich eine Lockerung bestimmter Regelungen<br />

wünschen oder in der Vergangenheit Probleme mit Auszubildenden hatten,<br />

zwingend vorgeschrieben.<br />

Quelle: Flämisches Ministerium <strong>für</strong> Unterricht und Bildung (2009).<br />

In der Schweiz müssen <strong>die</strong> Unternehmen durch den Kanton überwachte Qualitätsstandards<br />

einhalten, wenn sie Auszubildende einstellen möchten. Die Betreuer von<br />

Auszubildenden müssen einen 100-stündigen Lehrgang absolvieren, der Pädagogik,<br />

rechtliche Fragen, Kenntnisse des Berufsbildungssystems sowie potenzielle Probleme<br />

mit jungen Menschen, etwa Drogen oder Alkohol, abdeckt. Im Rahmen des Qualitätssicherungsverfahrens<br />

sprechen <strong>die</strong> Inspektoren des Kantons mit den Auszubildenden<br />

sowie den Beschäftigten im Unternehmen, um <strong>die</strong> Qualität der Ausbildung zu<br />

überwachen. Im Fall eines Problems bietet der Kanton dem Unternehmen<br />

Coachingaktivitäten an. Die Unternehmen erkennen den Nutzen <strong>die</strong>ses Ansatzes<br />

an, da gut betreute Auszubildende einen größeren produktiven Beitrag leisten.<br />

Quelle: Hoeckel, Field und Grubb (2009).<br />

Der Umfang der pädagogischen und sonstigen Vorbereitung sollte mit<br />

dem Grad der Verantwortung der Mitarbeiter zusammenhängen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Ausbildungsteilnehmer<br />

anleiten, wobei zu berücksichtigen wäre, dass <strong>die</strong> Praxiserfahrung<br />

von einigen Stunden Hospitation am Arbeitsplatz bis hin zur vollständigen<br />

Berufsausbildung reichen kann. Allerdings sollte in Systemen, in denen <strong>die</strong><br />

Teilnehmer der beruflichen Bildungsgänge einen wesentlichen Teil ihrer Kompetenzen<br />

im Betrieb erwerben, <strong>die</strong> Ausbildung der Ausbilder Priorität haben.<br />

Ein gewisses Maß an Ausbildung sollte daher <strong>für</strong> <strong>die</strong> Betreuer der Auszubildenden<br />

verbindlich vorgeschrieben sein.<br />

Eine Pflichtausbildung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Betreuer von Auszubildenden ist zwar mit<br />

zusätzlichen Kosten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Unternehmen verbunden, dürfte den Unternehmen<br />

jedoch auch Vorteile bringen. Eine bessere Ausbildungsbetreuung dürfte den<br />

produktiven Beitrag der Auszubildenden während der Ausbildung erhöhen, zu<br />

besseren Lernergebnissen führen und ein Reservoir an qualifizierteren Einstellungskandidaten<br />

<strong>für</strong> das Unternehmen schaffen. In Frankreich schulen viele kleine<br />

Unternehmen <strong>die</strong> Betreuer der Auszubildenden: 52% der qualifizierten Ausbilder<br />

arbeiteten in Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten (Gérard<br />

et al., 1998). Um übermäßige Belastungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Unternehmen zu vermeiden,<br />

müssen <strong>die</strong> Mindestanforderungen so definiert werden, dass der Qualitätsbedarf<br />

der betrieblichen Ausbildung mit der Notwendigkeit, <strong>die</strong> Arbeitgeber zum<br />

Angebot von Ausbildungsplätzen zu ermutigen, in Einklang gebracht wird.<br />

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4. LEISTUNGSFÄHIGE LEHRKRÄFTE UND AUSBILDER – 101<br />

Die Finanzierungsmöglichkeiten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Qualifizierung zum Ausbilder unterscheiden<br />

sich von Land zu Land. So tragen etwa in Österreich <strong>die</strong> großen Unternehmen<br />

<strong>die</strong> gesamten oder zumindest einen Teil der Kosten. In Deutschland wird<br />

der Großteil der Kosten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Lehrgänge zur Vorbereitung auf <strong>die</strong> Ausbilderprüfung<br />

von den Teilnehmern getragen, deren Qualifikation als Ausbilder zu<br />

besseren Karriereaussichten und einem höheren Gehalt führen (Gérard et al.,<br />

1998).<br />

Die Beziehungen zwischen den Berufsbildungseinrichtungen und<br />

den Betrieben stärken<br />

Zusammenarbeit sowie Austauschmöglichkeiten zwischen Berufsbildungseinrichtungen<br />

und Betrieben können zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der<br />

Berufsschullehrer beitragen, da sie <strong>die</strong> Vertrautheit der Lehrkräfte in Berufsbildungseinrichtungen<br />

mit dem betrieblichen Arbeitsplatz verbessern und aufrechterhalten<br />

können. Durch Austauschmöglichkeiten lassen sich auch <strong>die</strong><br />

pädagogischen Kompetenzen der Ausbilder in den Betrieben fördern, was wiederum<br />

zum Aufbau eines Reservoirs an Arbeitskräften beitragen würde, <strong>die</strong> in<br />

Lehrmethoden geschult wurden und früher oder später als Lehrkräfte in Berufsbildungseinrichtungen<br />

tätig werden könnten. Dies würde flexible Berufslaufbahnen<br />

zwischen der Arbeit im Betrieb und dem Lehrerberuf an Berufsbildungseinrichtungen<br />

fördern, zur Bewältigung von Engpässen bei der Einstellung von<br />

Lehrkräften beitragen und auf <strong>die</strong> Herausforderung der betrieblichen Ausbildung<br />

eingehen.<br />

In einigen Ländern arbeiten Lehrkräfte an Berufsbildungseinrichtungen<br />

vorübergehend in Unternehmen, um ihre beruflichen Kompetenzen auf den<br />

neuesten Stand zu bringen (Cort, Härkönen und Volmari, 2004, vgl. auch<br />

Kasten 4.4). In China müssen <strong>die</strong> Lehrkräfte an Berufsbildungseinrichtungen<br />

einen Monat pro Jahr in einem Betrieb verbringen (Kuczera und Field, 2010). In<br />

Australien haben <strong>die</strong> Beziehungen zwischen den berufsbildenden Schulen<br />

(TAFE-System) und den Unternehmen gegenseitiges Verständnis und Wissensaustausch<br />

gefördert (Harris, Simons und Moore, 2005). Oftmals hängt <strong>die</strong><br />

Qualität solcher Partnerschaften in hohem Maß von persönlichen Beziehungen<br />

ab, und obwohl letztere sicherlich wichtig sind, sollten <strong>die</strong> Partnerschaften<br />

systematisch unterstützt werden.<br />

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102 – 4. LEISTUNGSFÄHIGE LEHRKRÄFTE UND AUSBILDER<br />

Kasten 4.4 Lehr- und Arbeitskräfte im Tandem: Zusammenarbeit<br />

zwischen Berufsbildungseinrichtungen und Betrieben in Finnland<br />

Das finnische Programm Telkkä stützte sich auf eine enge Zusammenarbeit<br />

zwischen Lehrkräften und Ausbildern im Betrieb. Es zielte darauf ab, <strong>die</strong> Anpassungsfähigkeit<br />

der Berufsbildung an <strong>die</strong> Anforderungen der <strong>Arbeitswelt</strong> zu verbessern.<br />

Das Programm umfasste ein zweimonatiges Praktikum <strong>für</strong> Berufsschullehrer,<br />

in dessen Verlauf sich Lehrer und Arbeitskräfte in Tandems zusammenfanden.<br />

Dies bot den Lehrkräften eine Gelegenheit, ihre beruflichen Kenntnisse auf den<br />

neuesten Stand zu bringen, und <strong>die</strong> Arbeitskräfte, <strong>die</strong> im Betrieb auch als Ausbilder<br />

tätig sind, konnten wiederum ihre pädagogischen Kompetenzen verbessern.<br />

Der Praktikumsphase gingen ein Seminar und eine Planungsphase zur Klärung der<br />

Ziele und Erwartungen voraus, und im Anschluss gaben <strong>die</strong> beteiligten Lehr- und<br />

Arbeitskräfte Feedback, das dann weiteren Kreisen zur Verfügung gestellt wurde.<br />

Die Lehrkräfte führten ein breites Spektrum von Vorteilen an, beispielsweise<br />

eine stärkere Vertrautheit mit den jüngsten Arbeitspraktiken und -anforderungen<br />

sowie den verwendeten Arbeitsmitteln, einfachen Zugang zu Unternehmen <strong>für</strong><br />

Schulungsaufenthalte, <strong>die</strong> nötigen Kontakte, um Arbeitskräfte aus Betrieben <strong>für</strong><br />

Vorträge an ihrer Berufsbildungseinrichtung einzuladen, größeres Selbstvertrauen,<br />

Respekt der Berufsbildungsteilnehmer sowie Motivation. Die Schulungsphase<br />

ermöglichte es den Lehr- und Arbeitskräften ferner, Fragen im Zusammenhang mit<br />

der betrieblichen Ausbildung der <strong>Lernen</strong>den zu erörtern und <strong>die</strong> Ausbildungspläne<br />

und Prüfungsmethoden zu verbessern. Die Teilnehmer verbesserten ihre Kompetenzen<br />

und stärkten ihre Selbstachtung und gaben das Wissen an andere Kollegen<br />

weiter. Dieses Programm wurde vom Wirtschaftsinformationsbüro in Finnland als<br />

eine der besten Methoden zur Professionalisierung der Lehrkräfte bewertet.<br />

Quelle: Cort, P., A. Härkönen und K. Volmari (2004), PROFF – Professionalisation of VET<br />

Teachers for the Future, CEDEFOP, Tessaloniki.<br />

Leistungsfähige Lehrkräfte und Ausbilder: Schlussbetrachtungen<br />

Diskussion und Erkenntnisse<br />

• Zahlreiche Länder sind im Hinblick auf <strong>die</strong> beruflichen Bildungsgänge mit<br />

einem Lehrer- und Ausbildermangel konfrontiert, da <strong>die</strong> derzeit beschäftigten<br />

Arbeitskräfte sich dem Rentenalter nähern. Manche Ausbilder haben<br />

ferner nur unzureichende aktuelle Arbeitserfahrung im Betrieb.<br />

• Manche Ausbilder, <strong>die</strong> in den Unternehmen <strong>für</strong> Praktikanten und Auszubildende<br />

verantwortlich sind, sind unzureichend qualifiziert und verfügen<br />

auch über keine pädagogische Ausbildung.<br />

• Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Ausbilder, <strong>die</strong> sowohl über pädagogische<br />

Kompetenzen als auch über betriebliche Arbeitserfahrung verfügen,<br />

leistungsfähiger sind.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


4. LEISTUNGSFÄHIGE LEHRKRÄFTE UND AUSBILDER – 103<br />

• Die Daten über Berufsschullehrer und Ausbilder sind oftmals unzulänglich,<br />

was <strong>die</strong> Identifizierung künftiger Einstellungsengpässe und <strong>die</strong> entsprechende<br />

Planung erschwert.<br />

<br />

<br />

Lehrkräfte und Ausbilder: <strong>OECD</strong>-Empfehlungen<br />

Es sollte sichergestellt werden, dass Berufsbildungseinrichtungen über<br />

genügend Lehrkräfte und Ausbilder verfügen und dass <strong>die</strong>se mit den<br />

Anforderungen einer modernen Volkswirtschaft vertraut sind. Hierzu<br />

sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:<br />

– Förderung von Teilzeitarbeit, damit in Berufsbildungseinrichtungen<br />

beschäftigte Ausbilder nebenher einer betrieblichen Tätigkeit nachgehen<br />

können.<br />

– Flexibilisierung der Stellenbesetzung und Erleichterung der<br />

Einstellung von Personen mit praxisbezogenen Kompetenzen an<br />

Berufsbildungseinrichtungen durch wirkungsvolle Vorbereitung.<br />

Die Ausbilder, einschließlich der Betreuer, von Praktikanten und Auszubildenden<br />

sollten eine bedarfsgerechte pädagogische und<br />

sonstige Schulung erhalten, wobei der Grad <strong>die</strong>ser Vorbereitung auf<br />

<strong>die</strong> Art der in den Betrieben angebotenen Lernerfahrung abgestimmt<br />

werden sollte.<br />

Austauschprogramme sowie Partnerschaften zwischen Berufsbildungseinrichtungen<br />

und Unternehmen sollten gefördert werden, damit <strong>die</strong><br />

Lehrkräfte und Ausbilder an berufsbildenden Einrichtungen Zeit in<br />

Betrieben verbringen können, um ihre Kenntnisse auf den neuesten<br />

Stand zu bringen, und in Betrieben beschäftigte Ausbilder zeitweise in<br />

Berufsbildungseinrichtungen tätig werden können, um ihre pädagogischen<br />

Kompetenzen zu verbessern.<br />

Anmerkungen<br />

1. Weitere Voraussetzungen gelten in der Schweiz <strong>für</strong> Lehrkräfte an höheren Fachschulen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


104 – 4. LEISTUNGSFÄHIGE LEHRKRÄFTE UND AUSBILDER<br />

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LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 107<br />

Kapitel 5<br />

<strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz<br />

Es gibt vielerlei Arten des <strong>Lernen</strong>s am Arbeitsplatz, von kurzen Phasen,<br />

in denen Schülerinnen und Schüler Arbeitssituationen beobachten, bis<br />

hin zu einer vollständigen Berufsausbildung. Wie in <strong>die</strong>sem Kapitel<br />

dargelegt wird, bietet der Arbeitsplatz als Lernumfeld unbestreitbare<br />

Vorzüge: Er ist ein guter Ort, um anhand moderner Betriebsmittel fachliche<br />

Qualifikationen (hard skills) und durch <strong>die</strong> Zusammenarbeit mit<br />

anderen Personen in realen Situationen zugleich auch soziale Kompetenzen<br />

(soft skills) zu erwerben; er verbessert den Übergang von der<br />

Schule ins Erwerbsleben, weil er dem Arbeitgeber und seinen potenziellen<br />

Beschäftigten Gelegenheit gibt, einander kennenzulernen, und er gibt<br />

den Auszubildenden <strong>die</strong> Möglichkeit, einen nützlichen Arbeitsbeitrag zu<br />

leisten. Wenn ein Arbeitgeber eine Ausbildung am Arbeitsplatz anbietet,<br />

ist <strong>die</strong>s zudem ein wichtiges Signal da<strong>für</strong>, dass Bedarf an der betreffenden<br />

Art von Qualifikation besteht.<br />

<strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz erfordert aber auch ein Engagement von Seiten<br />

der <strong>Lernen</strong>den und der Arbeitgeber. Dies bedeutet, dass einerseits angemessene<br />

Anreize <strong>für</strong> den Arbeitgeber vorhanden sein müssen, damit<br />

er Ausbildungsplätze anbietet, und andererseits ein wirksames Instrumentarium<br />

gegeben sein muss, um <strong>die</strong> Qualität der vom Arbeitgeber gebotenen<br />

Ausbildung sicherzustellen. Die Länder suchen <strong>die</strong> Ausbildung am Arbeitsplatz<br />

durch eine Vielzahl verschiedenartiger finanzieller Anreize zu fördern,<br />

darunter Direkthilfen, spezielle Steuererleichterungen und Systeme,<br />

um <strong>die</strong> ausbildungsbedingten Kosten auf eine ganze Gruppe von Unternehmen<br />

umlegen zu können.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


108 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

Zum <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz gehört eine Reihe von unterschiedlichen<br />

Praktiken, von kurzen Phasen, <strong>die</strong> es dem <strong>Lernen</strong>den ermöglichen, Arbeitssituationen<br />

zu beobachten, bis hin zu einer strukturierten langfristigen Berufsausbildung<br />

mit einem berufsqualifizierenden Abschluss:<br />

• Beobachten von Arbeitssituationen: sehr kurze Phasen – in der Regel einige<br />

Tage –, an denen <strong>die</strong> <strong>Lernen</strong>den einen Arbeitnehmer beobachten, um etwas<br />

über seine Tätigkeit zu erfahren. Häufig handelt es sich um jüngere Schülerinnen<br />

und Schüler und <strong>die</strong>nt der Berufsorientierung.<br />

• Service Learning: <strong>Lernen</strong> im Rahmen freiwilliger Arbeit von Jugendlichen,<br />

in der Regel in gemeinnützigen Einrichtungen, mit dem Ziel, Dienste zu<br />

erbringen und Schülerinnen und Schülern zugleich Gelegenheit zum Erwerb<br />

fachlicher Kenntnisse zu geben. Ein Beispiel <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Art des <strong>Lernen</strong>s ist<br />

in Belgien (Flandern) anzutreffen, wo einige Schülerinnen und Schüler,<br />

<strong>die</strong> auf Teilzeitbasis eine Berufsbildung absolvieren, an entsprechenden<br />

Maßnahmen teilnehmen.<br />

• Praktika: Kurze Phasen – in der Regel Wochen oder Monate –, in denen <strong>die</strong><br />

Schülerinnen und Schüler in Unternehmen am Arbeitsbetrieb teilnehmen, in<br />

der Regel unentgeltlich oder mit einem Nominallohn. Praktika können<br />

durch besondere Verträge geregelt werden. Schülerinnen und Schüler, <strong>die</strong><br />

eine schulbasierte Berufsbildung auf Sekundarstufe-II-Niveau absolvieren,<br />

haben in mehreren <strong>OECD</strong>-Ländern <strong>die</strong> Möglichkeit, ein Praktikum zu<br />

machen, z.B. in Belgien (Flandern), Chile, Mexiko, Österreich und Ungarn<br />

(wobei <strong>die</strong>se Möglichkeit aber in der Regel nicht von allen Berufsbildungsteilnehmern<br />

wahrgenommen wird).<br />

• Berufsausbildung: Stärker strukturierte langfristige Ausbildung im Betrieb,<br />

in der Regel über einen Zeitraum von mehreren Jahren, <strong>die</strong> zu einem<br />

berufsqualifizierenden Abschluss führt (vgl. Glossar).<br />

Andere Arten des <strong>Lernen</strong>s am Arbeitsplatz:<br />

• Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen <strong>für</strong> Beschäftigte: Ausbildung regulärer<br />

Beschäftigter am Arbeitsplatz.<br />

• Informelles <strong>Lernen</strong> durch Teilzeitbeschäftigung. In einigen Ländern, z.B.<br />

in den Vereinigten Staaten, haben viele Schülerinnen und Schüler im<br />

Sekundarbereich II und im Tertiärbereich eine Teilzeitbeschäftigung in der<br />

einen oder anderen Form. Abbildung 5.1 zeigt, wie sich in Deutschland<br />

und den Vereinigten Staaten bei <strong>die</strong>sem Muster ein relativ gleich hoher<br />

Anteil 15- bis 19-Jähriger ergibt, <strong>die</strong> in der einen oder anderen Form einer<br />

bezahlten Beschäftigung nachgehen, wobei aber in Deutschland der überwiegende<br />

Teil Auszubildende sind. Obwohl <strong>die</strong> Betreffenden wahrscheinlich<br />

in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen arbeiten, dürfte ihre<br />

Erwerbstätigkeit als Nebeneffekt zugleich auch Lernvorteile mit sich bringen,<br />

was <strong>die</strong> Kenntnisse über den Arbeitsplatz und <strong>die</strong> Arbeitsbeziehungen<br />

betrifft.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 109<br />

%<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Abbildung 5.1 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15-19 Jahren,<br />

<strong>die</strong> einer Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung nachgehen<br />

(einschl. Auszubildende)<br />

0<br />

Ungarn<br />

Slowak. Rep.<br />

Tschech. Rep.<br />

Griechenland<br />

Portugal<br />

Belgien<br />

Italien<br />

Luxemburg<br />

Polen<br />

Spanien<br />

Frankreich<br />

Finnland<br />

Irland<br />

Schweden<br />

Deutschland<br />

Ver. Staaten<br />

Norwegen<br />

Österreich<br />

Kanada<br />

Neuseeland<br />

Ver. Königreich<br />

Australien<br />

Niederlande<br />

Schweiz<br />

Dänemark<br />

Island<br />

Quelle: <strong>OECD</strong> (2009), Jobs for Youth, United States, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

Die klassische Berufsausbildung gehört zu den am längsten bestehenden<br />

Berufsbildungssystemen. Sie umfasst eine Kombination aus inner- und außerbetrieblicher<br />

Ausbildung, <strong>die</strong> jedoch in ihrem Aufbau zwischen den Ländern<br />

stark variiert, von Systemen, bei denen <strong>die</strong> Auszubildenden an einem oder zwei<br />

Tagen pro Woche Schulunterricht haben (z.B. Belgien/Flandern, Deutschland,<br />

Österreich, Schweiz) bis zu Systemen mit einer Sequenz von Segmenten von<br />

jeweils mehreren Monaten schulischer und außerschulischer Ausbildung (Irland)<br />

oder, wie in Norwegen, wo auf zwei Jahre Schulunterricht zwei Jahre<br />

Ausbildung am Arbeitsplatz folgen. In vielen – aber nicht allen – Ländern ist <strong>die</strong><br />

Berufsausbildung ein Kernelement der beruflichen Erstausbildung 1 . Die Berufsausbildung<br />

ist im Bereich der traditionellen Handwerksberufe anzutreffen sowie<br />

zunehmend auch in technischen Bereichen, wie z.B. Labor- und Krankenhaustechnik.<br />

In der Schweiz wurde z.B. in den 1990er Jahren eine neue Berufsbezeichnung<br />

(„Informatiker“) mit einer entsprechenden Berufsausbildung eingeführt.<br />

Die Berufsausbildungen in <strong>die</strong>sen technischen Bereichen werden in einigen<br />

Ländern als „moderne Ausbildungen“ bezeichnet. Die Tätigkeit in Unternehmen<br />

nimmt in der Regel einen hohen Anteil der Berufsausbildung in Anspruch<br />

(Tabelle 5.1).<br />

Die Vorteile der Ausbildung im Betrieb<br />

Die Ausbildung im Betrieb hat im Vergleich zur Ausbildung in Berufsbildungseinrichtungen<br />

aus der Perspektive der Auszubildenden wie auch der<br />

Arbeitgeber vier bedeutende Vorteile. Erstens kann <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung<br />

ein qualitativ hochwertiges Lernumfeld bieten, das den Auszubildenden<br />

ermöglicht, praktische Fertigkeiten an modernen Betriebsmitteln und mit Aus-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


110 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

Tabelle 5.1 Zeitanteil der Praktika*, <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler im<br />

Rahmen der Berufsbildung absolvieren<br />

Geschätzter Prozentsatz der Schülerinnen und Schüler in der Berufsbildung<br />

auf Sekundarstufe-II-Niveau, nach dem Zeitaufwand <strong>für</strong> Praktika<br />

(im Verhältnis zur Gesamtprogrammdauer)<br />

Anteil der <strong>für</strong> Praktika in Unternehmen aufgewendeten Zeit an der<br />

Programmdauer, in Prozent<br />

75% oder mehr Zwischen 50%<br />

und 75%<br />

Zwischen 25%<br />

und 50%<br />

Unter 25%<br />

Australien 1 - - -<br />

Belgien (Fl) 1 - - -<br />

Dänemark - - -<br />

Deutschland 2 - - <br />

Finnland - - <br />

Frankreich - - <br />

Niederlande - -<br />

Norwegen 2 - - -<br />

Österreich - - <br />

Schweden 2 - - - <br />

Schweiz 1 - -<br />

Tschech. Rep. - - - <br />

Ver. Staaten - - - <br />

Anmerkung: Geschätzter Prozentsatz der Berufsbildungsprogramme auf Sekundarstufe-II-Niveau: - 0%;<br />

1-25%; 26-50%; 51-75%; 76-100%.<br />

1. In Australien, Belgien (Flandern) und der Schweiz hängt der Anteil der <strong>für</strong> betriebliche Ausbildung<br />

aufgewendeten Zeit von der Einrichtung und dem Programm ab.<br />

2. Da einige Daten fehlen, sind nicht alle Programme aufgeführt.<br />

* Begriffsdefinitionen vgl. Glossar.<br />

Quelle: Kuczera, M. (erscheint demnächst), The <strong>OECD</strong> International Survey of VET Systems, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

bildern zu erwerben, <strong>die</strong> mit den modernsten Arbeitsmethoden und -technologien<br />

vertraut sind; es bietet ihnen zudem <strong>die</strong> Möglichkeit, unter realen Bedingungen<br />

wichtige soziale Kompetenzen – wie z.B. den Umgang mit Kunden – zu<br />

erwerben. Zweitens erleichtert es einen wechselseitigen Informationsfluss<br />

zwischen potenziellen Arbeitgebern und Beschäftigten, der spätere Einstellungen<br />

wesentlich effektiver und weniger kostenaufwendig macht. Drittens geht<br />

von der vom Arbeitgeber angebotenen betrieblichen Ausbildung das Signal aus,<br />

dass <strong>die</strong> betreffende Berufsbildung auf dem Arbeitsmarkt einen Wert hat. Viertens<br />

können Auszubildende im Betrieb einen Produktionsbeitrag leisten. All<br />

<strong>die</strong>se Vorteile gelten <strong>für</strong> ein strukturiertes und umfassendes <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz<br />

im Rahmen eines Berufsbildungsprogramms – wie z.B. eine Lehre. Die<br />

meisten Vorteile sind, wenn auch bisweilen in geringerem Maße, auch bei anderen,<br />

weniger formalen und kürzeren Arten des <strong>Lernen</strong>s im Betrieb wirksam. Diese<br />

vier Punkte werden im Folgenden ausführlicher erörtert.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 111<br />

Ein leistungsfähiges Lernumfeld<br />

Der Betrieb ist ein leistungsfähiges Lernumfeld, da dort reale Arbeitserfahrungen<br />

gesammelt werden können. Dies erleichtert den Erwerb fachlicher<br />

und sozialer Kompetenzen. Für den Erwerb fachlicher Qualifikationen ist<br />

zuweilen eine praktische Ausbildung an teuren Betriebsmitteln erforderlich. Der<br />

rasche technologische Wandel führt dazu, dass Betriebsmittel schnell veralten,<br />

und Berufsbildungseinrichtungen sind häufig nicht in der Lage, sich moderne<br />

Ausrüstungen zu leisten. Die betriebliche Ausbildung erweist sich daher oft als<br />

kostenwirksamer, weil im Unternehmen bereits vorhandene Betriebsmittel<br />

genutzt werden. In den Unternehmen sind zudem Personen beschäftigt, <strong>die</strong> mit<br />

den neuesten Betriebsmitteln umzugehen wissen und <strong>die</strong> entsprechenden Techniken<br />

erklären können.<br />

Wie in Kapitel 2 ausgeführt wurde, gibt es gute Belege da<strong>für</strong>, dass viele<br />

soziale Kompetenzen, wie z.B. Problemlösung, Konfliktmanagement und unternehmerisches<br />

Denken, am Arbeitsplatz wirksamer erlernt werden können als im<br />

Unterricht oder in einem simulierten Arbeitsumfeld. Vgl. Kasten 5.1 mit einem<br />

Beispiel <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vorteile der betrieblichen Ausbildung.<br />

Kasten 5.1 Betriebliche Ausbildung in Korea<br />

In Korea beklagen <strong>die</strong> Unternehmen häufig, dass Jugendliche nach dem Schuloder<br />

Hochschulabschluss nicht beschäftigungsfähig sind (Grubb et al., 2006; Jung<br />

et al., 2004). Einer Umfrage bei 536 Unternehmen zufolge brauchen junge Hochschulabsolventen<br />

in der Regel mehr als 20 Monate Ausbildung, bis sie produktive<br />

Arbeit leisten können (Park, 2007). Nur wenige <strong>Lernen</strong>de nehmen im Zuge ihrer<br />

Schul- oder Hochschulbildung an betrieblichen Ausbildungen teil, und viele bringen<br />

letzten Endes Geld <strong>für</strong> eine zusätzliche Ausbildung durch private Ausbildungsanbieter<br />

auf, bevor sie eine Stelle finden können (Jung et al., 2004).<br />

Die Youth Job Experience-Programme bieten jungen <strong>Lernen</strong>den und jungen<br />

Arbeitslosen ein unternehmensbasiertes Praktikum, wobei 83% aller Teilnehmer<br />

Stu<strong>die</strong>rende im tertiären Bereich sind. Einer Evaluierung zufolge fanden <strong>die</strong><br />

Programmteilnehmer nach ihrem Schul- oder Hochschulabschluss schneller eine<br />

Arbeitsstelle und verweilten länger in ihrem ersten Beschäftigungsverhältnis als<br />

<strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> keine Arbeitserfahrung erwarben (<strong>OECD</strong>, 2007). Von dem Programm<br />

wurden jedoch nur relativ wenige <strong>Lernen</strong>de erreicht, und <strong>die</strong> Teilnehmerzahl war<br />

rückläufig (MEHRD und KEDI, 2005; <strong>OECD</strong>, 2007).<br />

Verbesserung des Übergangs von der Schule ins Erwerbsleben<br />

Am Arbeitsplatz sehen sich Arbeitgeber und Auszubildende so wie sie<br />

sind, wenn Druck herrscht und in Konfliktsituationen. Untersuchungen zufolge<br />

sind <strong>die</strong> Eigenheiten der Beschäftigten, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sen Kontexten deutlich zu<br />

Tage treten, <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitsleistung von zentraler Bedeutung, so dass Arbeitgeber<br />

etwas über <strong>die</strong> Leistungsfähigkeit der Auszubildenden und Praktikanten als<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


112 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

potenzielle Mitarbeiter erfahren. Da <strong>die</strong>se Merkmale von anderen möglichen<br />

Arbeitgebern nicht ohne weiteres beobachtet werden können, haben ausbildende<br />

Unternehmen <strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong> Besten unter den Auszubildenden einzustellen<br />

und ihren Informationsvorsprung zu nutzen, um Löhne zu zahlen, <strong>die</strong> unterhalb<br />

des Niveaus liegen, das der Produktivität des Einzelnen entspricht (Acemoglu<br />

und Pischke, 1998, 1999a). Dies ist der Einstellungsvorteil, über den ausbildende<br />

Unternehmen verfügen (vgl. Glossar). Befunde aus mehreren Ländern deuten darauf<br />

hin, dass <strong>die</strong>s <strong>für</strong> Unternehmen einer der wichtigsten Beweggründe ist, betriebliche<br />

Ausbildung anzubieten (z.B. Clark, 2001; De Rick, 2008). Der Einstellungsvorteil<br />

<strong>für</strong> den Arbeitgeber hängt von einer Reihe von Arbeitsmarktmerkmalen<br />

und Beschäftigungsbestimmungen ab (Acemoglu und Pischke, 1999b):<br />

• Wo <strong>die</strong> Arbeitskräftefluktuation hoch ist, so dass Auszubildende nur kurz<br />

im Unternehmen verweilen, verringert sich der Einstellungsvorteil.<br />

• Bei sehr hoher Lohnflexibilität und begrenzter Arbeitsplatzsicherheit ist es<br />

den Arbeitgebern möglich, Kräfte zu niedrigen Löhnen einzustellen, und<br />

dann anschließend, sobald sie sich ein genaueres Bild von der Leistungsfähigkeit<br />

gemacht haben, <strong>die</strong> produktivsten unter ihnen zu belohnen und<br />

<strong>die</strong> leistungsschwächeren zu entlassen. Das bedeutet, dass es nicht unbedingt<br />

nötig ist, <strong>die</strong> Produktivität vor der Einstellung zu ermitteln, und dass<br />

der aus einer betrieblichen Ausbildung erwachsende Einstellungsvorteil<br />

geringer ausfällt.<br />

• Umgekehrt bedeuten Neueinstellungen in Fällen, wo <strong>die</strong> Löhne nicht<br />

flexibel sind, weil sie etwa durch Tarifverhandlungen festgelegt werden,<br />

und wo das Niveau der Arbeitsplatzsicherheit hoch ist, eine langfristige<br />

Verpflichtung, <strong>die</strong> mit hohen Kosten und mit einem erheblichen Risiko<br />

verbunden ist. In <strong>die</strong>sen Fällen ist es daher günstiger, <strong>die</strong> produktivsten<br />

Kräfte vor der formellen Einstellung zu identifizieren, woraus sich ein<br />

größerer Einstellungsvorteil ergibt.<br />

• Wo es einen nationalen Wehr- und Ersatz<strong>die</strong>nst gibt, entsteht eine zeitliche<br />

Lücke zwischen der beruflichen Erstausbildung und dem Zeitpunkt des<br />

Eintritts ins Erwerbsleben, was <strong>für</strong> <strong>die</strong> ausbildenden Unternehmen u.U. <strong>die</strong><br />

Wahrscheinlichkeit verringert, <strong>die</strong> von ihnen ausgebildeten Kräfte<br />

anschließend einstellen und so halten zu können.<br />

Am Arbeitsplatz können Auszubildende den Berufsalltag (z.B. <strong>die</strong> Art der<br />

zu erledigenden Arbeiten, <strong>die</strong> Arbeitsbedingungen usw.) und mindestens einen<br />

potenziellen Arbeitgeber kennenlernen. Dies gibt ihnen entscheidende Aufschlüsse<br />

über den beruflichen Weg, den sie gegebenenfalls beschreiten oder<br />

nicht beschreiten wollen. Wie in Kapitel 3 ausgeführt wurde, kann <strong>Lernen</strong> am<br />

Arbeitsplatz daher ein wichtiger Teil der Berufsberatung sein, besonders wenn<br />

<strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler, bevor sie Entscheidungen über ihre Bildung und<br />

Ausbildung treffen, an Praktika in mehreren verschiedenen Unternehmen teilnehmen.<br />

Kurze Phasen des <strong>Lernen</strong>s am Arbeitsplatz, insbesondere <strong>die</strong> <strong>für</strong> jüngere<br />

Schülerinnen und Schüler vorgesehenen, <strong>die</strong>nen in der Regel <strong>die</strong>sem Zweck.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 113<br />

Wenn Auszubildende anschließend im Rahmen von Berufsbildungsprogrammen<br />

an Praktika teilnehmen, können <strong>die</strong>se ihnen helfen, Entscheidungen bezüglich<br />

bestimmter Arten von Tätigkeiten und bestimmter Arbeitgeber zu treffen.<br />

Eine nützliche Tätigkeit ausüben<br />

Auszubildende und Praktikanten, <strong>die</strong> eine nützliche Arbeit verrichten, generieren<br />

<strong>für</strong> den Arbeitgeber einen Produktionsvorteil. Dieser Vorteil ist bei Berufsausbildungen<br />

in der Regel ganz beachtlich (vgl. Kasten 5.2 und <strong>die</strong> Befunde aus<br />

der Schweiz und Deutschland in Schweri et al., 2003; Mühlemann et al., 2007).<br />

Er ist auch mit Praktika längerer Dauer, schwerer aber mit sehr kurzen Praktika<br />

zu erzielen (es sei denn, <strong>die</strong> Praktikanten erledigen nur Aufgaben <strong>für</strong> ungelernte<br />

Kräfte, was allerdings eine mangelhafte Lernerfahrung bedeuten würde). Ihr<br />

Produktionsbeitrag erhöht sich in der Regel mit zunehmender Erfahrung und<br />

hängt auch davon ab, wie ihre Arbeit organisiert ist. In der Schweiz war der Produktionsbeitrag<br />

von Auszubildenden in zwei Dritteln der im Rahmen einer Stu<strong>die</strong><br />

untersuchten Fälle höher oder zumindest ebenso hoch wie <strong>die</strong> Ausbildungskosten.<br />

Wolter und Schweri (2002) zeigten zudem, dass dem einen Drittel an<br />

Unternehmen, das am Ende der Ausbildungszeit per saldo keinen Vorteil verbuchen<br />

konnte, in den meisten Fällen gleichwohl der Einstellungsvorteil zugute<br />

kam, da sie <strong>die</strong> bei ihnen ausgebildeten Personen halten konnten. In Deutschland<br />

ist der Produktionsbeitrag wesentlich geringer (Beicht, Walden und Herget,<br />

2004), weil deutsche Auszubildende im ausbildenden Unternehmen weniger Zeit<br />

mit produktiven Tätigkeiten verbringen als Schweizer Auszubildende (Dionisius et<br />

al., 2008). Solch ein Produktionsbeitrag seitens der Auszubildenden ist in anderen<br />

Kontexten – in der Regel solchen, <strong>die</strong> dem realen Arbeitsplatz am nächsten<br />

kommen – nur gelegentlich möglich, z.B. in den vielen Hotelfachschulen, <strong>die</strong> der<br />

Öffentlichkeit als Restaurants offenstehen.<br />

Sicherstellen, dass das Berufsbildungsangebot den<br />

Arbeitsmarkterfordernissen entspricht<br />

Wie in Kapitel 2 ausgeführt, ist <strong>die</strong> Bereitschaft von Arbeitgebern, betriebliche<br />

Ausbildungsplätze anzubieten, ein Indikator da<strong>für</strong>, dass sie das betreffende<br />

Berufsbildungsprogramm be<strong>für</strong>worten. Den Unternehmen ist besonders in Situationen,<br />

in denen Kräftemangel herrscht, in der Regel daran gelegen, Ausbildungsplätze<br />

anzubieten, weil Auszubildende einerseits zur Produktion beitragen und<br />

andererseits potenzielle Kandidaten <strong>für</strong> künftige Einstellungen sind (d.h. <strong>die</strong><br />

Produktions- wie auch <strong>die</strong> Einstellungsvorteile sind groß). Im Gegensatz zur<br />

schulbasierten Berufsbildung besteht bei betrieblichen Ausbildungen daher automatisch<br />

ein Bezug zum Arbeitsmarktbedarf. Der „Markt“ <strong>für</strong> Ausbildungsplätze<br />

wird zu einem Bereich, in dem es darum geht, sozusagen als Generalprobe <strong>für</strong> den<br />

realen Arbeitsmarkt, eine Balance zwischen den Berufszielen der Auszubildenden<br />

und den Interessen der Arbeitgeber herzustellen. Wie in Kapitel 2 ausgeführt<br />

wurde, können sogar kurze Praktika, wie sie im Rahmen einiger Berufsbildungsprogramme<br />

– z.B. in Schweden – existieren, darüber Aufschluss geben, welche<br />

Kompetenzen von den Arbeitgebern benötigt werden.<br />

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114 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

Das richtige Verhältnis zwischen dem Arbeitsplatz und anderen<br />

Ausbildungsstätten herstellen<br />

Trotz aller Vorteile der Ausbildung im Betrieb muss <strong>die</strong>se aus mehreren<br />

Gründen in anderen Einrichtungen ergänzt werden:<br />

• Berufsbezogene Theorie (vgl. Glossar), wie z.B. <strong>die</strong> Anatomiekenntnisse<br />

eines Metzgers, lässt sich häufig am besten außerbetrieblich in einem<br />

schulischen Kontext erlernen.<br />

• Einige praktische Kompetenzen lassen sich außerbetrieblich effizienter<br />

erwerben.<br />

– Wenn <strong>die</strong> Betriebsmittel teuer oder gefährlich sind, ist ein simuliertes<br />

Arbeitsumfeld u.U. kostenwirksamer. So ist beispielsweise <strong>die</strong> Ausbildung<br />

von Zugführern kosteneffizienter, wenn sie nicht am Arbeitsplatz,<br />

d.h. in einem richtigen Zug (und mit den damit verbundenen<br />

Streckensperrungen), sondern in einem Zugsimulator erfolgt.<br />

– Bei der außerbetrieblichen Ausbildung kann langsamer vorgegangen und<br />

den Schülerinnen und Schülern beim ersten Einsatz ihrer neu erworbenen<br />

Kompetenzen mehr Zeit gelassen werden (Robertson et al., 2000).<br />

– Auf Grund von Skalenvorteilen kann es am günstigsten sein, grundlegende<br />

praktische Kompetenzen nicht individuell im Betrieb, sondern<br />

kollektiv in Ausbildungswerkstätten (sei es in einer öffentlichen<br />

Berufsbildungseinrichtung oder in einem von einer Gruppe von Unternehmen<br />

finanzierten Ausbildungszentrum) zu vermitteln.<br />

• Die ortsansässigen Betriebe sind vielleicht nicht immer in der Lage, allen<br />

Ausbildungsbedürfnissen gerecht zu werden. Auf Grund der Unterschiede<br />

zwischen den Unternehmen – selbst innerhalb derselben Branche – im<br />

Hinblick auf Produkte, Märkte, Kunden und Technologie sind <strong>die</strong> Lernmöglichkeiten<br />

am Arbeitsplatz nicht <strong>für</strong> alle Berufsbildungsteilnehmer<br />

identisch. Die außerbetriebliche Ausbildung kann potenzielle Lücken im<br />

Qualifikationsangebot schließen.<br />

Qualitätssicherung in der betrieblichen Ausbildung<br />

Qualitätsstandards<br />

Wie in Kapitel 4 erörtert wurde, setzt ein gutes Qualitätsniveau der Ausbildung<br />

im Betrieb gut geschulte betriebliche Ausbilder voraus. Die Berufsausbildungen<br />

und andere formale Arten der Ausbildung im Betrieb stellen besonders<br />

hohe Anforderungen an <strong>die</strong> Ausbildung im Unternehmen. Eine solche<br />

Ausbildung muss eine ganze Reihe beruflicher Kompetenzen vermitteln – einschließlich<br />

fachlicher und sozialer arbeitsplatzspezifischer Kompetenzen – und<br />

einen effizienten Weg bieten, der zu dem betreffenden Beruf führt. Im Einzelnen<br />

bedeutet <strong>die</strong>s:<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 115<br />

• Die außerbetriebliche Berufsbildung sollte <strong>die</strong> berufspraktische Ausbildung<br />

ergänzen. Die Beziehung zwischen Auszubildenden, Arbeitgebern<br />

und Berufsbildungseinrichtungen ist ein entscheidender Faktor <strong>für</strong> den<br />

Erfolg der Ausbildung: Sie sollten in ihren Vorstellungen von der Ausbildung<br />

übereinstimmen und klar definierte Rollen und Zuständigkeiten<br />

haben (Schofield, 1999).<br />

• Auszubildende und Praktikanten sollten eine ganze Reihe unterschiedlicher<br />

Aufgabenstellungen haben, entweder in ein und demselben Unternehmen<br />

oder im Wechsel zwischen mehreren Unternehmen (Gruber,<br />

Mandl und Oberholzner, 2008). Die Aufgaben sollten mit der Zeit an<br />

Komplexität zunehmen und es den Auszubildenden ermöglichen, eigenständig<br />

zu arbeiten und ihre Kompetenzen in der Praxis anzuwenden<br />

(Robertson et al., 2000).<br />

Unternehmen sind stets am sofortigen Produktionsbeitrag der Auszubildenden<br />

und Praktikanten interessiert, aber zuweilen weniger daran, <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

einer positiven Lernerfahrung zu bieten (Cornford und Gunn, 1998;<br />

Kilpatrick, Hamilton und Falk, 2001; Gibb, 1999). Es stellt sich <strong>die</strong> Frage, ob<br />

der Produktionsbeitrag der Auszubildenden zu Lasten der Ausbildungsqualität<br />

geht. Arbeiten aus Norwegen (Askilden und Øivind, 2005) und den Niederlanden<br />

(Smits, 2006) zeigen, dass Unternehmen, <strong>die</strong> Ausbildungsplätze in der<br />

Hoffnung auf einen Produktionsbeitrag anbieten, Auszubildende in der Regel als<br />

billigeren Ersatz <strong>für</strong> ungelernte Kräfte einsetzen. Smits (2006) stellte fest, dass<br />

