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100 Jahre Bismarckturm: Herausragendes<br />

Denkmal für den „Reichsschmied"<br />

Ein im wahrsten Sine des Wortes herausragendes Bauwerk wird hundert Jahre alt: der Bismarckturm<br />

auf dem Scheersberg, der bei guter Sicht einen Rundblick über weite Teile des Kreises Schleswig-Flensburg ,<br />

und über die Förde hinweg nach Dänemark bietet. Turmausschuss und Jugendhof wollen dieses Jubiläum<br />

mit einer Veranstaltungsreihe würdigen. Die Auftaktveranstaltung am 17. Mai steht unter dem Motto<br />

"Geschichte und Geschichten <strong>zum</strong> Turm". Die zentrale 100-Jahr-Feier ist für den 24. August geplant.<br />

Scheersberg<br />

Bernd Philipsen<br />

Q)<br />

Zwischen den Mitgliedern<br />

der Schmiede-Innung Angeln<br />

und dem „Eisernen Kanzler"<br />

gab es wohl eine Art Seelenverwandtschaft.<br />

Denn für die<br />

zupackenden Handwerker<br />

war es eine Selbstverständlichkeit<br />

und Ehrensache zugleich,<br />

sich an der Spendenaktion<br />

<strong>zum</strong> Bau eines repräsentativen<br />

Aussichtsturms auf<br />

dem Scheersberg zu Ehren Bismarcks<br />

zu beteiligen. Der Granitstein,<br />

den sie für das Bauwerk<br />

stifteten, ist denn auch -<br />

wie es die eingemeißelte Inschrift<br />

kundtut „Dem<br />

Reichsschmied" gewidmet.<br />

Otto Graf von Bismarck<br />

(Schönhausen 1815 Friedrichsruh<br />

1898) war bereits zu<br />

Lebzeiten zu einer verehrten<br />

nationalen Kultfigur geworden.<br />

In weiten Bevölkerungskreisen<br />

wurde ihm eine fast<br />

mythische Verherrlichung<br />

entgegengebracht. Liberale<br />

und sozialistische Kreise sahen<br />

in dem „Eisernen Kanz-<br />

DerTurm auf dem Scheersberg war vor über 90 Jahren ein gefragtes Postkartenmotiv.<br />