<strong>die</strong> Ausbildungsqualität in Unternehmen, <strong>die</strong> am Einstellungsvorteil interessiert<br />

sind, besser ist.<br />

Untersuchungsergebnisse aus der Schweiz sind ein Beispiel <strong>für</strong> den umgekehrten<br />

Fall. Dionisius et al. (2008) zeigen, dass <strong>die</strong> relative Leistung Schweizer<br />

und deutscher Auszubildender trotz eines unterschiedlichen Produktionsbeitrags<br />

am Ende der Ausbildung offenbar identisch ist. Schweizer Unternehmen gelingt<br />

es insofern, <strong>die</strong> Ausbildungskosten während der Ausbildungszeit zu kompensieren,<br />

als sie den Schülerinnen und Schülern produktive Aufgaben übertragen und<br />

<strong>die</strong> Auszubildenden in stärkerem Maße als deutsche Unternehmen <strong>für</strong> Tätigkeiten<br />

gelernter Kräfte einsetzen. Dies zeigt, dass ein produktiver Einsatz von<br />

Auszubildenden nicht unbedingt gleichbedeutend damit ist, dass sie als billige<br />

ungelernte Kräfte beschäftigt werden. Wie <strong>die</strong> Verfasser weiter ausführen, sind<br />

<strong>die</strong> Hauptfaktoren, <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> bessere Kosteneffizienz der Ausbildung in der<br />

Schweiz verantwortlich sind, <strong>die</strong> hohen Ausbildungskosten, ein weniger regulierter<br />

Arbeitsmarkt und eine stärkere Arbeitskräftemobilität als in Deutschland<br />

sowie Bestimmungen, <strong>die</strong> Mindestanforderungen an <strong>die</strong> Ausbildungsqualität<br />

enthalten. Die hohen Ausbildungskosten führen dazu, dass <strong>für</strong> <strong>die</strong> Unternehmen<br />

kein wirklicher Anreiz besteht, ungelernte Kräfte durch Auszubildende zu ersetzen,<br />

und dass sie vielmehr danach streben müssen, durch den Einsatz der Auszubildenden<br />

<strong>für</strong> Tätigkeiten von Fachkräften einen Ertrag zu erwirtschaften. Das Vorhandensein<br />

von Bestimmungen, <strong>die</strong> den Inhalt der betrieblichen Ausbildung<br />

(Smits, 2006) und Qualitätsstandards (Dionisius et al., 2008) festlegen, identifi-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


116 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

zieren <strong>die</strong> Verfasser als eine wesentliche Voraussetzung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gewährleistung<br />

eines qualitativ hochwertigen Lernprozesses.<br />

Selbst wenn Unternehmen Interesse daran haben, eine gute Ausbildung zu<br />

bieten, bevorzugen sie u.U. betriebs- und berufsspezifische Kompetenzen,<br />

wohingegen <strong>die</strong> Auszubildenden auch Kompetenzen brauchen, <strong>die</strong> auf andere<br />

Unternehmen und vielleicht auch auf andere Berufe übertragbar sind (Smits,<br />

2006). Über<strong>die</strong>s sind auch je nach den Unternehmensmerkmalen Unterschiede<br />

in der Ausbildungsqualität festzustellen. Arbeiten aus Australien legen den<br />

Schluss nahe, dass <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit, über entsprechendes Ausbildungspersonal<br />

zu verfügen, bei kleinen Unternehmen geringer ist (Hawke, 1998) und<br />

dass <strong>die</strong> von ihnen gebotene Ausbildung in der Regel keinem Plan folgt<br />

(Vallence, 1997) sowie informell und betriebsspezifisch ist (Seagraves und<br />

Osborne, 1997). Die betriebliche Ausbildung muss dem Arbeitgeber zwar Vorteile<br />

bringen, damit er einen Anreiz hat, genügend Ausbildungsplätze anzubieten,<br />

doch sollte sie nicht so unternehmensspezifisch sein, dass sie ein Hemmschuh<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> künftige berufliche Mobilität ist.<br />

Diese Überlegungen sind ein Argument <strong>für</strong> <strong>die</strong> Notwendigkeit, <strong>die</strong> Berufsausbildung<br />

und Praktika einer sorgfältigen Qualitätskontrolle zu unterziehen,<br />

um sicherzustellen, dass <strong>die</strong> in den Prozess einbezogenen Arbeitgeber ihren<br />

Verpflichtungen im Hinblick auf <strong>die</strong> Ausbildungsanforderungen nachkommen.<br />

Die Lernziele sollten unter Einbeziehung der Arbeitgeber festgelegt werden, um<br />

zu gewährleisten, dass sie <strong>für</strong> deren unmittelbare Erfordernisse relevant sind,<br />

auf der anderen Seite muss aber auch in ausreichendem Maß auf <strong>die</strong> Übertragbarkeit<br />

der erworbenen Kompetenzen geachtet werden, damit <strong>die</strong> künftige Mobilität<br />

gesichert ist. Auch bei anderen Arten des <strong>Lernen</strong>s am Arbeitsplatz spielen Qualitätsstandards<br />

eine wichtige Rolle, damit sowohl <strong>die</strong> Auszubildenden als auch <strong>die</strong><br />

Arbeitgeber in den Genuss der angestrebten Vorteile kommen.<br />

Bei den Qualitätsstandards handelt es sich um eine Reihe von Vorschriften, in<br />

denen <strong>die</strong> Bedingungen der betrieblichen Ausbildung festgelegt sind. Sie können<br />

Ausbildungsinhalt und -dauer, <strong>die</strong> Bewertung der Ausbildungsergebnisse und<br />

<strong>die</strong> Qualifikationen der Ausbilder einschließen. Qualitätsstandards sollten vermeiden<br />

helfen, dass den Schülerinnen und Schülern Tätigkeiten <strong>für</strong> ungelernte<br />

Kräfte zugewiesen werden, und verhindern, dass sich <strong>die</strong> Ausbildung einseitig<br />

auf betriebsspezifische Kompetenzen konzentriert. Die Qualitätsstandards<br />

sollten zudem sicherstellen, dass <strong>die</strong> Ausbildung an allen Ausbildungsplätzen<br />

Mindestanforderungen genügt. Im Rahmen einer Stu<strong>die</strong> über Berufsausbildungen<br />

in mehreren europäischen Ländern erläutert Ryan (2000), dass im Vereinigten<br />

Königreich das Fehlen externer Ausbildungsordnungen einer minderwertigen<br />

Ausbildungsqualität Vorschub leisten kann, wohingegen <strong>die</strong> Qualitätskontrolle<br />

in Deutschland und Dänemark strenger ist und Unternehmen, deren Ausbildung<br />

nicht den Vorgaben entspricht, <strong>die</strong> Ausbildungserlaubnis entzogen wird. Auch<br />

in der Schweiz müssen Unternehmen, <strong>die</strong> eine Ausbildungserlaubnis erhalten<br />

wollen, bestimmte Qualitätsstandards erfüllen und wird <strong>die</strong> Ausbildungsqualität<br />

überwacht.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 117<br />

Tabelle 5.2 enthält Informationen über Qualitätssicherungspraktiken in<br />

ausgewählten <strong>OECD</strong>-Ländern. Angesichts der Notwendigkeit, <strong>die</strong> betriebliche<br />

Ausbildung zu fördern und zu unterstützen, müsste Qualitätskontrolle vielleicht<br />

eher in Form einer Unterstützung der Arbeitgeber als durch bürokratische<br />

Hürden <strong>für</strong> Unternehmen erfolgen, <strong>die</strong> im Betrieb ausbilden wollen. Das<br />

QualiCarte-Projekt in der Schweiz (Kasten 5.2) ist ein Beispiel <strong>für</strong> ein Instrument,<br />

das Arbeitgeber bei der Verbesserung der Ausbildungsqualität unterstützt.<br />

Tabelle 5.2 Qualitätssicherung in Unternehmen, <strong>die</strong> eine praktische Ausbildung* anbieten<br />

Lehrplan<br />

Ausbildungsinhalt<br />

Programmdauer<br />

Physische<br />

Ressourcen<br />

Zahl der Ausbildungsplätze<br />

Bildungsergebnis<br />

Erworbene<br />

Qualifikationen<br />

Arbeitsmarktergebnis<br />

Australien Nein Ja Nein Nein Nein Nein Nein Nein<br />

Belgien (Fl) Nein Ja Nein Nein Ja Nein Nein Nein<br />

Dänemark Nein Nein Nein Nein Nein Ja Nein Nein<br />

Deutschland Ja Ja Nein Nein Nein Ja Ja Nein<br />

Finnland Nein Nein Nein Ja Nein Nein Ja Ja<br />

Frankreich Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein<br />

Niederlande Nein Ja Nein Nein Nein Ja Nein Nein<br />

Norwegen f f f f f f f f<br />

Österreich Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Nein<br />

Schweden ** ** ** ** ** ** ** **<br />

Schweiz Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Nein<br />

Tschech. Rep. Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein<br />

Ungarn *** *** *** *** *** *** *** Nein<br />

Ver. Staaten Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein Nein<br />

Anmerkung: f: fehlt.<br />

* Begriffsdefinitionen vgl. Glossar.<br />

** In Schweden obliegt <strong>die</strong> Qualitätskontrolle der betrieblichen Ausbildung der Schwedischen Schulaufsichtsbehörde, und<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung sind örtliche Bildungs-/Aufsichtsorgane zuständig.<br />

*** In Ungarn ist <strong>für</strong> das Qualitätssicherungssystem, in dessen Rahmen auch <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Aufnahme betrieblicher<br />

Ausbildungsaktivitäten zu erfüllenden Bedingungen festgelegt sind, <strong>die</strong> Industrie- und Handelskammer zuständig. Hierzu<br />

gehört auch <strong>die</strong> Durchführung einer Zwischenkontrolle, um sicherzustellen, dass <strong>die</strong> Ausbildung vorschriftsgemäß verläuft<br />

und in Inhalt und Methodik den Anforderungen entspricht.<br />

Quelle: Kuczera, M. (erscheint demnächst), The <strong>OECD</strong> International Survey of VET Systems, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

Rechtlicher Rahmen<br />

In einer Stu<strong>die</strong> über fünf europäische Länder (Deutschland, Österreich,<br />

Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich, in Ryan, 2000) wurde nachgewiesen,<br />

dass <strong>die</strong> Existenz eines soliden institutionellen Rahmens, insbesondere<br />

eines Rechtsrahmens <strong>für</strong> Berufsausbildungen, eine wichtige Voraussetzung <strong>für</strong><br />

eine erfolgreiche Durchführung der entsprechenden Ausbildungsmaßnahmen ist.<br />

Ein Ausbildungs- oder Praktikantenvertrag, in dem <strong>die</strong> Rechte und Pflichten des<br />

Auszubildenden oder Praktikanten und des ausbildenden Unternehmens festgelegt<br />

sind, kann ein nützliches Instrument sein, das einer qualitativ hochwertigen betrieb-<br />

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118 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

Kasten 5.2 Qualitätskontrolle der betrieblichen Ausbildung<br />

in der Schweiz<br />

Es obliegt den ausbildenden Unternehmen, <strong>die</strong> Fortschritte der <strong>Lernen</strong>den zu<br />

überprüfen. Die zusammen mit den Sozialpartnern entwickelte QualiCarte enthält<br />

eine Checkliste mit 28 Qualitätskriterien, <strong>die</strong> <strong>die</strong> wichtigsten Aspekte der betrieblichen<br />

Ausbildung umfassen (darunter das Engagement des Unternehmens, besondere<br />

Aspekte der ersten Ausbildungsphase und des anschließenden Ausbildungsprozesses).<br />

Diese Kriterien werden von den Unternehmen bei ihrer Selbstbeurteilung zu Grunde<br />

gelegt.<br />

Die zuständigen Stellen der Kantone kontrollieren <strong>die</strong> Qualität der betrieblichen<br />

Ausbildung, indem sie <strong>die</strong> Bewilligungen erteilen, <strong>die</strong> ein Unternehmen braucht,<br />

um <strong>Lernen</strong>de ausbilden zu können. Um <strong>die</strong>se Bewilligung zu erhalten, müssen <strong>die</strong><br />

Unternehmen technische und personelle Voraussetzungen erfüllen und unter<br />

Beweis stellen, dass ihr Ausbildungsprogramm den Qualitätsstandards entspricht<br />

und der Ausbildungsinhalt den Berufserfordernissen gerecht wird.<br />

Quelle: Bundesamt <strong>für</strong> Berufsbildung und Technologie – BBT (2008), Berufsbildung in der<br />

Schweiz. Nationaler Bericht der Schweiz als Beitrag zur <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> „Learning for Jobs“,<br />

Bundesamt <strong>für</strong> Berufsbildung und Technologie, Bern.<br />

lichen Ausbildung Vorschub leisten kann. In Mexiko teilten Wirtschaftsvertreter<br />

dem <strong>OECD</strong>-Prüfungsteam mit, dass das Fehlen eines rechtlichen Rahmens (insbesondere<br />

im Hinblick auf <strong>die</strong> Versicherung der Auszubildenden) ein Faktor sei,<br />

der <strong>die</strong> Ausweitung der betrieblichen Ausbildung im Berufsbildungssystem behindere.<br />

Die Einführung eines Ausbildungsvertrags, in dem <strong>die</strong> rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen dargelegt sind, würde <strong>die</strong>ses Problem lösen, denn es bestünde<br />

dann keine Notwendigkeit, dass jeder Arbeitgeber seine eigenen vertraglichen<br />

Regelungen trifft, und <strong>die</strong> Auszubildenden wären vor unvorhergesehenen<br />

Risiken geschützt. Da in solchen Verträgen <strong>die</strong> Rechte und Pflichten der Auszubildenden<br />

und der ausbildenden Unternehmen festgelegt wären, könnten sie<br />

gleichzeitig ein Mittel sein, <strong>die</strong> Qualität der betrieblichen Ausbildung zu kontrollieren.<br />

Auf Grund <strong>die</strong>ser Argumente wurde im Rahmen der <strong>OECD</strong>-Prüfung<br />

Mexikos <strong>die</strong> Einführung eines Ausbildungsvertrags vorgeschlagen (Kis, Hoeckel<br />

und Santiago, 2009).<br />

Spezielle Verträge <strong>für</strong> Auszubildende oder Praktikanten existieren in vielen<br />

Ländern. Tabelle 5.3 zeigt Vertragsmerkmale verschiedener betrieblicher Ausbildungssysteme.<br />

In einigen Ländern (z.B. Deutschland, Österreich und Schweiz)<br />

sind <strong>für</strong> <strong>die</strong> Suche nach einem Unternehmen, das ihnen einen Ausbildungsplatz<br />

anbietet, <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler selbst verantwortlich. In Ungarn leisten<br />

dagegen <strong>die</strong> Berufsbildungseinrichtungen häufig Hilfestellung bei der Suche<br />

nach einem Ausbildungsplatz, und der Vertragsabschluss erfolgt dann in der<br />

Regel zwischen dem Auszubildenden und dem ausbildenden Unternehmen. In<br />

einigen Ländern (z.B. Australien und Norwegen) findet <strong>die</strong> Berufsausbildung<br />

unter Einbeziehung dritter Partner statt. Kasten 5.3 zeigt Beispiele <strong>für</strong> <strong>die</strong> ausbildungsvertraglichen<br />

Bedingungen in drei Ländern.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 119<br />

Kasten 5.3 Betriebliche Ausbildungsverträge<br />

In Australien wird der Ausbildungs-/Praktikumsvertrag zwischen Arbeitgeber<br />

und Auszubildendem/Praktikanten abgeschlossen. Ein Vertreter des Australian<br />

Apprenticeships Centre berät beide Vertragsparteien über ihre Rechte und Pflichten<br />

und stellt sicher, dass <strong>die</strong> Berufsausbildung beiden Seiten gerecht wird. Im Vertrag<br />

wird <strong>die</strong> Verpflichtung des Arbeitgebers festgelegt, den Auszubildenden zu beschäftigen<br />

und auszubilden, ihm einen Lohn zu zahlen und zu gewährleisten, dass der Auszubildende<br />

angemessene Einrichtungen nutzen kann und gut beaufsichtigt wird. Der<br />

Arbeitgeber muss einen Ausbildungsplan vorlegen, dem der betreffende Ausbildungsanbieter<br />

(Berufsbildungseinrichtung) zustimmen muss. Im Vertrag wird eine Probezeit<br />

festgelegt, in der das Vertragsverhältnis von beiden Seiten gelöst werden kann.<br />

Quelle: Department of Education, Employment and Workplace Relations (DEEWR) (2010),<br />

training.com.au Website, www.training.com.au/portal/site/public/menuitem.7e75abb80a4e<br />

4690f9fa5a1017a62dbc/, Internetzugriff im Juni 2010.<br />

In Belgien (Flandern) wird zwischen dem Arbeitgeber, dem Auszubildenden,<br />

und, falls <strong>die</strong>ser unter 18 Jahre alt ist, dessen gesetzlichem Vertreter ein Lehrvertrag<br />

abgeschlossen, der nur dann Gültigkeit hat, wenn <strong>die</strong>s über einen „Ausbildungsberater“<br />

geschieht. Die Auszubildenden erhalten vom Arbeitgeber einen Lohn (der Betrag<br />

richtet sich nach dem Alter des Auszubildenden und dem Ausbildungsjahr).<br />

Quelle: Flämisches Ministerium <strong>für</strong> Bildung und Ausbildung (2009) „Background report“,<br />

Learning for Jobs: The <strong>OECD</strong> Policy Review of Vocational Education and Training, unveröffentlicht.<br />

In Österreich wird der Lehrvertrag zwischen dem Arbeitgeber, dem Auszubildenden<br />

und dessen gesetzlichem Vertreter abgeschlossen. Der Auszubildende<br />

erhält eine Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung. Für das Ausbildungsverhältnis<br />

gelten das Arbeits- und Sozialrecht sowie besondere Bestimmungen<br />

des Jugendbeschäftigungsgesetzes. Auszubildende haben Anspruch auf<br />

eine Lehrlingsentschädigung, <strong>die</strong> durch tarifvertragliche Richtlinien festgelegt wird<br />

und je nach Beruf unterschiedlich ist.<br />

Quelle: Österreichisches Bundesministerium <strong>für</strong> Unterricht, Kunst und Kultur (2010),<br />

Website des Österreichischen Bundesministeriums <strong>für</strong> Unterricht, Kunst und Kultur,<br />

www.bmukk.gv.at/schulen/bw/bbs/berufsschulen.xml#toc3-id4, Internetzugriff im Juni 2010.<br />

Kontinuierliche Ausbildung – sequenzielle Ausbildung: <strong>die</strong><br />

Notwendigkeit flexibler Ansätze<br />

Bei der klassischen dualen Berufsausbildung findet in den zwei bis vier<br />

Ausbildungsjahren ein Wechsel zwischen ein bis zwei Tagen Schulunterricht in<br />

einer Berufsbildungseinrichtung und drei bis vier Tagen Ausbildung und Tätigkeit<br />

im Betrieb statt. Bei einigen Berufen ist hingegen eine umfassende theoretische und<br />

praktische Ausbildung erforderlich, bevor Auszubildende in der Lage sind, eine<br />

sinnvolle Arbeit zu verrichten. Daher sind viele unterschiedliche Modelle entstanden,<br />

bei denen <strong>die</strong> Auszubildenden Monate oder sogar bis zu zwei Jahre in einer<br />

Berufsbildungseinrichtung oder einem spezialisierten Ausbildungszentrum verbringen,<br />

bevor sie in einem Unternehmen tätig sind. Weitere Faktoren sind u.a.:<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


120 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

Tabelle 5.3 Betriebliche Ausbildungsverträge<br />

Geschätzter Prozentsatz der betrieblichen Ausbildung an der Berufsbildung<br />

auf Sekundarstufe-II-Niveau nach Vertragsmerkmalen<br />

Grundlage des<br />

Vertragsstatus<br />

Vertragsparteien<br />

Vertragsmerkmale<br />

Obligatorisch<br />

Nicht<br />

obligatorisch<br />

Unterschiedlich<br />

Arbeitgeber<br />

Auszubildender<br />

Berufsbildungseinrichtung<br />

Beschäftigung<br />

Ausbildung<br />

Kombination aus<br />

Ausbildung und<br />

Beschäftigung<br />

Australien - - <br />

Belgien (Fl) -<br />

Dänemark - - - <br />

Deutschland - - -<br />

Finnland - <br />

Frankreich - - - - <br />

Niederlande - <br />

Norwegen 1 - - - - <br />

Österreich <br />

Ungarn - - - <br />

Schweiz - - - - <br />

Anmerkung: Geschätzter Prozentsatz der Berufsbildungsprogramme auf Sekundarstufe-II-Niveau: - 0%; 1-25%;<br />

26-50%; 51-75%; 76-100%.<br />

1. Die Kommunalverwaltung ist ebenfalls Vertragspartner.<br />

Quelle: Kuczera, M. (erscheint demnächst), The <strong>OECD</strong> International Survey of VET Systems, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

• Der Grad, in dem vorheriges <strong>Lernen</strong> erforderlich ist, hat Einfluss auf das<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis <strong>für</strong> <strong>die</strong> Unternehmen. In den Fällen, in denen<br />

erst über einen langen Zeitraum hinweg theoretische Kenntnisse erworben<br />

werden müssen, bevor Auszubildende in der Lage sind, eine sinnvolle Arbeit<br />

zu verrichten, könnte der Staat <strong>die</strong> vorherige Ausbildung in Berufsbildungseinrichtungen<br />

organisieren und mit öffentlichen Mitteln finanzieren.<br />

• Die wirksamsten Systeme bieten Flexibilität, so dass <strong>die</strong> Unternehmen das<br />

System wählen können, das am besten auf ihre Erfordernisse abgestimmt ist.<br />

Flexibilität im Hinblick auf <strong>die</strong> Dauer der Ausbildung ist <strong>für</strong> Arbeitgeber<br />

wie auch <strong>für</strong> Auszubildende wichtig, da sie dazu beiträgt sicherzustellen,<br />

dass <strong>die</strong> Auszubildenden ihre Ausbildungsziele erreichen und das Kosten-<br />

Nutzen-Verhältnis der Ausbildung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitgeber ausgewogen ist.<br />

Anreize <strong>für</strong> Arbeitgeber und Auszubildende<br />

Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitgeber<br />

Die Anreize, eine betriebliche Ausbildung anzubieten, hängen <strong>für</strong> den<br />

Arbeitgeber von der Höhe der Kosten ab und von dem Ertrag, den er sich von<br />

der Ausbildung verspricht. Wie bereits ausgeführt, kommt dem Arbeitgeber<br />

durch <strong>die</strong> Berufsausbildung und andere strukturierte und längerfristige Formen<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 121<br />

der Ausbildung im Unternehmen sowohl ein Produktions- als auch ein Einstellungsvorteil<br />

zugute. Die Unternehmen argumentieren zuweilen auch, <strong>die</strong><br />

Aufnahme von Auszubildenden sei eine soziale Verantwortung und – subtiler<br />

ausgedrückt – <strong>die</strong> von den Praktikanten und Auszubildenden gestellten Fragen<br />

seien einem reflektierenden Ansatz bei der Tätigkeit förderlich. In mehreren<br />

<strong>OECD</strong>-Ländern werden den Arbeitgebern zusätzliche staatliche Anreize geboten,<br />

Auszubildende aufzunehmen (vgl. Tabelle 5.4).<br />

Es gibt zwei Arten von Kosten, <strong>die</strong> Arbeitgebern durch <strong>die</strong> Berufsausbildung<br />

entstehen:<br />

• Im Hinblick auf den Lohn sind deutliche Unterschiede festzustellen. In<br />

Australien beispielsweise lag 2006 der wöchentliche Satz <strong>für</strong> Personen im<br />

ersten Ausbildungsjahr je nach Industriesektor zwischen 47% und 75% des<br />

Mindestlohns; ab dem vierten Ausbildungsjahr erhalten alle Auszubildenden<br />

den Bundesmindestlohn oder mehr (Australian Fair Pay Commission,<br />

2006). In Norwegen erhalten Auszubildende einen tarifvertraglich festgelegten<br />

Lohn, der zwischen 30% und 80% des Arbeitsentgelts eines<br />

qualifizierten Industriearbeiters beträgt, wobei sich der Prozentsatz im<br />

Lauf der Ausbildungsdauer erhöht (Kuczera et al., 2008).<br />

• In den Inputkosten der betrieblichen Ausbildung enthalten sind der Zeitaufwand<br />

erfahrener Kräfte, <strong>die</strong> Entlohnung des Ausbildungspersonals,<br />

Lehrmaterial und Verwaltungsaufwand, <strong>die</strong> von unerfahrenen Auszubildenden<br />

begangenen Fehler und durch sie vergeudeten Ressourcen<br />

(Richardson, 2005; Rauner, 2007). Die Höhe <strong>die</strong>ser Kosten ist von der<br />

Qualität der angebotenen Ausbildung abhängig, insbesondere davon, ob <strong>die</strong><br />

Betreuer eine spezielle Ausbildung erhalten haben, ob <strong>die</strong> Betreuer der<br />

Auszubildenden auf Grund ihrer Funktion einen zusätzlichen Status haben<br />

und eine Lohnzulage erhalten usw.<br />

Kosten und Ertrag sind zwar schwer abzuschätzen, doch werden von den<br />

Unternehmen in <strong>die</strong>ser Hinsicht zurzeit Fortschritte erzielt. In der Schweiz hatte<br />

von den ausbildenden Unternehmen 2004 <strong>die</strong> Hälfte entweder bereits ein formelles<br />

System <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beobachtung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses ihrer<br />

Ausbildung oder stand im Begriff, ein solches einzuführen 2 . Viele Unternehmen<br />

verfügen jedoch nicht über ein entsprechendes System und beurteilen den Ertrag<br />

aus der gebotenen Ausbildung stattdessen auf eine eher subjektive Art und<br />

Weise (Davidson et al., 1997; Schweri et al., 2003). In Deutschland und in der<br />

Schweiz wurden systematische Stu<strong>die</strong>n über Kosten und Ertrag der Aufnahme<br />

von Auszubildenden <strong>für</strong> den Arbeitgeber durchgeführt (Kasten 5.4). Untersuchungen<br />

<strong>die</strong>ser Art können insofern dazu <strong>die</strong>nen, <strong>die</strong> Arbeitgeber zur Aufnahme<br />

von Praktikanten und Auszubildenden zu ermutigen, als sie ihnen den<br />

realen ökonomischen Ertrag vor Augen führen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


122 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

Kasten 5.4 Kosten und Nutzen der Ausbildung von <strong>Lernen</strong>den<br />

in der Schweiz<br />

2000 und 2004 nahmen rd. 2 500 Unternehmen an einer Umfrage teil, deren<br />

Ziel es war, Kosten und Nutzen der Ausbildung von <strong>Lernen</strong>den zu ermitteln. Eine<br />

weitere Umfrage fand 2009 statt. Die Bruttokosten der Ausbildung schließen <strong>die</strong><br />

Löhne der Auszubildenden und der innerbetrieblichen Ausbilder, <strong>die</strong> Kosten der<br />

hiermit verbundenen Verwaltungsaufgaben, Installations- und Materialkosten und<br />

einige andere Kosten mit ein. Der Ertrag <strong>für</strong> das Unternehmen resultiert aus der<br />

produktiven Leistung der Auszubildenden. Die Berechnung des Ertrags basiert auf<br />

den Kosten, <strong>die</strong> bei Beschäftigung einer Kraft entstehen würden, <strong>die</strong> <strong>die</strong>selbe produktive<br />

Leistung erbringt.<br />

Durch eine Gegenüberstellung von Bruttokosten und -ertrag erhält man den<br />

Nettoverlust oder -ertrag <strong>für</strong> <strong>die</strong> Unternehmen. Die Schweizer Unternehmen investierten<br />

4,7 Mrd. sfr in <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung, während <strong>die</strong> Produktionsleistung<br />

der Auszubildenden 5,2 Mrd. sfr betrug. Insgesamt waren <strong>die</strong> Ausgaben<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausbildung von <strong>Lernen</strong>den daher eine gute Investition, und etwa zwei<br />

Drittel der Unternehmen erzielten einen Nettoertrag. Von den Unternehmen, <strong>die</strong><br />

einen Nettoverlust verzeichneten, konnten <strong>die</strong>s <strong>die</strong> meisten binnen kurzer Zeit oder<br />

mittelfristig dadurch wettmachen, dass sie <strong>die</strong> in ihrem Betrieb Ausgebildeten nach<br />

Abschluss ihrer Lehre einstellten, so dass sie einen Einstellungsvorteil verbuchen<br />

konnten.<br />

Staatliche Anreize <strong>für</strong> <strong>die</strong> Unternehmen<br />

Finanzielle Anreize<br />

Viele Arten der Berufsbildung, u.a. <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung, haben<br />

insofern bedeutende Spillover-Effekte, als nicht nur dem ausbildenden Unternehmen<br />

und dem Auszubildenden, sondern auch anderen Arbeitgebern und der<br />

Gesellschaft insgesamt gesehen Vorteile entstehen. Vom Staat werden als<br />

Instrumente zur Unterstützung 3 der beruflichen Erstausbildung verschiedene<br />

Kombinationen aus Direktzuschüssen, Steuererleichterungen, Abgabesystemen<br />

und Sachleistungen eingesetzt (Tabelle 5.4).<br />

Ein dem Arbeitgeber pauschal <strong>für</strong> jeden angebotenen Ausbildungsplatz<br />

gewährter Zuschuss weist zwei potenzielle Schwachstellen auf. Erstens würden<br />

viele der Ausbildungsplätze, <strong>für</strong> <strong>die</strong> der Zuschuss gewährt wird, auch ohne<br />

<strong>die</strong>sen angeboten werden. Der Nettoeffekt des Zuschusses auf das gesamte Ausbildungsplatzangebot<br />

ist daher u.U. nur gering. Zweitens könnten <strong>die</strong> Zuschüsse<br />

an Unternehmen zu Lasten anderer Ausbildungsarten gehen, <strong>die</strong> weniger großzügig<br />

gefördert werden 4 . Die Befunde legen nahe, dass <strong>die</strong> Wirksamkeit eines<br />

Zuschusses als Ausbildungsanreiz <strong>für</strong> Unternehmen unterschiedlich ist.<br />

Westergaard-Nielsen und Rasmussen (1999) zufolge ist zwar in Dänemark der<br />

Effekt eines Zuschusses auf <strong>die</strong> Bereitschaft, Ausbildungsplätze anzubieten,<br />

gering (<strong>die</strong> Nachfrage nach Auszubildenden wäre ohne <strong>die</strong> Beihilfe nur um 7%<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 123<br />

Tabelle 5.4 Wie Staat und Arbeitgeber <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung unterstützen<br />

Öffentliche<br />

Finanzierung<br />

Kollektiver Beitrag der<br />

Unternehmen (z.B.<br />

Ausbildungsabgabe)<br />

Arbeitgeberbeitrag zur Berufsbildung<br />

Direktzuschuss*<br />

Steuerermäßigung*<br />

Ausbildungsmaterial<br />

Ausbildergehälter<br />

Übernahme der<br />

Fahrtkosten der<br />

Auszubildenden<br />

Australien Ja Ja Nein Ja Ja Ja<br />

Belgien (Fl) Ja Ja Nein Ja Ja Ja<br />

Dänemark Nein Nein Ja Ja Ja Nein<br />

Finnland Ja Nein Nein - - -<br />

Frankreich Nein Ja Ja Ja Ja Nein<br />

Norwegen Ja Nein Nein Ja Ja Ja<br />

Niederlande Nein Ja In einigen Sektoren Ja Ja Ja<br />

Österreich Ja Ja In einigen Sektoren Ja Ja Ja<br />

Schweiz Nein Ja In einigen Sektoren Ja Ja Ja<br />

Ungarn Ja Nein Ja Ja Ja Ja<br />

* Begriffsdefinitionen vgl. Glossar.<br />

Quelle: Kuczera, M. (erscheint demnächst), The <strong>OECD</strong> International Survey of VET Systems, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

niedriger gewesen), doch könnte sich ein solcher Zuschuss dennoch bezahlt<br />

machen, da <strong>die</strong> Alternative, d.h. <strong>die</strong> Ausbildung in Berufsbildungseinrichtungen,<br />

mit hohen Kosten verbunden wäre. Da der Zuschuss jedoch nur in bestimmten<br />

Industriezweigen wirkungsvoll war, hätte den Autoren zufolge eine Begrenzung<br />

des Zuschusses auf <strong>die</strong> betreffenden Sektoren <strong>die</strong> Effizienz erhöht. In der<br />

Schweiz legte eine Simulation den Schluss nahe, dass Zuschüsse bei nichtausbildenden<br />

Unternehmen einen Effekt hätten, sich jedoch nicht auf das Ausbildungsplatzangebot<br />

bereits ausbildender Unternehmen auswirken würden<br />

(Mühlemann et al., 2007). In Österreich war nur ein begrenzter Einfluss von<br />

Zuschüssen festzustellen (Wacker, 2007).<br />

In einigen Ländern (z.B. Dänemark, Frankreich, Irland, Ungarn) werden<br />

zur Erhöhung des Ausbildungsangebots der Unternehmen Ausbildungsabgaben<br />

erhoben, was zu einer gerechteren Verteilung der Ausbildungschancen führen<br />

soll. Sie <strong>die</strong>nen in der Regel dazu, <strong>die</strong> Aus- und Weiterbildung bereits beschäftigter<br />

Personen zu unterstützen, zuweilen aber auch <strong>die</strong> von Praktikanten und<br />

Auszubildenden. Die Befunde über ihre Wirksamkeit ergeben ein recht gemischtes<br />

Bild 5 . Untersuchungen lassen darauf schließen, dass generell erhobene<br />

Ausbildungsabgaben ineffizient sind, wenn es darum geht, eine gerechte Verteilung<br />

der Ausbildungschancen zu gewährleisten, denn in der Praxis sind es<br />

Großunternehmen und hochqualifizierte Beschäftigte, <strong>die</strong> überproportional von<br />

einer Ausbildungsabgabe profitieren (Gasskov, 1998; Edwards, 1997; Goux und<br />

Maurin, 1997; Lee, 2006). Sektorspezifische Abgaben können zwar dazu beitragen,<br />

strategische sektorbezogene Ziele zu erreichen, und sie sind <strong>für</strong> Unternehmen<br />

u.U. attraktiver als generell erhobene Abgaben (Smith und Billet,<br />

2005), doch ergeben auch <strong>die</strong> Befunde über ihre Wirksamkeit im Hinblick auf<br />

eine Erhöhung des gesamten beruflichen Ausbildungsangebots und <strong>die</strong> Förde-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


124 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

rung eines gerechten Zugangs zur Ausbildung ein uneinheitliches Bild (Van den<br />

Berg, Meijers und Sprengers, 2006; Smith und Billett, 2005; CEDEFOP, 2008).<br />

Konzeptionell sind <strong>die</strong> Berufsausbildungssysteme durch Trade-offs zwischen<br />

verschiedenen Faktoren gekennzeichnet, zwischen denen es ein ausgewogenes<br />

Verhältnis herzustellen gilt, damit das System wirksam ist. So muss z.B. das<br />

Qualitätsniveau der Ausbildung hoch genug sein, um dem Auszubildenden wie<br />

auch der Wirtschaft Nutzen zu bringen, aber nicht so hoch, dass es zu einem<br />

Faktor wird, der das Engagement der Arbeitgeber behindert. Der Lohn muss<br />

zwar ausreichend hoch sein, um gute Auszubildende anzuziehen und von einem<br />

Abbruch der Berufsausbildung abzuhalten, doch nicht so hoch, dass er zu einem<br />

weiteren Hindernis wird, das Arbeitgeber davon abhält, Ausbildungsplätze anzubieten.<br />

Auch <strong>die</strong> Ausbildungsdauer und ihr Bezug zum gezahlten Lohn – der<br />

in der Regel mit dem Erwerb von Fertigkeiten durch den Auszubildenden steigt<br />

– müssen ausgewogen sein. Die Dauer der Berufsausbildung muss kurz genug<br />

sein, um zu vermeiden, dass nahezu vollständig ausgebildete Personen <strong>die</strong> Ausbildung<br />

abbrechen, um eine Beschäftigung aufzunehmen, jedoch nicht so kurz,<br />

dass der Arbeitgeber den Produktivitätsvorteil verliert, der weitgehend gegen<br />

Ende der Ausbildungszeit auf Grund der Beiträge der bereits erfahrenen Auszubildenden<br />

entsteht.<br />

Um <strong>die</strong> Arbeitgeber dazu zu bewegen, Ausbildungsplätze anzubieten,<br />

muss ihnen zwar der Nettoertrag der betrieblichen Ausbildung genügend Anreize<br />

bieten, doch lässt sich <strong>die</strong>s auf verschiedene Arten erreichen. Eine Möglichkeit<br />

bestünde z.B. darin, einen relativ niedrigen Lohn (wie in der Schweiz) und im<br />

Gegenzug strenge Anforderungen <strong>für</strong> ausbildende Unternehmen festzusetzen,<br />

was <strong>die</strong> Qualifizierung der Betreuer der Auszubildenden und <strong>die</strong> Einhaltung des<br />

nationalen Lehrplans betrifft. In der Schweiz <strong>die</strong>nt <strong>die</strong>se Kombination der Unterstützung<br />

eines Lehrstellensystems, das ohne staatliche Zuschüsse auskommt.<br />

In Irland zahlt der Staat den Auszubildenden während der außerbetrieblichen<br />

Ausbildungsphase ein Stipendium, was eine Berufsausbildung <strong>für</strong> <strong>Lernen</strong>de wie<br />

<strong>für</strong> Unternehmen zu einer attraktiven Option macht (obwohl <strong>die</strong>se Regelung im<br />

Zuge des Abschwungs der irischen Bauwirtschaft unter erheblichen Druck geraten<br />

ist, vgl. Kis, 2010). Tabelle 5.5 liefert einen Vergleich der öffentlichen Kosten<br />

des Abschlusses einer Berufsausbildung je Auszubildenden in Ländern, <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Daten verfügbar sind.<br />

Nichtfinanzielle Anreize<br />

In einigen Ländern gibt es spezielle Organe, deren Ziel es ist, Berufsausbildungen<br />

zu fördern, indem sie den Arbeitgebern Schülerinnen und Schüler<br />

vermitteln, <strong>die</strong> eine betriebliche Ausbildung anstreben. Diese Organisationen<br />

nehmen im Zusammenhang mit der Berufsausbildung auch administrative Aufgaben<br />

wahr (<strong>die</strong>s ist <strong>für</strong> KMU besonders wichtig). Sie beschäftigen u.U. auch<br />

Auszubildende und leihen sie an ausbildende Unternehmen aus (vgl. Kasten 5.5).<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 125<br />

Tabelle 5.5 Geschätzte öffentliche Ausgaben <strong>für</strong> Berufsausbildung<br />

In US-$ zu Kaufkraftparitäten <strong>für</strong> BIP (Bezugsjahr in Klammern)<br />

1 2 3 4<br />

Durchschnittliche<br />

Gesamtkosten des<br />

Programms, je<br />

Teilnehmer<br />

Kosten eines Jahres<br />

außerbetrieblicher<br />

Berufsausbildung,<br />

auf der Basis von<br />

Vollzeitäquivalenten<br />

Programmdauer<br />

(in Jahren)<br />

Innerbetriebliche<br />

Ausbildung (% des<br />

Programms)<br />

Dänemark<br />

(2008)<br />

Irland (2008)<br />

19 400 - 29 000 12 100<br />

19 000<br />

16 300<br />

(Phase 4 und 6)<br />

Niederlande<br />

(2006) 7 100 - 14 100 7 800<br />

Norwegen<br />

(2006)<br />

Österreich<br />

(2006)<br />

15 300 - 15 900 n.a.<br />

Switzerland<br />

(2007) 11 600 - 23 600 14 300<br />

3.5-4<br />

(übliche Dauer)<br />

40 - 60%<br />

4 (übliche Dauer) 70%<br />

2-4 (je nach<br />

Programm)<br />

60%<br />

36 200 12 900 4 50%<br />

2-4 (je nach<br />

Programm)<br />

2-4 (je nach<br />

Programm)<br />

Quelle: Kuczera, M. (2008), Antworten auf parlamentarische Anfragen von FÁS (Irland): Ref No:<br />

13031/09, 13027/09, 13030/09, DETE persönliche Mitteilung.<br />

Anmerkung: Diese Kosten enthalten <strong>die</strong> Aufwendungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> außerbetriebliche Ausbildung in Berufsbildungseinrichtungen<br />

6 . In Ländern wie Dänemark und der Schweiz stellt <strong>die</strong>ser Posten den Hauptanteil<br />

an den öffentlichen Kosten. In anderen Ländern, wie z.B. Norwegen und Österreich, gewährt der Staat<br />

zudem Unternehmen, <strong>die</strong> Ausbildungsplätze anbieten, einen Zuschuss, und <strong>die</strong> hierdurch bedingten<br />

Kosten sind in den Zahlen enthalten. In der Schweiz und den Niederlanden können ausbildende Unternehmen<br />

eine Steuerermäßigung in Anspruch nehmen, doch sind <strong>die</strong> Kosten <strong>die</strong>ser indirekten finanziellen<br />

Anreize in den Zahlen insofern nicht enthalten, als sie schwer zu schätzen sind; <strong>die</strong> Gesamtkosten <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Schweiz und <strong>die</strong> Niederlande können daher zu niedrig geschätzt sein. In Irland sind in den öffentlichen<br />

Ausgaben <strong>die</strong> Ausbildungskosten in Berufsbildungseinrichtungen (Ausbildergehalt, Räumlichkeiten,<br />

Ausbildungsmaterial) und den Auszubildenden gezahlte Beihilfen berücksichtigt.<br />

80%<br />

70%<br />

Aufrechterhaltung der Anreize <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitgeber in Zeiten des<br />

Konjunkturabschwungs<br />

Wirtschaftliche Belastungen können der aktiven Mitwirkung der Unternehmen<br />

Grenzen setzen, und in konjunkturellen Abschwungphasen kann ihre<br />

Bereitschaft, Ausbildungsplätze anzubieten, zusätzlich gebremst werden. Strukturschwache<br />

Regionen können ähnlichen Problemen ausgesetzt sein. Dort könnten<br />

Jugendliche vielleicht dazu ermutigt werden, in einem anderen Teil des Landes<br />

in einem Sektor mit guten Beschäftigungsaussichten eine Ausbildungsstelle zu<br />

suchen. Dabei müssen jedoch <strong>die</strong> möglichen Schwierigkeiten bedacht werden,<br />

<strong>die</strong> sich <strong>für</strong> jüngere Leute ergeben, wenn sie weit von zu Hause entfernt – und<br />

zuweilen kaum von Erwachsenen beaufsichtigt – leben. Im Interesse der regionalen<br />

Ausgewogenheit kann es sich mitunter als erforderlich erweisen, den<br />

Mangel an Ausbildungsstellen durch ein zusätzliches Platzangebot in Berufsbildungseinrichtungen<br />

zu kompensieren.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


126 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

Kasten 5.5 An der Berufsausbildung beteiligte externe<br />

Organisationen<br />

Australien: Group Training Organisations (GTO) sind Organisationen ohne<br />

Erwerbszweck, <strong>die</strong> mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, wobei <strong>die</strong> Unternehmen<br />

einen Teil der Lasten tragen. GTO beschäftigen Auszubildende und stellen<br />

sie leihweise an ausbildende Unternehmen ab, manchmal mit besonderer Fokussierung<br />

auf einen bestimmten Wirtschaftsbereich oder eine bestimmte Region. Zu ihren<br />

Aufgaben gehört es, den Erfordernissen der Arbeitgeber entsprechende Auszubildende<br />

auszuwählen, sowohl innerbetriebliche als auch außerbetriebliche Ausbildung<br />

zu organisieren, Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen und sicherzustellen, dass<br />

<strong>die</strong> Auszubildenden vielseitige Ausbildungserfahrungen sammeln – zuweilen durch<br />

Rotation zwischen verschiedenen Unternehmen.<br />

Veröffentlichte Stu<strong>die</strong>n über GTO abrufbar unter: www.ncver.edu.au/publications/bytheme.html.<br />

Norwegen: Ausbildungsbüros (opplæringskontor) befinden sich im Besitz<br />

von Unternehmen und stehen in der Regel mit bestimmten Handwerksberufen in<br />

Zusammenhang. Sie haben <strong>die</strong> Aufgabe, mögliche neue ausbildende Unternehmen<br />

zu ermitteln und neue Ausbildungsplätze zu schaffen, ausbildende Unternehmen zu<br />

beaufsichtigen und an der Betreuung von Auszubildenden beteiligtes Personal zu<br />

schulen. Viele Ausbildungsbüros organisieren den theoretischen Teil der Berufsausbildung.<br />

Sie schließen häufig stellvertretend <strong>für</strong> kleinere Ausbildungsbetriebe<br />

Ausbildungsverträge und werden dadurch <strong>für</strong> den Berufsabschluss und <strong>die</strong> Ausbildungsergebnisse<br />

rechenschaftspflichtig.<br />

Quelle: Norwegische Zentralstelle <strong>für</strong> Bildung und Ausbildung (2008).<br />

Schweiz: Lehrbetriebsverbünde sind Zusammenschlüsse mehrerer Unternehmen,<br />

<strong>die</strong> <strong>Lernen</strong>de im Verbund ausbilden und auf <strong>die</strong>se Art und Weise den finanziellen<br />

und administrativen Aufwand <strong>für</strong> jedes einzelne Mitgliedsunternehmen reduzieren.<br />

Unternehmen, <strong>die</strong> nicht über <strong>die</strong> Kapazität verfügen, selbst einen Auszubildenden<br />

aufzunehmen, ist es auf <strong>die</strong>se Weise möglich, eine Berufsausbildung anzubieten.<br />

In jedem Verbund übernimmt ein Unternehmen formal <strong>die</strong> Verantwortung <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Auszubildenden. Die Schweiz bezuschusst <strong>die</strong>se Zusammenschlüsse in den ersten<br />

drei Jahren und trägt anfangs finanziell zu den Aufbaukosten eines gemeinsamen<br />

Ausbildungsprogramms bei. Im Rahmen einer Evaluierung (OPET, 2008) wurde<br />

<strong>die</strong>ses Modell insofern <strong>für</strong> wirksam befunden, als <strong>die</strong> meisten daran teilnehmenden<br />

Unternehmen ohne <strong>die</strong>ses System keine Berufsausbildung angeboten hätten.<br />

2008 wurde <strong>die</strong> Weltwirtschaft von einer schweren Rezession erfasst. In<br />

einer unlängst von Brunello (2009) durchgeführten Stu<strong>die</strong> wird der Mangel an<br />

Befunden angeführt, dennoch aber darauf verwiesen, dass <strong>die</strong> Zahl der Auszubildenden<br />

während einer Rezession in der Regel sogar noch schneller sinkt als<br />

<strong>die</strong> Zahl der Beschäftigten. Bei schlechter Wirtschaftslage mit schwacher Nachfrage<br />

ist der Produktionsvorteil u.U. begrenzt und beruht der erwartete Einstellungsvorteil<br />

auf der riskanten Hypothese, dass <strong>die</strong> Unternehmen dem Abschwung<br />

standhalten und wieder expan<strong>die</strong>ren werden. Die Aufnahme eines<br />

Auszubildenden bedeutet eine Verpflichtung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zukunft, häufig über meh-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 127<br />

rere Jahre hinweg. Die Lehrverträge sind unterschiedlich, können aber <strong>für</strong> den<br />

Arbeitgeber mit strengen Auflagen verbunden sein, zum Teil um sicherzustellen,<br />

dass Arbeitgeber sich im Hinblick auf <strong>die</strong> längerfristige Entwicklung ihrer Auszubildenden<br />

verantwortlich verhalten. In einem durch Ungewissheit gekennzeichneten<br />

konjunkturellen Umfeld zögern <strong>die</strong> Arbeitgeber u.U. stark, solch ein<br />

potenzielles Risiko einzugehen.<br />

In Australien ging <strong>die</strong> Zahl der Auszubildenden während der Rezession<br />

Anfang der 1990er Jahre innerhalb von drei Jahren um ein Viertel zurück<br />

(www.ncver.edu.au/research/proj2/mk0008/growth.htm). Die relative Gefährdung<br />

der Auszubildenden und der regulären Beschäftigten angesichts einer<br />

Rezession hängt jedoch von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten ab. In einer<br />

Analyse der Auswirkungen der Depression der 1930er Jahre auf <strong>die</strong> Auszubildenden<br />

im Maschinenbausektor in England wurde festgestellt, dass in <strong>die</strong>sem<br />

Zeitraum Vollzeitbeschäftigte durch Auszubildende ersetzt wurden (Hart, 2005).<br />

Potenzielle Politikreaktionen auf <strong>die</strong> derzeitige Wirtschaftskrise, deren<br />

Ziel darin bestünde, Berufsausbildungen und andere Formen der Ausbildung im<br />

Betrieb zu erhalten, sind u.a.:<br />

• vorübergehende staatliche Zuschüsse <strong>für</strong> Ausbildungsbeginne: Ein Einwand<br />

gegen eine solche Praxis lautet, dass <strong>die</strong> meisten Ausbildungsbeginne<br />

auch ohne den staatlichen Zuschuss zustande kämen. Ein weiterer ist, dass<br />

<strong>die</strong>s <strong>die</strong> Arbeitgeber veranlassen könnte, Auszubildende als Billigkräfte zu<br />

nutzen;<br />

• Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze im öffentlichen Sektor;<br />

• Vorkehrungen, um <strong>die</strong> Risiken der Aufnahme von Auszubildenden auf<br />

mehrere Unternehmen zu verteilen. Eine Option sind staatlich geförderte<br />

Organisationen, <strong>die</strong> Auszubildende aufnehmen, <strong>die</strong> dann in Unternehmen<br />

betrieblich ausgebildet werden, wie z.B. in den Gruppenausbildungsorganisationen<br />

in Australien;<br />

• mehr praktische Ausbildung in Berufsbildungseinrichtungen, um den Verlust<br />

an Ausbildungsstellen zu kompensieren;<br />

• eine längere Verweildauer in allgemeinbildenden Einrichtungen und Verlagerung<br />

der berufsspezifischen Ausbildung auf ein späteres Stadium im<br />

Bildungs- und Ausbildungssystem.<br />

Brunello (2009) be<strong>für</strong>wortet in der Rezession Maßnahmen zur Förderung<br />

außerbetrieblicher und innerbetrieblicher Ausbildung – in Anbetracht der Tatsache,<br />

dass sonst das Risiko besteht, dass Jugendliche in befristeten Beschäftigungsverhältnissen<br />

mit wenig Ausbildungsmöglichkeiten gefangen bleiben<br />

könnten. Unter Bezugnahme auf Bassanini und Brunello (2008) führt er aus,<br />

dass „ausbildungspolitische Maßnahmen nicht unbedingt das einzige, und vielleicht<br />

auch nicht das beste verfügbare Instrument zur Förderung der beruflichen<br />

Bildung während eines langwierigen Abschwungs sind: Strukturpolitische Maß-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


128 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

nahmen, <strong>die</strong> positive Auswirkungen auf den Wettbewerb an den Produktmärkten<br />

haben, und Arbeitsmarktmaßnahmen, <strong>die</strong> den Dualismus zwischen geschützten<br />

Insidern und ungeschützten Outsidern reduzieren, könnten bessere Ergebnisse<br />

bringen als staatliche Beihilfen <strong>für</strong> Arbeitnehmer und Arbeitgeber, <strong>die</strong> mit dem<br />

Nachteil von Mitnahme- und Substitutionseffekten verbunden sind“.<br />

Anreize <strong>für</strong> potenzielle Auszubildende<br />

Ein leistungsstarkes Berufsausbildungssystem muss sowohl <strong>für</strong> potenzielle<br />

Auszubildende als auch <strong>für</strong> Arbeitgeber attraktiv sein. Wie bereits ausgeführt,<br />

erhalten Auszubildende in der Regel einen Lohn, und sie können auch in der<br />

einen oder anderen Art einen staatlichen Zuschuss beziehen. Im Gegenzug sollten<br />

sie auch Anspruch auf eine qualitativ hochwertige Ausbildung und angemessene<br />

Aussichten auf einen reibungslosen Übergang in den angestrebten Beruf haben.<br />

Aus der Perspektive des Auszubildenden ist <strong>die</strong> Attraktivität <strong>die</strong>ser Ausbildungsform<br />

relativ, denn sie hängt davon ab, welche Möglichkeiten sich sonst noch <strong>für</strong><br />

ihn bieten. Im Allgemeinen wird <strong>die</strong>s davon abhängen, wie stark der Anreiz eines<br />

akademischen Bildungswegs im Tertiärbereich im Verhältnis zu der Alternative<br />

ist, direkt ins Erwerbsleben einzutreten.<br />

In Deutschland war der Anteil Erwerbstätiger unter den Berufsausbildungsabsolventen<br />

(Personen, <strong>die</strong> eine betriebliche Ausbildung erhalten hatten) höher<br />

als unter Hochschulabsolventen und Absolventen einer schulbasierten Berufsausbildung<br />

(<strong>die</strong> in der Regel keine Arbeitserfahrung haben), wobei aber <strong>die</strong><br />

Dauer der Arbeitslosigkeit bei Berufsausbildungsabsolventen länger war als bei<br />

anderen Gruppen (Winkelmann, 1996). In Österreich stellten Hofer und Lietz<br />

(2004) fest, dass Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung (Sekundarstufe-<br />

II-Niveau) weniger stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind und einen höheren<br />

Ver<strong>die</strong>nst verzeichnen als ungelernte Kräfte, obwohl ihre Arbeitsmarktergebnisse<br />

schlechter sind, als <strong>die</strong> von Absolventen der Sekundarstufe II allgemein 7 .<br />

Die Abbruchquote ist ein Indikator <strong>für</strong> Schwächen von Berufsausbildungssystemen,<br />

sie kann aber auch <strong>die</strong> Attraktivität anderer Berufswegoptionen widerspiegeln.<br />

Abbruchquoten sind in der Regel technisch schwer zu ermitteln, vor<br />

allem weil in den meisten Bildungssystemen ein Teil derjenigen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Bildungsprogramme<br />

abbrechen, entweder umgehend oder nach relativ kurzer Zeit<br />

erneut an einem ähnlichen Programm teilnehmen: Diese Gruppe kann nicht mit<br />

wirklichen Abbrechern gleichgesetzt werden. Dies führt zwar dazu, dass ein<br />

internationaler Vergleich der Abbruchquoten sehr schwierig ist, doch gibt es<br />

zwischen den Ländern einige auffällige Unterschiede. In einer unlängst durchgeführten<br />

Stu<strong>die</strong> wurde versucht, innerhalb einer Gruppe europäischer Länder<br />

vergleichbare Abschlussquoten zu ermitteln. Es wurde dabei <strong>für</strong> England 8 eine<br />

Abschlussquote von 31% und <strong>für</strong> Schottland von 50-60% ermittelt und auf der<br />

Basis eines Vergleichs unterstellt, dass <strong>die</strong> Quote in Deutschland rd. 75%, in<br />

Dänemark rd. 70%, in den Niederlanden 65-70% und in Frankreich 75-80%<br />

beträgt. In der Stu<strong>die</strong> wird im Zusammenhang mit <strong>die</strong>sem Vergleich auf eine<br />

Reihe statistischer Probleme verwiesen (West, 2004). In der Praxis stellt der<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 129<br />

Abbruch u.U. kein großes Problem dar. Im Rahmen weiterer Stu<strong>die</strong>n über den<br />

Abbruch von Berufsausbildungen zeigen Bessey und Backes-Gellner (2007),<br />

dass in Deutschland etwa 20% der Auszubildenden ihren Ausbildungsvertrag<br />

vorzeitig kündigen, doch handelt es sich in der Praxis meist um einen Wechsel<br />

des Arbeitgebers oder des Bildungswegs, so dass nur ein sehr geringer Prozentsatz<br />

einem völligen Abbruch entspricht: weniger als 5% der Personen, <strong>die</strong> eine<br />

Berufsausbildung beginnen.<br />

<strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz: Schlussbetrachtungen<br />

Diskussion und Erkenntnisse<br />

• Beim <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz ist zwischen mehreren Arten zu unterscheiden:<br />

kurze Zeiten der Beobachtung von Arbeitssituationen, längere Praktika<br />

und stärker strukturierte Berufsausbildungen sowie informelles <strong>Lernen</strong><br />

und Aus- und Weiterbildung von Beschäftigten.<br />

• Eine qualitativ hochwertige betriebliche Ausbildung und Erfahrung im<br />

Rahmen der beruflichen Erstausbildung:<br />

– bietet ein leistungsstarkes Lernumfeld <strong>für</strong> den Erwerb fachlicher Kompetenzen<br />

(u.a. Nutzung moderner Betriebsmittel und Techniken) sowie<br />

sozialer Kompetenzen (wie z.B. Umgang mit Kollegen und Kunden);<br />

– verbessert insofern den Übergang von der Schule ins Erwerbsleben, als<br />

Arbeitgebern und potenziellen Beschäftigten <strong>die</strong> Möglichkeit gegeben<br />

wird, sich kennenzulernen;<br />

– trägt zur Produktion bei;<br />

– stellt eine Relation zwischen dem Ausbildungsangebot und den realen Arbeitsmarkterfordernissen<br />

her.<br />

• Die betriebliche Ausbildung muss generell insofern durch andere Arten<br />

von Bildung und Ausbildung ergänzt werden, als einige Kompetenzen außerbetrieblich<br />

besser zu vermitteln sind und eine betriebliche Ausbildung auf<br />

Grund regionaler wirtschaftlicher Schwächen oder konjunktureller<br />

Abschwungphasen u.U. nicht immer verfügbar ist.<br />

• Die Ausbildung am Arbeitsplatz, insbesondere formellere Systeme wie <strong>die</strong><br />

Berufsausbildung, erfordert besondere Aufmerksamkeit, was <strong>die</strong> Einhaltung<br />

von Qualitätsstandards betrifft, sowie ein ausreichendes Maß von Anreizen<br />

<strong>für</strong> Arbeitgeber, Ausbildungsplätze anzubieten.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


130 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

<strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz: <strong>OECD</strong>-Empfehlungen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

In der beruflichen Erstausbildung sollte <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz großen Raum<br />

einnehmen.<br />

Es sollte gewährleistet werden, dass der Rahmen <strong>für</strong> das <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz<br />

<strong>die</strong> Teilnahme sowohl der Arbeitgeber als auch der Schülerinnen und<br />

Schüler fördert.<br />

Durch ein wirkungsvolles Qualitätssicherungssystem und klare vertragliche<br />

Vereinbarungen <strong>für</strong> Berufsausbildungen muss da<strong>für</strong> gesorgt werden, dass das<br />

<strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz hohen Qualitätsanforderungen gerecht wird.<br />

In Bereichen, in denen ein anderes Lernumfeld wirkungsvoller ist, sollte das<br />

<strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz durch andere Formen des <strong>Lernen</strong>s ergänzt werden<br />

(z.B. durch Ausbildungswerkstätten in Schulen); <strong>die</strong>s gilt besonders dann,<br />

wenn <strong>die</strong> Möglichkeit des <strong>Lernen</strong>s am Arbeitsplatz nicht gegeben ist.<br />

Im derzeitigen Kontext müssen wirkungsvolle Antworten auf den Wirtschaftsabschwung<br />

entwickelt werden, um das <strong>Lernen</strong> am Arbeitsplatz zu fördern und<br />

der gestiegenen Nachfrage nach Vollzeitberufsausbildungen nachzukommen.<br />

Anmerkungen<br />

1. Vgl. www.ncver.edu.au/research/pro2/mk0008/internat.htm <strong>für</strong> einen inzwischen<br />

etwas veralteten Vergleich der Zahl der Auszubildenden im Verhältnis zur Bevölkerung<br />

im erwerbsfähigen Alter in ausgewählten Ländern.<br />

2. Nach Angaben von OPET Schweiz.<br />

3. Diese Hilfen erstrecken sich manchmal nicht nur auf <strong>die</strong> berufliche Erstausbildung,<br />

sondern auch auf <strong>die</strong> betriebliche Aus- und Weiterbildung von Beschäftigten. Über<br />

<strong>die</strong>sen letztgenannten Punkt sind belastbare Untersuchungsergebnisse, <strong>die</strong> das Vorliegen<br />

von Marktversagen bezüglich des Angebots an betrieblichen Ausbildungen<br />

beweisen, nur begrenzt verfügbar (Bassanini et al., 2007).<br />

4. In Norwegen ist der Zuschuss <strong>für</strong> Unternehmen, <strong>die</strong> eine betriebliche Ausbildung <strong>für</strong><br />

Erwachsene anbieten, geringer als der <strong>für</strong> eine Berufsausbildung auf Sekundarstufe-<br />

II-Niveau gewährte. Dies könnte <strong>die</strong> Chancen Erwachsener mindern, eine betriebliche<br />

Ausbildung zu erhalten.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ – 131<br />

5. Wie im <strong>OECD</strong>-Bericht (2004, Employment Outlook, Kapitel 4) ausgeführt, sollten<br />

staatliche Systeme zur Unterstützung der Finanzierung von Ausbildungssystemen<br />

grundsätzlich darauf angelegt sein, <strong>für</strong> alle, denen Unterstützung gewährt wird, den<br />

Abstand zwischen Grenzkosten (Direktkosten und Opportunitätskosten) und Grenznutzen<br />

zu verringern, und dadurch Mitnahmeeffekte auf ein Minimum zu beschränken.<br />

Die Anreize <strong>für</strong> den Einzelnen oder das Unternehmen, in Ausbildung zu investieren,<br />

sind von dem Verhältnis abhängig, das zwischen dem erwarteten Grenznutzen<br />

und den Ausbildungsgrenzkosten besteht. Bei Systemen nach dem Muster „ausbilden<br />

oder zahlen“ („train or pay“) (wie es in Frankreich existiert) haben <strong>die</strong> Arbeitgeber<br />

<strong>die</strong> in finanzieller Hinsicht neutrale Wahl zwischen (abgabenfreier) Ausbildung<br />

und (abgabenpflichtiger) Nicht-Ausbildung. Die auf <strong>die</strong>se Art und Weise<br />

vom Staat vereinnahmten Gelder werden dann in Form zusätzlicher Hilfen auf <strong>die</strong><br />

Unternehmen verteilt. Streng genommen erhalten <strong>die</strong> Unternehmen keine automatischen<br />

Beihilfen, da nicht zwangsläufig Zuschüsse gewährt werden. Abgabensysteme<br />

vom Typ „ausbilden oder zahlen“ laufen jedoch auf das Gleiche hinaus wie Systeme,<br />

bei denen unabhängig von den Ausbildungsausgaben eine Abgabe in Höhe eines<br />

bestimmten Prozentsatzes der Lohnsumme gezahlt werden muss und im Gegenzug<br />

bis zu <strong>die</strong>sem Prozentsatz der Lohnsumme ein automatischer Zuschuss in Höhe von<br />

100% der Ausbildungsausgaben sowie eine von einer Einzelfallprüfung der Ausbildungsvorhaben<br />

abhängige zusätzliche Förderung gewährt wird. Für Unternehmen,<br />

deren Ausgaben ohnehin den gesetzlichen Mindestbetrag erreicht hätten, erhöhen<br />

sich <strong>die</strong> Anreize, in Ausbildung zu investieren, durch solche Systeme nicht. Indem<br />

hingegen <strong>die</strong> Gesamtkosten bis zu einem bestimmten zuvor festgelegen Höchstbetrag<br />

erstattet werden, führen derartige Systeme insofern zu „überhöhten Zahlungen“<br />

<strong>für</strong> von ihnen induzierte zusätzliche Ausbildungsinvestitionen von Unternehmen,<br />

<strong>die</strong> ohne das System weniger als das gesetzliche Minimum ausgegeben hätten,<br />

als der Grenznutzen der zusätzlichen Ausbildungsleistung <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Unternehmen<br />

nicht gleich null ist. Effektiv kann nachgewiesen werden, dass sich durch <strong>die</strong> Einführung<br />

einer zusätzlichen Lohnsummensteuer und von Steuerabzügen von weniger<br />

als 100% ein besseres Ergebnis bzw. mehr Effizienz, d.h. dasselbe Maß an Ausbildung<br />

bei geringeren Staatsausgaben (oder mehr Ausbildung mit gleich hohen Staatsausgaben),<br />

erreichen ließe (<strong>OECD</strong>, Beschäftigungsausblick, Kapitel 5, 2003).<br />

6. In einigen Ländern existiert u.U. eine Gebühr <strong>für</strong> <strong>die</strong> schulbasierte Komponente, <strong>die</strong><br />

vom Auszubildenden entrichtet oder vom Arbeitgeber übernommen wird.<br />

7. Die Stu<strong>die</strong> berücksichtigt weder <strong>die</strong> Befähigung der <strong>Lernen</strong>den noch Auswahlmechanismen.<br />

8. Die Abschlussquoten in England haben sich in den letzten Jahren stark erhöht, von<br />

38% in 2004/2005 auf 64% in 2007/2008 (Data Service, 2008).<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


132 – 5. LERNEN AM ARBEITSPLATZ<br />

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6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS – 137<br />

Kapitel 6<br />

Instrumente zur Unterstützung des Systems<br />

Berufsbildungssysteme existieren nicht isoliert; ihre Wirksamkeit hängt<br />

vielmehr von ihren Verknüpfungen mit dem Arbeitsmarkt ab. Dies bedeutet,<br />

dass zwei Arten unterstützender Elemente gewährleistet sein<br />

müssen. Notwendig sind erstens Instrumente, mit denen wichtige Akteure<br />

in <strong>die</strong> Berufsbildung einbezogen werden können, insbesondere um den<br />

Arbeitgebern <strong>die</strong> Möglichkeit zu geben, darzulegen, über welche Kompetenzen<br />

ihre Mitarbeiter verfügen müssen, und mit anderen Akteuren<br />

darüber zu verhandeln, wie <strong>die</strong>se Kompetenzen gesichert werden<br />

können, sowie um zu gewährleisten, dass <strong>die</strong> Inhalte der Berufsbildung<br />

– d.h. der an den Berufsschulen gelehrte Stoff und <strong>die</strong> am Arbeitsplatz<br />

vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten wie auch <strong>die</strong> Konzeption der<br />

einschlägigen Prüfungen – <strong>für</strong> den Arbeitsmarkt relevant sind. Zweitens<br />

sind Informationen erforderlich, mit Hilfe derer der Nutzen berufsbildender<br />

Programme identifiziert, anerkannt und analysiert werden kann.<br />

Bei <strong>die</strong>sen Informationsinstrumenten kann es sich um Qualifikationsrahmen,<br />

Beurteilungssysteme sowie Datenerhebungen und Forschungsarbeiten<br />

handeln. Bessere Informationen könnten durch Umfragen unter<br />

Absolventen von Berufsbildungsprogrammen gewonnen werden oder<br />

durch <strong>die</strong> Aufstellung von Langzeitdatenreihen, in denen Verwaltungsdaten<br />

zur Berufsbildung mit späteren Erfahrungen, einschließlich Berufserfahrungen,<br />

verknüpft werden. Zugleich müssen aber auch <strong>die</strong> erforderlichen<br />

Kapazitäten zur Interpretation und Nutzung <strong>die</strong>ser Daten in<br />

nationalen Einrichtungen zur Berufsbildungsforschung vorhanden sein.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


138 – 6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS<br />

Mechanismen zur Einbindung der verschiedenen Akteure<br />

Institutionelle Rahmen zur Einbindung der beteiligten Akteure<br />

Die Mitwirkung von Arbeitgebern und Gewerkschaften in der Berufsbildung<br />

ist in den <strong>OECD</strong>-Ländern sowohl im Hinblick auf <strong>die</strong> institutionellen<br />

Vorkehrungen als auch in Bezug auf <strong>die</strong> Aufgaben und Aktionen, <strong>die</strong> von den<br />

Arbeitgebern übernommen und durchgeführt werden, sehr unterschiedlich. So<br />

können <strong>die</strong>se eine beratende Rolle übernehmen (mit unterschiedlichem<br />

Gewicht) oder aber über tatsächliche Entscheidungskompetenzen verfügen.<br />

Organe zur Einbeziehung von Arbeitgebern und Gewerkschaften können<br />

national auf Branchenebene eingerichtet oder regional bzw. auf der Ebene<br />

einzelner Einrichtungen strukturiert werden (beispielsweise als Arbeitgebervertretung<br />

in Schulräten) (vgl. Kasten 6.1 <strong>für</strong> Länderbeispiele). Während <strong>die</strong><br />

Mitwirkung auf nationaler Ebene es ermöglicht, in Fragen der Berufsbildungspolitik<br />

eine allgemeine Beratungsfunktion zu übernehmen, kann <strong>die</strong> Einbeziehung<br />

der Arbeitgeber auf lokaler Ebene dazu beitragen, <strong>die</strong> Verbindungen und<br />

Partnerschaften zwischen der Arbeitsstätte und einzelnen Berufsbildungseinrichtungen<br />

zu verbessern. Die nach Wirtschaftssektoren organisierten Organe<br />

sind bei der Aufstellung branchen- oder berufsspezifischer Lehrpläne, aus denen<br />

bestimmte Qualifikationen resultieren, besonders hilfreich.<br />

Kasten 6.1 Beispiele <strong>für</strong> institutionelle Rahmen zur Einbindung<br />

von Arbeitgebern und Gewerkschaften<br />

Nationale Ebene:<br />

Der dänische Beirat <strong>für</strong> berufliche Erstausbildung (Danish Advisory Council<br />

for Initial Vocational Education and Training) umfasst neben Schulleiter- und<br />

Lehrerverbänden sowie vom Bildungsministerium ernannten Mitgliedern 25 Vertreter<br />

aus den Reihen der Sozialpartner. Der Beirat berät das Bildungsministerium in allen<br />

das Berufsbildungssystem betreffenden Angelegenheiten, verfolgt <strong>die</strong> Ausbildungsgänge<br />

und Trendentwicklungen am Arbeitsmarkt und gibt Empfehlungen <strong>für</strong> eventuell<br />

notwendige Veränderungen bei den beruflichen Qualifikationen ab.<br />

Das Schweizer Modell der Verbundpartnerschaft zwischen Bund, Kantonen<br />

und Sozialpartnern ist gesetzlich verankert. Der Bund ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> strategische Planung<br />

und Entwicklung des Berufsbildungssystems verantwortlich, <strong>die</strong> Kantone sind <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Einführung und Überwachung der Berufsbildungsprogramme und <strong>die</strong> Sozialpartner<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Definition des Bildungsinhalts und <strong>die</strong> Zusammenstellung des<br />

Angebots von Ausbildungsplätzen in den Unternehmen zuständig. Wichtige Entscheidungen<br />

werden diskutiert und gemeinsam getroffen. Alle drei Partner sind<br />

sowohl auf nationaler als auch auf kantonaler Ebene vertreten.<br />

(Fortsetzung nächste Seite)<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS – 139<br />

(Fortsetzung)<br />

Sektorebene:<br />

Die Australian Industry Skills Councils (ISC) sind von industriegeführten<br />

Gremien verwaltete, gemeinnützige Unternehmen, <strong>die</strong> hauptsächlich von der australischen<br />

Regierung finanziert werden. Elf nationale Skills Councils sorgen <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Deckung des Qualifikationsbedarfs des Großteils der australischen Industrie. Zu<br />

ihrem Aufgabenbereich zählen <strong>die</strong> Beratung der Regierung, ihres unabhängigen<br />

Beratungsorgans Skills Australia und der Unternehmen in Fragen der Personalentwicklung<br />

und des Qualifikationsbedarfs, <strong>die</strong> Unterstützung <strong>die</strong>ser Einrichtungen<br />

bei der Entwicklung von Ausbildungsgängen sowie Produkten und Dienstleistungen<br />

zur Förderung der Personalentwicklung, Ausbildungsberatung <strong>für</strong> Unternehmen<br />

sowie Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteuren bei der Zuteilung von<br />

Ausbildungsplätzen.<br />

In Belgien (Flandern) werden zwischen der Regierung und einzelnen Wirtschaftssektoren<br />

Branchenvereinbarungen getroffen, um <strong>für</strong> einen Zeitraum von<br />

zwei Jahren ein Protokoll der Zusammenarbeit auszuarbeiten. Zu den behandelten<br />

Themen zählen <strong>die</strong> Zusammenarbeit zwischen Schule und Betrieb, betriebliche<br />

Ausbildung <strong>für</strong> Berufsbildungsteilnehmer, Arbeitsuchende und Arbeitskräfte.<br />

Diese Vereinbarungen spiegeln auch <strong>die</strong> Prioritäten der Arbeitsmarktpolitik wider.<br />

Die Wirtschaftssektoren betreiben auch Branchenfonds mit Unternehmer- und<br />

Arbeitnehmerbeiträgen, <strong>die</strong> beispielsweise <strong>die</strong> Fortbildung der aktuellen und potenziellen<br />

Mitarbeiter, <strong>die</strong> Kompetenzentwicklung in Unternehmen sowie <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />

zwischen Schule und Unternehmen unterstützen.<br />

Die UK Sector Skills Councils (SSC) im Vereinigten Königreich sind von<br />

Arbeitgebern geführte Organe, <strong>die</strong> Ausbildungsstrategien <strong>für</strong> bestimmte Wirtschaftszweige<br />

entwickeln. 25 anerkannte SSC decken etwa 85% der Erwerbsbevölkerung<br />

im Vereinigten Königreich ab. Die SSC sind mit der Definition des Kompetenzangebots<br />

<strong>für</strong> ihr jeweiliges Berufsfeld beauftragt, spielen bei der Festlegung der<br />

Qualifikationen, <strong>die</strong> Kompetenzen vermitteln, eine führende Rolle und haben<br />

Anspruch auf öffentliche Fördermittel.<br />

Regionale Ebene:<br />

Regionale Berufsbildungszentren in den Niederlanden haben Vertreter der<br />

Sozialpartner (auf regionaler Ebene) in ihren Aufsichtsgremien. 46 regionale<br />

Berufsbildungszentren sorgen da<strong>für</strong>, dass alle von der Regierung auf Sekundarebene<br />

finanzierten Berufsbildungsgänge überall in den Niederlanden angeboten<br />

werden und bieten ebenfalls Maßnahmen der Erwachsenenbildung an.<br />

Die Rolle der Arbeitgeber<br />

Die Einbindung der Arbeitgeber ist von entscheidender Bedeutung, wenn<br />

<strong>die</strong> Berufsbildungssysteme dem Arbeitsmarktbedarf gerecht werden sollen. Die<br />

Arbeitgeber befinden sich eindeutig in einer starken Position, um zu beurteilen,<br />

ob <strong>die</strong> Lehrplaninhalte und Qualifikationen dem derzeitigen Arbeitsmarktbedarf<br />

entsprechen, und sie neu entstehenden Anforderungen bestmöglich anzupassen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


140 – 6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS<br />

Die Einbeziehung der Arbeitgeber in <strong>die</strong> Gestaltung der Berufsbildungspolitik<br />

ist <strong>für</strong> deren erfolgreiche Umsetzung von entscheidender Bedeutung. In Norwegen<br />

beispielsweise erforderte <strong>die</strong> Einführung der betrieblichen Berufsausbildung<br />

<strong>die</strong> volle Unterstützung von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Die Einbindung<br />

der Arbeitgeber in <strong>die</strong> Gestaltung der Berufsbildungspolitik hilft <strong>die</strong>sen, das<br />

System besser zu verstehen. Arbeitgeber, <strong>die</strong> den politischen Kontext und <strong>die</strong><br />

institutionellen Rahmenbedingungen nicht verstehen, steigen mit größerer<br />

Wahrscheinlichkeit aus dem System aus. Jüngste Entwicklungen im Vereinigten<br />

Königreich veranschaulichen <strong>die</strong>sen Punkt (Kasten 6.2).<br />

Kasten 6.2 Einbindung der Arbeitgeber im Vereinigten Königreich<br />

In der Vergangenheit hat <strong>die</strong> schwache Einbindung der Arbeitgeber viele im<br />

Bereich der Berufsbildung ergriffenen Initiativen in Frage gestellt (Keep, 2005; Ryan,<br />

2000; Soskice, 1993). In einem Bericht über <strong>die</strong> Verbesserung der Kompetenzen aus<br />

Sicht der Arbeitgeber (National Audit Office, 2005) wurde hervorgehoben, dass<br />

das breite Spektrum an Informationsstellen und Ausbildungsinitiativen <strong>für</strong> einige<br />

Unternehmen verwirrend ist. Die <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> Learning for Jobs zu England und<br />

Wales konzentrierte sich hauptsächlich auf <strong>die</strong> Frage der Arbeitgebereinbindung.<br />

Sie empfahl eine Konsoli<strong>die</strong>rung der Arbeitgebererhebungen ebenso wie eine Vereinfachung<br />

und Stabilisierung der im Bereich der Berufsbildung tätigen Einrichtungen, um<br />

eine einfachere Arbeitgeber-Schnittstelle zu schaffen (Hoeckel et al., 2009). Die Einrichtung<br />

eines von der Wirtschaft getragenen Beratungsgremiums, der UK Commission<br />

for Employment and Skills (UKCES), ist ein wichtiger Schritt in<br />

<strong>die</strong>se Richtung. Sie wurde im Jahr 2008 ins Leben gerufen, auf Empfehlung eines<br />

Berichts, in dem der Kompetenzbedarf des Vereinigten Königreichs evaluiert und<br />

auch Kompetenzziele festgelegt wurden (Leitch-Bericht). Die UKCES evaluiert<br />

<strong>die</strong> im Hinblick auf <strong>die</strong> Erreichung der im Leitch-Bericht festgesetzten Kompetenzziele<br />

erzielten Fortschritte. Sie setzt sich größtenteils aus Führungskräften der<br />

Wirtschaft zusammen, umfasst aber auch Vertreter von Gewerkschaften und nachgeordneten<br />

Gebietskörperschaften. Die UKCES berät <strong>die</strong> Minister in Strategiefragen,<br />

bei der Festlegung von Zielen und Maßnahmen, beobachtet das Berufsbildungssystem<br />

und verfolgt <strong>die</strong> Arbeiten der branchenspezifischen Skills<br />

Councils.<br />

Einrichtungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Unternehmen in das Berufsbildungssystem einbeziehen<br />

sollen, müssen den unterschiedlichen Meinungen Rechnung tragen, <strong>die</strong> in der<br />

Gruppe der Arbeitgeber vertreten werden. Bei konsultativen Ad-hoc-Vereinbarungen<br />

kann einigen zufallsbedingt beteiligten (häufig größeren) Unternehmen ein<br />

unangemessen starker Einfluss eingeräumt werden. Wenn Arbeitgeberorganisationen<br />

(und nicht einzelne Arbeitgeber) in staatlichen Gremien vertreten sind, ist<br />

es wichtig, dass <strong>die</strong>se Organisationen wirklich repräsentativ sind und von der<br />

überwiegenden Zahl der Unternehmen als solche anerkannt werden. Ein gewisses<br />

Maß an Stabilität in den <strong>für</strong> <strong>die</strong> Mitwirkung der Arbeitgeber vorgesehenen<br />

institutionellen Rahmen ist ebenfalls von Bedeutung. In einigen Ländern ist <strong>die</strong><br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS – 141<br />

Rolle der Arbeitgeber und der Gewerkschaften bei der Gestaltung der Berufsbildungspolitik<br />

und ihres Angebots gesetzlich geregelt (z.B. in der Schweiz).<br />

Obgleich <strong>die</strong> Arbeitgeber bei der Formulierung des Kompetenzbedarfs am<br />

Arbeitsmarkt eine eigene und sehr wichtige Rolle spielt, stößt sie in <strong>die</strong>ser<br />

Funktion aber zugleich auch an deutliche Grenzen. Es liegt natürlich in ihrem<br />

Interesse, spezifische Kompetenzanforderungen abzudecken, doch ist es <strong>für</strong> sie<br />

u.U. weniger interessant, junge Menschen mit besser übertragbaren Kompetenzen<br />

auszustatten, da <strong>die</strong>se Kompetenzen <strong>die</strong> Löhne und Gehälter in <strong>die</strong> Höhe<br />

treiben und <strong>die</strong> Stellenfluktuation erhöhen. Bis zu einem gewissen Grad hängt<br />

<strong>die</strong>s davon ab, auf welcher Ebene ihre Interessen zum Ausdruck gebracht<br />

werden. Insgesamt haben <strong>die</strong> Unternehmen ein sehr großes Interesse an allgemeinen,<br />

übertragbaren Kompetenzen, darunter Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen<br />

sowie soziale Kompetenzen, während einzelne Unternehmen<br />

ebenso wie Arbeitgebergruppen auf Branchenebene häufig sehr viel engere Interessen<br />

vertreten. Daher muss der Stimme der Wirtschaft eine Vertretung der<br />

Interessen der <strong>Lernen</strong>den und der Gesellschaft im weiteren Sinne gegenübergestellt<br />

werden.<br />

Ausgleichende Einflüsse und <strong>die</strong> Rolle der Gewerkschaften<br />

Wie in Kapitel 2 dargelegt wurde, können <strong>die</strong> Gewerkschaften ein nützliches<br />

Gegengewicht zum Einfluss der Arbeitgeber bilden. Sie sind potenziell in<br />

der Lage, den Interessen von Auszubildenden und Arbeitnehmern am Erwerb<br />

übertragbarer wie auch firmenspezifischer Kompetenzen Ausdruck zu verleihen.<br />

Als Vertreter der Erwerbsbevölkerung nehmen sie in der Regel an den Verhandlungen<br />

über <strong>die</strong> Gestaltung der Berufsbildungspolitik teil. In Norwegen beispielsweise<br />

verleiht <strong>die</strong> Dreiparteien-Kooperation zwischen Staat, Arbeitgebern<br />

und Gewerkschaften dem Berufsbildungssystem Legitimität und ermöglicht es<br />

ihm, wirksam zu funktionieren. Die Gewerkschaften stellen komplexe Anforderungen<br />

an <strong>die</strong> Aus- und Weiterbildung. Sie sind bestrebt, <strong>die</strong> Interessen der bestehenden<br />

Belegschaft zu schützen, zu gewährleisten, dass <strong>die</strong> jeweils Beschäftigten<br />

Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Aus- und Weiterbildung haben<br />

und dass <strong>die</strong> Arbeitnehmer über übertragbare Kompetenzen verfügen (DGB,<br />

2008). Weniger positiv ist, dass es auch in ihrem Interesse liegt, den Zugang zu<br />

Mangelberufen zu erschweren, damit das Lohn- und Gehaltsniveau und <strong>die</strong> gewerkschaftliche<br />

Verhandlungsmacht zu Gunsten der Gruppe von Arbeitskräften,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong>se Berufe ausüben, gewahrt bleibt.<br />

Angesichts <strong>die</strong>ser unterschiedlichen Interessenslagen der Arbeitgeber und<br />

der Gewerkschaften spielt der Staat bei der Vertretung der Interessen von Auszubildenden<br />

und der Abstimmung der Arbeitgeber- und Gewerkschaftspositionen<br />

eine wichtige Rolle. Grundsätzlich könnten <strong>die</strong> Interessen der Auszubildenden<br />

direkt vertreten werden – beispielsweise durch eine eigene Gewerkschaft,<br />

doch sind <strong>die</strong> <strong>Lernen</strong>den in den meisten Fällen jung und wenig organisiert, so<br />

dass sich der Staat <strong>für</strong> ihre Interessen einsetzen muss.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


142 – 6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS<br />

Einsatz von Qualifikationsrahmen zur Unterstützung von<br />

Berufsbildungssystemen<br />

Viele <strong>OECD</strong>-Länder haben jüngst Qualifikationsrahmen eingeführt (z.B.<br />

Irland, Spanien, Ungarn, Vereinigtes Königreich) oder stehen im Begriff, <strong>die</strong>s<br />

zu tun. In Europa hat <strong>die</strong> Einrichtung eines Europäischen Qualifikationsrahmens<br />

(EQR) <strong>die</strong> Entwicklung nationaler Rahmen vorangebracht, <strong>die</strong> mit dem europaweiten<br />

Rahmen in Einklang stehen. Die Qualifikationsrahmen erstrecken sich in<br />

der Regel sowohl auf berufliche als auch auf akademische Qualifikationen, sind<br />

aber <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsbildungssysteme insofern von besonderer Bedeutung, als sie<br />

ein sehr breites Spektrum unterschiedlicher beruflicher Qualifikationen in einem<br />

gemeinsamen Rahmen zusammenfassen können (Kasten 6.3).<br />

Kasten 6.3 Qualifikationsrahmen und Qualifikationssysteme<br />

Ein Qualifikationsrahmen ist eine Rangfolge von Qualifikationsniveaus, <strong>die</strong><br />

ermöglicht, dass jede Qualifikation einem bestimmten Rang zugeordnet wird. In<br />

<strong>die</strong>sem Rahmen werden Qualifikationen entsprechend einem Satz von Kriterien<br />

zur Bestimmung des erreichten Lernniveaus klassifiziert.<br />

Qualifikationssysteme decken das gesamte Spektrum der Aktivitäten eines<br />

Landes ab, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Anerkennung von Lernergebnissen zur Folge haben, und sind<br />

entsprechend ein sehr viel breiter angelegtes Konzept. Qualifikationssysteme sind<br />

mehr oder weniger integriert und kohärent. Dort, wo ein expliziter Qualifikationsrahmen<br />

existiert, ist er eine Komponente des Qualifikationssystems.<br />

Quelle: <strong>OECD</strong> (2007), Qualifications Systems, Bridges to Lifelong Learning, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

Potenziell kann <strong>die</strong> Einführung eines Qualifikationsrahmens:<br />

• dazu beitragen, <strong>die</strong> Einrichtung von Aufstiegspfaden innerhalb des Bildungssystems<br />

zu erleichtern, indem Qualifikationen unterschiedlichen Niveaus<br />

zugeordnet werden und der Zusammenhang zwischen ihnen klar herausgestellt<br />

wird. Transparente Aufstiegspfade tragen dazu bei, den Stellenwert<br />

beruflicher Qualifikationen eindeutig festzulegen und das lebenslange<br />

<strong>Lernen</strong> zu erleichtern;<br />

• da<strong>für</strong> sorgen, dass im Kontext der Einbeziehung der beteiligten Akteure in<br />

den Rahmen ein Forum zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den<br />

unterschiedlichen Akteuren im Berufsbildungssystem eingerichtet wird;<br />

• <strong>die</strong> Qualitätssicherungsmechanismen verbessern, indem <strong>für</strong> einzelne Qualifikationen<br />

der Nachweis verlangt wird, dass sie einen bestimmten Status<br />

in dem Rahmen ver<strong>die</strong>nt haben;<br />

• den Unternehmen eine klare Vorstellung über das Kompetenzniveau vermitteln,<br />

das mit unterschiedlichen Qualifikationen assoziiert werden sollte.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS – 143<br />

Breite Unterstützung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Einführung von Qualifikationsrahmen findet<br />

sich in den <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong>n zur Berufsbildung in Mexiko (Kis, Hoeckel und<br />