ler" allerdings eher einen mit<br />

Blut und Eisen unverantwortlich<br />

umgehenden Gewaltmenschen.<br />

Nach seinem Tod wurde<br />

Bismarck als nationales<br />

Symbol verklärt. Der Bismarck-Boom<br />

findet seinen<br />

Ausdruck in Hunderten von<br />

Denkmälern; Straßen, Plätze,<br />

Parkanlagen, Ortschaften und<br />

— in den deutschen Kolonien<br />

— ganze Landstriche und Inselgruppen<br />

wurden nach ihm<br />

benannt. Von 410 geplanten<br />

Bismarcktürme wurden genau<br />

238 errichtet, davon acht<br />

im Gebiet des heutigen Schleswig-Holstein:<br />

in Aumühle,<br />

Bad Schwartau, Friedrichsruh,<br />

Itzehoe, Lütjenburg, Malente,<br />

Plön und auf dem Scheersberg<br />

in der Gemeinde Quern. Bis<br />

auf das Bauwerk in Malente<br />

haben alle anderen schleswigholsteinischen<br />

Bismarcktürme<br />

die Zeitläufe überlebt. Unter<br />

ihnen ist der Turm auf dem


Scheersberg mit seinen 32,30<br />

Metern bis zur Spitze der Fahnenstange<br />

der stattlichste. Die<br />

Gesamtkosten für Bau und<br />

Ausstattung lagen bei 30 ooo<br />

Mark.<br />

Wie die Angelner Schmiede<br />

sorgten zahlreiche Kommunen,<br />

Institutionen, Unternehmen<br />

und Privatpersonen aus<br />

der gesamten Region durch<br />

Stiftungen und den Kauf von<br />

so genannten Namenssteinen<br />

für ein solides finanzielles<br />

Fundament, auf dem 1900<br />

nach nur einjähriger Vorarbeit<br />

durch eine lokale Turm-Kommission<br />

mit der Errichtung<br />

des Bauwerks begonnen werden<br />

konnte. Die Festschrift,<br />

die zur Grundsteinlegung erschienen<br />

ist, gibt Auskunft<br />

über die Motive: „Das Gefühl<br />

der Dankbarkeit für unsere Befreiung<br />

und die Errichtung des<br />

Deutschen Reiches begründeten<br />

den Plan, dem Andenken des Eisernen<br />

Kanzlers, dem Fürsten<br />

Bismarck, ein herausragendes<br />

und dauerhaftes Denkmal zu setzen.<br />

Es wurde dafür der Scheersberg<br />

gewählt, weil dieser Punkt<br />

als der schönste Punkt Angeins<br />

bekannt ist, von wo aus der größte<br />

Teil des schönen Landes zu<br />

übersehen ist, auch die während<br />

der Kämpfe 1848, 1849 und<br />

1864 so viel genannten Punkte<br />

Düppel und Sonderburg deutlich<br />

sichtbar sind, und weil derselbe,<br />

von nah und fern durch die Kreisbahn<br />

leicht erreichbar, in der besseren<br />

Jahreszeit stets zahlreiche<br />

Besucher anlockt"<br />

Der Bismarckturm an einem der schönsten Plätze Angelns. (ß)