Santiago, 2009) und Chile (Kis und Field, 2009). Systematische Informationen<br />

über nationale Qualifikationsrahmen und ihre Effekte sind nur spärlich vorhanden,<br />

doch sind in der Fachliteratur, wie weiter unten gezeigt, inzwischen einige allgemeine<br />

Vorstellungen dargelegt worden.<br />

Arten von Qualifikationsrahmen<br />

Bei der Gestaltung der Qualifikationsrahmen sind mehrere Dimensionen<br />

zu berücksichtigen. Die in Bezug auf jede einzelne Dimension getroffene Auswahl<br />

hängt vom nationalen Kontext ab. In Tabelle 6.2 werden einige <strong>die</strong>ser<br />

Merkmale skizziert; <strong>für</strong> nähere Einzelheiten vgl. Young (2005), Coles (2006)<br />

und Tuck (2007).<br />

Tabelle 6.1 Wichtigste Dimensionen bei der Gestaltung von<br />

Qualifikationsrahmen<br />

Eng/weit<br />

Inklusiv/<br />

partiell<br />

Dimension<br />

Eng<br />

Weit<br />

Inklusiv<br />

Partiell<br />

Potenzielle Vorteile<br />

Durch ihre stärkere Verbindlichkeit hinsichtlich des<br />

Qualifikationsdesigns und der Qualitätssicherung haben <strong>die</strong>se<br />

Rahmen generell eine stark regulierende Funktion, da in Bezug<br />

auf alle Qualifikationen <strong>die</strong>selben Regeln angewendet werden.<br />

Beispiele: Vereinigtes Königreich, Neuseeland, Südafrika.<br />

Diese Rahmen bieten eine „Qualifikationslandkarte“ mit einer<br />

kommunikativen Absicht. Sie sind weniger präskriptiv und<br />

bieten Spielraum <strong>für</strong> unterschiedliche Ansätze. Beispiele:<br />

Australien, Schottland.<br />

Diese Rahmen decken alle Qualifikationen ab, so dass sie <strong>die</strong><br />

Kohärenz unter allen Qualifikationen garantieren können.<br />

Partielle Abdeckung, was z.B. Niveau und Berufssektor betrifft.<br />

Ist möglicherweise leichter umsetzbar, lässt Pilotprojekte und<br />

eine stufenweise Entwicklung zu.<br />

Zentral<br />

konzipiert/<br />

von<br />

Interessengruppen<br />

konzipiert<br />

Von einer<br />

zentralen Stelle<br />

konzipiert<br />

Von einzelnen<br />

Interessengruppen<br />

konzipiert<br />

Dieser Rahmen kann als Instrument <strong>für</strong> breiter angelegte<br />

Reformen eingesetzt und mit anderen nationalen Maßnahmen<br />

verknüpft werden.<br />

Dieser Rahmen gewährleistet ein stärkeres Engagement von<br />

Seiten der Interessengruppen und kann regionalen<br />

Bedürfnissen besser gerecht werden.<br />

Quelle: Coles, M. (2006), A Review of International and National Developments in the Use of<br />

Qualifications Frameworks, European Training Foundation www.etf.europa.eu/pubmgmt.nsf/<br />

(getAttachment)/4B4A9080175821D1C12571540054B4AF/$File/SCAO6NYL38; Tuck, R. (2007), An<br />

Introductory Guide to National Qualifications Frameworks: Conceptual and Practical Issues for Policy<br />

Makers, Internationale Arbeitsorganisation, Genf; Young, M. (2005), National Qualifications Frameworks:<br />

Their Feasibility for Effective Implementation in Developing Countries, Skills Working Papers No.<br />

22, Internationale Arbeitsorganisation, Genf. http://ilo.law.cornell.edu/public/english/employment/skills/<br />

download/wp22young.pdf<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


144 – 6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS<br />

Die Glaubwürdigkeit der Rahmen sicherstellen<br />

Glaubwürdigkeit setzt eine vertretbare Methode <strong>für</strong> <strong>die</strong> Einordnung einzelner<br />

Programme und Kurse in einen Qualifikationsrahmen voraus – um beispielsweise<br />

nachweisen zu können, dass ein bestimmtes Programm tatsächlich<br />

dem Niveau 3 entspricht und objektiven Tests zufolge über dem Niveau 2 liegt.<br />

Die Methode muss ferner auf <strong>die</strong> Unterstützung der Unternehmen bauen können<br />

– was dann am besten gewährleistet ist, wenn sie mit deren Mitwirkung konzipiert<br />

wurde –, damit <strong>die</strong> Unternehmen den Rahmen ernst nehmen.<br />

Unter idealen Bedingungen wäre <strong>die</strong>s eine kompetenzbasierte Methode,<br />

<strong>die</strong> sich an den Lernergebnissen (Outcomes) der Bildungsgänge orientiert. In<br />

der Praxis erweisen sich objektive Messungen des Kompetenzniveaus selbst<br />

innerhalb eines Fachgebiets als schwierig, und ihre Positionierung im Vergleich zu<br />

Kompetenzen aus einem anderen Berufsfeld ist noch schwieriger (z.B. zwischen<br />

Kochen und Journalismus). Infolgedessen werden viele Qualifikationsrahmen<br />

zunächst nur mit sehr wenigen Tests der bildungsbereichsübergreifenden Vergleichbarkeit<br />

der Lernergebnisse eingeführt. In der Praxis kommt selbst in<br />

„kompetenzbasierten“ Systemen eine Reihe von Inputmessgrößen zum Einsatz,<br />

um Qualifikationen miteinander in Relation zu setzen – wie <strong>die</strong> Zahl der Ausbildungsjahre,<br />

das Alter der <strong>Lernen</strong>den ebenso wie Verbindungen zu anderen Teilen<br />

des Bildungs- und Ausbildungssystems (z.B. <strong>die</strong> Aufnahme von Berufsbildungsgängen<br />

der Sekundarstufe II in den Qualifikationsrahmen).<br />

Gleichzeitig bietet der alleinige Rückgriff auf Inputmessgrößen (wie <strong>die</strong><br />

Dauer des Bildungsgangs) nur wenig Gewissheit in Bezug auf aussagekräftige<br />

Abschlussqualifikationen. In Chile beispielsweise vertraten zahlreiche beteiligte<br />

Akteure beim Besuch des Prüfungsteams <strong>die</strong> Auffassung, dass <strong>die</strong> Definition<br />

von Tertiärabschlüssen anhand der Zahl der Unterrichtsstunden nicht angemessen<br />

sei. Unabhängig davon, ob ein Qualifikationsrahmen outcome-orientiert ist oder<br />

nicht, sind solide Qualitätssicherungsmechanismen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gewährleistung der<br />

Qualifikationsqualität von entscheidender Bedeutung. Eine Konsultation unter<br />

den EU-Ländern (zur Vorbereitung der Einrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens)<br />

ergab, dass solide Qualifikationssicherungsmechanismen <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Entwicklung eines Qualifikationsrahmens als unerlässlich gelten (Coles, 2006).<br />

Verbindung des Rahmens mit der Qualitätssicherung<br />

Einige Qualifikationsrahmen sind explizit konzipiert worden, um als Qualitätssicherungsmechanismen<br />

zu <strong>die</strong>nen. In Neuseeland muss eine Qualifikation,<br />

um in den Rahmen aufgenommen zu werden, auf zentral definierten Qualitätsstandards<br />

beruhen und einer Reihe von Qualitätssicherungsverfahren standhalten,<br />

einschließlich der Akkreditierung der Programmanbieter. In Schottland ist der<br />

Rahmen ebenfalls mit dem Qualitätssicherungssystem verknüpft, wenn auch in<br />

lockererer Form: Der Rahmen wurde nach dem Konsensprinzip von den wichtigsten<br />

Qualifikationsstellen eingerichtet, und <strong>die</strong> <strong>für</strong> jede Niveaustufe im Qualifikationsrahmen<br />

etablierten Kriterien beeinflussen <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zuerkennung von Qualifikationen<br />

auf demselben Niveau notwendigen Qualitätsmechanismen (Coles, 2006).<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS – 145<br />

Zusammenarbeit der staatlichen Stellen und der verschiedenen<br />

Interessengruppen<br />

Ein Qualifikationsrahmen kann <strong>die</strong> Kommunikation zwischen verschiedenen<br />

institutionellen Sektoren verbessern, indem er <strong>die</strong> in den einzelnen Sektoren<br />

erteilten Qualifikationen in einem einheitlichen Rahmen zusammenfasst. Die<br />

Verständigung erfolgt aber nicht automatisch. Eine enge Zusammenarbeit zwischen<br />

den Sektoren des Staats ist ebenfalls notwendig. Die Zusammenarbeit ist von<br />

entscheidender Bedeutung, um <strong>die</strong> Kohärenz zu gewährleisten, Doppelarbeit zu<br />

vermeiden und innerhalb des Systems Aufstiegspfade einzurichten (Kasten 6.4).<br />

Beispiele <strong>für</strong> Schwierigkeiten bei der Umsetzung<br />

Die Umsetzung nationaler Qualifikationsrahmen gestaltet sich auf Verwaltungsebene<br />

häufig problematisch, beispielsweise durch <strong>die</strong> Proliferation von<br />

Einrichtungen, <strong>die</strong> sich mit der Qualitätssicherung, Normensetzung und Evaluierung<br />

befassen. Der Mangel an Fachkompetenzen unter den Mitarbeitern kann<br />

zur Folge haben, dass nicht <strong>die</strong> Lernqualität im Vordergrund steht, sondern<br />

vielmehr bürokratischen Verfahren übermäßig viel Aufmerksamkeit gewidmet<br />

wird, was das Vertrauen in <strong>die</strong> neuen Qualifikationen mindert und Klagen über<br />

<strong>die</strong> Langsamkeit des Verfahrens nach sich zieht (Young, 2005). Ferner können<br />

auch zwischen öffentlichen Einrichtungen, wie verschiedenen Ministerien und<br />

Behörden, zu deren Aufgabenbereich Qualifikationen gehören, Spannungen<br />

entstehen (Young, 2005). In Neuseeland beispielsweise riefen <strong>die</strong> Spannungen<br />

zwischen der Qualifikationsbehörde und dem Bildungsministerium gravierende<br />

Probleme hervor (Philips, 2003).<br />

Unabhängig von der Existenz eines nationalen Qualifikationsrahmens<br />

bleibt <strong>die</strong> Proliferation der Qualifikationen ein Risiko. Wenngleich <strong>die</strong> Qualifikationen<br />

ein breites Spektrum von am Arbeitsmarkt gefragten Berufen und<br />

Kompetenzen abdecken sollten, sollte ihre Zahl begrenzt sein, da anderenfalls<br />

<strong>die</strong> Bedeutung einer Qualifikation und ihr Signalwert gemindert werden könnten.<br />

Einige <strong>OECD</strong>-Länder haben <strong>die</strong> Zahl der Qualifikationen konsequent reduziert<br />

(z.B. hat Ungarn jüngst <strong>die</strong> Zahl der Qualifikationen von 800 auf 400 gesenkt).<br />

Die „optimale“ Zahl der Qualifikationen variiert je nach nationalem Kontext.<br />

Konsultationen und Politik der kleinen Schritte<br />

Konsultationen mit Arbeitgebern hinsichtlich der Ausarbeitung und Aktualisierung<br />

von Qualifikationen sind <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gewährleistung ihrer Anerkennung am<br />

Arbeitsmarkt unerlässlich. Partnerschaften zwischen den verschiedenen Interessengruppen<br />

sind der Schlüssel zum Erfolg (Young, 2005; Raffe, Gallacher und<br />

Toman, 2007). Qualifikationen setzen Vertrauen voraus, da sie unweigerlich <strong>für</strong><br />

sich in Anspruch nehmen mehr auszusagen als sie beweisen können. Wie anhand<br />

von Beispielen aus Irland, Schottland und Neuseeland veranschaulicht<br />

wird, sind wirksame Konsultationsprozesse und grundsätzliche Kompromisse von<br />

wesentlicher Bedeutung (Young, 2005). Ein derartiges Partnerschaftskonzept<br />

stellt große Anforderungen an <strong>die</strong> Koordinierung und kann das Tempo von Ver-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


146 – 6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS<br />

Kasten 6.4 Umgang mit parallelen Qualifikationssystemen<br />

In Chile werden unter dem 2008 lancierten Nationalen Zertifizierungssystem<br />

von Arbeitsqualifikationen (Sistema Nacional de Certificación de Competencias<br />

Laborales) nun Kompetenzstandards entwickelt. Mit <strong>die</strong>sem System soll ein Rahmen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Anerkennung von Kompetenzen geschaffen werden, unabhängig davon,<br />

wie <strong>die</strong>se erworben wurden. Gegenwärtig umfasst das System aber nur Kompetenzen<br />

auf niedrigem Niveau, und es gibt keine Verknüpfungen zwischen <strong>die</strong>sem und dem<br />

formalen Berufsbildungssystem. So tragen beispielsweise <strong>die</strong> vom Bildungsministerium<br />

definierten Abschlussprofile <strong>für</strong> Berufsbildungsteilnehmer den vom National<br />

Labour Skills Certification System definierten einschlägigen Kompetenzprofilen<br />

nicht Rechnung. Das System steht unter der Verantwortung von drei Ministerien<br />

(Ministerium <strong>für</strong> Arbeit und soziale Angelegenheiten, Ministerium <strong>für</strong> Wirtschaft<br />

und Ministerium <strong>für</strong> Bildung). Die Verknüpfung des Skills Certification System mit<br />

dem Qualifikationsrahmen ist von entscheidender Bedeutung, da Bildungszertifikate<br />

dann im Qualifikationsrahmen verortet werden können. Desgleichen sollten<br />

<strong>die</strong> vom schulbasierten Berufsbildungssystem erteilten Qualifikationen auf den relevanten<br />

Kompetenzprofilen des Skills Certification System aufbauen (Kis und Field, 2009).<br />

In Korea erhalten <strong>die</strong> Studenten an Berufsoberschulen (vocational high<br />

schools), Junior Colleges und Polytechnischen Schulen vom Ministerium <strong>für</strong><br />

Bildung, Wissenschaft und Technologie (MEST) verliehene Abschlussdiplome<br />

(graduation degrees). In berufsbildenden High Schools wird der Lehrplan von einzelnen<br />

Einrichtungen gemäß den Richtlinien des MEST und der Bildungsbehörden<br />

der Großstädte und Provinzen erstellt. Die Richtlinien <strong>für</strong> <strong>die</strong> allgemeinbildenden<br />

Inhalte des Bildungsgangs (z.B. Kurse in Mathematik, koreanischer Sprache) sind<br />

relativ streng, während <strong>die</strong> Einrichtungen bei der Anpassung der berufsspezifischen<br />

Inhalte des Lehrplans etwas Spielraum haben (Han und Kim, 2002). Die<br />

Arbeitgeber werden nicht in <strong>die</strong> Ausarbeitung <strong>die</strong>ser Richtlinien einbezogen, wenngleich<br />

sie in der Praxis <strong>die</strong> Anpassung des Inhalts der Berufsbildungsgänge an<br />

ihren Bedarf mit einzelnen Einrichtungen aushandeln können. Unter der Zuständigkeit<br />

des Ministeriums <strong>für</strong> Arbeit wurde ein System nationaler technischer Qualifikationen<br />

(NTQ) entwickelt, das in Abstimmung mit 15 anderen Ministerien auch<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> nationalen technischen Standards zuständig ist, auf <strong>die</strong> sich das NTQ stützt.<br />

Der Human Resource Development Service of Korea entwickelt Standards und<br />

befasst sich mit der Ausarbeitung und Durchführung von Tests <strong>für</strong> den Qualifikationserwerb<br />

(<strong>OECD</strong>, 2005b). Die Herausforderungen, <strong>die</strong> sich durch <strong>die</strong> parallele<br />

Struktur von Abschlüssen und Zulassungsprüfungen ergeben haben, sind in früheren<br />

<strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong>n über Korea bereits hervorgehoben worden (so z.B. in den Berichten<br />

zur Erwachsenenbildung vgl. <strong>OECD</strong>, 2005b, zur Tertiärbildung vgl. Grubb et al.,<br />

2006, und zur Berufsbildung vgl. Kuczera, Kis und Wurzburg, 2009).<br />

änderungsprozessen verlangsamen, da jeder einzelne Schritt das Einverständnis<br />

der beteiligten Akteure voraussetzt (Raffe, Gallacher und Toman, 2007). Young<br />

(2005) warnt davor, dass eine zu starke Einbindung von Akteuren mit politischen<br />

Interessen, aber fehlenden technischen Kenntnissen <strong>die</strong> Rolle der Spezialisten<br />

aus relevanten Berufssparten untergraben kann.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS – 147<br />

Die Unterstützung durch unterschiedliche institutionelle Sektoren im<br />

Bildungs- und Ausbildungssystem erleichtert <strong>die</strong> effektive Umsetzung ebenfalls.<br />

Laut Raffe, Gallacher und Toman (2007) besteht einer der Gründe <strong>für</strong> den<br />

Erfolg des schottischen Rahmens darin, dass <strong>die</strong>ser von allen wichtigen beteiligten<br />

Akteuren unterstützt wurde, während Beispiele aus anderen Ländern (wie<br />

Neuseeland und Südafrika) zeigen, dass der Rückzug einiger institutioneller<br />

Sektoren Schwierigkeiten verursachen kann. In Schottland wurde der Qualifikationsrahmen<br />

eingerichtet, um <strong>die</strong> zwischen unterschiedlichen Teilen des<br />

Bildungs- und Ausbildungssystems bestehenden Schranken abzubauen (Coles,<br />

2006). Demgegenüber sind in Chile einige Universitäten nicht besonders daran<br />

interessiert, den Quereinstieg in ihre Kurse zu fördern, wobei <strong>die</strong> Durchlässigkeit<br />

zwischen 2- und 4-jährigen Bildungsgängen besonders stark eingeschränkt<br />

ist (Kis und Field, 2009).<br />

Die Erfahrungen aus mehreren Ländern zeigen, dass pragmatische und<br />

gezielte Veränderungen mit größerer Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen als<br />

ein radikaler Bruch mit den alten Qualifikationsregelungen (Young, 2005; Raffe,<br />

Gallacher und Toman, 2007). So könnte es beispielsweise einfacher sein, zunächst<br />

in bestimmten Wirtschaftssektoren nationale Berufsqualifikationen<br />

einzuführen und <strong>die</strong>se dann nach und nach auszudehnen. Nationale Berufsqualifikationen<br />

könnten in Bereichen eingerichtet werden, in denen <strong>die</strong> Berufsstandards<br />

weithin anerkannt und landesweit homogen sind und in denen <strong>die</strong><br />

Schaffung eines nationalen Qualifikationsrahmens im Interesse aller beteiligten<br />

Akteure liegt. Schließlich müssen <strong>die</strong> Erwartungen hinsichtlich des Veränderungspotenzials<br />

des Rahmens und der Geschwindigkeit, mit der Veränderungen<br />

erreicht werden können, realistisch sein (Raffe, Gallacher und Toman, 2007).<br />

Implikationen bezüglich der Ressourcen<br />

Die Kosten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Umsetzung eines nationalen Qualifikationsrahmens<br />

können erheblich sein. Sie umfassen <strong>die</strong> Ausgaben <strong>für</strong> <strong>die</strong> Politikanalyse, <strong>die</strong><br />

Auswertung internationaler Erfahrungen, <strong>die</strong> Konzipierung von Optionen, <strong>die</strong><br />

Einrichtung von Arbeitsgruppen, <strong>die</strong> Einbeziehung der beteiligten Akteure, <strong>die</strong><br />

Einrichtung eines spezifischen nationalen Organs und <strong>die</strong> Pilotierung. Auch<br />

wenn <strong>die</strong> zentralen Verwaltungskosten eines Qualifikationsrahmens moderat<br />

sein dürften, können durch assoziierte Prozesse, wie Qualifikationssicherungsverfahren<br />

und Standardentwicklung, weitere Kosten entstehen. Zugleich dürften<br />

in einem besser koordinierten Qualifikationssystem wegen der voraussichtlich<br />

geringeren Reibungsverluste Kosteneinsparungen möglich sein.<br />

Young (2005) vertritt <strong>die</strong> Auffassung, dass <strong>die</strong> Einführung eines Nationalen<br />

Qualifikationsrahmens (NQR), sofern <strong>die</strong>ser wie in Neuseeland, Südafrika<br />

und dem Vereinigten Königreich als isolierte Politikinitiative betrachtet wird,<br />

immer als eine Maßnahme angesehen wird, <strong>die</strong> Ressourcen von anderen Aktivitäten<br />

abzieht. Wird er indessen als ein Instrument zur Reform des Systems der<br />

Berufsbildung betrachtet, übernimmt er eine eher strategische Funktion. Young<br />

argumentiert weiter, dass kostspielige Zertifizierungssysteme typisch <strong>für</strong><br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


148 – 6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS<br />

Berufsbildungssysteme sind, <strong>die</strong> geringes Vertrauen genießen, während Systeme<br />

mit starkem Vertrauensbonus, wie das deutsche System, mit geringerem<br />

Kostenaufwand arbeiten. Hieraus folgt, dass Investitionen in den institutionellen<br />

Kapazitätsaufbau und <strong>die</strong> Verbesserung der Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

<strong>für</strong> Lehrkräfte und Ausbilder unerlässlich sind, um Vertrauen aufzubauen<br />

und <strong>die</strong> Kosten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Einrichtung von Qualifikationsrahmen zu begrenzen.<br />

Entwicklung eines einheitlichen Instrumentariums <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Beurteilung praktischer Kompetenzen<br />

<strong>Lernen</strong> ist das Ziel jeglicher Lehre. Daher gibt <strong>die</strong> Beurteilung des erlernten<br />

Stoffs Aufschluss sowohl über den <strong>Lernen</strong>den als auch über <strong>die</strong> Qualität der<br />

Lehre. In den allgemeinbildenden Fächern führen <strong>die</strong> meisten <strong>OECD</strong>-Länder<br />

regelmäßig Schülertests und -prüfungen durch. Diese Tests <strong>die</strong>nen entweder der<br />

formativen Evaluierung, um <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler im Lernprozess zu<br />

unterstützen, oder der summativen Evaluierung, um nachträglich einen unabhängigen<br />

Test des erlernten Stoffs zu erhalten und <strong>die</strong> Leistung verschiedener<br />

Teile des Bildungssystems zu beurteilen (Einrichtungen oder Regionen). Diese<br />

auf nationaler oder internationaler Ebene durchgeführten Tests haben in manchen<br />

Fällen unerwartete Probleme und Herausforderungen zu Tage treten lassen. In<br />

der Berufsbildung sind <strong>die</strong> Beurteilungsrahmen <strong>für</strong> praktische Kompetenzen oft<br />

schlecht definiert. Das ist z.T. darauf zurückzuführen, dass Papier- und Bleistift-<br />

Tests <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beurteilung praktischer Kompetenzen nicht geeignet sind und z.T.<br />

auch darauf, dass vielen Berufsbildungsgängen – und insbesondere der dualen<br />

Ausbildungen – eine Komponente von „abgesessener Zeit“ anhaftet. In <strong>die</strong>sem<br />

Abschnitt werden Methoden zur Verbesserung der Beurteilung in der Berufsbildung<br />

untersucht.<br />

Sinn und Zweck standardisierter landesweiter Prüfungen ist es, eine<br />

konsistente Methode zur Beurteilung der Lernergebnisse von Berufsbildungsteilnehmern<br />

zur Verfügung zu stellen und dadurch zu gewährleisten, dass alle<br />

Personen mit einem Qualifikationsnachweis über denselben Kompetenzmix auf<br />

demselben Niveau verfügen. Ganz besonders wichtig ist das in Berufsbildungssystemen,<br />

in denen es zwischen den einzelnen Berufsbildungseinrichtungen und<br />

Ausbildungsbetrieben erhebliche Unterschiede gibt. Die Länder können alternative<br />

Strategien wählen, <strong>die</strong> darauf abzielen, kohärente nationale Standards zu<br />

gewährleisten. Hierzu zählen möglicherweise regelmäßige Inspektionen in<br />

Berufsbildungseinrichtungen, Kontrollen von Prüfungsgremien, Zufallsevaluierungen<br />

von Schülerleistungen, Selbstevaluierungen der Anbieter sowie Prüfungen<br />

durch gleichrangige Partner (Peer Reviews). Eine extreme Möglichkeit wäre <strong>die</strong><br />

Einführung eines zentral veranstalteten Tests, dem sich alle Schüler am selben<br />

Tag unter denselben Bedingungen unterziehen. Plausibler wäre indessen <strong>die</strong><br />

Einführung auf lokaler Ebene konzipierter Prüfungen, <strong>die</strong> aber klaren nationalen<br />

Vorgaben unterliegen und <strong>die</strong> Anpassung nationaler Evaluierungen an lokale<br />

Umstände ermöglichen. In den <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong>n zur Berufsbildung <strong>für</strong> Australien<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS – 149<br />

und Norwegen (Hoeckel et al., 2008; Kuczera et al., 2008) wurde <strong>die</strong> Einführung<br />

standardisierter landesweiter Prüfungen empfohlen, um Qualität und<br />

Konsistenz der in den Berufsausbildungssystemen vermittelten Kompetenzen zu<br />

sichern. Kasten 6.5 beschreibt das in Saskatchewan, Kanada, genutzte Evaluierungssystem.<br />

Kasten 6.5 Wie Auszubildende in Saskatchewan (Kanada)<br />

beurteilt werden<br />

Alle Auszubildenden in einem anerkannten Ausbildungsberuf bearbeiten in<br />

ihrer Prüfung je nach Ausbildungsniveau denselben Aufgabenkatalog. Die Kompetenzen<br />

werden vom Ausbildungsveranstalter entwickelt, in gegenseitigem Einverständnis<br />

mit dem Berufsfachausschuss auf Provinzebene. Die Auszubildenden<br />

müssen in allen Fächern schriftliche Prüfungen ablegen, um ihre theoretischen<br />

Kenntnisse unter Beweis zu stellen. In der Praxis müssen <strong>die</strong> Auszubildenden<br />

nachweisen, dass sie <strong>die</strong> auf einem bestimmten Niveau erwarteten Kompetenzen<br />

effektiv erworben haben. Beispielsweise sollten Absolventen einer Kochlehre auf<br />

Stufe 1 u.a.:<br />

<br />

<br />

zeigen können, wie man einen Plätzchenteig unter Verwendung der Rührmethode<br />

verarbeitet, backt, serviert und lagert und <strong>die</strong> Plätzchen als Häufchen,<br />

in Tüten, gerollt, in Förmchen, als Icebox-Cookies (d.h. geschnitten)<br />

oder auf dem Blech zubereitet;<br />

zeigen können, wie man Quick Bread als Teig unter Verwendung der Muffin-<br />

Methode zubereitet, backt, serviert und lagert und zu Popovers verarbeitet.<br />

Die Entscheidung, welches Gewicht den einzelnen Kompetenzen beigemessen<br />

wird, trifft ein Ausbilder im Einklang mit den Vorgaben der Cook National<br />

Occupational Analysis.<br />

Auf landesweiter Ebene identifiziert und gruppiert <strong>die</strong> Cook National<br />

Occupational Analysis <strong>die</strong> von qualifizierten Arbeitskräften in bestimmten Berufen<br />

und in jeder Provinz in ganz Kanada ausgeführten Aufgaben. Ziel der Analyse ist<br />

es, <strong>die</strong> Übertragbarkeit von Kompetenzen und <strong>die</strong> Mobilität von Arbeitskräften landesweit<br />

zu gewährleisten (vgl. www.red-seal.ca).<br />

Für nähere Einzelheiten vgl. www.saskapprenticeship.ca.<br />

Die Vorteile standardisierter landesweiter Prüfungen nutzen<br />

Standardisierte landesweite Prüfungen können 1 :<br />

• Die Ausbildungsqualität sichern: In einem System ohne landesweite<br />

Prüfungen lernen <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler u.U. anhand von auf lokaler<br />

Ebene aufgestellten Standards. Infolgedessen kann das Niveau der<br />

beruflichen Kompetenzen unter den qualifizierten Personen je nach lokalen<br />

Umständen variieren. Die Belege bestätigen, dass ein derartiges Risiko<br />

besteht, da <strong>die</strong> Mindestqualitätsstandards in Ländern mit standardisierten<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


150 – 6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS<br />

landesweiten Prüfungen stabiler sind (Wößmann et al., 2007; Backes-<br />

Gellner und Veen, 2008). Eine Leistungsskala (z.B. mit sechs Leistungsstufen)<br />

könnte eine zusätzliche Informationsquelle über <strong>die</strong> Qualität der<br />

Berufsbildungsprogramme darstellen.<br />

• Den Signalwert der Qualifikation verbessern: Standardisierte landesweite<br />

Prüfungen gewährleisten, dass <strong>die</strong> während einer Berufsausbildung oder<br />

im Rahmen eines anderen Berufsbildungsprogramms erworbenen Fertigkeiten<br />

mit starker Arbeitgeberfokussierung nicht zu firmenspezifisch sind<br />

und auch relevante übertragbare Kompetenzen enthalten, <strong>die</strong> es dem Einzelnen<br />

erleichtern, zwischen Unternehmen und geografischen Regionen zu<br />

wechseln. Arbeitgeber, <strong>die</strong> <strong>die</strong> wirklichen Fähigkeiten von Stellenbewerbern<br />

selbst nicht testen können, stützen sich häufig auf Kriterien wie Bildungsabschlüsse.<br />

Empirischen Belegen aus Deutschland zufolge ist ein Zertifikat,<br />

das in Anlehnung an <strong>die</strong> Leistungen in einer landesweiten Prüfung erteilt<br />

wurde, ein besserer Prädiktor der tatsächlich zu erwartenden Produktivität<br />

einer Person als ein Diplom, das durch eine auf lokaler Ebene abgenommene<br />

Prüfung erlangt wurde (Büchel, Jürges und Schneider, 2003, zitiert in<br />

Backes-Gellner und Veen, 2008).<br />

• Kostenwirksamer sein als lokale Prüfungen: In dezentralisierten Systemen<br />

müssen überall im Land unterschiedliche Prüfungsverfahren entwickelt<br />

werden, was zu Doppelarbeit führt.<br />

• Die Anerkennung des nicht formalen und informellen <strong>Lernen</strong>s erleichtern:<br />

Der Prozess der Anerkennung von Betriebspraktika könnte beschleunigt<br />

und rationalisiert werden, da sich jede Person einem standardisierten<br />

landesweiten Prüfungsverfahren unterziehen und ihre Fähigkeit, in einem<br />

bestimmten Beruf tätig zu sein, jederzeit unter Beweis stellen könnte.<br />

• Flexibilität und Innovation in der Ausbildung fördern: Standardisierte<br />

landesweite Prüfungen lassen insofern mehr Flexibilität in Bezug auf <strong>die</strong><br />

Dauer der Berufsbildungsprogramme zu, als <strong>die</strong>se vom Erreichen des in<br />

der Prüfungsordnung definierten notwendigen Kompetenzniveaus<br />

abhängt. In der Schweiz durchgeführte Forschungsarbeiten ergaben, dass<br />

<strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erreichung eines bestimmten Produktivitätsniveaus notwendige<br />

Zeit je nach berufsspezifischen Qualifikationsanforderungen unterschiedlich<br />

ist, was nicht überrascht (Mühlemann et al., 2007). Wenn Kompetenzen<br />

eine größere Bedeutung beigemessen wird als der Ausbildungsdauer,<br />

könnten <strong>die</strong> einzelnen Berufsbildungsprogramme den Anforderungen<br />

spezifischer Berufe flexibler angepasst und den <strong>Lernen</strong>den Anreize geboten<br />

werden, <strong>die</strong> notwendigen Kompetenzen rasch zu erwerben, statt <strong>die</strong> Zeit<br />

bis zum Qualifikationserwerb „abzusitzen“.<br />

Landesweite Prüfungen und lokale Autonomie in Einklang bringen<br />

Bei vielen Arten öffentlicher Dienstleistungen werden Effizienzgewinne<br />

durch eine ausgewogene Kombination von klaren zentralisierten Zieldefinitio-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS – 151<br />

nen und lokaler Flexibilität hinsichtlich der Auswahl der Instrumente zur Verwirklichung<br />

<strong>die</strong>ser Ziele erreicht. Wößmann et al. (2007) 2 argumentieren, dass<br />

mehr Verantwortung <strong>für</strong> den Lehrplaninhalt auf lokaler Ebene zwar von Vorteil<br />

ist, da lokales Wissen in den Lernprozess eingebracht wird, zugleich aber auch<br />

nicht ausgeschlossen werden kann, dass <strong>die</strong> lokalen Akteure ihre eigenen Interessen<br />

zu Lasten der Schülerergebnisse begünstigen. Die Stu<strong>die</strong> kommt zu der<br />

Schlussfolgerung, dass externe Evaluierungen <strong>die</strong>sen negativen Effekt neutralisieren,<br />

indem sie lokale Akteure Kontrollmechanismen unterwerfen. Standardisierte<br />

landesweite Prüfungen sind daher in einem dezentralisierten System eine<br />

wichtige Ergänzung. In Kanada beispielsweise setzt das Interprovincial Standards<br />

Red Seal Program Normen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufe, vereinheitlicht Abschlussevaluierungen,<br />

liefert vergleichbare Informationen zu Berufsausbildungsprogrammen in<br />

kanadischen Provinzen und Territorien und fördert <strong>die</strong> weitere Harmonisierung.<br />

Das Red Seal-Diplom ermöglicht es Arbeitskräften, ihren Beruf überall in<br />

Kanada auszuüben, wo der jeweilige Beruf vertreten ist, ohne zusätzliche<br />

Prüfungen ablegen zu müssen (vgl. www.red-seal.ca). Infolgedessen hat <strong>die</strong><br />

Arbeitskräftemobilität zwischen den Provinzen stark zugenommen, so dass der<br />

Arbeitskräftemangel in rasch expan<strong>die</strong>renden Provinzen, wie Alberta, gemindert<br />

werden konnte (Pereira et al., 2007).<br />

Stärkung der Daten zu Arbeitsmarktergebnissen<br />

Warum Daten so wertvoll sind<br />

Ein Definitionsmerkmal der beruflichen Bildung ist, dass sie <strong>Lernen</strong>de mit<br />

sinnvollen beruflichen Qualifikationen auszustatten sucht. Manchmal ist jedoch<br />

nur wenig darüber bekannt, was aus den Teilnehmern nach Abschluss ihrer<br />

Ausbildung wird, d.h. konkret, ob <strong>die</strong> Ausbildung ihnen hilft, einen passenden<br />

Arbeitsplatz zu finden. Wenngleich es schwierig ist, derartige Informationen zu<br />

bekommen, da <strong>die</strong> Absolventen einer Berufsausbildung sehr mobil und in manchen<br />

Fällen schwer ausfindig zu machen sind, bleiben <strong>die</strong> Arbeitsmarktergebnisse<br />

eine entscheidende Messgröße <strong>für</strong> das Ausmaß, in dem Berufsbildungsprogramme<br />

dem Arbeitsmarktbedarf gerecht werden. Diese Daten helfen<br />

Berufsbildungseinrichtungen, ihr Angebot auf den Bedarf des Arbeitsmarkts<br />

einzustellen, den zuständigen öffentlichen Stellen, <strong>die</strong> zweckmäßigsten Bildungsgänge<br />

und Einrichtungen zu unterstützen, und, wie in Kapitel 3 dargelegt, den<br />

Schülerinnen und Schülern, geeignete Berufsbildungsprogramme, Zielberufe<br />

und Berufsbildungseinrichtungen auszuwählen. In dezentralisierten Systemen ist<br />

es eine Herausforderung, zu gewährleisten, dass gute lokale Praktiken weiten<br />

Kreisen zugänglich gemacht und auf breiter Basis umgesetzt werden. Die Einrichtung<br />

von Plattformen <strong>für</strong> den Erfahrungsaustausch nach texanischem Modell<br />

(Kasten 6.6) kann hier besonders hilfreich sein.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


152 – 6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS<br />

Kasten 6.6 Best Practices Clearinghouse in Texas<br />

Das im Jahr 2009 von der Texas Education Agency eingerichtete Best Practices<br />

Clearinghouse (BPC) unterstützt Schulen, indem es ihnen eine zentrale Anlaufstelle<br />

<strong>für</strong> den Austausch evidenzbasierter bester Verfahrensweisen bietet. Das BPC<br />

veröffentlicht „Best Practice Summaries“ aus Bezirken und Schulen, <strong>die</strong> durchgehend<br />

sehr gut abschneiden oder eine Verbesserung der Schülerleistungen nachweisen<br />

können. Die angebotenen Programme und Praktiken konzentrieren sich<br />

schwerpunktmäßig auf einige Themen (darunter <strong>die</strong> Vermeidung von Schulabbruch,<br />

<strong>die</strong> Fähigkeit zum College- und Berufseinstieg) auf unterschiedlichen<br />

Bildungsniveaus.<br />

Ziel des BPC ist es, <strong>die</strong> Lehrkräfte mit Informationen auszustatten, <strong>die</strong> es ihnen<br />

ermöglichen, beste Verfahrensweisen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anwendung vor Ort anzupassen. Best<br />

Practice Summaries bieten detaillierte Informationen zu Aspekten, wie Weiterbildungsbedarf,<br />

Kosten, einschlägige Fachliteratur, bisherige Erkenntnisse und Kontaktinformationen.<br />

Ab dem Jahr 2009/2010 werden neue beste Verfahrensweisen<br />

einem der vier BPC-Evidenztypen zugeordnet, <strong>die</strong> sich nach der Aussagekraft der<br />

Belege und der Allgemeingültigkeit der Ergebnisse unterscheiden.<br />

Quelle: Texas Education Agency (TEA) (2010), Best Practices Clearinghouse-Website,<br />

www.teabpc.org, Internetzugriff im Juni 2010.<br />

Verbesserung der Datenerhebung<br />

Durch eine Befragung der Zielgruppen<br />

Eine Möglichkeit, herauszufinden, was aus Berufsbildungsabsolventen<br />

wird, besteht darin, sie einfach zu befragen. Eine Befragung der Berufsbildungsabsolventen,<br />

<strong>die</strong> ihr berufliches Bildungsprogramm etwa vor einem Jahr erfolgreich<br />

abgeschlossen haben, gibt Aufschluss darüber, ob sie erwerbstätig sind<br />

und in welchem Beruf sie arbeiten, ob sie weiterstu<strong>die</strong>ren oder arbeitslos bzw.<br />

aus anderen Gründen nicht am Arbeitsmarkt sind. Anhand <strong>die</strong>ser Daten lässt<br />

sich der Erfolg und Misserfolg verschiedener Berufsbildungsprogramme und in<br />

manchen Fällen auch Bildungseinrichtungen messen. In einer derartigen Erhebung<br />

können <strong>die</strong> Ausbildungsabsolventen auch nach ihrer Meinung zu der von<br />

ihnen abgeschlossenen Berufsausbildung gefragt werden – z.B. ob der Unterricht<br />

gut war und ihnen zweck<strong>die</strong>nliche Kompetenzen vermittelt hat. Auf <strong>die</strong>se<br />

Weise werden solche Erhebungen auch zu einem Instrument der Qualitätskontrolle<br />

von Berufsbildungsprogrammen. Es gibt zahlreiche Erfahrungen mit<br />

Absolventenerhebungen aus anderen Ländern, im Allgemeinen auf Hochschulebene<br />

(z.B. Australien und Vereinigtes Königreich), aber zunehmend auch auf<br />

der Ebene der Sekundarschule (z.B. Belgien/Flandern, Nordirland, Niederlande,<br />

Schottland und Irland) (Kasten 6.7).<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS – 153<br />

Kasten 6.7 Zielgruppenbefragungen<br />

In Australien wird der Student Outcomes Survey alljährlich unter den Schülerinnen<br />

und Schülern durchgeführt, <strong>die</strong> an Berufsbildungsmaßnahmen teilgenommen<br />

haben. Die seit 1997 vom National Centre for Vocational Education and<br />

Research veranstaltete Erhebung wird von der australischen Regierung finanziert<br />

und liefert Informationen über den Anteil der Personen, <strong>die</strong> nach der Berufsbildung<br />

in eine Beschäftigung oder weiterführende Bildungsmaßnahmen übergehen, Bedeutung<br />

und Nutzen der Teilnahme an Berufsbildungsmaßnahmen und <strong>die</strong> Schülerzufriedenheit.<br />

Die gesammelten Informationen <strong>die</strong>nen der Verwaltung, Planung und<br />

Evaluierung des Berufsbildungssystems.<br />

In Irland basiert der School Leavers Survey auf einer nationalen Stichprobe<br />

von Schulabgängern, <strong>die</strong> 12-18 Monate nach Verlassen der Schule kontaktiert<br />

wurden. Direkte Interviews, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>ser Erhebung seit Beginn 1980 zum Einsatz<br />

kamen, sind auf Grund der geringeren Beteiligungsquoten und hohen Kosten mit<br />

der Zeit immer schwieriger geworden (McCoy, Kelly und Watson, 2007). In dem<br />

School Leavers Survey von 2007 kam daher eine Kombination von Instrumenten<br />

zum Einsatz. Die ausgewählten Personen wurden aufgefordert, einen <strong>Online</strong>-<br />

Fragebogen auszufüllen, konnten aber auch eine Papierversion anfordern. Den<br />

Teilnehmern wurde <strong>die</strong> Beantwortung des Fragebogens durch ihre automatische<br />

Teilnahme an einer Preisverlosung schmackhaft gemacht. Alle jene Personen, <strong>die</strong><br />

besonders schwer erreichbar waren (frühere Schulabgänger) wurden zunächst telefonisch<br />

und dann ebenfalls in direkten Kontaktgesprächen betreut (persönliche<br />

Mitteilung des Irish Economic and Social Research Institute, 11. April 2008).<br />

Durch andere Erhebungen<br />

Andere Arten von Erhebungen liefern ebenfalls einschlägige Informationen<br />

(Tabelle 6.2). Volkszählungen sind eine Stichprobe von 100% und enthalten<br />

Informationen über Qualifikationen oder <strong>die</strong> Höchstqualifikation ebenso<br />

wie Informationen zum Beschäftigungsstatus. Ihr Nutzen ist durch <strong>die</strong> Tatsache<br />

begrenzt, dass sie normalerweise nur alle zehn Jahre durchgeführt werden, so<br />

dass sie <strong>die</strong> jüngsten Trends und Entwicklungen u.U. nicht widerspiegeln.<br />

Arbeitskräfteerhebungen enthalten auch Qualifikations- und Beschäftigungsdaten,<br />

betreffen aber nur eine Stichprobe. Einige Länder führen auch Längsschnitt-<br />

oder Kohortenstu<strong>die</strong>n bei jungen Menschen durch. Bei <strong>die</strong>sen Stu<strong>die</strong>n<br />

wird eine Zufallsstichprobe von Jugendlichen in einem bestimmten Alter<br />

gewählt, <strong>die</strong> in regelmäßigen Intervallen befragt werden, um beispielsweise ihre<br />

Erfahrungen in der Zeit zwischen Schule und Berufsleben zu verfolgen. Derartige<br />

Langzeitstu<strong>die</strong>n sind eine aussagekräftige Informationsquelle über <strong>die</strong><br />

Laufbahnen im weiteren Sinne, <strong>die</strong> Personen innerhalb der Bildungssysteme bis<br />

zum Eintritt ins Erwerbsleben verfolgen, doch ist der Stichprobenumfang in der<br />

Regel recht klein, was ihre Kapazität auf <strong>die</strong> Untersuchung kleinerer Berufsbildungsprogramme<br />

beschränkt.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


154 – 6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS<br />

Tabelle 6.2 Arten von Erhebungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sammlung von Informationen zu<br />

Arbeitsmarktergebnissen ermöglichen<br />

Geschätzter Prozentsatz an Berufsbildungsprogrammen der Sekundarstufe II,<br />

deren Ergebnisse in Erhebungen erfasst sind<br />

Reguläre<br />

Arbeitskräfteerhebung<br />

Längsschnittstu<strong>die</strong><br />

Absolventenerhebung<br />

Volkszählung<br />

Australien - <br />

Belgien (Fl) -<br />

Dänemark -<br />

Deutschland - - - <br />

Finnland - <br />

Frankreich - - -<br />

Niederlande * -<br />

Norwegen -<br />

Österreich - - <br />

Schweden - -<br />

Schweiz - <br />

Tschech. Rep. -<br />

Ungarn - -<br />

Türkei - -<br />

Anmerkung: Geschätzter Prozentsatz der Berufsbildungsprogramme auf Sekundarstufe-II-Niveau:<br />

- 0%; 1-25%; 26-50%; 51-75%; 76-100%. Darüber hinaus verwenden einige, namentlich<br />

<strong>die</strong> nordischen Länder (wie weiter unten beschrieben), nationale Register, um den Bildungsweg der<br />

<strong>Lernen</strong>den bis in den Arbeitsmarkt zu verfolgen, was <strong>die</strong> Durchführung regulärer Erhebungen überflüssig<br />

macht.<br />

* In den Niederlanden wird eine Gruppe junger Menschen im Rahmen einer Kohortenstu<strong>die</strong> bis zum<br />

Übergang ins Berufsleben begleitet – Daten zu 16-jährigen und älteren <strong>Lernen</strong>den werden in einigen<br />

Jahren zur Verfügung stehen.<br />

Quelle: Kuczera, M. (erscheint demnächst). The <strong>OECD</strong> International Survey of VET Systems, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

Durch ein nationales Register<br />

In einigen Ländern (namentlich in den nordischen Ländern) erhält jede<br />

Person eine einzige Identifikationsnummer, <strong>die</strong> wiederum mit einer Reihe<br />

administrativer Datensätze, darunter Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Steuerdaten,<br />

verknüpft ist. Hierdurch können individuelle Bildungs- und Beschäftigungsbiografien<br />

nachvollzogen und mithin Zusammenhänge zwischen Berufsbildung<br />

und späterer Arbeitsmarkterfahrung analysiert werden. Wenngleich <strong>die</strong>se<br />

einheitlichen Datensätze aus Datenschutzgründen zu Bedenken Anlass geben,<br />

können sie ein sehr effizientes Instrument <strong>für</strong> <strong>die</strong> Aufbereitung relevanter Daten<br />

darstellen. Es folgen einige Beispiele:<br />

• In Schweden enthält das zentrale Bevölkerungsregister <strong>für</strong> jede Person<br />

eine persönliche Identifikationsnummer sowie einige grundlegende Informationen<br />

zur Person (z.B. Geschlecht, Alter). Diese sind mit Arbeitsmarktinformationen<br />

wie Einkommen und Bildungsstatus verknüpft, so<br />

dass der Weg des Einzelnen während der Ausbildungszeit und bis zum<br />

Eintritt ins Erwerbsleben verfolgt werden kann. Die Nutzung <strong>die</strong>ser per-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS – 155<br />

sönlichen Daten ist gesetzlich erlaubt und stößt auf recht breite Unterstützung<br />

in der Öffentlichkeit. Kommen Fragen zum Schutz personenbezogener<br />

Daten auf, werden <strong>die</strong>se öffentlich diskutiert und von der<br />

Regierung angegangen (UNECE, 2007).<br />

• Zahlreiche Länder außerhalb der nordischen Region planen <strong>die</strong> Einführung<br />

ähnlicher Systeme. In der Schweiz werden Bildungs- und Berufsdaten ab<br />

2010 durch eine individuelle Identifikationsnummer <strong>für</strong> alle <strong>Lernen</strong>den<br />

miteinander verknüpft, womit der Datenbedarf unter zahlreichen Aspekten<br />

gedeckt wird, <strong>die</strong> von präzisen landesweiten Daten zu Ausbildungsabbrüchen<br />

und nicht bestandenen Prüfungen bis hin zu der Möglichkeit<br />

reichen, <strong>die</strong> Berufslaufbahn und den Werdegang einzelner <strong>Lernen</strong>der<br />

zwischen Berufsausbildung und Tertiärbildung nachzuzeichnen.<br />

Die Erfassung qualitativ hochwertigerer Daten ist kostspielig, und sind <strong>die</strong><br />

Daten erst einmal erfasst, muss auch mehr Geld <strong>für</strong> <strong>die</strong> Analyse, Interpretation<br />

und Präsentation <strong>die</strong>ser Daten aufgewendet werden. Angesichts des Umfangs<br />

der derzeit in vielen <strong>OECD</strong>-Ländern in <strong>die</strong> Berufsbildungssysteme investierten<br />

öffentlichen Mittel scheinen <strong>die</strong> gegenwärtig <strong>für</strong> <strong>die</strong> Effizienzsteigerung der<br />

Berufsbildung aufgewendeten Ressourcen gut angelegt zu sein.<br />

Durch international vergleichbare Daten<br />

International vergleichbare Berufsbildungsindikatoren weisen ebenfalls<br />

extreme Schwächen auf, wobei einige Probleme <strong>die</strong> Internationale Standardklassifikation<br />

der Bildungsstufen (ISCED) betreffen. Die <strong>OECD</strong> befasst sich<br />

derzeit erneut mit der Verbesserung der Berufsbildungsindikatoren, da Arbeiten<br />

zu <strong>die</strong>ser Thematik von den Mitgliedsländern stark unterstützt werden. Das<br />

INES-Netzwerk <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zusammenstellung von Daten zu beruflichen und sozialen<br />

Bildungserträgen wird im Zeitraum 2011-2012 eine neue Datenerhebung<br />

vornehmen, um Informationen zu Berufsbildung und Arbeitsmarktergebnissen<br />

zu sammeln. Diese Arbeiten sind eine Fortsetzung früherer Erhebungen und<br />

Diskussionen, <strong>die</strong> bereits darauf ausgerichtet waren, eine gemeinsame Definition<br />

und Methodik <strong>für</strong> <strong>die</strong> Sammlung von Berufsbildungsdaten zu erzielen. Eine<br />

Pilot-Datenerhebung ist <strong>für</strong> Anfang 2011 geplant.<br />

Verbesserung der Informationsgrundlage<br />

Eine gute Politikgestaltung setzt eine solide Evidenzbasis voraus, damit<br />

ermittelt werden kann, was gut und was schlecht funktioniert und um <strong>die</strong> Wirksamkeit,<br />

Kosten und Durchführbarkeit unterschiedlicher Optionen zu evaluieren.<br />

Die Erstellung einer soliden Faktengrundlage ist stets mit Schwierigkeiten<br />

verbunden, im Bereich der beruflichen Bildung besteht aber zusätzlich das<br />

besondere Problem, dass so viele unterschiedliche Einrichtungen beteiligt sind.<br />

In vielen Ländern teilen sich mehrere Ministerien (im Allgemeinen das Bildungsund<br />

das Arbeitsministerium) und Behörden sowie Agenturen (z.B. drittelparitä-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


156 – 6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS<br />

tisch besetzte Organe mit Vertretern aus Staat, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden)<br />

<strong>die</strong> Verantwortung. Häufig sind an der Erhebung und Verwaltung<br />

berufsbildungsspezifischer Daten auch zahlreiche andere Organisationen<br />

beteiligt, wie öffentliche Forschungsinstitute, Hochschulen und Arbeitgebergruppen.<br />

Eine effiziente Koordinierung der Datenerhebung, -analyse und<br />

-erforschung lässt sich bei <strong>die</strong>sen unterschiedlichen Organisationen nur schwer<br />

gewährleisten.<br />

Um <strong>die</strong>se Herausforderungen zu meistern, haben einige Länder nationale<br />

Berufsbildungszentren mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten eingerichtet,<br />

<strong>die</strong> aber häufig <strong>die</strong> Koordinierung der Datensammlungen, <strong>die</strong> Analyse der Daten<br />

und Forschungsergebnisse sowie <strong>die</strong> politische Beratung der Regierungsverantwortlichen<br />

umfassen (Anhang A enthält verschiedene Beispiele solcher institutioneller<br />

Modalitäten). Diese Berufsbildungszentren bieten eine Reihe potenzieller<br />

Vorteile. Dort, wo bereits hinreichend Daten zur Verfügung stehen, ermöglicht<br />

<strong>die</strong> Koordinierung von Forschung und Analyse ein besseres Wissensmanagement.<br />

Weist <strong>die</strong> Wissensbasis erhebliche Lücken auf, bieten <strong>die</strong>se Einrichtungen<br />

effizientere Instrumente zur Datenerhebung. Beispielsweise dürfte <strong>die</strong> Durchführung<br />

unterschiedlicher Arbeitgebererhebungen im selben Land niedrigere<br />

Beteiligungsquoten ergeben als <strong>die</strong> Durchführung einer einzigen koordinierten<br />

großen Erhebung.<br />

Diese Vorteile müssen mit dem Risiko abgewogen werden, dass mit der<br />

Einrichtung eines einzigen Zentrums ein konkurrenzloses Organ geschaffen<br />

wird, das kaum Anreize hat, den Bedürfnissen der Politikverantwortlichen und<br />

Teilnehmer gerecht zu werden. Um <strong>die</strong>s zu verhindern, bedarf es solider Rechenschaftslegungsmechanismen.<br />

Ein nationales Berufsbildungsforschungszentrum<br />

sollte sich nicht in einer uneingeschränkten Monopolstellung befinden, da ein<br />

gewisses Maß an Wettbewerb <strong>die</strong> Innovationstätigkeit und Effizienz in <strong>die</strong>sem<br />

Bereich steigern wird. Während einige Aufgaben besser auf zentraler Ebene<br />

durchgeführt werden, benötigen andere Vielfalt und Unabhängigkeit. Selbst bei<br />

jenen Aktivitäten, <strong>die</strong> nur eine einzige nationale Anlaufstelle benötigen, könnte<br />

durch <strong>die</strong> Übertragung der Verantwortung an ein drittes Organ <strong>für</strong> einen festen,<br />

je nach Leistung verlängerbaren Zeitraum etwas Wettstreit entstehen, so dass<br />

<strong>die</strong> Option des Verantwortungstransfers an andere Stellen offen bleibt. Dieses<br />

besagte Organ kann auch rein virtueller Natur sein, z.B. dezentralisiert in einer<br />

Gruppe von Hochschulen, wie im Fall der Leading Houses (LH), Kompetenzzentren<br />

<strong>für</strong> Berufsbildung in der Schweiz und dem Zentrum <strong>für</strong> Bildungsökonomie<br />

(Centre for the Economics of Education – CEE) im Vereinigten<br />

Königreich (vgl. Anhang A).<br />

Das Ziel der Erhebung besserer Daten ist letztlich <strong>die</strong> Schaffung einer<br />

soliden Grundlage <strong>für</strong> eine evidenzbasierte Politikgestaltung (Kasten 6.8).<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS – 157<br />

Kasten 6.8 Politikbewertung und -evaluierung<br />

Bei der Politikbewertung werden alternative Politikoptionen systematisch berücksichtigt.<br />

Dabei werden ihre Vor- und Nachteile und deren Verteilung auf <strong>die</strong> unterschiedlichen Parteien und<br />

im Zeitverlauf ebenso wie <strong>die</strong> ihnen anhaftenden Unsicherheiten und Risiken eingeschätzt, um <strong>die</strong><br />

Konzipierung von Politikmaßnahmen zu erleichtern (HM Treasury, 2003; Layard und Glaister,<br />

1994). Die Kunst der Politikbewertung besteht darin, <strong>die</strong> verfügbaren Informationen so effizient<br />

wie eben möglich zu nutzen, Bereiche zu ermitteln, in denen große Wissenslücken und Ungewissheiten<br />

bestehen, und Strategien umzusetzen, um <strong>die</strong>se Unsicherheiten zu beherrschen. Dies ist z.B.<br />

der Fall, wenn ein Vorteil ungewiss ist, indem sein voraussichtlicher Mindest- und Höchstwert<br />

evaluiert wird oder, alternativ hierzu, indem eine Initiative als sorgfältig evaluiertes Projekt<br />

lanciert wird, so dass <strong>die</strong> mit einer kompletten Einführung verbundenen Risiken reduziert werden<br />

können. Diese einzelnen Schritte werden weiter unten im Kontext der Berufsbildungspolitik<br />

zusammenfassend erörtert. Nähere Einzelheiten finden sich in Field (2008).<br />

Identifizierung und Klärung der Politikziele: Klare Zielsetzungen müssen messbar sein. Die<br />

Outcome-Indikatoren könnten <strong>die</strong> Zufriedenheit der Arbeitgeber und <strong>die</strong> Rentabilität <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Unternehmen, den verstärkten Einsatz spezifischer, in der Berufsausbildung erworbener Kompetenzen<br />

am Arbeitsplatz oder auch <strong>die</strong> Beschäftigungsquoten und Arbeitsver<strong>die</strong>nste unter Berufsbildungsabsolventen<br />

erfassen.<br />

Identifizierung eines Katalogs alternativer Methoden zur Verwirklichung <strong>die</strong>ser Ziele (einschließlich<br />

der Option, nichts zu tun). Zu den Politikoptionen zählen mehr Ausbildung am Arbeitsplatz<br />

oder bessere Weiterbildungsmöglichkeiten <strong>für</strong> Lehrkräfte und Ausbilder an berufsbildenden Schulen.<br />

Systematische Beurteilung der Kosten, Erträge und Risiken einzelner Optionen, einschließlich<br />

potenzieller unbeabsichtigter Effekte. Die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Optionen im<br />

Bereich der Berufsbildungspolitik sind Gegenstand eines separaten Überblicks über <strong>die</strong> einschlägige<br />

Fachliteratur (Hoeckel, 2008). Mögliche Vorteile sind u.a. der Erwerb arbeitsplatzspezifischer<br />

Kompetenzen (messbar anhand der Leichtigkeit, mit der jemand eine Beschäftigung findet), <strong>die</strong><br />

Qualität des Beschäftigungsniveaus (auf <strong>die</strong> z.T. das Gehaltsniveau schließen lässt), <strong>die</strong> langfristige<br />

Beschäftigungsfähigkeit (gemessen anhand der Beschäftigungsquote nach 5-10 Jahren) sowie der<br />

Erwerb von Kompetenzen im „<strong>Lernen</strong> lernen“ (gemessen anhand der Beteiligung von Arbeitskräften<br />

an Schulungsmaßnahmen).<br />

Auswahl der vielversprechendsten Option bzw. Optionen und Bestimmung ihrer Durchführbarkeit<br />

und Akzeptanz. Manchmal sind theoretisch wünschenswerte Initiativen in der Praxis einfach<br />

nicht durchführbar – auf Grund von rechtlichen Hindernissen oder des Widerstands einflussreicher<br />

Interessengruppen oder weil <strong>die</strong> Initiative nicht bezahlbar ist. Bei der Auswahl der Optionen muss<br />

<strong>die</strong>sen Faktoren Rechnung getragen werden.<br />

Konzipierung einer Umsetzungs- und Evaluierungsstrategie. Bei der Bewertung wird der<br />

konzeptuelle Rahmen <strong>für</strong> nachfolgende Evaluierungen vorgegeben, nicht aber <strong>die</strong> empirische<br />

Methode. So kann eine Bewertung beispielsweise zu der Schlussfolgerung gelangen, dass ein vorgeschlagenes<br />

einjähriges berufsbildendes Modul am Ende der Sekundarstufe II (unter Zugrundelegung<br />

der Erfahrungen mit ähnlichen Programmen in anderen Ländern) positive Auswirkungen<br />

auf <strong>die</strong> Arbeitsmarktergebnisse hat, <strong>die</strong> seine erheblichen Kosten rechtfertigen könnten. Die Evaluierung<br />

könnte <strong>die</strong> Einführung des Moduls in Pilotgebieten zur Folge haben, wobei Sekundarstufe-II-<br />

Absolventen nach dem Zufallsprinzip auf eine Kontrollgruppe und eine Gruppe verteilt werden, der<br />

<strong>die</strong> Option der Teilnahme am einjährigen Berufsmodul angeboten wird. Die Erfahrungen der beiden<br />

Gruppen würden dann unter Betrachtung mittelfristiger Faktoren verglichen, wie der in gewissen<br />

Gruppen beobachteten Neigung an der Berufsbildungsmaßnahme teilzunehmen, der Abbruchquoten<br />

und Arbeitsmarktergebnisse. Dies würde dann eine solide Grundlage <strong>für</strong> <strong>die</strong> Evaluierung<br />

des Effekts einer vollständigen Einführung bieten.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


158 – 6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS<br />

Instrumente zur Politikunterstützung: Schlussbetrachtungen<br />

Diskussion und Erkenntnisse<br />

• Die Länder verfügen über unterschiedliche Systeme zur Einbindung von<br />

Arbeitgebern und Gewerkschaften in <strong>die</strong> Gestaltung von Berufsbildungspolitik<br />

und -angebot. In einigen Ländern stellt der fehlende organisatorische<br />

Rahmen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Mitwirkung der Arbeitgeber ein Problem dar.<br />

• Qualifikationsrahmen verfügen über das Potenzial:<br />

– das Berufsbildungssystem zu vereinheitlichen;<br />

– <strong>die</strong> Transparenz zu erhöhen, damit der Stellenwert unterschiedlicher<br />

Qualifikationen von den Schülerinnen und Schülern, Arbeitgebern und<br />

sonstigen Akteuren besser erkannt werden kann;<br />

– lebenslanges <strong>Lernen</strong> zu erleichtern und den Zugang zu höherer Bildung<br />

<strong>für</strong> alle zu verbessern.<br />

• Qualifikationsrahmen sind aber kein Allheilmittel. Ihnen muss eine solide<br />

Methodik <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zuordnung der Qualifikationen zu Leistungsniveaus zu<br />

Grunde liegen, sie müssen von den wichtigsten Akteuren unterstützt und<br />

durch ergänzende Maßnahmen zur Vereinheitlichung des Berufsbildungssystems<br />

und Verbesserung der Übergänge innerhalb des Bildungssystems<br />

gestärkt werden. Daher sollte <strong>die</strong> Einführung von Qualifikationsrahmen<br />

besser als Teil eines breiter angelegten Konzepts erfolgen, das Qualität<br />

und Kohärenz des Berufsbildungsangebots gewährleisten soll.<br />

• Standardisierte Prüfungen berufsbezogener Kompetenzen:<br />

– tragen dazu bei, <strong>die</strong> Konsistenz des Spektrums und des Niveaus der<br />

vermittelten und <strong>für</strong> das Bestehen der Prüfungen notwendigen Kompetenzen<br />

zu sichern;<br />

– gestatten es, Kompetenzen auf unterschiedliche Weise zu erwerben, was<br />

Innovation und Effizienz bei der Aneignung von Kompetenzen fördert;<br />

– schaffen eine klare Basis <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anerkennung früherer Lernerträge.<br />

• Solide Daten zu den Arbeitsmarktergebnissen der Absolventen von Berufsbildungsprogrammen<br />

sind von entscheidender Bedeutung, um zu beurteilen,<br />

ob <strong>die</strong> Programme dem Bedarf des Arbeitsmarkts gerecht werden,<br />

um <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler über ihre Berufswahlmöglichkeiten aufzuklären<br />

und das Angebot der Berufsbildungseinrichtungen ebenso wie<br />

<strong>die</strong> Finanzierungsprioritäten des Staats entsprechend anzupassen.<br />

• Derzeit sind Qualität und Umfang des zur Verfügung stehenden Datenmaterials<br />

in den <strong>OECD</strong>-Ländern uneinheitlich. Eine Verbesserung der<br />

Informationsqualität könnte über folgende Maßnahmen erreicht werden:<br />

– systematische Befragungen der jüngsten Abschlussjahrgänge von<br />

Berufsbildungseinrichtungen;<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS – 159<br />

– Auswertung von Volkszählungs- und Erhebungsdaten, in denen eine<br />

Verbindung zwischen Arbeitsmarktinformationen und Berufsbildungsqualifikationen<br />

hergestellt wird;<br />

– Analyse von Stichprobendaten aus Längsschnittstu<strong>die</strong>n, in denen eine<br />

Kohorte junger Menschen in der Zeit der Berufsausbildung und beim<br />

späteren Übergang ins Berufsleben begleitet wurde;<br />

– Analyse vollständiger Längsschnittdatensätze, in denen zwischen<br />

administrativen Berufsbildungsdaten einzelner Personen und ihren<br />

späteren Erfahrungen, einschließlich Berufserfahrungen, anhand einer<br />

individuellen Identifikationsnummer eine Verknüpfung hergestellt<br />

wurde.<br />

• Viele Länder haben Zentren zur Berufsbildungsforschung eingerichtet, um<br />

<strong>die</strong> Konzipierung der Berufsbildungspolitik durch bessere Daten, Forschungsarbeiten<br />

und Analysen zu unterstützen.<br />

Instrumente zur Unterstützung des Berufsbildungssytems:<br />

<strong>OECD</strong>-Empfehlungen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Arbeitgeber und Gewerkschaften sollten in den Prozess der Gestaltung der<br />

Berufsbildungspolitik und des Berufsbildungsangebots einbezogen werden, und<br />

es sollten entsprechende Mechanismen entwickelt werden, um <strong>die</strong>s zu fördern.<br />

Bei der Entwicklung und Umsetzung von Qualifikationsrahmen sollten Arbeitgeber,<br />

Gewerkschaften und sonstige wichtige Akteure systematisch einbezogen<br />

werden. Zur Unterstützung der Qualifikationsrahmen sollte <strong>die</strong> Qualitätssicherung<br />

im gesamten Berufsbildungssystem gestärkt werden.<br />

Es sollten standardisierte nationale Evaluierungsrahmen eingeführt werden,<br />

um <strong>die</strong> Qualität und Konsistenz des Berufsbildungsangebots zu sichern.<br />

Die Datenbasis über <strong>die</strong> Arbeitsmarktergebnisse beruflicher Bildungsgänge<br />

sollte verbessert und <strong>die</strong> nötigen institutionellen Kapazitäten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Analyse<br />

und Verbreitung <strong>die</strong>ser Daten sollten zur Verfügung gestellt werden.<br />

Anmerkungen<br />

1. Die untenstehenden Untersuchungen wurden in allgemeinbildenden Fächern durchgeführt.<br />

Wir gehen davon aus, dass <strong>die</strong>se Erkenntnisse auf den Bereich der Berufsbildung<br />

übertragbar sind.<br />

2. Die Analyse basiert auf PISA-Daten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Leistungen 15-Jähriger in allgemeinbildenden<br />

Fächern messen, wie Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz.<br />

Wir gehen davon aus, dass sich <strong>die</strong>se Ergebnisse auch auf Berufsbildungsgänge<br />

übertragen lassen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


160 – 6. INSTRUMENTE ZUR UNTERSTÜTZUNG DES SYSTEMS<br />

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LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG A – 163<br />

Anhang A<br />

Nationale Berufsbildungszentren<br />

in den <strong>OECD</strong>-Ländern<br />

Australien: Das 1981 gegründete Nationale Zentrum <strong>für</strong> Berufsbildung<br />

und -forschung (National Centre for Vocational Education and Research –<br />

NCVER) ist eine Organisation ohne Erwerbscharakter, <strong>die</strong> von den <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Berufsbildung zuständigen Ministern auf Bundes-, Bundesstaats- und<br />

Territoriumsebene getragen wird. Über 80 Beschäftigte sind dort tätig. Die<br />

Hauptaufgaben des NCVER sind: a) <strong>die</strong> Erhebung von Daten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsbildungsstatistik,<br />

b) Verwaltung der nationalen Forschungsgelder <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Berufsbildungsforschung, c) Verwaltung einer Datenbank zur Berufsbildungsforschung,<br />

d) Verbreitung der Ergebnisse der Forschungsarbeiten und Datenanalysen,<br />

e) Aufbau von Beziehungen zu ähnlichen Organisationen in anderen<br />

Ländern und f) kommerzielle Beratungstätigkeit. Diese unterschiedlichen Aktivitäten<br />

werden hauptsächlich (85%) durch das Ministerium <strong>für</strong> Bildung,<br />

Beschäftigung und Arbeitsplatzbeziehungen (Department of Education,<br />

Employment and Workplace Relations) finanziert; weitere Einnahmen kommen<br />

aus anderen staatlichen Stellen sowie privater Beratungstätigkeit hinzu.<br />

Deutschland: Das 1970 gegründete Bundesinstitut <strong>für</strong> Berufsbildung<br />

(BIBB) ist eine bundesunmittelbare und aus Haushaltsmitteln des Bundes finanzierte<br />

staatliche Einrichtung, <strong>die</strong> der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums <strong>für</strong><br />

Bildung und Forschung untersteht. Es beschäftigt rund 500 Mitarbeiter. In<br />

seinen Entscheidungsgremien wirken Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände<br />

sowie des Bundes und der Länder mit. Seine Hauptaufgaben<br />

sind a) <strong>die</strong> Analyse von Arbeitsmarkttrends, insbesondere <strong>die</strong> Feststellung des<br />

künftigen Kompetenzbedarfs, b) <strong>die</strong> Zusammenstellung allgemeiner Statistiken<br />

sowie Durchführung von Forschungsarbeiten zum deutschen Berufsbildungssystem,<br />

c) <strong>die</strong> Verwaltung mehrerer Datenbanken zur Berufsbildungsforschung,<br />

d) <strong>die</strong> Unterstützung der ausbildenden Unternehmen und Berufsbildungszentren<br />

durch gezielte Schulungsprogramme (z.B. JOBSTARTER, STARegio), e) <strong>die</strong><br />

Erarbeitung von Beiträgen zur Entwicklung von Qualifikationsrahmen und f) <strong>die</strong><br />

internationale Zusammenarbeit.<br />

Frankreich: Das Nationale Stu<strong>die</strong>n- und Forschungsinstitut <strong>für</strong> berufliche<br />

Bildung und Qualifikation (Centre d’études et de recherches sur les<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


164 – ANHANG A<br />

qualifications – Céreq) wurde 1971 mit dem Ziel gegründet, staatliche Behörden<br />

auf nationaler und regionaler Ebene, Wirtschaftsbranchen und Sozialpartner bei<br />

der Gestaltung und Umsetzung von Politikmaßnahmen in den Bereichen Berufsbildung<br />

und Personalmanagement zu unterstützen. 1985 wurde das Céreq<br />

eine autonome staatliche Einrichtung unter Aufsicht der Ministerien <strong>für</strong> Bildung<br />

und Arbeit. Seitdem hat es sein Aufgabengebiet durch Aufnahme neuer Forschungsfelder<br />

erweitert und ein wachsendes Netzwerk angebundener Regionalzentren<br />

aufgebaut. Heute erfüllt es fünf wesentliche Aufgaben: a) <strong>die</strong> Entwicklung<br />

von internationalen sowie b) regionalen Netzwerken im Bereich der Berufsbildungsforschung,<br />

c) Forschungsarbeiten und Analysen zum französischen<br />

Berufsbildungssystem im Auftrag der Ministerien, d) Erstellung regelmäßiger<br />

Beschäftigungs- und Qualifikationsprognosen und e) Verwaltung eines Dokumentationszentrums<br />

<strong>für</strong> den Bereich der Berufsbildung.<br />

Korea: Das Koreanische Forschungsinstitut <strong>für</strong> berufliche Bildung<br />

(Korea Research Institute for Vocational Education and Training – KRIVET) ist<br />

eine staatlich finanzierte Forschungseinrichtung mit dem Zweck, eine Datengrundlage<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Politikgestaltung im Bereich der Berufsbildung zu schaffen<br />

sowie Daten und Wissen auf <strong>die</strong>sem Gebiet zu verbreiten. Seit seiner Gründung<br />

im Jahr 1997 ist das Institut auf 130 Vollzeitforscher angewachsen. Seine<br />

Hauptaufgaben sind: a) <strong>die</strong> Analyse der nationalen Politikmaßnahmen im Bereich<br />

der Berufsbildung, b) <strong>die</strong> Unterstützung des Netzwerks der an der Berufsbildung<br />

beteiligten Akteure, c) <strong>die</strong> Gestaltung und Propagierung berufsbildender<br />

Programme, d) <strong>die</strong> Durchführung von Forschungsarbeiten über Qualifikationssysteme,<br />

e) <strong>die</strong> Evaluierung von Berufsbildungseinrichtungen, f) <strong>die</strong> Durchführung<br />

regelmäßiger Arbeitsmarktanalysen und <strong>die</strong> Verwaltung der daraus resultierenden<br />

Datenbank, g) das Anbieten von Berufsberatung und h) <strong>die</strong> Förderung<br />

der internationalen Zusammenarbeit.<br />

Die Niederlande: Das nationale Expertisezentrum <strong>für</strong> Berufsbildung<br />

(Expertisecentrum Beroepsonderwijs – ECBO) nahm seine Arbeit im Januar<br />

2009 auf und ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erarbeitung und Vermittlung von Wissen sowie Bildungspraxis<br />

und -politik verantwortlich. Das ECBO nimmt eine vermittelnde<br />

Funktion zwischen allen Berufsbildungsakteuren einerseits und Forschungseinrichtungen,<br />

Universitäten, pädagogischen Hochschulen, Beratungsorganen, Expertenkommissionen<br />

usw. andererseits wahr. Zusätzlich gibt es Expertisezentren<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> verschiedenen Wirtschaftsbranchen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Verbindung zwischen den<br />

Berufsbildungseinrichtungen und der betreffenden Branche darstellen. In ihren<br />

Vorständen sind Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Berufsbildungseinrichtungen<br />

vertreten. Die Zentren sind <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erarbeitung einer Qualifikationsstruktur zuständig,<br />

in der das Wissen und <strong>die</strong> Kompetenzen, <strong>die</strong> von den Arbeitgebern verlangt<br />

werden, festgelegt sind, ferner <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gewährleistung ausreichender Praktikumsplätze<br />

sowie <strong>die</strong> Sicherung der Qualifikation der mit der praktischen<br />

Ausbildung betrauten Unternehmen. Ihre Dachorganisation COLO ist eines der<br />

Mitglieder des Beirats des nationalen Expertisezentrums <strong>für</strong> Berufsbildung.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG A – 165<br />

Österreich: Das Österreichische Institut <strong>für</strong> Berufsbildungsforschung<br />

(ÖIBF) wurde 1970 durch eine Initiative von Arbeitnehmerorganisationen und<br />

den Ministerien <strong>für</strong> Arbeit sowie Wissenschaft und Forschung gegründet. Diese<br />

Einrichtung ohne Erwerbscharakter mit rund zehn Mitarbeitern zielt darauf ab,<br />

größeren Sachverstand im Bereich der Berufsbildung in Österreich zu bewirken<br />

sowie <strong>die</strong> interdisziplinäre Forschung auf <strong>die</strong>sem Gebiet zu fördern. Im Mittelpunkt<br />

seiner Forschung stehen: a) <strong>die</strong> berufliche Erstausbildung und Weiterbildung,<br />

auch im Tertiärbereich, b) Bildungsinformation und -beratung, c) Evaluierung<br />

einzelner Programme und Einrichtungen, d) Arbeitsmarktanalyse, e) neue<br />

Lehr- und Lernformen und f) Bildungsökonomie. Das Institut <strong>für</strong> Bildungsforschung<br />

der Wirtschaft (ibw) betreibt Forschung und Entwicklung an der<br />

Schnittstelle zwischen Bildung, Wirtschaft und Qualifikation. Das ibw wurde<br />

1975 von der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und der Industriellenvereinigung<br />

(IV) gegründet. Zu den wichtigsten Projektpartnern und Auftraggebern<br />

des ibw zählen Bundesministerien, das Arbeitsmarktservice (AMS),<br />

Landesregierungen und einzelne Unternehmen. Auf internationaler Ebene nutzen<br />

<strong>die</strong> EU sowie <strong>die</strong> <strong>OECD</strong> entweder direkt oder im Rahmen von Programmen <strong>die</strong><br />

Leistungen des ibw. Das ibw vertritt Österreich im vom CEDEFOP gegründeten<br />

Netzwerk ReferNet.<br />

In der Schweiz sind <strong>die</strong> Leading Houses (LH) Kompetenzzentren <strong>für</strong><br />

Berufsbildung, <strong>die</strong> mit einem oder mehreren Lehrstühlen an Schweizer Hochschulen<br />

verbunden sind. Ihr Zweck besteht darin, Lücken in der Faktengrundlage<br />

der Schweizer Berufsbildung aufzugreifen und eine Forschungsgemeinschaft im<br />

Bereich der Berufsbildung aufzubauen. Seit 2004 sind vom Bundesamt <strong>für</strong><br />

Berufsbildung und Technologie, das auch einheitliche Standards <strong>für</strong> <strong>die</strong> Leistungsprüfung<br />

festlegt, sechs LH in Auftrag gegeben worden: a) Qualität der beruflichen<br />

Bildung, b) Lernstrategien, c) Berufsbildungsökonomie: betriebliche Entscheidungen<br />

und Bildungspolitik, d) Berufsbildungsökonomie: Übergänge,<br />

Kompetenzen und Arbeitsmarkt, e) Technologien <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsbildung, f) Sozialkompetenzen<br />

(bereits abgeschlossen). Mittels international besetzter Beiräte<br />

wird ein zu eng gefasster Forschungsschwerpunkt vermieden, und <strong>die</strong> LH müssen<br />

Teile der Projekte öffentlich ausschreiben, um den Wettbewerb zu fördern.<br />

Die Beteiligung von Nachwuchsforschern wird gefördert; der Verbreitung wird<br />

eine hohe Bedeutung beigemessen (z.B. Reihe Berufsbildungsforschung<br />

Schweiz).<br />

Tschechische Republik: Das Nationale Insitut <strong>für</strong> Berufsbildung<br />

(Národní ústav odborného vzdlávání – NUOV) hat eine ähnliche Funktion wie<br />

das gleichnamige Pendant in Ungarn (siehe unten). Sein Schwerpunkt liegt jedoch<br />

stärker auf der Entwicklung von Lehrmaterialien und anderen umsetzungsbezogenen<br />

Fragen. Eine vergleichbare Einrichtung ist mit dem Staatlichen<br />

Institut <strong>für</strong> Berufsbildung in der Slowakischen Republik vorhanden.<br />

Ungarn: Das Nationale Institut <strong>für</strong> Berufsbildung wurde 1990 gegründet,<br />

sein Nachfolger ist das Ungarische Nationalinstitut <strong>für</strong> Berufs- und Erwachsenenbildung<br />

(Nemzeti Szakképzési és Felnöttképzési Intézet – NSZFI), das am<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


166 – ANHANG A<br />

1. Januar 2007 durch Zusammenlegung von vier separaten Berufsbildungsinstituten<br />

entstand. Es handelt sich um ein staatlich finanziertes Forschungszentrum,<br />

das auch eine aktive Rolle bei der Gestaltung und Umsetzung von Politikmaßnahmen<br />

im Bereich der Berufsbildung sowie bei der Koordinierung der Berufsbildungsforschung<br />

und -<strong>die</strong>nste spielt. Durch seine kommerziellen Aktivitäten<br />

erzielt es darüber hinaus Einnahmen (höchstens 20% seines Gesamthaushalts).<br />

Seine Hauptaufgaben sind recht vielfältig und umfassen: a) <strong>die</strong> Erstellung von<br />

Prüf- und Lehrmaterialien, b) <strong>die</strong> Verwaltung des Ausbildungsfonds, der ein<br />

Teilfonds des Arbeitsmarktfonds ist und über Ausbildungsabgaben finanziert<br />

wird, sowie anderer kleinerer Entwicklungsfonds im Bereich der Berufsbildung,<br />

c) <strong>die</strong> Evaluierung von Berufsbildungsinstituten, d) <strong>die</strong> Verbreitung empfehlenswerter<br />

Praktiken, e) <strong>die</strong> Erhebung von Daten zur Berufsbildung sowie Verwaltung<br />

der daraus entwickelten Datenbank, f) <strong>die</strong> Organisation von Schulungen<br />

<strong>für</strong> Berufsschullehrer und g) <strong>die</strong> Akkreditierung von Einrichtungen der Erwachsenenbildung.<br />

Um <strong>die</strong>se unterschiedlichen Aktivitäten zu unterstützen, beschäftigt<br />

das Institut über 200 Mitarbeiter und vergibt Forschungsprojekte.<br />

Im Vereinigten Königreich wurde im März 2000 das Zentrum <strong>für</strong> Bildungsökonomie<br />

(Centre for the Economics of Education – CEE) gegründet,<br />

welches eine Kernfinanzierung von staatlichen Stellen erhält (Ministerium <strong>für</strong><br />

Kinder, Schulen und Familien sowie Ministerium <strong>für</strong> Innovation, Hochschulen<br />

und Kompetenzen). Das CEE ist ein multidisziplinäres Forschungszentrum mit<br />

drei Partnern: dem Centre for Economic Performance an der London School of<br />

Economics and Political Science (LSE), dem Institute for Fiscal Stu<strong>die</strong>s und<br />

dem Institute of Education. Alle drei Partner führen Forschungsarbeiten auf dem<br />

Gebiet der Bildungs- und Ausbildungsökonomie sowie zu Fragen im Zusammenhang<br />

mit Bildung, Ausbildung und dem Arbeitsmarkt durch. Die Forschung<br />

ist stark auf empirische Arbeiten ausgerichtet und zielt darauf ab, durch Nutzung<br />

von Daten und Forschungsergebnissen eine Informationsgrundlage <strong>für</strong><br />

Politikmaßnahmen zu schaffen.<br />

Vereinigte Staaten: Das Nationale Forschungszentrum <strong>für</strong> Berufsbildung<br />

(National Research Center for Career and Technical Education) ähnelt<br />

den oben beschriebenen Instituten, hat jedoch einen wesentlich beschränkteren<br />

Aufgabenbereich, da <strong>die</strong> Berufsbildungssysteme der einzelnen Bundesstaaten<br />

sehr vielfältig sind und mehrere konkurrierende private und öffentliche Organisationen<br />

bereits auf dem Gebiet der Berufsbildungsforschung tätig sind, um<br />

Datenmaterial <strong>für</strong> <strong>die</strong> Politikgestaltung bereitzustellen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 167<br />

Anhang B<br />

Kurzbeurteilungen und Politikempfehlungen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> geprüften Länder<br />

Australien<br />

Hoeckel, K. et al. (2008)<br />

Stärken<br />

Australien verfügt über ein sehr gut entwickeltes Berufsbildungssystem,<br />

das ein hohes Maß an Vertrauen genießt. Folgende Merkmale sind besonders<br />

ausgeprägt:<br />

• Die Arbeitgeber sind stark eingebunden.<br />

• Das nationale Qualifikationssystem ist fest etabliert und genießt einen<br />

hohen Bekanntheitsgrad.<br />

• Das Berufsbildungssystem ist flexibel und erlaubt relativ weitreichende<br />

autonome bzw. innovative Maßnahmen auf lokaler Ebene, um <strong>die</strong> Lernerfahrungen<br />

an <strong>die</strong> Gegebenheiten vor Ort anzupassen.<br />

• Zu den meisten Fragen im Bereich der Berufsbildung liegen verlässliche<br />

Daten und Forschungsarbeiten vor.<br />

Herausforderungen<br />

• Die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den staatlichen Stellen auf<br />

Bundesebene einerseits und auf Bundesstaats- bzw. Territoriumsebene<br />

andererseits ist unklar.<br />

• Es gibt offenbar keine klaren Grundsätze <strong>für</strong> <strong>die</strong> Finanzierung, und <strong>die</strong><br />

vorhandenen Grundsätze stehen mit den Politikmaßnahmen und den Prinzipien<br />

im Bereich Humankapital über<strong>die</strong>s nicht im Einklang.<br />

• Die Nutzung von Kompetenzprognosen wirft z.T. Probleme auf.<br />

• Die einschlägigen Daten weisen einige Schwächen und Lücken auf.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


168 – ANHANG B<br />

• Die betriebliche Ausbildung ist rigide und scheint eher durch <strong>die</strong> Dauer als<br />

durch <strong>die</strong> erworbenen Kompetenzen bestimmt zu sein.<br />

• Die Verfahren <strong>für</strong> <strong>die</strong> Konzipierung und Umsetzung von Ausbildungsprogrammen<br />

sind ineffizient.<br />

• Die Alterung der Lehrerschaft ist ein ernstes Problem.<br />

Empfehlungen<br />

a) Die Regierungen auf Bundes-, Bundesstaats- und Territoriumsebene sollten<br />

sich bemühen, einheitliche Grundsätze <strong>für</strong> <strong>die</strong> Finanzierung und das<br />

Angebot der Berufsbildung zu vereinbaren und eine möglichst hohe Konsistenz<br />

im Verwaltungsbereich zu erzielen, wobei den berechtigten Interessen<br />

der lokalen Gebietskörperschaften im Kontext der dezentralisierten<br />

Regierungsführung Rechnung getragen werden sollte. Kosten und Nutzen<br />

von Abwandlungen auf lokaler Ebene sowie sich überschneidenden Verantwortlichkeiten<br />

sollten quantifiziert werden.<br />

b) Die Schülerinnen und Schüler sollten Anspruch auf den kostenfreien Erwerb<br />

von Qualifikationen im Bereich der Berufsbildung bis zum normalerweise<br />

am Ende der Pflichtschulzeit erreichten Niveau haben, d.h. bis<br />

Certificate II oder III. Die Gebühren <strong>für</strong> höhere berufliche Qualifikationen<br />

sollten auf derselben breiten Grundlage erhoben werden wie bei der Hochschulbildung<br />

und durch einkommensabhängige Kredite im Rahmen des<br />

HECS-Programms (Higher Education Contribution Scheme) finanziert<br />

werden.<br />

c) Schülerinnen und Schüler, <strong>die</strong> Anspruch auf eine Finanzierungshilfe haben,<br />

sollten sich <strong>die</strong> Anbieter der beruflichen Bildung aussuchen können.<br />

Offener Wettbewerb sollte von Fördermaßnahmen begleitet werden, um<br />

sicherzustellen, dass alle, auch benachteiligte Gruppen, Zugang zu einem<br />

breiten Angebot haben, dass bessere Informationen über <strong>die</strong> Qualität der<br />

Anbieter <strong>für</strong> potenzielle Auszubildende verfügbar sind und dass unterschiedliche<br />

Kategorien von Anbietern auf einer fairen Grundlage miteinander<br />

konkurrieren können.<br />

d) Kompetenzprognosen sind oftmals unzuverlässig und sollten nicht als<br />

Grundlage <strong>für</strong> <strong>die</strong> zentrale Planung <strong>die</strong>nen. In Zukunft sollte stärker auf<br />

ein an der Nachfrage der Schülerinnen und Schüler orientiertes System gesetzt<br />

werden, das durch das arbeitgeberseitige Angebot an betrieblicher<br />

Ausbildung ausbalanciert wird.<br />

e) Ein breiteres Spektrum von Daten zu Qualität und Ergebnissen von Anbieterseite<br />

sollte entwickelt und verfügbar gemacht werden. Dies wird <strong>die</strong><br />

Ausbildungsplatzwahl und <strong>die</strong> Ausrichtung des Angebots an der Nachfrage<br />

der Auszubildenden unterstützen. Die Daten sollten systematisch in <strong>die</strong><br />