Mit dem Scheersberg als<br />

Standort für den Turm hatten<br />

die Initiatoren zudem einen<br />

wahrhaft historischen Platz<br />

ausgewählt. Die Erklärung des<br />

Ortsnamens gibt bereits einen<br />

eindeutigen Hinweis: „Berg<br />

mit Steinen" - genauer: mit<br />

Findlingen, die in vor- und<br />

frühgeschichtlicher Zeit auf<br />

der Kuppe zu Grabhügeln aufgeschichtet<br />

wurden. Für den<br />

Turmbau musste ein großer<br />

Grabhügel, in dem sich zwei<br />

Grabkammern befanden, völlig<br />

abgetragen werden. Die<br />

hierbei freigelegten Findlinge<br />

fanden beim Bau des Turmfundaments<br />

Verwendung.<br />

Während der Baumeister<br />

Wilhelm Kreis aus Eltville im<br />

Rheingau mit seinem Bismarckturm-Entwurf<br />

einen Architektenwettbewerb<br />

gewonnen<br />

hatte und nach seinen Plänen<br />

in ganz Deutschland 47<br />

Türme gebaut wurden, entschied<br />

man sich für den<br />

Scheersberg für eine regionale<br />

Lösung. Zunächst allerdings<br />

lehnte der Turmausschuss<br />

mehrere Vorschläge der Baumeister<br />

Clausen (Steinbergkirche)<br />

und Schmidt aus<br />

Steinberghaff und des Flensburger<br />

Architekten Alexander<br />

Wilhelm Prale ab, um sich<br />

schließlich für einen Plan zu<br />

entscheiden, an dem alle drei<br />

Bauexperten beteiligt waren.<br />

Einschlägige Publikationen<br />

nennen Prale als den Architekten<br />

des Bismarckturms auf<br />

dem Scheersberg. Unter seiner<br />

Regie entstand in neugotischem<br />

Stil ein Bauwerk, das<br />

im Denkmalbuch des Kreises<br />

wie folgt beschrieben wird:<br />

„Untergeschoss quadratisch<br />

aus Granitquadermauerwerk<br />

(mit Spenderinschriften), einem<br />

leicht vorgezogenen<br />

Spitzbogenportal mit Treppengiebel<br />

(roter Ziegel) und einer<br />

vorgelagerten Terrasse mit<br />

Freitreppe (Granit mit Spenderinschriften).<br />

Die oberen<br />

Geschosse aus roten Ziegeln<br />

mit abgeschrägten Ecken und<br />

Blendnischen. Oberstes Geschoss<br />

mit Spitzbogenfenstern,<br />

darüber eine Aussichtsplattform<br />

mit Zinnbrüstung<br />

und Wasserspeiern. In der<br />

Mitte eine Laterne mit proportional<br />

verkleinertem Grundriss,<br />

Zeltdach und bekrönender<br />

Fahnenstange."<br />

Nicht erwähnt wird hier das<br />

Bismarckwort über der Eingangstür,<br />

das in seiner verkürzten<br />

Form immer wieder<br />

für Diskussionsstoff sorgt:<br />

„Wir Deutsche fürchten Gott,<br />

aber sonst nichts auf der<br />

Welt". Tatsächlich hatte Bismarck<br />

in einer Rede vor dem<br />

Reichstag 1888 gesagt: „Wir<br />

Deutsche fürchten Gott und<br />

sonst<br />

nichts<br />

auf der<br />

Welt;<br />

und die<br />

Gottesfurcht<br />

ist<br />

es schon,<br />

die uns<br />

den Frieden<br />

lie-<br />

Otto Graf von<br />

Bismarck. ben und<br />

pflegen lässt." Zu Irritationen<br />

und Kontroversen führte gelegentlich<br />

— <strong>zum</strong> Beispiel bei<br />

einem Studenten-Happening<br />

1968 — auch ein weiteres Bismarck-Zitat<br />

auf einer Bronzetafel,<br />

die 1963 im Zuge der Umgestaltung<br />

des Turm-Inneren<br />

aufgestellt worden war: „Wir<br />

sind nicht auf der Erde, um<br />

glücklich zu sein und zu genießen;<br />

sondern um unsere<br />

Pflicht zu tun."<br />

Ein neues Kapitel in der<br />

Turm-Geschichte wurde im<br />

Jahre 1995 aufgeschlagen, als<br />

Künstler das Gebäude als originellen<br />

Ausstellungsort entdeckten.<br />

Kunst in verschiedenen<br />

Facetten wird auch das Jubiläumsprogramm<br />

prägen,<br />

das der Turmausschuss und<br />

der Jugendhof gemeinsam<br />

ausgearbeitet haben. Hartmut<br />

Piekatz, Vorsitzender des<br />

Turmausschusses und Leiter<br />

des Jugendhofs in Personalunion,<br />

legt besonderen Wert<br />

auf ein bürgernahes und offenes<br />

Programm, das noch Spielraum<br />

lässt für neue Initiativen<br />

und spontane Anregungen.<br />

In diesem Zusammenhang<br />

appelliert Piekatz ausdrücklich<br />

vor allem an die Bürger<br />

der Nachbarschaft, sich aktiv<br />

zu beteiligen. Das kann schon<br />

während der Auftaktveran<br />

staltung am 17. Mai um 19 Uhr<br />

im Festsaal des Jugendhofs geschehen,<br />

wenn es um die<br />

Turm-Geschichte und um Geschichten<br />

rund um den Bismarckturm<br />

geht. Wer etwas<br />

dazu beisteuern kann und Episoden<br />

<strong>zum</strong> Turm zu berichten<br />

weiß, ist willkommen. An diesem<br />

Tag startet zudem die<br />

neue Ausstellungsreihe<br />

„Kunst im Turm", diesmal begleitet<br />

von Märchen im und<br />

Musik am Turm.<br />

Unterstützung aus der Bevölkerung<br />

erhofft sich Piekatz<br />

auch bei der Ausgestaltung<br />

der geplanten Ausstellung<br />

<strong>zum</strong> Turm-Jubiläum: Wer<br />

kann dem Festkomitee Exponate<br />

anbieten, <strong>zum</strong> Beispiel<br />

historische Aufnahmen, Andenken<br />

oder Exemplare der<br />

drei verschiedenen Turm-Medaillen,<br />

die im Laufe der vergangenen<br />

100 Jahre herausgegeben<br />

worden sind? Die Eröffnung<br />

der Ausstellung wird im<br />

Mittelpunkt der offiziellen<br />

100-Jahr-Feier am 24. August<br />

stehen. Zu dem ganztägigen<br />

Festprogramm gehören ferner<br />

ein Gottesdienst am Turm, Aktivitäten<br />

für Kinder und Familien,<br />

eine Kunst-Versteigerung,<br />

Konzerte mit Chören<br />

und Orchestern der Region<br />

und die Aufführung des Kinder-Musicals<br />

„Der alte Turm".<br />

Am Vorabend, also am 23. August,<br />

soll auf dem Sportplatz<br />

des Jugendhofs ein großes<br />

Scheersberg-Feuer entzündet<br />

werden.<br />

Mit der Umsetzung einer Piekatz-Idee<br />

kann sofort begonnen<br />

werden: Der Turm- und<br />

Jugendhof-Chef ruft vor allem<br />

Schulklassen, aber auch Jugendliche<br />

und Erwachsene zu<br />

einem Foto- und Malwettbewerb<br />

auf. In Fragen der Form<br />

und der Gestaltung haben die<br />

Interessenten völlig freie<br />

Hand. Nur: Im Mittelpunkt<br />

muss der Jubilar stehen. Die<br />

rechtzeitig eingereichten Arbeiten<br />

sollen während der<br />

Festveranstaltung am 24. August<br />

der Öffentlichkeit präsentiert<br />

werden.<br />

Wer zur Veranstaltungsreihe<br />

anlässlich des Turmjubiläums etwas<br />

beitragen will, wird gebeten,<br />

Kontakt aufzunehmen mit Hanmut<br />

Piekatz, Internationale Bildungsstätte<br />

Jugendhof Scheersberg,<br />

Tel. 04632/848012, Fax<br />

04632/848080, E-Mail piekatz@scheersberg.de

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