Entscheidungen über Programme und Politikmaßnahmen einfließen. Es<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 169<br />

sollten Anstrengungen zur Schließung der Datenlücken unternommen<br />

werden, u.a. durch Ausweitung der Erhebung Student Outcome Survey.<br />

f) Die begrüßenswerten Reformen, durch <strong>die</strong> <strong>die</strong> Berufsausbildung an den zu<br />

erwerbenden Kompetenzen ausgerichtet wird, müssen nunmehr in konkrete<br />

Aktionen umgemünzt werden, wobei <strong>die</strong> Dauer der Ausbildung flexibilisiert<br />

und <strong>die</strong>s durch ein einheitliches Prüfverfahren unterstützt werden<br />

sollte. Die Kosten und Nutzeffekte der Berufsausbildung sollten analysiert,<br />

Reformen evaluiert und <strong>die</strong> Ergebnisse <strong>für</strong> <strong>die</strong> Politikplanung genutzt<br />

werden. Ferner sollte geprüft werden, wie <strong>die</strong> Auszubildenden zu einem<br />

früheren Zeitpunkt in ihrer Ausbildung in den Produktionsprozess integriert<br />

werden können.<br />

g) Die Ausbildungskonzepte sollten durch einfache und deutlich kürzere<br />

Vorgaben <strong>für</strong> Kompetenzstandards ersetzt werden. Einheitliche Standards<br />

in ganz Australien sollten durch ein einheitliches Prüfverfahren erreicht<br />

werden, mittels dessen sich feststellen lässt, ob <strong>die</strong> nötigen Kompetenzen<br />

erworben wurden.<br />

h) Initiativen, bei denen <strong>die</strong> Ausbilder in Teilzeit bei Berufsbildungsanbietern<br />

und in Teilzeit in den Betrieben arbeiten, sollten gefördert werden. Innovative<br />

Strategien sind nötig, um <strong>die</strong> Zahl und <strong>die</strong> Kompetenzen der <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Anbieter tätigen Lehrkräfte und Ausbilder dauerhaft zu erhalten. Bessere<br />

Daten zu Lehrkräften und Ausbildern in berufsbildenden Einrichtungen<br />

sollten systematisch erhoben, veröffentlicht und zu Planungs- und Evaluierungszwecken<br />

genutzt werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


170 – ANHANG B<br />

Belgien – Flandern<br />

Kis, V. (2010a)<br />

Stärken<br />

• Es gibt zahlreiche Optionen im Bereich der Berufsbildung auf unterschiedlichen<br />

Niveaustufen. Im Rahmen der Erstausbildung im Sekundarbereich<br />

II werden Bildungsgänge in Voll- und Teilzeit angeboten, während im Bereich<br />

der beruflichen Weiterbildung weiterführende Bildungswege sowie<br />

Möglichkeiten des zweiten Bildungswegs in Zentren der Erwachsenenbildung<br />

und in Ausbildungszentren des Flämischen Diensts <strong>für</strong> Arbeitsvermittlung<br />

und Berufsausbildung (VDAB) sowie der Flämischen Agentur<br />

<strong>für</strong> unternehmerische Ausbildung (Syntra Vlaanderen) offenstehen.<br />

• Die durchschnittlichen Ergebnisse der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler<br />

in Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften sind gemäß<br />

den PISA-Erhebungen, in denen Flandern kontinuierlich einen der Spitzenplätze<br />

belegt, im internationalen Vergleich sehr gut.<br />

• Die Verpflichtung zur allgemeinen Schulbildung auf dem Niveau der Sekundarstufe<br />

II ist in <strong>die</strong> Schulpflicht bis zum 18. Lebensjahr eingebettet,<br />

wobei <strong>die</strong> Möglichkeit besteht, ab dem 16. Lebensjahr auf Teilzeitunterricht<br />

zu wechseln.<br />

• Die Politikgestaltung ist ein dynamischer Prozess, wie durch das vor kurzem<br />

veröffentlichte Grünbuch „Qualität und Chancen <strong>für</strong> jeden Schüler“,<br />

<strong>die</strong> „Kompetenzagenda“ und <strong>die</strong> zwischen der Regierung und den Sozialpartnern<br />

geschlossene Vereinbarung „Pakt 2020“ veranschaulicht wird.<br />

Erkenntnisse finden ausführlich in Reformen Eingang.<br />

• Das flämische Berufsbildungssystem widmet der unternehmerischen Ausbildung<br />

durch Syntra Vlaanderen, das flexible Möglichkeiten <strong>für</strong> den Erwerb<br />

unternehmerischer Kompetenzen bietet, lobenswerte Aufmerksamkeit.<br />

Herausforderungen<br />

• Ein Teil der Schülerinnen und Schüler verfügt über lediglich schwache<br />

Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen.<br />

• Die Schülerinnen und Schüler werden in jungem Alter (14 Jahre, wobei<br />

ein institutioneller Übergang im Alter von 12 Jahren erfolgt) in <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Zweige eingeteilt, und <strong>die</strong> Aufstiegsmöglichkeiten zwischen<br />

den Zweigen der Sekundarstufe sind begrenzt.<br />

• Der Anteil der Schulabbrecher ist hoch. 2006 verfügten 12,4% der 18- bis<br />

24-Jährigen über keinen Sekundarschulabschluss und besuchten auch keine<br />

Einrichtung des Sekundarbereichs.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 171<br />

• In einigen Teilen des Berufsbildungssystems wird von der betrieblichen<br />

Ausbildung nur eingeschränkt Gebrauch gemacht, und <strong>die</strong> Wirksamkeit<br />

der Qualitätssicherungsmechanismen <strong>für</strong> <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung variiert<br />

ebenfalls.<br />

• Das Angebot wird von den Präferenzen der <strong>Lernen</strong>den <strong>für</strong> <strong>die</strong> schulbasierte<br />

Berufsbildung dominiert, und Mechanismen zur Berücksichtigung des<br />

Arbeitsmarktbedarfs sind lediglich in begrenztem Maße vorhanden.<br />

• Die Qualität der während der Pflichtschulzeit durchgeführten Bildungsund<br />

Berufsberatung, einschließlich der Zusammenarbeit zwischen den<br />

Schulen und den Berufsberatungszentren <strong>für</strong> Schülerinnen und Schüler,<br />

fällt unterschiedlich aus. Bildungs- und Berufsinformationen sind nicht<br />

aus einer Hand erhältlich.<br />

Empfehlungen<br />

a) Die Kernkomponente der Basiskompetenzen sollte in Bildungsgängen, <strong>die</strong><br />

bislang lediglich begrenzten allgemeinbildenden Unterricht umfassen, gestärkt<br />

werden, insbesondere in den Bereichen BSO (berufliche<br />

Sekundarbildung), DBSO (berufliche Sekundarbildung in Teilzeit) sowie<br />

Syntra-Ausbildungen. Für <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> über <strong>die</strong> Kernkomponente der<br />

Basiskompetenzen hinaus an allgemeinbildendem Unterricht teilnehmen<br />

möchten, sollten entsprechende Möglichkeiten geschaffen werden.<br />

b) Probleme der Schülerinnen und Schüler im Lesen, Schreiben und Rechnen<br />

sollten zu Beginn der beruflichen Bildungsgänge festgestellt werden, und<br />

bei Bedarf sollten <strong>die</strong> Betreffenden gezielte Unterstützung erhalten. Die<br />

Daten und Forschungsarbeiten über <strong>die</strong> Erreichung der Ziele sowie über<br />

<strong>die</strong> Möglichkeiten, <strong>die</strong>se zu realisieren, sollten verbessert werden. Wir begrüßen<br />

<strong>die</strong> laufende stichprobenbasierte standardisierte Beurteilung der<br />

Ziele und empfehlen <strong>die</strong> Ausweitung <strong>die</strong>ses Ansatzes.<br />

c) Die Einteilung der Schülerinnen und Schüler in <strong>die</strong> verschiedenen Zweige<br />

sollte mindestens bis zum Alter von 14 Jahren aufgeschoben werden, und<br />

<strong>die</strong>ser Einteilung sollte ein umfassender Unterricht vorausgehen.<br />

d) Die betriebliche Ausbildung sollte aufrechterhalten und weiterentwickelt<br />

werden. Die Qualität der betrieblichen Ausbildung sollte durch <strong>die</strong> Kontrolle<br />

der Ausbildungsinhalte, <strong>die</strong> Stärkung der Prüfung der Kompetenzen<br />

sowie ein geeignetes Ausbildungsangebot <strong>für</strong> <strong>die</strong> Betreuer der <strong>Lernen</strong>den<br />

gesichert werden.<br />

e) Es sollte gewährleistet werden, dass das Berufsbildungsangebot dem Arbeitsmarktbedarf<br />

stärker Rechnung trägt, indem <strong>die</strong> Verfügbarkeit der betrieblichen<br />

Ausbildung berücksichtigt wird, um den Einfluss der Schülerpräferenzen<br />

in Bezug auf <strong>die</strong> berufliche Bildung im Sekundarbereich II<br />

auszugleichen. Dies sollte durch eine qualitativ hochwertige Bildungs- und<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


172 – ANHANG B<br />

Berufsberatung ergänzt werden. Die Finanzierungsbestandteile, <strong>die</strong> das<br />

Berufsbildungsangebot zu verzerren drohen, sollten reformiert werden.<br />

f) Die Bildungs- und Berufsberatung sollte wie folgt gestärkt und fortentwickelt<br />

werden:<br />

– Es sollte sichergestellt werden, dass <strong>die</strong> Bildungs- und Berufsberatung<br />

von der psychologischen Beratung getrennt wird und nicht darin untergeht.<br />

Die Konzipierung eines separaten Berufs „Bildungs- und Berufsberater“<br />

sollte in Erwägung gezogen werden.<br />

– Es sollte sichergestellt werden, dass <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler<br />

objektiv und unabhängig von den Anbietern der Bildungs- und Ausbildungsprogramme<br />

beraten werden.<br />

– Eine umfassende Website mit Bildungs- und Berufsinformationen <strong>für</strong><br />

alle Bildungs- und Ausbildungsstufen sollte eingerichtet werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 173<br />

Chile<br />

Kis, V., S. Field (2009)<br />

Stärken<br />

Das chilenische Berufsbildungssystem weist eine Anzahl von Stärken auf:<br />

• Es stützt sich auf eine dynamische Wirtschaft, deren BIP-Wachstum in<br />

den vergangenen zwei Jahrzehnten im Durchschnitt 6% betragen hat, auch<br />

wenn Chile dem weltweiten Konjunkturabschwung 2009 nicht entgangen<br />

ist.<br />

• Die Gesellschaft misst Bildung und Ausbildung einen hohen Stellenwert<br />

bei, wobei <strong>die</strong> gesellschaftliche Nachfrage nach Bildung hoch ist und <strong>die</strong><br />

Bildungsteilnahme nach Ende der Pflichtschulzeit rasch zunimmt; <strong>die</strong> Abschlussquoten<br />

im Sekundarbereich II sind von 46% im Jahr 1995 auf 71%<br />

im Jahr 2007 gestiegen (<strong>OECD</strong>, 2009).<br />

• Die Bemühungen zur Verbesserung der Schulqualität zahlen sich möglicherweise<br />

aus: Die Leseleistung der Schülerinnen und Schüler in PISA<br />

hat sich zwischen 2000 und 2006 verbessert (<strong>OECD</strong>, 2007).<br />

• Das Engagement der Regierung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung und Reform des Berufsbildungssystems<br />

wird durch <strong>die</strong> jüngsten Arbeiten der Berufsbildungskommission<br />

und <strong>die</strong> Schaffung des Nationalen Rats <strong>für</strong> Berufsbildung<br />

veranschaulicht.<br />

Herausforderungen<br />

Chile steht u.a. vor folgenden Herausforderungen:<br />

• Die verschiedenen Elemente des Berufsbildungssystems sind nur schwach<br />

miteinander verbunden, sowohl in institutioneller Hinsicht als auch in Bezug<br />

auf <strong>die</strong> Lehrpläne. Die Initiative zur Schaffung eines Qualifikationsrahmens<br />

ist ein begrüßenswerter Versuch, <strong>die</strong>se Herausforderung zu bewältigen,<br />

ihre Umsetzung stößt jedoch auf eine Reihe von Hindernissen.<br />

• Die Kompetenzen im Rechnen, Lesen und Schreiben der 15-Jährigen in<br />

Chile sind nicht so ausgeprägt, wie sie sein sollten, und <strong>die</strong>s dürfte ein<br />

besonderes Problem derjenigen sein, <strong>die</strong> an Berufsbildungsprogrammen<br />

teilnehmen.<br />

• Die betriebliche Ausbildung als Teil der Berufsbildungsprogramme ist<br />

schwach entwickelt. Viele Teilnehmer an Berufsbildungsprogrammen des<br />

Sekundarbereichs II nehmen nicht an der betrieblichen Ausbildung teil,<br />

und <strong>die</strong> Mechanismen zur Qualitätssicherung in <strong>die</strong>sem Bereich sind oftmals<br />

schwach.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


174 – ANHANG B<br />

Empfehlungen<br />

a) Die Arbeitgeber, Gewerkschaften und anderen wichtigen Akteure sollten<br />

bei der Entwicklung und Umsetzung des Qualifikationsrahmens systematisch<br />

einbezogen werden. Dies kann einen schrittweisen Ansatz <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Umsetzung umfassen, um <strong>die</strong> volle Einbindung aller Beteiligten sicherzustellen.<br />

b) Zur Stützung des Qualifikationsrahmens sollte <strong>die</strong> Qualitätssicherung im<br />

gesamten Berufsbildungssystem gestärkt werden, wobei im Tertiärbereich<br />

sichergestellt werden sollte, dass <strong>die</strong> bestehenden Vorkehrungen <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Qualitätssicherung den Besonderheiten der beruflichen Bildung Rechnung<br />

tragen können.<br />

c) Es sollte gewährleistet werden, dass im Rahmen der Berufsbildungsprogramme<br />

ausreichend Raum im Lehrplan sowie ausreichend hohe Lehrqualität<br />

auf <strong>die</strong> Vermittlung allgemeiner fachlicher und sozialer Kompetenzen<br />

verwendet werden.<br />

d) Besondere Schwächen der Teilnehmer an Berufsbildungsprogrammen im<br />

Rechnen, Lesen und Schreiben sollten ermittelt und denjenigen, bei denen<br />

entsprechender Bedarf besteht, sollte gezielte Hilfe angeboten werden.<br />

e) Beginnend mit der Initiative, einen Nationalen Rat zu gründen, sollten<br />

systematische Strukturen <strong>für</strong> Konsultationen zwischen dem Berufsbildungssystem<br />

und den Betrieben geschaffen werden, <strong>die</strong> Konsultationen<br />

auf Branchen- und regionaler Ebene erlauben.<br />

f) Durch den Aufbau von Partnerschaften zwischen den Berufsbildungseinrichtungen<br />

und den Betrieben sollten systematische Bemühungen zur<br />

Förderung der betrieblichen Ausbildung in allen Bereichen des Berufsbildungssystems<br />

unternommen werden, außerdem sollten wirksame Qualitätsstandards<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung festgelegt werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 175<br />

China<br />

Kuczera, M., S. Field (2010)<br />

Stärken<br />

Das chinesische System der beruflichen Bildung in Schulen des<br />

Sekundarbereichs II zeichnet sich durch zahlreiche Stärken aus. Hierzu zählen:<br />

• Der Aufbau eines 9-jährigen Schulsystems, dank dessen nahezu alle Kinder<br />

in China heute <strong>die</strong> Sekundarstufe I abschließen.<br />

• Eine rasch wachsende Anzahl junger Menschen besucht heute ferner <strong>die</strong><br />

Sekundarstufe II - nunmehr etwa drei Viertel der Kohorte, und <strong>die</strong> Zahl<br />

junger Menschen im tertiären Bildungsbereich steigt ebenfalls rasch an.<br />

Im Sekundarbereich II besucht grundsätzlich etwa <strong>die</strong> Hälfte der Kohorte<br />

berufsbildende Schulen – heute über 20 Millionen.<br />

• Ein starkes und einfaches Modell <strong>für</strong> <strong>die</strong> berufliche Bildung im Sekundarbereich<br />

II, das eine Reihe von Fachrichtungen, einen allen Bildungsgängen<br />

zu Grunde liegenden ordentlichen Anteil an allgemeinen Kompetenzen<br />

sowie eine Verpflichtung zur betrieblichen Ausbildung und zu engen Beziehungen<br />

zu den Arbeitgebern umfasst.<br />

• Der Unterricht der Sekundarstufe II ist in der Regel gebührenpflichtig, <strong>die</strong><br />

Regierung hat jedoch eine Reihe von Maßnahmen auf Zentralstaats- wie<br />

auf Provinzebene eingeführt, um zur Überwindung der finanziellen<br />

Hemmnisse beizutragen und sicherzustellen, dass möglichst viele Schülerinnen<br />

und Schüler ihren Schulbesuch fortsetzen; hierzu zählt ein nationales<br />

Beihilfesystem <strong>für</strong> <strong>Lernen</strong>de an berufsbildenden Schulen, <strong>die</strong> 1 500<br />

Yuan Renminbi jährlich erhalten, womit ein Großteil der Gebühren abgedeckt<br />

ist, außerdem gibt es seit 2009 eine Initiative zur Befreiung der <strong>Lernen</strong>den<br />

an berufsbildenden Schulen des Sekundarbereichs II von den Gebühren.<br />

• China verfügt über ein solides System, um sicherzustellen, dass <strong>die</strong> Lehrkräfte<br />

in den berufsbildenden Schulen über <strong>die</strong> Anforderungen moderner<br />

Betriebe auf dem Laufenden sind. Die Lehrkräfte in den berufsbildenden<br />

Schulen müssen jährlich einen Monat oder alle zwei Jahre zwei Monate in<br />

einem Betrieb verbringen. Darüber hinaus beschäftigen viele Schulen eine<br />

Vielzahl von Teilzeitlehrkräften, <strong>die</strong> zugleich in einem Betrieb tätig sind.<br />

Herausforderungen<br />

Betriebliche Ausbildung:<br />

• Die betriebliche Ausbildung wird durch staatliche Subventionen aktiv gefördert,<br />

und der gegenwärtigen Politik zufolge sollte jeder <strong>Lernen</strong>de im<br />

Rahmen seines Bildungsgangs im Sekundarbereich II ein Jahr in der be-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


176 – ANHANG B<br />

trieblichen Ausbildung verbringen. Die Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern<br />

fällt jedoch unterschiedlich aus. Ferner gibt es nur wenige Qualitätsstandards<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung und wenige regionale, branchenspezifische<br />

oder nationale Stellen, um <strong>die</strong> Arbeitgeber einzubeziehen<br />

und sie in das Berufsbildungssystem einzubinden.<br />

Ressourcen und Standards:<br />

• Es gibt zwar einige Vorkehrungen <strong>für</strong> den Finanzausgleich, zum großen<br />

Teil sind <strong>die</strong> Mittel der Schulen jedoch von den Ressourcen der Provinz<br />

und des Kreises/Bezirks abhängig, zu denen sie gehören. Die rasche, aber<br />

ungleichmäßige wirtschaftliche Entwicklung Chinas hat zur Folge, dass<br />

<strong>die</strong> Schulen in einigen ländlichen Gebieten und ärmeren Provinzen unterfinanziert<br />

sind. Es gibt nur wenige klare Mindeststandards <strong>für</strong> <strong>die</strong> berufsbildenden<br />

Schulen in Bezug auf Ausstattung, Lehrkräfte usw. Es gibt zwar<br />

einige nationale Leitlinien, <strong>die</strong>se werden jedoch nur umgesetzt, wenn ausreichende<br />

Mittel zur Verfügung stehen. Zu den wesentlichen Standards<br />

zählen <strong>die</strong> „nationalen Schlüsselschulen“, aber hier<strong>für</strong> scheinen konzeptionell<br />

bedingt Ressourcen erforderlich zu sein, <strong>die</strong> den meisten Schulen<br />

nicht zur Verfügung stehen.<br />

Planung und Koordinierung:<br />

• Die Planung zur Deckung des Arbeitsmarktbedarfs ist unzureichend. Die<br />

Provinzen verwalten einige Schulen unmittelbar durch <strong>die</strong> Bildungskommission,<br />

einige durch andere staatliche Stellen wie das Landwirtschaftsbüro,<br />

während viele Schulen auch auf Bezirks- und Kreisebene verwaltet<br />

werden. Dies führt zu einem enormen Koordinierungsproblem. Auf der<br />

Nachfrageseite fehlen oftmals Daten über den Arbeitsmarktbedarf.<br />

Einige der im Bericht enthaltenen Politikoptionen<br />

Betriebliche Ausbildung:<br />

• Es sollte eine standardisierte Mindestdauer <strong>für</strong> <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung<br />

als Teil der beruflichen Bildung im Sekundarbereich II vorgegeben werden.<br />

• Der Einsatz finanzieller Anreize sollte vor dem Hintergrund der begrenzten<br />

Belege <strong>für</strong> daraus resultierenden Nutzen sorgfältig abgewogen werden.<br />

• Für <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung sollte eine Standardvereinbarung bzw. ein<br />

Standardvertrag konzipiert werden, um <strong>die</strong> Rechte und Pflichten der Auszubildenden<br />

und der ausbildenden Unternehmen festzuhalten.<br />

• In Konsultation mit den Arbeitgebern sollten Standards <strong>für</strong> <strong>die</strong> betriebliche<br />

Ausbildung festgelegt werden.<br />

• Ortsverbände ausbildender Unternehmen sollten dazu ermutigt werden,<br />

Angebote der betrieblichen Ausbildung <strong>für</strong> berufsbildende Schulen zu<br />

verwalten und zu unterstützen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 177<br />

• Es sollten Mechanismen geschaffen werden, um <strong>die</strong> Arbeitgeber auf regionaler<br />

und Branchenebene bei der Angebotsplanung, Ausbildungsplanentwicklung<br />

und Förderung der betrieblichen Ausbildung einzubinden.<br />

Ressourcen und Standards:<br />

• Die Gesamtausgaben <strong>für</strong> Bildung, einschließlich der beruflichen Bildung,<br />

sollten erhöht werden, wie bereits in früheren <strong>OECD</strong>-Prüfungen <strong>für</strong> China<br />

empfohlen wurde.<br />

• In Anbetracht der großen regionalen Unterschiede in Bezug auf <strong>die</strong> verfügbaren<br />

Finanzmittel im Bildungsbereich sollten den ärmsten Gegenden<br />

zusätzliche Mittel zugewiesen werden, um <strong>die</strong> finanziellen Hemmnisse <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Teilnahme an der beruflichen Bildung abzubauen und deren Qualität<br />

zu verbessern. Folgende Mechanismen könnten hierzu einen Beitrag leisten:<br />

– <strong>die</strong> zentrale Zuweisung von Finanzmitteln <strong>für</strong> den Sekundarbereich II<br />

auf Pro-Kopf-Basis, <strong>die</strong> den Landkreisen, in denen das Bildungsangebot<br />

auf Ebene der Sekundarstufe II, einschließlich des Berufsbildungsangebots,<br />

am stärksten eingeschränkt ist und wo <strong>die</strong> Qualität (gemessen<br />

anhand von Lehrerindikatoren wie dem Verhältnis von Schülern zu<br />

Lehrern sowie der Qualifikation der Lehrkräfte) am niedrigsten ist, von<br />

der Zentralregierung unmittelbar zur Verfügung gestellt werden;<br />

– grundsätzlicher betrachtet, <strong>die</strong> Erhöhung des Finanzausgleichs, um eine<br />

stärkere Finanzierungsgrundlage <strong>für</strong> Bildung auf Provinz- und Kreisebene<br />

zu gewährleisten.<br />

• Es sollten anstelle von bzw. zusätzlich zu den Standards der nationalen<br />

Schlüsselschulen Mindestqualitätsstandards <strong>für</strong> Schulen festgelegt werden,<br />

deren Erreichung <strong>für</strong> alle Regionen Chinas und alle Schulen realistisch ist.<br />

Solche Qualitätsstandards könnten mit der Mittelzuweisung verknüpft<br />

werden.<br />

Planung und Koordinierung:<br />

• Es sollte ein Angebot an beruflichen Bildungsgängen geschaffen werden,<br />

das sowohl den Präferenzen der <strong>Lernen</strong>den als auch dem Bedarf der<br />

Arbeitgeber Rechnung trägt.<br />

• Es sollten Planungsvereinbarungen getroffen werden, um das Qualifikationsangebot<br />

in Konsultation mit den Arbeitgebern und unter Berücksichtigung<br />

der Herausforderungen im Informationsbereich zu verwalten.<br />

• Die betriebliche Ausbildung und <strong>die</strong> Bereitschaft der Arbeitgeber, <strong>die</strong>se<br />

anzubieten, sollten als Richtschnur <strong>für</strong> den angemessenen Angebotsmix<br />

<strong>die</strong>nen.<br />

• Die Koordinierung des Berufsbildungsangebots zwischen den verschiedenen<br />

Regierungsebenen und den Berufsbildungsanbietern sollte verbessert<br />

werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


178 – ANHANG B<br />

Deutschland<br />

Hoeckel, K. und R. Schwartz (2010)<br />

Stärken<br />

• Die Berufsbildung ist in Deutschland fest in der Gesellschaft verankert<br />

und genießt hohes Ansehen. Das deutsche Berufsbildungssystem vermittelt<br />

Qualifikationen in einem breiten Spektrum von Berufen und passt sich<br />

flexibel an <strong>die</strong> sich wandelnden Arbeitsmarkterfordernisse an.<br />

• Das duale System ist in Deutschland besonders gut ausgebaut und verbindet<br />

<strong>Lernen</strong> im Betrieb mit <strong>Lernen</strong> in der Schule, um <strong>die</strong> Auszubildenden <strong>für</strong><br />

einen erfolgreichen Übergang in <strong>die</strong> Vollzeitbeschäftigung vorzubereiten.<br />

• Eine der größten Stärken des dualen Systems ist das hohe Maß an aktivem<br />

Engagement der Arbeitgeber und anderen Sozialpartner. Das System ist<br />

aber auch durch ein komplexes Geflecht von Kontrollen und Gegenkontrollen<br />

auf Bundes-, Länder-, Gemeinde- und Betriebsebene gekennzeichnet.<br />

Dadurch wird gewährleistet, dass <strong>die</strong> allgemeineren bildungspolitischen<br />

und wirtschaftlichen Ziele nicht durch kurzfristige Bedürfnisse<br />

seitens der Arbeitgeber verdrängt werden.<br />

• Die Mittelausstattung des Berufsbildungssystems ist insgesamt gut, wobei<br />

sich private und öffentliche Finanzierung ergänzen. Auch während der<br />

Wirtschaftskrise erhielt das Berufsbildungssystem weiter starke finanzielle<br />

Unterstützung und das betriebliche Ausbildungsangebot wurde aufrechterhalten.<br />

• Deutschland verfügt über gut entwickelte und institutionalisierte Forschungskapazitäten<br />

im Bereich der Berufsbildung, u.a. mit dem Bundesinstitut <strong>für</strong><br />

Berufsbildung (BIBB) sowie einem bundesweiten Netz von Forschungszentren,<br />

<strong>die</strong> verschiedene Aspekte des Berufsbildungssystems untersuchen,<br />

um einen kontinuierlichen Innovations- und Verbesserungsprozess<br />

zu unterstützen.<br />

Herausforderungen<br />

• Das Übergangssystem, an dem heute fast genauso viele junge Menschen<br />

teilnehmen wie am dualen System, leidet unter übermäßiger Fragmentierung<br />

und fehlender Transparenz. Trotz der sehr umfangreichen zur Verfügung<br />

gestellten Mittel ist <strong>die</strong> Zahl der Programmteilnehmer, denen es<br />

anschließend gelingt, in das reguläre duale Berufsausbildungssystem überzuwechseln,<br />

zu gering.<br />

• Die Bildungs- und Berufsberatung scheint sich von Bundesland zu Bundesland<br />

stark zu unterscheiden und es gibt keine allein zuständige Stelle, <strong>die</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Erbringung qualitativ hochwertiger Informations- und Beratungs<strong>die</strong>nste<br />

<strong>für</strong> alle Schülerinnen und Schüler verantwortlich wäre.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 179<br />

• Manche Schülerinnen und Schüler verfügen nach Abschluss der Pflichtschulzeit<br />

nur über unzureichende allgemeine Basiskompetenzen. Die derzeitige<br />

Organisation des Berufsbildungssystems ermöglicht es nicht, festzustellen,<br />

ob solche Probleme bestehen, bzw. sie gegebenenfalls zu beheben.<br />

• Die Beurteilung der Schülerinnen und Schüler im dualen System nach<br />

Abschluss ihrer Berufsausbildung erfolgt in erster Linie über <strong>die</strong> Kammerprüfung.<br />

Da ihre in den Berufsschulen erbrachte Leistung in den Kammerprüfungen<br />

nicht berücksichtigt wird, kann es sein, dass <strong>die</strong> Schülerinnen<br />

und Schüler den Berufsschulunterricht vernachlässigen, was sich negativ<br />

auf ihre Fähigkeit auswirken kann, später erfolgreich an einem tertiären<br />

Bildungsgang teilzunehmen.<br />

• In Deutschland wurden zwar in jüngster Zeit neue Möglichkeiten eröffnet, um<br />

von beruflichen Bildungsgängen des Sekundarbereichs II in <strong>die</strong> Tertiärbildung<br />

überzuwechseln, <strong>die</strong>se Möglichkeiten wurden bislang aber nur<br />

von sehr wenigen Berufsausbildungsabsolventen genutzt.<br />

• Eine wichtige Herausforderung ergibt sich aus den infolge der sinkenden<br />

Geburtenraten kleiner werdenden Jahrgangskohorten.<br />

Empfehlungen<br />

a) In jedem Bundesland sollte ein Koordinierungsausschuss <strong>für</strong> das Übergangssystem<br />

eingerichtet werden, um <strong>die</strong> Zusammenarbeit zwischen den<br />

verschiedenen Akteuren zu verbessern und <strong>die</strong> Übergangsangebote transparenter<br />

zu gestalten. Es sollte eine Prüfung der Kosteneffizienz der einzelnen<br />

Übergangsmaßnahmen erfolgen und <strong>die</strong> vielversprechendsten Initiativen<br />

sollten bundesweit eingeführt werden.<br />

b) Das Berufsberatungssystem sollte dahingehend reformiert werden, dass<br />

alle Schülerinnen und Schüler eine sachlich fun<strong>die</strong>rte Beratung erhalten.<br />

Die federführende Verantwortung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsinformation und -beratung<br />

sollte einer einzigen staatlichen Stelle übertragen werden. Auf längere<br />

Sicht sollte eine strukturelle Reform des dualen Systems in Erwägung gezogen<br />

werden, um <strong>die</strong> erfolgreiche Berufswahl zu erleichtern.<br />

c) Die Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen aller Schülerinnen und Schüler,<br />

<strong>die</strong> in das Übergangssystem eintreten, sowie aller Schülerinnen und<br />

Schüler ohne Realschul- oder Gymnasialabschluss, <strong>die</strong> eine qualifizierende<br />

Berufsausbildung beginnen, sollten einer Prüfung unterzogen werden. Schülerinnen<br />

und Schüler, bei denen Lücken festgestellt werden, sollten explizit<br />

Unterricht in <strong>die</strong>sen Basiskompetenzen erhalten. In den Berufsschulen<br />

sollte mehr Wert auf <strong>die</strong> Allgemeinbildung und <strong>die</strong> Entwicklung allgemeiner<br />

Kompetenzen gelegt werden.<br />

d) Es sollte vorgeschrieben werden, dass <strong>die</strong> in der Berufsschule erzielten<br />

Abschlussnoten auch im Kammerzeugnis vermerkt werden und <strong>die</strong><br />

Abschlussprüfung der Berufsschulen sollte eine explizite Beurteilung der<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


180 – ANHANG B<br />

Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen beinhalten. Auf längere Sicht<br />

sollte <strong>die</strong> Prüfung der Kammern mit der Abschlussprüfung der Berufsschulen<br />

zusammengelegt werden. Durch einen integrierten Beurteilungsprozess sollte<br />

<strong>die</strong> Zusammenarbeit zwischen Schulen und Arbeitgebern gestärkt werden.<br />

e) Der Zugang zur Tertiärbildung sollte weiter erleichtert und es sollte gegen<br />

<strong>die</strong> von den Betroffenen wahrgenommenen Zugangsbarrieren vorgegangen<br />

werden. Für Personen mit weniger akademisch ausgerichteter Ausbildung,<br />

<strong>die</strong> eine Hochschule besuchen möchten, sollten geeignete Beratungs-,<br />

Einführungs- sowie finanzielle Unterstützungsmaßnahmen entwickelt<br />

werden. Es sollten duale Stu<strong>die</strong>ngänge und duale Programme an regulären<br />

Hochschulen sowie flexiblere Teilzeitstu<strong>die</strong>nmöglichkeiten gefördert und<br />

<strong>die</strong> Anerkennung bereits erworbener Kompetenzen und Berufserfahrungen<br />

erleichtert werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 181<br />

England und Wales<br />

Hoeckel, K. et al. (2009)<br />

Stärken<br />

• England und Wales haben sich zu einer schrittweisen Anhebung des<br />

Niveaus der arbeitsplatzrelevanten Kompetenzen verpflichtet.<br />

• Für <strong>die</strong>se Aufgabe wurden umfangreiche Ressourcen bereitgestellt.<br />

• Die bewussten Anstrengungen zur Einbeziehung der Arbeitgeber sind<br />

begrüßenswert.<br />

• Die Gestaltung der Berufsbildungspolitik in England und Wales versteht<br />

sich als dynamisch und innovativ.<br />

• Das System ist flexibel und ermöglicht den Arbeitgebern maßgeschneiderte<br />

Ausbildungslösungen.<br />

Herausforderungen<br />

• Was <strong>die</strong> Einbeziehung der Arbeitgeber genau beinhaltet, ist unklar.<br />

• Wenige Länder haben eine starke Einbeziehung der Arbeitgeber ohne ein<br />

genauso starkes System der betrieblichen Ausbildung erreicht; in England<br />

und Wales ist <strong>die</strong>ses System immer noch lückenhaft.<br />

• Trotz der erklärten Absicht der Regierung, <strong>die</strong> Initiative <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsbildung<br />

größtenteils von den Arbeitgebern ausgehen zu lassen, bedarf es zur<br />

Erreichung der im Leitch-Bericht identifizierten Ziele einer sehr starken<br />

Führungsrolle der Regierung.<br />

• Die Politikstrukturen sind sowohl komplexer als auch instabiler als in den<br />

meisten anderen <strong>OECD</strong>-Ländern, was <strong>die</strong> Einbeziehung der Arbeitgeber<br />

behindert.<br />

• Ein nachfrageorientiertes System könnte zu mehr Wettbewerb zwischen<br />

den Anbietern führen. Die Versuche zur Öffnung des Markts waren jedoch<br />

zögerlich, und ihre Effekte sind ungewiss.<br />

• Auch wenn eine umfangreiche Grundlage an Daten und Analysen existiert,<br />

ist <strong>die</strong>se nach wie vor fragmentiert, wobei internationalen Erfahrungen<br />

nicht genügend Aufmerksamkeit gilt.<br />

• Der derzeitige starke Konjunkturabschwung ist <strong>für</strong> das Berufsbildungssystem<br />

mit einer Reihe von Belastungen verbunden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


182 – ANHANG B<br />

Empfehlungen<br />

a) Die Prioritäten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Einbeziehung der Arbeitgeber sollten klar definiert<br />

sein, und <strong>die</strong> zuständigen staatlichen Stellen in England und Wales sollten<br />

darlegen, warum sie sich um <strong>die</strong>se Einbeziehung bemühen. Das Datenmaterial<br />

über <strong>die</strong> Einbeziehung der Arbeitgeber sollte weiterentwickelt<br />

werden. Einzelerhebungen sollten soweit möglich zusammengefasst und<br />

koordiniert werden.<br />

b) Angesichts der Tatsache, dass <strong>die</strong> Komplexität und <strong>die</strong> Unbeständigkeit<br />

des Berufsbildungssystems <strong>die</strong> Einbeziehung der Arbeitgeber behindern,<br />

sollten <strong>die</strong> institutionellen Vorkehrungen des Berufsbildungssystems vereinfacht<br />

und stabilisiert werden. Diesbezüglich begrüßen und unterstützen<br />

wir <strong>die</strong> Vorschläge der UK Commission for Employment and Skills<br />

(UKCES). Diese Vorschläge müssen gestärkt und weiterentwickelt werden.<br />

c) Als eine Möglichkeit, um <strong>die</strong> Arbeitgeber einzubeziehen und so <strong>die</strong> im<br />

Leitch-Bericht identifizierten Kompetenzziele zu erreichen, sollten <strong>die</strong> zuständigen<br />

staatlichen Stellen in England und Wales Maßnahmen wie z.B.<br />

Vorkehrungen zur Reduzierung der Ausbildungskosten, <strong>die</strong> Erarbeitung<br />

einer solideren Evidenzbasis, um <strong>die</strong> Unterstützung des Berufsbildungssystems<br />

durch <strong>die</strong> Arbeitgeber zu fördern, und möglicherweise auch den<br />

Einsatz von gesetzlichen Auflagen wie Ausbildungsabgaben untersuchen.<br />

d) Versuche zur Förderung der Einbeziehung der Arbeitgeber in England und<br />

Wales sollten eng mit der Entwicklung des Ausbildungssystems verknüpft<br />

werden.<br />

e) Die zuständigen staatlichen Stellen in England und Wales sollten bei der<br />

Ausweitung des Markts <strong>für</strong> das Berufsbildungsangebot frühere Erfahrungen,<br />

namentlich internationale Erfahrungen, berücksichtigen. Insbesondere<br />

benötigen <strong>die</strong> Nutzer gute Informationen über <strong>die</strong> Qualität verschiedener<br />

Programme und Einrichtungen.<br />

f) England und Wales sollten <strong>die</strong> Berücksichtigung der internationalen Evidenz<br />

in ihrem Politikgestaltungsprozess stärker zur Regel machen. Es sollte<br />

<strong>die</strong> Gründung eines nationalen Berufsbildungsinstituts in Betracht gezogen<br />

werden, das <strong>die</strong> Aufsicht über Forschung und Analyse im Bereich<br />

der Berufsbildung führt.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 183<br />

Irland<br />

Kis, V. (2010b)<br />

Stärken<br />

Das irische Berufsbildungssystem weist eine Reihe von Stärken auf:<br />

• Es besteht ein gutes Angebot an unterschiedlichen postsekundären Berufsbildungsgängen,<br />

<strong>die</strong> auf ein breites Spektrum verschiedener Zielgruppen<br />

ausgerichtet sind, auch auf Erwerbstätige, Arbeitslose und Teilnehmer des<br />

zweiten Bildungswegs.<br />

• Der nationale Qualifikationsrahmen ist umfassend, er erstreckt sich sowohl<br />

auf berufliche als auch auf allgemeinbildende Qualifikationen und ist Ausdruck<br />

eines entschlossenen Engagements, Bildungssackgassen zu vermeiden<br />

und Möglichkeiten <strong>für</strong> <strong>die</strong> berufliche Weiterentwicklung zu schaffen.<br />

• Die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern ist fest etabliert und findet<br />

auf den jeweils geeignetsten Ebenen statt.<br />

• Das Berufsausbildungssystem ist gut strukturiert und verbindet systematisch<br />

betriebliche mit schulischen Elementen.<br />

• Auf höherer Ebene herrscht eine gute Zusammenarbeit zwischen den beiden<br />

zuständigen Ministerien, wobei es kaum zu Rivalitäten kommt. Die<br />

National Skills Strategy sorgt da<strong>für</strong>, dass gemeinsame Ziele verfolgt werden.<br />

• Es existieren einige innovative Initiativen, um <strong>die</strong> Arbeitgeber durch einen<br />

Bottom-up-Ansatz in das Berufsbildungsangebot einzubeziehen, darunter<br />

Skillnets, eine Initiative, <strong>die</strong> große Unterstützung seitens der Arbeitgeber<br />

findet.<br />

Herausforderungen<br />

• Durch <strong>die</strong> derzeitige Wirtschaftskrise wird das System stark beansprucht,<br />

das Bildung und Ausbildung <strong>für</strong> eine deutlich wachsende Zahl an Personen<br />

gewährleisten muss, wobei insbesondere das Berufsausbildungssystem<br />

vor ernsten Herausforderungen steht.<br />

• Berufsausbildungen werden nur <strong>für</strong> eine begrenzte Zahl von Berufen angeboten.<br />

Die Ausbildung am Arbeitsplatz kommt in vielen Berufsbildungsprogrammen<br />

nicht hinreichend zum Tragen.<br />

• Vielen Betreuern von Berufsbildungsteilnehmern, insbesondere in Betrieben,<br />

fehlt es an pädagogischer Ausbildung.<br />

• Unzureichende Rechen-, Lese- und Schreibkompetenzen stellen <strong>für</strong> viele<br />

<strong>Lernen</strong>de ein ernstes Problem dar, das häufig nicht rechtzeitig erkannt<br />

bzw. auf das nicht angemessen eingegangen wird.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


184 – ANHANG B<br />

• FÁS (Foras Áiseanna Saothair), <strong>die</strong> nationale Ausbildungs- und Beschäftigungsbehörde<br />

Irlands, ist eine große Organisation, <strong>die</strong> vielfältige Aufträge<br />

erfüllt. Allerdings fehlt es an Evaluierungen und Daten, um ihre Effizienz<br />

und Effektivität zu bewerten.<br />

• Die Daten über <strong>die</strong> Arbeitsmarktergebnisse sind unzusammenhängend,<br />

und <strong>die</strong> Forschung im Bereich der Berufsbildung ist begrenzt. Es liegt keine<br />

systematische Evaluierung des breiten Spektrums an Berufsbildungsgängen<br />

vor.<br />

• Die Berufsberatungs<strong>die</strong>nste sind fragmentiert und stützen sich nur in<br />

geringem Umfang auf Informationen über Arbeitsmarktmöglichkeiten.<br />

Empfehlungen<br />

a) Das Ausbildungssystem sollte überprüft werden, um seine Fairness und<br />

Effizienz im Hinblick auf <strong>die</strong> Vermittlung der am Arbeitsmarkt benötigten<br />

Kompetenzen zu verbessern. Die Ausbildung im Betrieb sollte in sämtlichen<br />

Berufsbildungsprogrammen eine große Rolle spielen, wobei auf das<br />

existierende Angebot und <strong>die</strong> Erfahrung mit Berufsausbildungen aufgebaut<br />

werden sollte.<br />

b) Es sollte auf <strong>die</strong> Wirtschaftskrise reagiert werden, wozu es gilt, bereits<br />

bestehende Maßnahmen anzupassen und zu verstärken.<br />

– Entlassenen Auszubildenden sollte eine differenzierte Unterstützung je<br />

nach Art ihrer Tätigkeit und Länge der bereits absolvierten Ausbildung<br />

angeboten werden.<br />

– Das Employer Based Redundant Apprentice Rotation Scheme sollte<br />

umgehend mit dem Ziel geprüft werden, <strong>die</strong> fraglichen Mittel kosteneffizienteren<br />

allgemeinen Maßnahmen zur Unterstützung entlassener<br />

Auszubildender zukommen zu lassen.<br />

– Es sollten Maßnahmen in Erwägung gezogen werden, um junge<br />

Menschen in Bildungs- und Ausbildungsgängen zu halten, in denen der<br />

Nutzen höher ist als <strong>die</strong> Kosten.<br />

– Bildungs- und Ausbildungsprogramme <strong>für</strong> Erwachsene sollten sorgsam<br />

auf deren besonderen Kompetenzbedarf sowie auf <strong>die</strong> Arbeitsmarkterfordernisse<br />

abgestimmt werden.<br />

c) Es sollte eine Prüfung der Ausbildungs<strong>die</strong>nste der FÁS durchgeführt werden,<br />

um <strong>die</strong> Mechanismen der Rechenschaftslegung und der Qualitätsverbesserung<br />

zu optimieren. Dies wäre mit einer Verbesserung der Qualität<br />

der Daten und der Evaluierungen sowie Konsultationen mit den<br />

Arbeitgebern verbunden.<br />

d) Probleme beim Rechnen, Lesen oder Schreiben bei Personen, <strong>die</strong> mit den<br />

Ausbildungs<strong>die</strong>nsten in Kontakt kommen, sollten systematisch identifi-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 185<br />

ziert werden, und denjenigen, <strong>die</strong> Hilfe benötigen, sollte eine Förderung<br />

der Basiskompetenzen angeboten werden.<br />

e) Als Mittel zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Berufsbildungskräfte<br />

sollte sichergestellt werden, dass alle Lehrer und Ausbilder pädagogisch<br />

geschult sind, wobei längerfristig darauf abgezielt werden sollte, dass auch<br />

den Betreuern von Berufsbildungsteilnehmern (z.B. Auszubildenden und<br />

Praktikanten) in Betrieben eine pädagogische Schulung angeboten wird.<br />

Darüber hinaus sollte <strong>die</strong> Konvergenz der Qualifikationsanforderungen <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Lehrtätigkeit in verschiedenen Sektoren des Berufsbildungssystems<br />

gefördert werden.<br />

f) Es gilt, ein Instrument zur Beobachtung der Entwicklung der Schüler im<br />

Bildungs- und Ausbildungssystem zu schaffen, <strong>die</strong> Berufsbildungsgänge<br />

regelmäßig zu evaluieren und wirtschaftliche Analysen durchzuführen,<br />

wie z.B. Kosten-Nutzen-Analysen von Berufsausbildungen. Auch sollte<br />

mehr Forschung im Bereich der Berufsbildung gefördert werden. Des<br />

Weiteren sollte ein umfassendes Webportal mit Informationen zur Berufsorientierung<br />

eingerichtet werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


186 – ANHANG B<br />

Korea<br />

Kuczera, M., V. Kis und G. Wurzburg (2009)<br />

Stärken<br />

• Das Bildungsniveau der jungen Bevölkerung ist sehr hoch: 97% der 25-<br />

bis 34-Jährigen haben Sekundarstufe II abgeschlossen und 53% verfügen<br />

über tertiäre Bildung.<br />

• Bildung wird in allen Bereichen der koreanischen Gesellschaft sehr geschätzt.<br />

• Die 15-Jährigen erzielen sehr gute Leistungen in Mathematik, Lesekompetenz<br />

und Naturwissenschaften, wie <strong>die</strong> PISA-Ergebnisse belegen.<br />

• Der Staat macht es sich zum Anliegen, <strong>die</strong> Mitwirkung der Arbeitgeber an<br />

der Entwicklung und Umsetzung der Berufsbildungspolitik zu erhöhen,<br />

wie sich an den jüngst eingerichteten „Sector Councils“ (Berufsbildungsausschüssen<br />

auf Branchenebene) und Meisterschulen zeigt.<br />

• Die tertiäre Berufsbildung ist gut entwickelt. Etwa 32% der Stu<strong>die</strong>renden<br />

im Tertiärbereich sind in Junior Colleges und Polytechnic Colleges eingeschrieben.<br />

Herausforderungen<br />

• Die Berufsbildungseinrichtungen sehen sich selbst oft als weitgehend akademisch<br />

orientiert, sollen aber sofort einsatzfähige Arbeitskräfte <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Wirtschaft heranbilden, was ein Problem darstellt.<br />

• Partnerschaften zwischen Bildungseinrichtungen und Industrie werden in<br />

der Regel eingegangen, um dem Bedarf der lokalen Unternehmen gerecht<br />

zu werden und weniger um allgemeine berufsbezogene und übertragbare<br />

Kompetenzen zu vermitteln. Abgesehen von solchen lokalen Initiativen<br />

engagieren sich <strong>die</strong> Arbeitgeber wenig in der beruflichen Erstausbildung.<br />

• Trotz der vom Ministerium <strong>für</strong> Bildung, Wissenschaft und Technologie<br />

vorgegebenen allgemeinen Leitlinien entwickeln <strong>die</strong> einzelnen Berufsbildungseinrichtungen<br />

in der Regel ihre eigenen Lehrpläne, um <strong>die</strong> den Anforderungen<br />

des Arbeitsmarkts entsprechenden Kenntnisse zu vermitteln.<br />

Dies bedeutet Doppelarbeit.<br />

• In den Berufsbildungsgängen ist nicht systematisch eine Unterweisung am<br />

Arbeitsplatz vorgesehen, und <strong>die</strong> Qualitätsanforderungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> betriebliche<br />

Ausbildung sind niedrig.<br />

• Berufsausbilder sind theoretisch und pädagogisch gut vorbereitet, oft fehlt<br />

ihnen jedoch praktische Arbeitserfahrung in ihrem Bereich.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 187<br />

• Die Koordinierung unter den <strong>für</strong> Berufsbildung zuständigen Ministerien<br />

ist unzureichend.<br />

• Die Berufsbildungsabschlüsse der Bildungseinrichtungen des Sekundarbereichs<br />

II und der Junior Colleges sind nicht immer auf <strong>die</strong> sogenannten<br />

National Technical Qualifications (und <strong>die</strong> ihnen zu Grunde liegenden<br />

technischen Standards) abgestimmt.<br />

Empfehlungen<br />

a) Es sollte ein institutioneller Rahmen zur Verbesserung der Mitwirkung der<br />

Wirtschaft an der Berufsbildung geschaffen werden. In <strong>die</strong>sem Rahmen<br />

sollten ständige Ausschüsse Akteure aus der Wirtschaft auf allen Ebenen<br />

in <strong>die</strong> Entwicklung und Umsetzung der Berufsbildung einbeziehen. Alle<br />

relevanten Ministerien sollten in <strong>die</strong>sen Organen vertreten sein.<br />

b) Das Angebot, <strong>die</strong> Qualität und <strong>die</strong> Relevanz der beruflichen Erstausbildung<br />

sollten verbessert werden, wozu <strong>die</strong> Anreize <strong>für</strong> Partnerschaften zwischen<br />

Berufsbildungseinrichtungen und Unternehmen verstärkt und Qualitätsstandards<br />

entwickelt und umgesetzt werden sollten.<br />

c) Es sollte darauf hingewirkt werden, dass neu eingestellte Ausbilder und<br />

Lehrkräfte in Berufsbildungseinrichtungen, insbesondere im Sekundarbereich,<br />

über Praxiserfahrung verfügen. Alle Berufsbildungseinrichtungen<br />

sollten dazu verpflichtet werden, sicherzustellen, dass ihre Lehrkräfte regelmäßig<br />

ihre beruflichen Kompetenzen, einschließlich ihrer Kenntnisse über<br />

Technologien und Arbeitsabläufe, auffrischen.<br />

d) Der berufsbezogene Teil des Lehrplans der Berufsbildungseinrichtungen<br />

sollte sich auf qualitativ anspruchsvolle nationale technische Standards<br />

stützen, <strong>die</strong> den Erfordernissen der jeweiligen Branche entsprechen oder<br />

zumindest an sie angepasst werden. Die Schülerinnen und Schüler sollten<br />

zwei Abschlüsse erwerben können: einen Abschluss von einer Berufsbildungseinrichtung<br />

und einen technischen Abschluss auf Basis der staatlichen<br />

Eignungsprüfung <strong>für</strong> <strong>die</strong> National Technical Qualifications (NTO).<br />

Angesichts der uneinheitlichen Belege zur Effektivität der derzeitigen<br />

NTO sollten <strong>die</strong>se durch das Arbeitsministerium evaluiert (und sofern<br />

notwendig reformiert) werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


188 – ANHANG B<br />

Mexiko<br />

Kis, V., K. Hoeckel und P. Santiago (2009)<br />

Stärken<br />

• Mexikos Wille, sich den Herausforderungen der Berufsbildung zu stellen,<br />

spiegelt sich in zahlreichen jüngeren Initiativen wider, wie der Reform des<br />

technischen Abiturs (bachillerato tecnològico) und der Schaffung von Zuschüssen<br />

<strong>für</strong> Praktika (becas de pasantìa).<br />

• In Mexiko spielt <strong>die</strong> Berufsbildung eine wichtige Rolle, indem sie Lernmöglichkeiten<br />

<strong>für</strong> Schülerinnen und Schüler bietet, bei denen <strong>die</strong> Gefahr<br />

des Ausbildungsabbruchs besteht. Verschiedene Initiativen, wie <strong>die</strong> „mobilen<br />

Ausbildungseinheiten“ (unidades mòviles), erreichen <strong>Lernen</strong>de in<br />

abgelegenen Regionen mit eingeschränkten Lernmöglichkeiten.<br />

• In manchen Bereichen und Subsystemen der Berufsbildung auf Sekundarstufe-II-Niveau<br />

verfügt Mexiko durch das Arbeitsmarkt-Beobachtungszentrum<br />

(Observatorio Laboral) über hervorragende Daten zu den<br />

Arbeitsmarktergebnissen der Berufsbildungsabsolventen.<br />

• Es wurden ermutigende Maßnahmen ergriffen, um <strong>die</strong> Berufsbildung in<br />

den umfassenderen Rahmen des lebenslangen <strong>Lernen</strong>s zu integrieren,<br />

darunter <strong>die</strong> Abschaffung von Bildungsgängen ohne Zukunft (z.B. durch<br />

<strong>die</strong> Einführung des Abiturs im Rahmen von CONALEP) und jüngste<br />

Reformen zur Erleichterung der Mobilität innerhalb des Bildungssystems.<br />

• Es gibt einige hervorragende Beispiele <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zusammenarbeit zwischen<br />

Berufsbildungseinrichtungen und Arbeitgebern, wie das Playa-del-Carmen-<br />

Projekt.<br />

• Viele Berufsbildungslehrkräfte und -ausbilder besitzen auf ihrem Gebiet<br />

Arbeitserfahrung und arbeiten oft auf Teilzeitbasis weiter in Unternehmen,<br />

was dazu beitragen dürfte, ihre beruflichen Kompetenzen auf dem neuesten<br />

Stand zu halten.<br />

Herausforderungen<br />

• Effektive Koordinierung und Kohärenz innerhalb der Berufsbildung auf<br />

Sekundarstufe-II-Niveau bleiben eine Herausforderung. Auf <strong>die</strong>sem<br />

Niveau verfolgen <strong>die</strong> Subsysteme der Berufsbildung manchmal unterschiedliche<br />

Interessen, was <strong>die</strong> effektive Politikentwicklung behindert.<br />

• Die Verbindungen zwischen dem Berufsbildungssystem und den Arbeitgebern<br />

sind relativ schwach ausgeprägt, was durch das geringe Engagement<br />

der Arbeitgeber bei der Entwicklung der Berufsbildungspolitik<br />

belegt wird.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 189<br />

• Die Berufsbildungsqualifikationen werden nicht regelmäßig aktualisiert<br />

und sind auf dem Arbeitsmarkt nur eingeschränkt anerkannt.<br />

• Die pädagogische Vorbereitung einiger Berufsbildungslehrer und -ausbilder<br />

ist unzureichend.<br />

• Es gibt erhebliche Unterschiede sowohl hinsichtlich der Quantität als auch<br />

in Bezug auf <strong>die</strong> Qualität der betrieblichen Ausbildung <strong>für</strong> Berufsbildungsteilnehmer.<br />

• Es bestehen Schwächen bei der Verfügbarkeit und Verwendung von Daten<br />

zum Zweck der Politikgestaltung und zur Information der verschiedenen<br />

Interessengruppen.<br />

Empfehlungen<br />

a) Die Konsultationsmechanismen zwischen Arbeitgebern und Berufsbildung<br />

auf Sekundarstufe II sollten in einen einheitlichen kohärenten Komplex<br />

von konsultativen Regelungen integriert werden. Alle Subsysteme sollten<br />

in <strong>die</strong>sen Rahmen eingebettet sein, um einen kooperativen Ansatz bei der<br />

Politikentwicklung zu fördern.<br />

b) Als langfristiges strategisches Ziel sollten Qualitätsstandards <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausbildung<br />

am Arbeitsplatz sowie ein Ausbildungsvertrag geschaffen werden,<br />

um <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung auszubauen und ihre Qualität zu erhöhen.<br />

c) Es sollte sichergestellt werden, dass Berufsbildungslehrer und -ausbilder<br />

vor oder kurz nach Berufseintritt pädagogisch geschult werden und dass<br />

auch <strong>die</strong> Betreuer der Auszubildenden im Unternehmen Schulungen erhalten.<br />

Um <strong>die</strong> Berufsbildungskompetenzen der in <strong>die</strong>sem Bereich tätigen<br />

Arbeitskräfte zu verbessern, sollte einschlägige Arbeitserfahrung zu einer<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> Ausbilder gemacht werden, während <strong>die</strong> Schulen verpflichtet<br />

werden sollten, Strategien zu entwickeln, um <strong>die</strong> Kompetenzen<br />

der Lehrkräfte und Ausbilder auf dem jeweils neuesten Stand zu halten.<br />

d) Möglichkeiten zur Entwicklung eines nationalen Qualifikationsrahmens<br />

der Berufsbildung sollten ausgelotet werden.<br />

e) Die Datenlage zum Arbeitsmarktbedarf und zu den Arbeitsmarktergebnissen<br />

der Berufsbildung sollte verbessert werden. Kapazitäten zur Politikgestaltung<br />

und zur Information der Akteure sollten entwickelt, und <strong>die</strong> Bildungs-<br />

und Berufsberatung <strong>für</strong> zukünftige und derzeitige Berufsbildungsteilnehmer<br />

sollte verbessert werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


190 – ANHANG B<br />

Norwegen<br />

Kuczera, M. et al. (2008a)<br />

Stärken<br />

Norwegen besitzt ein gut entwickeltes Berufsbildungssystem auf Sekundarstufe-II-Niveau,<br />

das mit der klassischen dualen Ausbildung verbunden ist,<br />

<strong>die</strong> bei den verschiedenen Interessengruppen sehr viel Vertrauen genießt. Insbesondere<br />

ist festzuhalten:<br />

• Es gibt eine starke Zusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaft und Gewerkschaften<br />

auf Landes-, Kreis- und Branchenebene.<br />

• Das Berufsbildungssystem genießt bei allen Beteiligten hohes Vertrauen.<br />

• Im internationalen Vergleich ist das System relativ inklusiv, und den Berufsbildungszweigen<br />

der Sekundarstufe II haftet kein wesentliches Stigma<br />

an.<br />

• Angesichts der derzeit außerordentlich angespannten Arbeitsmarktlage<br />

sind <strong>die</strong> Arbeitgeber sehr daran interessiert, Auszubildende zu gewinnen.<br />

• Die Grundqualifikationen der Erwachsenenbevölkerung sind im internationalen<br />

Vergleich (IALS, ALLS) hoch.<br />

Herausforderungen<br />

• Die Schülerpräferenzen können <strong>die</strong> rasche Anpassungsfähigkeit der Berufsbildung<br />

an Arbeitsmarktentwicklungen einschränken.<br />

• Ausbildungsabbrüche sind ein Problem.<br />

• Die Alterung der an Schulen beschäftigten Ausbilder macht es schwierig,<br />

schnell genug neue Ausbilder einzustellen, um <strong>die</strong> ausscheidenden Kräfte<br />

zu ersetzen.<br />

• Die Qualitätssicherungsmechanismen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsbildung sind unzureichend.<br />

• Für unternehmensbasierte Ausbilder und Berufsberater sind keine bestimmten<br />

Qualifikationsnachweise vorgeschrieben.<br />

• Die verfügbaren Daten werden nicht ausreichend ausgewertet, und der<br />

Datenbestand weist Lücken auf, <strong>die</strong> es zu füllen gilt.<br />

• Die Ergebnisse der PISA-Stu<strong>die</strong> deuten darauf hin, dass <strong>die</strong> Basiskompetenzen<br />

der Schülerinnen und Schüler beim Eintritt in das Berufsbildungssystem<br />

relativ schwach sind.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 191<br />

Empfehlungen<br />

a) Um <strong>die</strong> Übereinstimmung zwischen Berufsbildungsangebot und Arbeitsmarktbedarf<br />

zu verbessern, sollten <strong>die</strong> Schülerpräferenzen besser geleitet<br />

und kanalisiert werden. Die Planung des Berufsbildungsangebots sollte <strong>die</strong><br />

Verfügbarkeit von Ausbildungsplätzen berücksichtigen. Die Landkreise<br />

sollten Programme einschränken, in denen nur wenige Ausbildungsplätze<br />

angeboten werden. Die Schülerinnen und Schüler sollten eine qualitativ<br />

hochwertige Bildungs- und Berufsberatung auf den Sekundarstufen I und<br />

II von gut ausgebildeten Mitarbeitern erhalten.<br />

b) Gegen Schul- bzw. Ausbildungsabbruch sollte vermehrt auf der Ebene des<br />

Vorschul- und Schulsystems eingegriffen werden, um <strong>die</strong>jenigen zu unterstützen,<br />

bei denen ein Abbruch droht. Die Flexibilität des Systems sollte<br />

genutzt werden, um Auszubildende in der Schule zu halten, und gleichzeitig<br />

sollten Initiativen vermieden werden, <strong>die</strong> Ungleichheit fördern könnten.<br />

Es sollten bessere Daten zum Bildungsweg der <strong>Lernen</strong>den und zu den<br />

Arbeitsmarktergebnissen der Abbrecher gesammelt werden.<br />

c) Die norwegischen Arbeitgeber erhalten relativ umfangreiche Fördermittel<br />

zur Betreuung von Auszubildenden. Es sollten Maßnahmen ergriffen werden,<br />

um sicherzustellen, dass <strong>die</strong> Qualität der angebotenen Ausbildung<br />

dementsprechend gut ist. Eine systematische Untersuchung von Kosten,<br />

Nutzen und Qualität der dualen Ausbildungsgänge sollte vorgenommen<br />

werden.<br />

d) Die Einführung der Knowledge Promotion Reform bietet eine nützliche<br />

Gelegenheit, um <strong>die</strong> Beurteilungsverfahren zu verstärken. Eine standardisierte<br />

nationale Beurteilung der praktischen Kompetenzen der Auszubildenden<br />

sollte eingeführt werden.<br />

e) Die Betreuer und Ausbilder am Arbeitsplatz sollten zur Teilnahme an<br />

Ausbildungsmaßnahmen verpflichtet werden.<br />

f) Die Datenlage und <strong>die</strong> Analysen zur Berufsbildung sollten verbessert und<br />

regelmäßiger zur Erarbeitung der Politiken und zur Berufsberatung verwendet<br />

werden. Der Aufbau eines eigenen Zentrums <strong>für</strong> Daten und Analysen<br />

zur Berufsbildung ist zu erwägen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


192 – ANHANG B<br />

Österreich<br />

Hoeckel, K. (2010)<br />

Stärken<br />

Das österreichische Berufsbildungssystem weist eine Reihe von Stärken auf:<br />

• Das duale System verfügt über zahlreiche begrüßenswerte Merkmale, wobei<br />

das <strong>Lernen</strong> in der Schule und <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung zu gut strukturierten<br />

Ausbildungsgängen kombiniert werden.<br />

• Die Jugendarbeitslosenquote ist niedrig, und der Übergang von der Ausbildung<br />

zur Erstbeschäftigung verläuft im internationalen Vergleich reibungslos.<br />

• Die Beteiligung der Sozialpartner bei der Gestaltung und Umsetzung von<br />

Politikmaßnahmen im Bereich der beruflichen Bildung ist auf allen Ebenen<br />

stark, und <strong>die</strong> unterschiedlichen Akteure arbeiten wirkungsvoll zusammen.<br />

• Das Berufsbildungssystem wird einer Vielzahl von Bedürfnissen gerecht,<br />

wobei es einerseits denjenigen mit schwachen schulischen Leistungen<br />

bzw. den sozial Benachteiligten ein Sicherheitsnetz bietet, andererseits jedoch<br />

auch <strong>die</strong> Teilnahme an hochkarätigen 5-jährigen Ausbildungsgängen<br />

an berufsbildenden höheren Schulen ermöglicht.<br />

• Das Berufsbildungssystem bietet auf den verschiedenen Stufen unterschiedliche<br />

Entwicklungsmöglichkeiten, wobei Sackgassen vermieden<br />

werden und <strong>die</strong> berufliche Bildung durch <strong>die</strong> Berufsreifeprüfung mit der<br />

allgemeinen Tertiärbildung verbunden ist.<br />

• Die derzeitigen Lehrkräfte in den berufsbildenden Schulen scheinen gut<br />

ausgebildet zu sein, und betriebliche Erfahrung ist zwingend vorgeschrieben;<br />

in vielen Schulen gibt es flexible Regelungen, wobei <strong>die</strong> Lehrkräfte<br />

auf Teilzeitbasis in einem Betrieb tätig sind. Die in jüngster Zeit durchgeführten<br />

Reformen haben <strong>die</strong> Anforderungen an Lehrkräfte in berufsbildenden<br />

Einrichtungen verändert, <strong>die</strong> Auswirkungen sind jedoch noch nicht<br />

sichtbar.<br />

• Die Abschlussquoten im Sekundarbereich II sind im internationalen Vergleich<br />

hoch.<br />

Herausforderungen<br />

• Das Berufsbildungssystem weist in der 9. Schulstufe eine strukturelle<br />

Anomalie auf, da <strong>die</strong> Auszubildenden einen doppelten Übergang haben<br />

und einige Schülerinnen und Schüler ein Jahr in einem ungeeigneten<br />

Zweig verbringen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 193<br />

• Einige berufliche Qualifikationen sind u.U. zu eng gefasst, um eine geeignete<br />

Grundlage <strong>für</strong> einen Beruf sowie eine erste Arbeitsstelle zu bieten.<br />

• Die Qualitätssicherung in der Berufsausbildung garantiert keine Mindeststandards.<br />

• Die überbetriebliche Ausbildung ist kostspielig und droht, <strong>die</strong> Anreize <strong>für</strong><br />

Arbeitgeber zum Anbieten von Ausbildungsplätzen zu schmälern.<br />

• Nicht allen Berufsbildungsteilnehmern steht eine qualitativ hochwertige<br />

Berufsberatung auf der Grundlage von Arbeitsmarktdaten zur Verfügung.<br />

• Die Vermittlung grundlegender Kenntnisse im Rechnen, Schreiben und<br />

Lesen ist <strong>für</strong> Berufsbildungsteilnehmer – besonders im dualen System –<br />

begrenzt.<br />

Empfehlungen<br />

a) Die 9. Schulstufe sollte reformiert werden, um doppelte Übergänge zu<br />

verringern und sicherzustellen, dass alle Schülerinnen und Schüler in das<br />

richtige Programm geleitet werden und eine geeignete Vorbereitung auf<br />

ihre duale Berufsausbildung bzw. ihren schulbasierten Berufsbildungsgang<br />

erhalten.<br />

b) Module, Allianzen zwischen ausbildenden Unternehmen und betriebliche<br />

Ausbildungserfahrungen sollten als Mittel eingesetzt werden, um der Tendenz<br />

der Arbeitgeber entgegenzuwirken, ihre eigenen separat definierten<br />

spezifischen Qualifikationen zu schaffen. Das Berufsbildungsangebot sollte<br />

auf schulischer Seite flexibilisiert werden, um ein effizienteres Angebot<br />

zu ermöglichen.<br />

c) Durch wirkungsvolles Monitoring und Unterstützung <strong>für</strong> ausbildende Unternehmen<br />

sollte <strong>die</strong> Qualität verbessert und sollten Mindeststandards <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> betriebliche Ausbildung sichergestellt werden. Verschiedene Selbstbewertungsinstrumente<br />

sowie das Vorschreiben einer Art von Qualitätskontrolle<br />

(durch Zwischenprüfungen oder Inspektionen) sollten in Erwägung<br />

gezogen werden.<br />

d) Der Schwerpunkt der überbetrieblichen Ausbildung sollte weiterhin darauf<br />

liegen, junge Menschen in reguläre Ausbildungsverhältnisse zu führen.<br />

Die Mittel <strong>für</strong> derartige Kurse sollten in <strong>die</strong> Vorbereitung junger Menschen<br />

auf reguläre Ausbildungen umgeleitet werden.<br />

e) Es sollte sichergestellt werden, dass eine qualitativ hochwertige Bildungsund<br />

Berufsberatung <strong>für</strong> alle zugänglich ist. Bei der Vorbereitung der Berufsberater<br />

sollten Arbeitsmarktdaten stärker im Mittelpunkt stehen, und<br />

<strong>die</strong> Verfügbarkeit und Aufbereitung einschlägiger Erkenntnisse sollte verbessert<br />

werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


194 – ANHANG B<br />

f) Es sollten systematische Beurteilungen eingeführt werden, um grundlegende<br />

Kompetenzlücken bei den Berufsbildungsteilnehmern zu erkennen,<br />

und <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> sie am meisten benötigen, sollten gezielte Hilfe erhalten.<br />

Das Augenmerk auf Kenntnissen im Rechnen, Lesen und Schreiben<br />

im Berufsbildungssystem sollte gestärkt werden, und zu <strong>die</strong>sem Zweck<br />

sollte eine Reform der Lehrpläne der berufsbildenden Schulen unter Einbeziehung<br />

innovativer Lehrmethoden in Erwägung gezogen werden.<br />

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ANHANG B – 195<br />

Schweden<br />

Kuczera, M. et al. (2008b)<br />

Stärken<br />

Die Berufsbildung auf Sekundarstufe II in Schweden:<br />

• stützt sich auf im internationalen Vergleich gute Leistungen des Pflichtschulsystems<br />

bei 15-jährigen Schülerinnen und Schülern;<br />

• weist eine niedrige Abbrecherquote auf;<br />

• besitzt einen relativ hohen Status;<br />

• lässt genug Freiraum <strong>für</strong> lokale Innovationen.<br />

Herausforderungen<br />

• In Schweden herrscht eine relativ hohe Jugendarbeitslosigkeit.<br />

• Ein erheblicher Rückgang der Alterskohorten zwischen 15 und 19 Jahren<br />

ist absehbar.<br />

• Die Berufsbildung auf Sekundarstufe-II-Niveau strebt nicht an, <strong>die</strong> <strong>Lernen</strong>den<br />

„sofort einsatzfähig“ zu machen, so dass sie möglicherweise nicht<br />

gut auf einen von Tarifverträgen beherrschten Arbeitsmarkt vorbereitet<br />

sind, auf dem Arbeitgeber eventuell zögern könnten, solche jungen Menschen<br />

einzustellen.<br />

• Mehr als <strong>die</strong> Hälfte der Ausbilder in der beruflichen Bildung ist über<br />

50 Jahre alt.<br />

• Durch <strong>die</strong> Trennung zwischen der schulbasierten Berufsbildung und einer<br />

von schnellen Veränderungen und Technologie geprägten <strong>Arbeitswelt</strong> ist<br />

es schwierig, mit dem Arbeitsmarktbedarf Schritt zu halten.<br />

• Derzeit ist der Einfluss der Sozialpartner auf <strong>die</strong> Berufsbildung der<br />

Sekundarstufe II beschränkt.<br />

• Die Daten zu den Arbeitsmarktergebnissen der Berufsbildung werden<br />

nicht angemessen ausgewertet – z.B. um den <strong>Lernen</strong>den bei der Wahl der<br />

Ausbildung bessere Informationen anbieten zu können.<br />

Empfehlungen<br />

a) Die derzeitigen nichtselektiven Vereinbarungen <strong>für</strong> Ausbildungen auf<br />

Sekundarstufe-II-Niveau sollten beibehalten werden.<br />

b) Es sollte eine Nationale Berufsbildungskommission aus Vertretern verschiedener<br />

Ministerien und der Sozialpartner aufgebaut werden, um einen<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


196 – ANHANG B<br />

besseren Mechanismus anzubieten, durch den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter<br />

<strong>die</strong> Berufsbildungsanbieter über den Arbeitsmarktbedarf<br />

informieren können.<br />

c) Der Wettbewerb unter den Schulen muss fair sein und auch so aufgefasst<br />

werden: Die Regelungen sind zu überprüfen, um sicherzustellen, dass<br />

staatliche und private Schulen den gleichen Vorgaben unterworfen sind.<br />

d) Informationen zu den Arbeitsmarktergebnissen der Berufsbildung sollten<br />

auf der Basis der einzelnen Schulen und Ausbildungsgänge veröffentlicht<br />

werden. Das Nationale Register sollte vollständig ausgewertet und möglicherweise<br />

durch regelmäßige Erhebungen zu den letzten Absolventenjahrgängen<br />

ergänzt werden.<br />

e) Das 15-wöchige Praktikum, das in <strong>die</strong> Berufsbildung der Sekundarstufe II<br />

integriert ist, sollte Qualitätskontrollen unterworfen sein und <strong>für</strong> alle<br />

Programme auf <strong>die</strong>ser Stufe zur Pflicht werden. Es sollten nur Berufsausbildungen<br />

angeboten werden, wenn gleichzeitig ein entsprechendes<br />

Ausbildungsplatzangebot vorhanden ist, damit <strong>die</strong> in der Berufsbildung<br />

vermittelten Kompetenzen enger an den Arbeitsmarktbedarf gekoppelt<br />

sind.<br />

f) In Zusammenarbeit zwischen Staat und Sozialpartnern sollte ein duales<br />

Ausbildungssystem entwickelt werden, um <strong>die</strong> schulbasierte Berufsbildung<br />

zu ergänzen und <strong>die</strong> internationalen Erfahrungen voll und ganz zu<br />

nutzen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 197<br />

Schweiz<br />

Hoeckel, K., S. Field und W.N. Grubb (2009)<br />

Stärken<br />

Das schweizerische Berufsbildungssystem ist gut entwickelt und verfügt über<br />

zahlreiche Stärken.<br />

• Das System ist stark auf <strong>die</strong> Wirtschaft und den Arbeitsmarkt ausgerichtet.<br />

• Die Partnerschaft zwischen Bund, Kantonen und Organisationen der <strong>Arbeitswelt</strong><br />

funktioniert gut.<br />

• Die schulische und <strong>die</strong> praktische Ausbildung im Lehrbetrieb sind gut<br />

miteinander verknüpft, <strong>die</strong> Ausbildung am Arbeitsplatz ist nicht zu unternehmensspezifisch.<br />

• Das Schweizer Berufsbildungssystem verfügt über ausreichende finanzielle<br />

Ressourcen und eine zeitgemäße Infrastruktur.<br />

• Das Schweizer System der Betriebslehre ist selbsttragend, d.h. <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

meisten Unternehmen ist der Nutzen der Ausbildungstätigkeit höher als<br />

<strong>die</strong> dadurch verursachten Kosten.<br />

• Die höhere Berufsbildung hat einen hohen Stellenwert und bietet ein breites<br />

Spektrum an Bildungsmöglichkeiten.<br />

• Die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Bildungsgängen ermöglicht<br />

<strong>die</strong> vertikale Mobilität. Dadurch verringert sich <strong>die</strong> Gefahr, in einer<br />

Sackgasse zu landen.<br />

• Die Ausbilder, Berufsschullehrer, Prüfer und Schulleiter sind gut ausgebildet.<br />

• Qualitätskontrollen sind gewährleistet, und <strong>die</strong> Prüfverfahren sind landesweit<br />

aufeinander abgestimmt.<br />

• Die Berufsberatung erfolgt auf professionelle und systematische Weise.<br />

• Die Wissensbasis ist gut entwickelt und wird regelmäßig <strong>für</strong> <strong>die</strong> politische<br />

Meinungsbildung herangezogen.<br />

Herausforderungen<br />

• Die weltweite Rezession kann sich negativ auf <strong>die</strong> Berufsbildung auswirken,<br />

insbesondere auf das Lehrstellenangebot.<br />

• Demografische Veränderungen – wie weniger Schulabgängerinnnen und<br />

-abgänger – könnten <strong>die</strong> Konkurrenz zwischen Allgemeinbildung und<br />

Berufsbildung verschärfen; <strong>die</strong> Berufsbildung ist mit Konkurrenz seitens<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


198 – ANHANG B<br />

der Hochschulbildung konfrontiert.<br />

• Internationale Unternehmen, <strong>die</strong> mit dem Schweizer Berufsbildungssystem<br />

nicht vertraut sind, können <strong>die</strong> duale Tradition des Schweizer Systems<br />

gefährden.<br />

• Das Berufsbildungssystem ist mit verschiedenen Gleichstellungsproblemen<br />

konfrontiert.<br />

Empfehlungen<br />

a) Die Schweiz darf zu Recht stolz auf ihr hochqualifiziertes Berufsbildungssystem<br />

sein und sollte <strong>die</strong>se Stärken durch aktives Handeln fördern. Dazu<br />

braucht es u.a. aussagekräftige Datenerhebungen und Analysen. Es sollte<br />

geprüft werden, inwieweit das derzeitige Verhältnis zwischen beruflicher<br />

und akademischer Bildung <strong>für</strong> Jugendliche den Anforderungen des Arbeitsmarkts<br />

entspricht.<br />

b) Gleichstellungsprobleme im Berufsbildungssystem müssen behoben werden;<br />

Ausbildungsabbrüche sollen auf ein Minimum reduziert und Personen,<br />

<strong>die</strong> ihre Ausbildung abbrechen, sollen entsprechend unterstützt werden;<br />

es braucht einheitliche Finanzierungsgrundlagen, damit <strong>die</strong> Berufsbildung<br />

und <strong>die</strong> universitäre Bildung durch Subventionsbeiträge gerecht<br />

unterstützt werden; <strong>die</strong> Berufsbildung sollte einen Beitrag zur Förderung<br />

der Erwerbstätigkeit und Qualifikation der Frauen leisten. Um <strong>die</strong>se Ziele<br />

zu erreichen, muss das System genau überwacht werden.<br />

c) Ein Maßnahmenplan sollte erarbeitet werden, der einen drastischen Rückgang<br />

von Lehrstellen als Folge der Wirtschaftskrise auffangen könnte.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 199<br />

Tschechische Republik<br />

Kuczera, M. (2010)<br />

Stärken<br />

Das tschechische Berufsbildungssystem verfügt über eine Reihe von Stärken:<br />

• Das von PISA gemessene durchschnittliche Bildungsniveau der 15-<br />

Jährigen ist hoch.<br />

• Die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler erwirbt einen Abschluss des<br />

Sekundarbereichs II; <strong>die</strong> Schulabbrecherquote auf <strong>die</strong>sem Bildungsniveau<br />

liegt unter dem <strong>OECD</strong>-Durchschnitt.<br />

• Die Tschechische Republik verfügt über eine sehr beeindruckende Datengrundlage<br />

zur Bildung und zu den Arbeitsmarktergebnissen der Bildung –<br />

eine der besten, <strong>die</strong> das <strong>OECD</strong>-Prüfungsteam zu Gesicht bekommen hat.<br />

• In jüngster Zeit sind zahlreiche Reformen lanciert worden, darunter <strong>die</strong><br />

Einrichtung eines neuen Qualifikationssystems, <strong>die</strong> Einführung einer landesweit<br />

standardisierten Prüfung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsausbildungsprogramme,<br />

der Beginn einer neuen Initiative im Bereich der Erwachsenenbildung sowie<br />

neue Instrumente zur Verbesserung der Bildungs- und Berufsberatung.<br />

• Die Regierung fördert aktiv <strong>die</strong> stärkere Beteiligung der Sozialpartner an<br />

der Berufsbildung. Die Branchenräte stellen ein gutes Beispiel <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern und den Politikverantwortlichen<br />

dar.<br />

Herausforderungen<br />

• Die Leistungen der Auszubildenden und <strong>die</strong> Unterrichtsqualität in den<br />

Berufsbildungsprogrammen (střední odborné učilišt) sind niedrig im<br />

Vergleich zu den allgemeinbildenden und technischen Programmen<br />

(střední odborné školy), <strong>die</strong> zur „Maturita“-Prüfung führen.<br />

• Bei der Verwaltung der beruflichen Bildungsgänge des Sekundarbereichs<br />

II auf regionaler Ebene fehlt es an Mechanismen zur Gewährleistung von<br />

Transparenz und Rechenschaftspflicht, <strong>die</strong> ein Gleichgewicht zwischen<br />

der Arbeitsmarktnachfrage und der Wahl der Berufsbildungsteilnehmer<br />

sowie landesweite Qualitätsstandards sichern würden.<br />

• Das Ausbildungsangebot fällt im Hinblick auf <strong>die</strong> Zahl der Teilnehmer,<br />

<strong>die</strong> Dauer sowie <strong>die</strong> Qualität äußerst unterschiedlich aus und ist von der<br />

jeweiligen Branche sowie den einzelnen Schulen abhängig. Das Angebot<br />

der Unternehmen an betrieblicher Ausbildung ist gering.<br />

• Das institutionelle System <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beteiligung der Sozialpartner an der<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


200 – ANHANG B<br />

beruflichen Bildung ist fragmentiert. Nicht auf allen Gebieten der Berufsbildung<br />

erfolgt eine Konsultation der Sozialpartner.<br />

• Die Erstausbildung sowie <strong>die</strong> berufsbegleitenden Fortbildungsmaßnahmen<br />

<strong>für</strong> Schulberater im Sekundarbereich II konzentrieren sich stärker auf <strong>die</strong><br />

pädagogische und psychologische Betreuung als auf <strong>die</strong> Bildungs- und Berufsberatung.<br />

Schulberater bieten nicht nur Berufsberatung an, sondern unterrichten<br />

auch Schulfächer und beraten bei persönlichen Problemen und<br />

Lernschwierigkeiten.<br />

• Für <strong>die</strong> Bildungs- und Berufsberatung sind zwei Ministerien zuständig:<br />

das Ministerium <strong>für</strong> Bildung, Jugend und Sport sowie das Ministerium <strong>für</strong><br />

Arbeit und Soziales, was u.U. zur Fragmentierung des Systems beiträgt.<br />

Empfehlungen<br />

a) Der Unterricht sollte verbessert werden, und es wäre angebracht, <strong>die</strong> Qualität<br />

der allgemeinbildenden Inhalte der Berufsbildungsprogramme systematisch<br />

zu prüfen, insbesondere bei den Programmen mit betrieblicher<br />

Ausbildung. Leistungsschwachen Auszubildenden sollte gezielte Hilfe zukommen.<br />

b) Die Quantität und <strong>die</strong> Qualität der Bildungs- und Berufsberatung in der<br />

Grundbildung sollte durch folgende Maßnahmen verbessert werden:<br />

– Die Schulberatung sollte von der Bildungs- und Berufsberatung getrennt<br />

werden, <strong>für</strong> welche ein „Berufsberater“ verantwortlich würde.<br />

– Größere Aufmerksamkeit sollte auf <strong>die</strong> Berufsberatung gelegt werden,<br />

und <strong>die</strong> Erstausbildung der Berufsberater bedarf einer Flexibilisierung;<br />

bereits in <strong>die</strong>sem Bereich tätige Personen sollten besseren Zugang zu<br />

qualitativ hochwertigen berufsbegleitenden Fortbildungsmaßnahmen<br />

erhalten.<br />

– Das Berufsberatungsangebot sollte vielfältiger werden.<br />

Längerfristig sollten in der im Rahmen der Berufsbildung im Sekundarbereich<br />

II angebotenen Berufsberatung ähnliche Reformen erfolgen.<br />

c) Es sollten klarere Verfahren und transparentere Kriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung<br />

regionaler Bildungspläne eingeführt werden. Diese sollten <strong>die</strong> Einbeziehung<br />

der Arbeitgeber stärken und den Neigungen der Auszubildenden<br />

bei der Planung des Bildungsangebots im Sekundarbereich II größeres<br />

Gewicht beimessen.<br />

d) Die Quantität und <strong>die</strong> Qualität der betrieblichen Ausbildung sollte sowohl<br />

in den Ausbildungs- als auch in den technischen Programmen durch <strong>die</strong><br />

Einrichtung eines nationalen Rahmens <strong>für</strong> <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung<br />

systematisch verbessert werden. Dies sollte gezielte Anreize <strong>für</strong> Schulen,<br />

Arbeitgeber und Auszubildende sowie <strong>die</strong> Festlegung landesweiter Stan-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 201<br />

dards <strong>für</strong> <strong>die</strong> betriebliche Ausbildung beinhalten, <strong>die</strong> durch eine wirksame<br />

Qualitätssicherung unterstützt werden.<br />

e) Für <strong>die</strong> praktischen Komponenten der technischen Programme sollte eine<br />

standardisierte Prüfung eingeführt werden.<br />

f) Die Arbeitgeber und <strong>die</strong> Gewerkschaften sollten stärker in <strong>die</strong> berufliche<br />

Bildung eingebunden werden. Hierzu sollten <strong>die</strong> Vorkehrungen <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Einbeziehung der Sozialpartner in <strong>die</strong> berufliche Bildung vereinfacht und<br />

<strong>die</strong> Zuständigkeiten der betreffenden Organe verbessert und klar definiert<br />

werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


202 – ANHANG B<br />

Ungarn<br />

Kis, V. et al. (2008)<br />

Stärken<br />

• Seit 1989 hat Ungarn erhebliche Anstrengungen zur Umstrukturierung<br />

seines Berufsbildungssystems unternommen, um sich den Herausforderungen<br />

der Marktwirtschaft zu stellen. Es hat umfangreiche Reformen<br />

durchgeführt, um <strong>die</strong> Möglichkeiten der Berufsbildung, den Arbeitsmarkterfordernissen<br />

gerecht zu werden, zu verbessern.<br />

• Die Ausbildungsabgabe ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsbildung eine wichtige und verlässliche<br />

Finanzierungsquelle, und sie spielte in den Jahren des Übergangs<br />

eine entscheidende Rolle.<br />

• Das ungarische Berufsbildungssystem kann sich auf einen starken nationalen<br />

Qualifikationsrahmen stützen.<br />

• Die Zahl der 15- bis 19-Jährigen dürfte stark abnehmen, was <strong>für</strong> das ungarische<br />

Berufsbildungssystem sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung<br />

darstellt.<br />

• In dem entschlossenen Engagement der Politikverantwortlichen <strong>für</strong><br />

Reformen kommt Ungarns Wille zur Bewältigung der Herausforderungen<br />

zum Ausdruck, vor denen <strong>die</strong> Berufsbildung steht.<br />

• Auf mittlere Sicht ist zu erwarten, dass Ungarns Pro-Kopf-BIP gegen den<br />

EU-Durchschnitt konvergiert (EZB, 2008) und seine Wirtschaft um rd. 4%<br />

wachsen wird, auch wenn der derzeitige ökonomische Kontext schwierig<br />

ist.<br />

Herausforderungen<br />

• Das gegenwärtige Berufsbildungssystem ist stark schulbasiert, und es bestehen<br />

relativ wenige Verbindungen zum Arbeitsmarkt.<br />

• Die frühzeitige Aufteilung der Schüler und <strong>die</strong> multiplen Auswahlmechanismen<br />

im ungarischen Schulsystem führen potenziell sowohl zu Problemen<br />

in Bezug auf <strong>die</strong> Effizienz als auch auf <strong>die</strong> Verteilungsgerechtigkeit.<br />

• Die verfügbaren Daten sind im Hinblick auf mehrere wichtige Aspekte<br />

wie <strong>die</strong> Arbeitsmarktergebnisse einzelner Berufsbildungsgänge, <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Finanzierungsquellen der Berufsbildung und <strong>die</strong> Verwendung<br />

der durch <strong>die</strong> Ausbildungsabgabe eingenommenen Mittel unzureichend.<br />

• Viele Ausbilder nähern sich dem Rentenalter, und wenig junge Ausbilder<br />

kommen nach.<br />

• Die Berufsbildung genießt ein relativ geringes Ansehen, und viele Schüle-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 203<br />

rinnen und Schüler werden wegen schlechter schulischer Leistungen auf<br />

Berufsbildungsgänge verwiesen.<br />

• Ungarns Beschäftigungsquote ist nach internationalen Standards niedrig.<br />

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist <strong>die</strong> Nichterwerbsquote<br />

junger Menschen besonders hoch.<br />

Empfehlungen<br />

a) Es sollte ein standardisierter Übergang in alle Sekundarschularten nach der<br />

9. anstatt der 8. Klasse geschaffen werden, was auch auf Berufsbildungseinrichtungen<br />

zutreffen sollte, und <strong>die</strong> praktische Ausbildung sollte in der<br />

10. anstatt in der 11. Klasse beginnen. Diese beiden Elemente sollten als<br />

Paket umgesetzt werden.<br />

b) Es sollten Informationen über <strong>die</strong> Arbeitsmarktergebnisse beruflicher<br />

Bildungsgänge auf Schul- und Programmbasis gesammelt und veröffentlicht<br />

werden, wobei mit einer Piloterhebung über Schülerinnen und Schüler<br />

angefangen werden sollte, <strong>die</strong> Berufsbildungsprogramme abschließen.<br />

c) Angemessen ausgebildete Berater sollten in allen Grundschulen eine<br />

systematische Bildungs- und Berufsberatung über das Spektrum der im<br />

Sekundarbereich existierenden Programme und deren jeweilige Ergebnisse<br />

anbieten. <strong>Lernen</strong>de, <strong>die</strong> eine Berufsausbildung absolvieren oder Berufsschulen<br />

besuchen, sollten umfassende, unvoreingenommene und zuverlässige<br />

Informationen über alle Berufe, <strong>die</strong> ihnen offenstehen, erhalten.<br />

d) Alle Berufsbildungsprogramme sollten ein erhebliches Maß an praktischer<br />

Ausbildung am Arbeitsplatz oder in einem arbeitsplatzähnlichen Umfeld<br />

umfassen.<br />

e) Es sollten regelmäßig <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeitgeber leicht verständliche Informationen<br />

über <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausbildungsabgabe geltenden Regeln veröffentlicht werden,<br />

und es sollten Daten über <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Ausbildungsabgabe erwirtschafteten<br />

Einnahmen, deren Verwendung und <strong>die</strong> erzielten Ergebnisse<br />

gesammelt und bekanntgemacht werden. Das würde eine wesentliche Basis<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Überprüfung der Abgabenerhebung und -verwendung schaffen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


204 – ANHANG B<br />

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LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


ANHANG B – 205<br />

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von morgen, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

<strong>OECD</strong> (2009), Bildung auf einen Blick 2009, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


GLOSSAR – 207<br />

Glossar<br />

Wichtigste Konzepte<br />

Berufliche Bildung: Sie umfasst Bildungsgänge und Ausbildungsprogramme,<br />

<strong>die</strong> <strong>für</strong> einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Berufskategorie konzipiert<br />

sind und in der Regel zur Ausübung des betreffenden Berufs hinführen. Sie ist<br />

im Allgemeinen mit einer praktischen Ausbildung und dem Erwerb einschlägiger<br />

theoretischer Kenntnisse verbunden. Sie unterscheidet sich von der (schulischen)<br />

Allgemeinbildung – z.B. in Mathematik –, <strong>die</strong> <strong>für</strong> eine Vielzahl von Berufen<br />

relevant ist. In den Vereinigten Staaten wird <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsbildung üblicherweise der<br />

Begriff Career and technical Education verwendet.<br />

Die Bildung und Ausbildung <strong>für</strong> einige Berufe mit hohem Qualifikationsniveau<br />

wie Arzt- und Rechtsberufe entspricht zwar der Definition, wird aber<br />

normalerweise nicht unter dem Begriff Berufsbildung erfasst. Die Berufsbildung<br />

lässt sich in berufliche Erstausbildung und berufliche Weiterbildung unterteilen.<br />

Die berufliche Erstausbildung umfasst Bildungsgänge, <strong>die</strong> in erster Linie <strong>für</strong> junge<br />

Menschen (im Rahmen <strong>die</strong>ser Untersuchung <strong>die</strong> unter 30-Jährigen) zu Beginn<br />

ihrer Berufslaufbahn und in der Regel vor der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit<br />

vorgesehen sind und von ihnen in Anspruch genommen werden. Die<br />

Weiterbildung betrifft alle übrigen Arten beruflicher Bildung, wie z.B. innerbetriebliche<br />

Mitarbeiterschulungen und Berufsbildungsmaßnahmen speziell <strong>für</strong><br />

Personen, <strong>die</strong> ihren Arbeitsplatz verloren haben.<br />

Die Trennlinie zwischen <strong>die</strong>sen Definitionen und Unterscheidungen ist<br />

zwangsläufig etwas unscharf, da <strong>die</strong> Bildungsgänge den relevanten Kriterien<br />

u.U. nur teilweise, aber nicht vollständig entsprechen (z.B. Bildungsgänge, <strong>die</strong><br />

<strong>für</strong> einen direkten Eintritt ins Erwerbsleben konzipiert sind, aber selten dazu<br />

führen).<br />

Berufsausbildung: Wir folgen der Definition von Ryan (2000); demnach<br />

ist <strong>die</strong> Berufsausbildung „...ein formeller, strukturierter Bildungsgang zur<br />

Berufsvorbereitung, der in der Trägerschaft eines Arbeitgebers steht und einen<br />

theoretischen Unterricht außerhalb des Arbeitsplatzes mit einer praktischen<br />

Ausbildung und Praktika am Arbeitsplatz kombiniert, zu einer anerkannten<br />

beruflichen Qualifikation in Handwerksberufen oder auf einer höheren Ebene<br />

führt und mindestens zwei Jahre dauert. In Kontinentaleuropa bilden <strong>die</strong> berufliche<br />

und <strong>die</strong> allgemeine Ausbildung ein Gesamtpaket, und <strong>die</strong> Berufsausbil-<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


208 – GLOSSAR<br />

dung wird als Teil der beruflichen Bildung behandelt, <strong>die</strong> in der Regel auf der<br />

Ebene der Sekundarstufe II erfolgt“.<br />

Berufsbildungseinrichtungen: Anbieter von Bildungsgängen im Bereich<br />

der beruflichen Bildung, insbesondere Schulen, Bildungseinrichtungen, Berufsakademien<br />

sowie private Anbieter, unter Ausklammerung der von Unternehmen<br />

angebotenen innerbetrieblichen Ausbildungen.<br />

Lehrkräfte und Ausbilder: Berufsausbilder sind Lehrkräfte, <strong>die</strong> in Berufsbildungseinrichtungen<br />

oder am Arbeitsplatz in erster Linie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vermittlung<br />

praktischer beruflicher Qualifikationen verantwortlich sind, und Berufsschullehrer<br />

sind Lehrkräfte, <strong>die</strong> hauptsächlich <strong>für</strong> den theoretischen Teil der Berufsausbildung<br />

zuständig sind. Darüber hinaus unterrichten in vielen berufsbildenden<br />

Schulen auch allgemeinbildende Lehrerinnen und Lehrer, <strong>die</strong> <strong>für</strong> allgemeinbildende<br />

Fächer, wie Mathematik und Fremdsprachen, zuständig sind. In der Praxis unterscheidet<br />

sich <strong>die</strong> Struktur der Lehrer- und Ausbilderkategorien in den einzelnen<br />

Ländern ganz erheblich, und <strong>die</strong> Grenzen sind oft verwischt.<br />

Praktische und theoretische Berufsbildung: In der klassischen Berufsbildung<br />

werden generell Wissen (theoretisches Verständnis) und praktische<br />

Kompetenzen vermittelt. So muss z.B. ein Bäcker verstehen, wie Hefe funktioniert,<br />

und ein Elektriker muss <strong>die</strong> physikalischen Grundlagen der Elektrizität kennen.<br />

Das entspricht der berufsbezogenen Theorie. Darüber hinaus geht es in der Berufsbildung<br />

um den Erwerb praktischer Kompetenzen, wie beispielsweise Brotbacken<br />

und ein Haus verkabeln. Diese praktischen beruflichen Kompetenzen werden<br />

durch praktische allgemeine Kompetenzen ergänzt, <strong>die</strong> ein breites Spektrum an<br />

sozialen Kompetenzen (soft skills) und fachlichen Kompetenzen (hard skills)<br />

umfassen, <strong>die</strong> mit zahlreichen Berufen assoziiert sind. Hierzu zählen Fähigkeiten,<br />

wie der Umgang mit Kunden, Finanzen und staatlichen Regelungen.<br />

Standardisierter nationaler Evaluierungsrahmen: Mit einem standardisierten<br />

nationalen Evaluierungsrahmen soll eine konsistente Methodik zur Evaluierung<br />

der Lernergebnisse von Auszubildenden zur Verfügung gestellt und so gewährleistet<br />

werden, dass in den unterschiedlichen Lernumfeldern derselbe Kompetenzmix<br />

auf demselben Niveau erworben wurde.<br />

Vorteile: Die Vorteile, <strong>die</strong> dem Arbeitgeber durch das Angebot von Ausbildungsstellen<br />

entstehen, sind zweierlei Natur. Der Produktionsvorteil ist der<br />

Vorteil, der durch <strong>die</strong> Produktionsleistung des Auszubildenden entsteht. Der<br />

Einstellungsvorteil entspricht dem Wert, den verlässliche Informationen über<br />

<strong>die</strong> Kapazitäten des Auszubildenden <strong>für</strong> den Arbeitgeber haben; <strong>die</strong> Einstellungseffizienz<br />

wird so erhöht.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


GLOSSAR – 209<br />

Glossar der Begriffe, <strong>die</strong> in der internationalen Erhebung zu<br />

Berufsbildungssystemen verwendet werden ∗<br />

Abgabenbefreiungssystem (levy-based-train-or-pay scheme): System, in<br />

dem nur Betriebe, <strong>die</strong> den Mindestbetrag <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausbildungsausgaben nicht<br />

erreicht haben, zur Leistung einer Abgabe verpflichtet sind.<br />

Absolventenerhebung: Erhebung über Absolventen beruflicher Bildungsgänge<br />

zu einem bestimmten Zeitpunkt nach dem Erwerb des Abschlusses.<br />

Akkreditierung: Qualitätssicherungsverfahren, in dessen Rahmen <strong>die</strong> Qualität<br />

der Lehr- und Lernmethoden überwacht und entschieden wird, ob ein Anbieter<br />

oder Bildungsgang der beruflichen Aus- und Weiterbildung bestimmte Mindeststandards<br />

erfüllt.<br />

Akkreditierung von Betrieben, <strong>die</strong> praktische Ausbildungen am Arbeitsplatz<br />

anbieten: bezieht sich auf <strong>die</strong> offizielle Anerkennung der Inhalte und<br />

Standards praktischer Ausbildungen am Arbeitsplatz.<br />

Allgemeine akademische Berufsbildung: Teil eines Berufsbildungsprogramms,<br />

das generell in Berufsbildungseinrichtungen stattfindet und den<br />

Schülern eine allgemeine Bildung vermittelt (in allgemeinbildenden und technischen<br />

Fächern wie Physik, Chemie, Chemie <strong>für</strong> Krankenschwestern, Mathematik<br />

ebenso wie Fremdsprachenkurse).<br />

Arbeitgeberbeitrag zu den Kosten der Berufsbildung: umfasst <strong>die</strong> monetären<br />

Kosten, <strong>die</strong> direkt in <strong>die</strong> Berufsbildung fließen (z.B. Beitrag zum Ausbildungsfonds)<br />

ebenso wie <strong>die</strong> Personalkosten in Verbindung mit dem Angebot<br />

praktischer Ausbildungen.<br />

Arbeitskräfteerhebung: Erhebung, <strong>die</strong> der Sammlung quantitativer Informationen<br />

über den Arbeitsmarkt in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe <strong>die</strong>nt.<br />

Audit: Qualitätssicherungsverfahren, das nicht das direkte Qualitätsmonitoring<br />

der Bildungsgänge zum Ziel hat, sondern sich vielmehr auf <strong>die</strong> Überprüfung der<br />

internen Mechanismen konzentriert, <strong>die</strong> ein Berufsbildungsanbieter einsetzt, um<br />

<strong>die</strong> Qualität seiner Lehr- und Lernmethoden zu verbessern. Im Rahmen des Audits<br />

wird ferner geprüft, inwieweit der Berufsbildungsanbieter seine eigenen expliziten<br />

und impliziten Ziele erreicht hat.<br />

Aufteilung der Kosten <strong>für</strong> <strong>die</strong> praktische Berufsausbildung unter den<br />

Arbeitgebern: Verfahren, bei dem <strong>die</strong> Kosten der praktischen Ausbildung durch<br />

direkt <strong>für</strong> <strong>die</strong> praktische Berufsausbildung bestimmte finanzielle Beiträge unter<br />

den Betrieben aufgeteilt werden. Hierdurch wird beispielsweise <strong>die</strong> öffentliche<br />

Finanzierung der Berufsbildung über das allgemeine Steueraufkommen,<br />

einschließlich der von den Unternehmen entrichteten Gewinnsteuern, ausgeschlossen.<br />

∗ Diese Erhebung ist nicht in deutscher Sprache erschienen.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


210 – GLOSSAR<br />

Aus lohnbezogenen Abgaben finanzierte Ausbildungszuschüsse: Zuschüsse<br />

aus einem Ausbildungsabgabenfonds an Personen, <strong>die</strong> Aus- und Weiterbildungsaktivitäten<br />

beantragen (<strong>OECD</strong>, 2005).<br />

Ausbildungsvergütung: finanzielle Mittel, <strong>die</strong> Ausbildungsteilnehmern direkt<br />

gewährt werden; sie decken einen Teil der mit der Teilnahme an der betreffenden<br />

Maßnahme verbundenen Opportunitätskosten.<br />

Berufsbildungsanbieter: bezieht sich auf eine Einrichtung, <strong>die</strong> Berufsbildungsgänge<br />

anbietet. Hierzu zählt ein breites Spektrum an öffentlichen und<br />

privaten Einrichtungen, von der weiterführenden Schule bis hin zu Erwachsenenbildungsstätten<br />

und Ausbildungsbetrieben.<br />

Berufsbildungsgang: Gesamtheit von Bildungs- und Ausbildungsaktivitäten,<br />

<strong>die</strong> zusammengestellt werden, um ein vorab definiertes Ziel bzw. <strong>die</strong> Bewältigung<br />

eines spezifischen Pensums von Bildungsaufgaben zu erreichen, von<br />

denen eine darin besteht, Personen mit den <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ausübung bestimmter Berufe<br />

oder Handwerke notwendigen Qualifikationen und Kompetenzen auszustatten.<br />

Berufsbildungsgänge können zusätzlich zur Berufsvorbereitung auch allgemeines<br />

Wissen vermitteln und auf Fortbildungen vorbereiten. Damit ein Bildungsgang<br />

als Berufsbildungsgang angesehen wird, sollte der berufliche und technische<br />

Inhalt mindestens 25% ausmachen. In Gesamtschulsystemen, in denen <strong>die</strong><br />

Auszubildenden unter allgemeinbildenden und beruflich orientierten Kursen<br />

auswählen können, sind als Berufsbildungsgänge <strong>die</strong>jenigen zu verstehen, bei<br />

denen <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler Kurse auswählen können, bei denen berufsbildende<br />

Inhalte mindestens 25% des Bildungsgangs ausmachen (<strong>OECD</strong>,<br />

2004).<br />

Betriebspraktikum: jede Art von Praktikum bei einem Arbeitgeber im<br />

Rahmen eines Ausbildungsgangs, ungeachtet seiner Dauer und seines Inhalts.<br />

Der Begriff bezieht sich sowohl auf kurze Praktika, in denen <strong>die</strong> Auszubildenden<br />

einen ersten „Einblick“ in <strong>die</strong> reale <strong>Arbeitswelt</strong> bekommen, als auch auf längerfristige<br />

praktische Ausbildungen, bei denen <strong>die</strong> Auszubildenden ähnliche Aufgaben<br />

ausführen wie <strong>die</strong> Angestellten.<br />

Beurteilung: Qualitätssicherungsverfahren, in dessen Rahmen <strong>die</strong> Qualität<br />

der Lehr- und Lernmethoden überwacht und im Anschluss daran <strong>die</strong> Qualität<br />

eines Anbieters von Programmen im Bereich der allgemeinen und beruflichen<br />

Bildung oder eines Bildungsgangs selbst benotet wird. Die Beurteilung wird<br />

häufig auch als Evaluierung bezeichnet.<br />

Bildungsgang auf höherer ISCED-Stufe: Bildungsgang auf ISCED-Stufe 3<br />

(<strong>die</strong> im Allgemeinen der Sekundarstufe II entspricht); höhere Bildung laut<br />

ISCED-Klassifikation entspricht den ISCED-Stufen 4 und 5.<br />

Blockunterricht: Aufteilung der praktischen beruflichen Bildung/theoretischen<br />

schulischen Berufsbildung in Betriebsblöcke und Berufsschulblöcke, d.h.<br />

Unterrichtsphasen ohne Unterbrechung, <strong>die</strong> sich über einen Zeitraum von einigen<br />

Wochen und Monaten erstrecken.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


GLOSSAR – 211<br />

Darlehen: Einem Auszubildenden gewährte finanzielle Unterstützung, <strong>die</strong><br />

von <strong>die</strong>sem zurückgezahlt werden muss (einschließlich von Darlehen, <strong>die</strong> in<br />

Zuschüsse umgewandelt werden können). Berücksichtigt werden sollten nur aus<br />

öffentlichen Mitteln finanzierte und/oder besicherte Darlehen an Berufsbildungsteilnehmer.<br />

Darlehen, <strong>die</strong> aus privaten Quellen finanziert werden (wie beispielsweise<br />

von Geschäftsbanken ohne staatliche Zuschüsse und Bürgschaft<br />

eingeräumte Kredite), sollten ausgeschlossen sein.<br />

Direktbeihilfen: direkter Transfer von finanziellen Mitteln aus öffentlichen<br />

Kassen an Betriebe, <strong>die</strong> praktische berufliche Ausbildungen anbieten (z.B. staatlicher<br />

Beitrag zum Ausbildungsfonds, Zuschüsse).<br />

Einkommensteuerabzug: Ausbildungsausgaben, <strong>die</strong> vom steuerpflichtigen<br />

Einkommen des Einzelnen abgezogen werden (<strong>OECD</strong>, 2005).<br />

Erfolgreicher Abschluss eines Bildungsgangs: Der Schüler/<strong>die</strong> Schülerin<br />

hat den Anforderungen genügt (was Anwesenheit, Noten, Anzahl der Credits<br />

betrifft), <strong>die</strong> <strong>für</strong> den Abschluss des Bildungsgangs notwendig sind, was formal<br />

mit Qualifikationen anerkannt werden kann (Vergabe von Diplomen, Bildungsnachweisen,<br />

Zertifikaten).<br />

Ertragsteuerabzug: Abzug/Freibetrag auf das steuerpflichtige Einkommen<br />

eines Betriebs.<br />

Ertragsteuerabzug: ermöglicht es Unternehmen, Ausbildungs- und sonstige<br />

Kosten von ihrem steuerpflichtigen Gewinn abzuziehen (<strong>OECD</strong>, 2005).<br />

Externe Evaluierung: Evaluierung der Arbeitsleistung der Lehrkräfte/Ausbilder<br />

durch eine externe Stelle.<br />

Finanzielle Anreize <strong>für</strong> Unternehmen zum Angebot von Ausbildungen: bezieht<br />

sich auf <strong>die</strong> finanzielle Unterstützung <strong>für</strong> Betriebe, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Ausbildung<br />

ihrer Mitarbeiter investieren; <strong>die</strong>se umfassen <strong>die</strong> direkten wie auch indirekten Zuschüsse<br />

aus öffentlichen und nichtöffentlichen Quellen.<br />

Finanzierung auf der Basis historischer Daten: bezieht sich auf Haushaltsansätze,<br />

<strong>die</strong> sich an den Ausgaben in früheren Jahren und Kostenschätzungen<br />

der <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zukunft geplanten Aktivitäten orientieren.<br />

Finanzierung über Ausbildungsgutscheine: auf den Bildungsweg des Einzelnen<br />

zugeschnittene Finanzierung. In <strong>die</strong>sem System werden Bildungsgelder<br />

dem Einzelnen direkt gewährt. Der Einzelne erhält <strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong> Bildungseinrichtung<br />

seiner Wahl auszusuchen und sich einen Teil oder <strong>die</strong> Gesamtheit<br />

der Stu<strong>die</strong>ngebühren erstatten zu lassen. Die Ausbildungsgutscheine können<br />

vom Staat, von privaten Organisationen oder einer Kombination aus beiden finanziert<br />

und verwaltet werden. Die tatsächlichen Zahlungen an <strong>die</strong> Berufsbildungsanbieter<br />

lassen sich auf der Basis von Input/Output-Kriterien berechnen.<br />

Finanzierungsformeln: betrifft ein formal definiertes Verfahren (eine<br />

Formel), das von staatlichen Stellen verwendet wird, um <strong>die</strong> Größenordnung der<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


212 – GLOSSAR<br />

öffentlichen Zuschüsse zu bestimmen, <strong>die</strong> Berufsbildungseinrichtungen anhand<br />

eines Katalogs vorab definierter Kriterien, <strong>die</strong> in den meisten Fällen input-, outputoder<br />

leistungsorientiert sind, gewährt werden.<br />

Indirekte Subventionierung: Der Begriff umfasst all jene Zuschüsse, <strong>die</strong><br />

keine direkten Transfers darstellen, wie beispielsweise Steuerabzüge oder Steuerbefreiungen.<br />

Individuelle Darlehen: ausschließlich <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erwachsenenbildung bestimmte<br />

Darlehen. Der Staat bürgt üblicherweise im Fall eines Kreditausfalls.<br />

(<strong>OECD</strong>, 2005).<br />

Individuelle Lernkonten: ein Bankkonto, das ausschließlich <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Erwachsenenbildung genutzt wird. Normalerweise zahlen zahlreiche Akteure,<br />

darunter der Staat, Erwachsene, Betriebe und branchenspezifische Einrichtungen<br />

auf ein derartiges Konto ein (<strong>OECD</strong>, 2005).<br />

Interne Evaluierung: Die Arbeit der Lehrkräfte/Ausbilder wird von einem<br />

Berufsbildungsanbieter (Schulleitung, Ausbildungsbetrieb) evaluiert.<br />

Längsschnittstu<strong>die</strong>: Untersuchung einer Gruppe von Personen in regelmäßigen<br />

Intervallen oder über einen verhältnismäßig langen Zeitraum.<br />

Lehrkräfte und Ausbilder in der Berufsbildung: das den berufspraktischen<br />

Unterricht erteilende Personal, d.h. Lehrkräfte und Ausbilder, <strong>die</strong> an der praktischen<br />

beruflichen Ausbildung beteiligt sind (in Bildungseinrichtungen und am<br />

Arbeitsplatz).<br />

Lohnsummensteuerabzug/Freibetrag: Abzug/Freibetrag auf einen Betrag,<br />

den ein Arbeitgeber einbehält und/oder auf der Basis des Lohns oder Gehalts<br />

des betreffenden Mitarbeiters in seinem Namen zahlt.<br />

Lokale Ebene: auf der Ebene der Gemeinde, des Bezirks, der Kommune.<br />

Mechanismen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Einbeziehung der Sozialpartner in <strong>die</strong> Berufsbildung:<br />

Katalog an Regeln und organisatorischen Hinweisen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />

unter den Sozialpartnern im Bereich der Berufsbildung auf nationaler,<br />

regionaler, lokaler und sektoraler Ebene gestalten und regulieren, unabhängig<br />

davon, ob <strong>die</strong> Mitwirkung auf obligatorischer oder freiwilliger Basis erfolgt. Ein<br />

Beispiel ist <strong>die</strong> Beteiligung der Wirtschaft, von Arbeitnehmervertretern in Räten,<br />

Ausschüssen und Gremien, <strong>die</strong> <strong>die</strong> zuständigen Stellen in Fragen der Berufsbildung<br />

beraten bzw. von <strong>die</strong>sen konsultiert werden.<br />

Modularbildungsgang: ein Bildungsgang, der in getrennte Lernmodule/<br />

-einheiten unterteilt ist, <strong>die</strong> ihrerseits jeweils mit einem gewissen Lernvolumen<br />

verbunden sind und zu einer Qualifikation in der einen oder anderen Form führen<br />

(Credits, Teilqualifikationen). Modular aufgebaute Kurse ermöglichen es<br />

dem Einzelnen, zwischen unterschiedlichen Kursoptionen zu wählen, und lassen<br />

etwas Freiraum in Bezug auf Abfolge und Tempo der Absolvierung der <strong>für</strong> den<br />

Erwerb einer Qualifikation notwendigen Kurse. Innerhalb des <strong>für</strong> <strong>die</strong> einzelnen<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


GLOSSAR – 213<br />

Qualifikationen definierten Rahmens können junge Menschen ihr eigenes Profil<br />

erstellen, statt einen vorgegebenen Katalog an Kursen gemäß eines vorab definierten<br />

Plans zu belegen (<strong>OECD</strong>, 2000).<br />

Obligatorische Einbeziehung der Sozialpartner in <strong>die</strong> berufliche Bildung:<br />

rechtliche Verpflichtung zur Einbeziehung der Sozialpartner in den Prozess der<br />

Berufsbildung, unabhängig davon, ob von <strong>die</strong>sem Recht Gebrauch gemacht<br />

wird oder nicht.<br />

Öffentliche Finanzierung: Ausgaben staatlicher Stellen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Berufsbildung<br />

(auf allen Stufen), einschließlich Ausgaben der Bildungs- und sonstigen<br />

Ministerien oder vergleichbarer Einrichtungen.<br />

Öffentliche und private Berufsbildungseinrichtungen: Berufsbildungseinrichtungen<br />

werden entweder als öffentlich oder privat eingestuft, je nachdem<br />

ob <strong>die</strong> letzte Entscheidungsbefugnis in Angelegenheiten der betreffenden Einrichtung<br />

in der Hand einer öffentlichen Stelle oder eines privaten Trägers (Kirche,<br />

Gewerkschaft, Unternehmen) liegt. Die Einstufung einer Einrichtung als öffentlich<br />

oder privat richtet sich nicht nach dem Ausmaß der Finanzierung aus<br />

öffentlichen oder privaten Quellen, und einige Einrichtungen können als privat<br />

eingestuft werden, obwohl sie ihre finanziellen Mittel in erster Linie von der<br />

Zentralregierung und/oder nachgeordneten Gebietskörperschaften beziehen.<br />

Parallel stattfindende allgemeine schulische Berufsbildung und praktische<br />

Ausbildung: Die theoretische und praktische Berufsausbildung erfolgt am selben<br />

Tag.<br />

Politikrahmen: <strong>die</strong> nationalen oder regionalen Gesetze und Bestimmungen<br />

zu einer bestimmten Thematik.<br />

Praktische berufliche Ausbildung: Teil des Berufsbildungsgangs (in der<br />

beruflichen Erstausbildung oder Weiterbildung), der es Auszubildenden ermöglicht,<br />

in ihrem Lernbereich praktische Berufserfahrung zu sammeln. Diese kann<br />

in Bildungseinrichtungen der Sekundarstufe II sowie in Nicht-Bildungseinrichtungen<br />

stattfinden, wie betriebliche Schulungszentren oder Unternehmen (vgl.<br />

<strong>OECD</strong>, 2004, S. 56 – Definition des Begriffs „educational institution“, in englischer<br />

Sprache). So kann es sich z.B. bei der praktischen beruflichen Ausbildung<br />

um Kochkurse in zu <strong>die</strong>sem Zweck gestalteten Schulklassen handeln<br />

oder Kochkurse im realen Arbeitsumfeld, wie einem Restaurant (einige Länder<br />

verwenden zur Bezeichnung der praktischen beruflichen Ausbildung in Unternehmen<br />

auch den Begriff „betriebliche Ausbildung“).<br />

Praktische berufliche Ausbildung am Arbeitsplatz: praktische berufliche<br />

Ausbildung in Unternehmen.<br />

Praktische Vollzeitausbildung: Die praktische Ausbildungskomponente<br />

macht während der Gesamtdauer des Bildungsgangs mindestens 90% des Gesamtprogramms<br />

aus.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


214 – GLOSSAR<br />

Qualifikation: Eine Qualifikation ist erreicht, wenn eine kompetente Stelle<br />

belegt, dass eine Person Wissen, Kompetenzen und/oder umfassendere Fähigkeiten<br />

erworben hat, <strong>die</strong> spezifischen Standards genügen. Eine Qualifikation<br />

verleiht dem Wert der erworbenen Kompetenzen am Arbeitsmarkt und in der<br />

Fort- und Weiterbildung eine offizielle Anerkennung (<strong>OECD</strong>, 2007).<br />

Qualitätskontrolle: formelles, externes Verfahren zur Qualitätssicherung<br />

der Lehr-, Lern- und Ausbildungsmethoden in privaten und öffentlichen Berufsbildungseinrichtungen.<br />

Qualitätssicherung: bezieht sich auf <strong>die</strong> systematische, strukturierte und<br />

kontinuierliche Qualitätsbeobachtung.<br />

Rückzahlungsklauseln: Betriebe und Auszubildende schließen einen Vertrag<br />

ab, in dem festgehalten wird, in welchem Zeitraum der Betreffende nach<br />

freiwilligem Ausscheiden aus dem Betrieb zur Rückzahlung der Ausbildungskosten<br />

verpflichtet ist (<strong>OECD</strong>, 2005).<br />

Schulische Erstausbildung: Die schulische Erstausbildung erfolgt im Allgemeinen<br />

in einem organisierten, strukturierten Rahmen und wird normalerweise<br />

innerhalb eines Landes im Rahmen des formalen Bildungswesens an Schulen,<br />

Oberschulen und Hochschulen erteilt. Sie reicht von der frühkindlichen Betreuung,<br />

Bildung und Erziehung über <strong>die</strong> Pflichtschulzeit und darüber hinaus bis zur weiterführenden<br />

Bildung. Die schulische Erstausbildung folgt in der Regel einem kontinuierlichen<br />

Pfad oder einem Entwicklungspfad bis zum Ersteintritt in eine Vollzeitbeschäftigung.<br />

Die im Rahmen der schulischen Erstausbildung angebotenen<br />

Bildungsgänge können auch als reguläre Bildungsgänge betrachtet werden<br />

(<strong>OECD</strong>, 2004).<br />

Sozialpartner: Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, <strong>die</strong> spezifische<br />

oder sektorale Interessen vertreten.<br />

Der Steuerabzug umfasst:<br />

– Lohnsummensteuerabzug/Freibetrag: Abzug/Freibetrag auf einen<br />

Betrag, den ein Arbeitgeber einbehält und/oder auf der Basis des<br />

Lohns oder Gehalts des betreffenden Mitarbeiters in seinem Namen<br />

zahlt. Der Staat verwendet Einnahmen aus Lohnsummensteuern zur<br />

Finanzierung von Leistungen wie Sozialversicherung, Gesundheitsversorgung,<br />

Arbeitslosenunterstützung, Arbeitsentgelte;<br />

– Ertragsteuerabzug: vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogene Beträge.<br />

Stu<strong>die</strong>ngebühren in der Berufsbildung: Die von einem Auszubildenden <strong>für</strong><br />

den theoretischen und praktischen Unterricht (einschließlich Gebühren <strong>für</strong> das<br />

Unterrichtsmaterial) in öffentlichen und privaten beruflichen Bildungseinrichtungen<br />

gezahlten Gebühren. Die Ausgaben <strong>für</strong> Aufnahmeprüfungen, Sonderbeiträge<br />

<strong>für</strong> zusätzliche Leistungen, wie Versicherungsschutz, sollten nicht einbezogen<br />

werden.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


GLOSSAR – 215<br />

Tarifvertrag: schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und<br />

den Arbeitnehmern, in der <strong>die</strong> Beschäftigungsbedingungen dargelegt sind (wie<br />

Gehälter, Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen und Beschwerdeverfahren).<br />

Teilzeitunterricht: Wechsel zwischen praktischer und theoretischer Ausbildung<br />

innerhalb der Woche (z.B. drei Tage praktische Ausbildung in einem<br />

Betrieb und zwei Tage allgemeine theoretische Schulbildung in einer berufsbildenden<br />

Einrichtung).<br />

Theoretische Dauer eines Bildungsgangs: Regelzeit in Jahren (Tagen,<br />

Wochen oder Monaten), <strong>die</strong> nach dem Gesetz oder anderen Bestimmungen <strong>für</strong><br />

den Abschluss eines Bildungsgangs vorgesehen ist. Die theoretische Dauer kann<br />

von der typischen oder durchschnittlichen Dauer des Bildungsgangs abweichen,<br />

<strong>die</strong> den Zeitraum abdeckt, den <strong>Lernen</strong>de in der Praxis bis zum Abschluss einer<br />

Ausbildung benötigen (<strong>OECD</strong>, 2004).<br />

Theoretisches Alter: jeweiliges Alter, das nach dem Gesetz oder anderen<br />

Bestimmungen <strong>für</strong> den Eintritt in einen Bildungsgang und dessen Abschluss<br />

vorgesehen ist (<strong>OECD</strong>, 2004).<br />

Übergang in einen Bildungsgang auf derselben ISCED-Stufe: Der Wechsel<br />

in einen Bildungsgang auf höherer ISCED-Stufe ist nicht möglich (z.B. von einigen<br />

ISCED-3C-Bildungsgängen ausgehend), jedoch kann ein <strong>Lernen</strong>der eine Ausbildung<br />

in einem anderen ISCED-Bildungsgang auf derselben Stufe aufnehmen<br />

(z.B. ISCED 3A, B), <strong>die</strong> Zugang zu höheren Bildungsebenen verschafft.<br />

Vollzeit/Teilzeit: Die Schülerinnen und Schüler sollten auf der Basis ihrer<br />

Unterrichtsbelastung als Vollzeit- oder Teilzeitschüler eingestuft werden. Die<br />

Unterrichtslast sollte anhand folgender Kriterien gemessen werden: a) dem akademischen<br />

Wert oder Fortschritt, dem <strong>die</strong> Unterrichts- und Lernbelastung entspricht<br />

(ein Vollzeitschüler ist eine Person, deren Unterrichts- und Lernbelastung<br />

einem akademischen Wert entspricht, der generell mit einem Vollzeitengagement<br />

des Schülers erreicht wird, unter der Voraussetzung, dass der Schüler das ganze<br />

Schuljahr in dem betreffenden Bildungsgang verbleibt. Ein Vollzeitengagement<br />

besteht, wenn das Kurspensum mehr als 75% einer typischen Schulwoche ausmacht.<br />

In allen anderen Fällen sollte <strong>die</strong> Person als Teilzeitschüler erfasst werden)<br />

und/oder b) gemäß dem zeitlichen Engagement des <strong>Lernen</strong>den (ein Vollzeitschüler<br />

ist eine Person, deren Kurspensum im Betrieb und in der Berufsschule<br />

mindestens 75% der Schulwoche ausmacht, unter der Voraussetzung,<br />

dass der Schüler das gesamte Schuljahr in dem betreffenden Bildungsgang verbleibt)<br />

(<strong>OECD</strong>, 2004).<br />

Von Ausbildungsbetrieben ganz oder teilweise finanzierte Berufsbildungsmaßnahmen:<br />

Berufsbildungsmaßnahmen, <strong>die</strong> ganz oder teilweise von Unternehmen<br />

finanziert werden, sei es direkt oder indirekt. Bei einer Teilfinanzierung<br />

können <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bildungsmaßnahme beanspruchte Arbeitszeit sowie <strong>die</strong><br />

Finanzierung der <strong>für</strong> <strong>die</strong> Maßnahme erforderlichen Ausstattung (Bücher,<br />

Computer, CD-ROM usw.) berücksichtigt werden (EUROSTAT, 2002).<br />

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216 – GLOSSAR<br />

Von Bildungseinrichtungen angebotene praktische berufliche Ausbildung:<br />

praktische Ausbildungen, <strong>die</strong> von Bildungseinrichtungen (Schulen der Sekundarstufe<br />

II, Schulungszentren) angeboten werden. Die Antworten hängen generell<br />

davon ab, wie <strong>die</strong> Länder ihre Bildungseinrichtungen definieren. In den meisten<br />

Ländern werden arbeitgeberseitige Bildungszentren nicht als Bildungseinrichtung<br />

definiert, obwohl sie in einigen Ländern als solche betrachtet werden.<br />

Voraussetzungen <strong>für</strong> angehende Lehrkräfte: Bedingungen, <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Ausbildung zum Lehrer oder Ausbilder in der Berufsbildung erfüllt sein müssen.<br />

Weiterbildung: Bezeichnung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Lernaktivitäten jener Personen, <strong>die</strong><br />

nach der Erstausbildung ins Bildungssystem zurückkehren. Zu den Weiterbildungsaktivitäten<br />

zählen: <strong>die</strong> Teilnahme an Stu<strong>die</strong>ngängen mit ähnlichem Inhalt<br />

wie in regulären Bildungsgängen bzw. <strong>die</strong> <strong>die</strong>sen Aktivitäten zu Grunde liegenden<br />

Bildungsgänge, <strong>die</strong> zu ähnlichen potenziellen Qualifikationen führen, wie <strong>die</strong><br />

entsprechenden regulären Bildungsgänge; <strong>die</strong> Dauer des Bildungsgangs in Vollzeitäquivalenten<br />

beträgt mindestens ein Semester (<strong>OECD</strong>, 2004).<br />

Zensus/Volkszählung: Verfahren zur Erhebung von Informationen über alle<br />

Angehörigen einer Bevölkerung.<br />

Zuschuss: bezieht sich auf <strong>die</strong> Schülerinnen und Schülern gewährte finanzielle<br />

Unterstützung, <strong>die</strong> nicht zurückgezahlt werden muss. Dabei sollten Ermäßigungen<br />

von Ausbildungsgebühren und deren Erlass als Zuschüsse betrachtet<br />

werden. Nur von der öffentlichen Hand finanzierte Zuschussprogramme <strong>für</strong><br />

Berufsbildungsteilnehmer an öffentlichen und privaten Einrichtungen sollten<br />

berücksichtigt werden. Aus privaten Quellen finanzierte Zuschussprogramme<br />

(wie beispielsweise von Stiftungen gewährte Stipen<strong>die</strong>n) sind ausgeschlossen.<br />

Zuschüsse auf der Basis von Zentralhaushalten: Der Staat finanziert Ausund<br />

Weiterbildungsaktivitäten aus dem allgemeinen Haushalt (<strong>OECD</strong>, 2005).<br />

Zuschüsse aus Ausbildungsabgabenfonds: Der Staat und branchenspezifische<br />

Einrichtungen erheben Ausbildungsabgaben von Unternehmen, um sie<br />

dann an anspruchsberechtigte Betriebe auszuzahlen, <strong>die</strong> Ausbildungszuschüsse<br />

beantragt haben (<strong>OECD</strong>, 2005).<br />

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GLOSSAR – 217<br />

Literaturverzeichnis<br />

EUROSTAT (2002), European Social Statistics, Continuing Vocational Training<br />

Survey (CVTS2), Luxemburg.<br />

<strong>OECD</strong> (2000), From Initial Education to Working Life: Making Transitions<br />

Work, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

<strong>OECD</strong> (2004), Handbook for Internationally Comparative Education Statistics:<br />

Concepts, Standards, Definitions and Classifications, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

<strong>OECD</strong> (2005), Promoting Adult Learning, <strong>OECD</strong>, Paris.<br />

<strong>OECD</strong> (2007), Qualifications Systems: Bridges to Lifelong Learning, <strong>OECD</strong>,<br />

Paris.<br />

Ryan, P. (2000), “The Institutional Requirements of Apprenticeship: Evidence<br />

from Smaller EU Countries”, International Journal of Training and Development.<br />

Vol. 4, No. 1, pp 42-65.<br />

LERNEN FÜR DIE ARBEITSWELT – © <strong>OECD</strong> 2010


<strong>OECD</strong> PUBLISHING, 2, rue André-Pascal, 75775 PARIS CEDEX 16<br />

PRINTED IN FRANCE<br />

(91 2010 04 5 P) ISBN 978-92-64-08783-5 – No. 57486 2010


<strong>Lernen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong><br />

Ein hohes Niveau arbeitsplatzrelevanter Kompetenzen wird <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>OECD</strong>-Länder<br />

als entscheidendes Mittel zur Stützung des Wirtschaftswachstums betrachtet.<br />

Die Berufsbildungssysteme sind nunmehr Gegenstand eingehender Analysen, um<br />

herauszufinden, ob sie in der Lage sind, <strong>die</strong> erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln.<br />

<strong>Lernen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> ist eine <strong>OECD</strong>-Stu<strong>die</strong> zur Berufsbildung, <strong>die</strong> den Ländern<br />

dabei helfen soll, <strong>die</strong> Anpassungsfähigkeit ihrer Berufsbildungssysteme im Blick auf<br />

<strong>die</strong> Arbeitsmarkterfordernisse zu verbessern. Sie wird <strong>die</strong> Faktengrundlage erweitern,<br />

einen Katalog von Politikoptionen ermitteln und Instrumente <strong>für</strong> <strong>die</strong> Bewertung der<br />

Politikinitiativen im Bereich der Berufsbildung entwickeln.<br />

Die <strong>OECD</strong> führt in folgenden Ländern Prüfungen der Berufsbildungspolitik durch:<br />

Australien, Belgien (Flandern), Deutschland, Irland, Korea, Mexiko, Norwegen,<br />

Österreich, Schweden, Schweiz, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigtes Königreich<br />

(England und Wales), Vereinigte Staaten (South Carolina und Texas). Ein erster Bericht<br />

über Chile und ein Kurzbericht über <strong>die</strong> Volksrepublik China wurden ebenfalls erstellt.<br />

Der Ausgangsbericht <strong>Lernen</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> ist auf der Website der <strong>OECD</strong> abrufbar<br />

unter: www.oecd.org/edu/learningforjobs.<br />

Der vollständige Text <strong>die</strong>ser Veröffentlichung ist verfügbar unter:<br />

www.sourceoecd.org/education/9789264087835<br />

Kunden mit <strong>Online</strong>-Zugang zu allen <strong>OECD</strong>-Büchern sollten folgenden Link benutzen:<br />

www.sourceoecd.org/9789264087835<br />

Source<strong>OECD</strong> ist <strong>die</strong> <strong>OECD</strong>-<strong>Online</strong>-Bibliothek <strong>für</strong> Bücher, periodisch erscheinende Publikationen<br />

und statistische Datenbanken.<br />

Wegen weiterer Informationen bezüglich <strong>die</strong>ses prämierten Service und eines kostenlosen<br />

Probezugangs wenden Sie sich bitte an Ihre Informations- und Dokumentationsstelle oder schreiben<br />

Sie uns an Source<strong>OECD</strong>@oecd.org.<br />

www.oecd.org/publishing<br />

isbn 978-92-64-08783-5<br />

91 2010 04 5 P<br />

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