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Forum Sexualaufklärung und Familienplanung – Alter und Sexualität

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die Sicht ihrer Jugend „konserviert“ haben <strong>und</strong> zum Beispiel<br />

im <strong>Alter</strong> massive Schuldgefühle wegen Selbstbefriedigung<br />

oder sogar ehelicher sexueller Kontakte nach den Wechseljahren<br />

empfinden.<br />

Schließlich hat auch die emotionale Beziehungsqualität in<br />

Partnerschaften einen Einfluss auf die <strong>Sexualität</strong>, wobei die<br />

Wechselbeziehung zwischen beiden Komponenten komplex<br />

<strong>und</strong> zum Teil antagonistisch ist. Im therapeutischen Kontext<br />

wird deutlich, dass sexuelle Probleme unter anderem in<br />

folgenden Situationen auftreten können:<br />

• wenn Konflikte aus anderen Lebensbereichen (z.B. Haushalt)<br />

ungelöst schwelen;<br />

• nach schwerwiegenden emotionalen Verletzungen<br />

(z.B. durch Außenbeziehungen);<br />

• bei zu dichter, enger <strong>und</strong> „verschmolzener“ Lebensweise<br />

des Paares;<br />

• wenn Probleme mit der Bewältigung ernster Erkrankungen<br />

auftreten;<br />

• bei Schüchternheit/Scheu, die eigenen sexuellen Bedürfnisse<br />

zu zeigen.<br />

Was bereitet älteren Frauen sexuelle Probleme?<br />

Während eine Vielzahl von Studien zu sexuellen Problemen<br />

menopausaler Patientinnen vorliegt, sind sexuelle Probleme<br />

„normaler“ 50- bis 90-jähriger Frauen (keine Patientinnen)<br />

bisher kaum untersucht worden. Die vorliegenden Studien<br />

deuten darauf hin, dass das bedeutsamste Problem erstens<br />

ein Mangel an Zärtlichkeit ist (darunter leiden 32% der<br />

Singles <strong>und</strong> 17% der verheirateten Frauen) <strong>und</strong> zweitens ein<br />

Mangel an sexuellem Kontakt, beispielsweise wegen fehlendem<br />

Partner, Unlust, Potenzproblemen oder Krankheit des<br />

Mannes (27% Singles, 41% verh.). Andere Probleme wie<br />

sexuelle Kommunikationsprobleme, sexuelle Routine oder<br />

sexuelle Langeweile (13% verh.), Koitus-Schmerzen/Scheidentrockenheit<br />

(7 bis 14% verh.) oder Schuldgefühle wegen<br />

sexueller Gefühle oder Handlungen (5 bis 7%) nehmen in<br />

Normalpopulationen einen geringeren Stellenwert ein<br />

(Literaturquellen: Sydow 2000).<br />

Nicht unerwähnt sollte allerdings auch bleiben, dass 13%<br />

der älteren Frauen unter Harnwegsbeschwerden leiden, was<br />

zwar an sich kein sexuelles Problem ist, jedoch leicht zu<br />

sexuellen Problemen beitragen kann.<br />

Eine repräsentative US-Querschnittstudie, die sich allerdings<br />

auf Personen beschränkt, die einen Partner haben <strong>und</strong><br />

mit diesem auch sexuell aktiv sind, belegt sogar, dass die<br />

meisten sexuellen Funktionsstörungen bei jungen Frauen<br />

<strong>und</strong> bei älteren Männern zu finden sind <strong>–</strong> alle Funktionsstörungen<br />

außer schwacher Lubrikation/Erregung treten bei<br />

den Frauen der ältesten untersuchten Gruppe (50 bis 59<br />

Jahre) seltener (!) auf als bei jüngeren Frauen (Laumann et<br />

al. 1994; zit. n. Sydow, im Druck).<br />

Insofern scheint der Fokus des medizinischen Interesses<br />

zwar durchaus eine Rolle zu spielen <strong>–</strong> doch bei weitem nicht<br />

so bedeutend zu sein wie der Wunsch nach mehr sexuellem<br />

Kontakt <strong>und</strong> nach mehr Zärtlichkeit.<br />

Ist die Menopause „schuld“ an sexuellen<br />

Veränderungen oder Beschwerden?<br />

Das sexuelle Interesse <strong>und</strong> die Erregbarkeit sind eher relativ<br />

unbeeinflusst von den Wechseljahren. Der Östrogenstatus ist<br />

auch nicht signifikant korreliert mit diesen sexuellen Variablen.<br />

Allerdings stehen das Schwächerwerden der Lubrikation<br />

<strong>und</strong> Dyspareunie (= Schmerzen beim Geschlechtsverkehr)<br />

zum Teil in Zusammenhang mit den hormonellen Umstellungen.<br />

Auch das Dünnerwerden der Haut von Vulva <strong>und</strong><br />

Vagina (Atrophie), Veränderungen des Scheiden-Milieus<br />

(sauer-alkalisch) <strong>und</strong> das mit diesen Veränderungen einhergehende<br />

erhöhte Infektions-, Blutungs- <strong>und</strong> Verletzungsrisiko<br />

stehen in Zusammenhang mit den Wechseljahren. Bei<br />

der Mehrheit der Frauen treten jedoch nur geringe Veränderungen<br />

auf, die zu keinen oder nur geringen Beschwerden<br />

führen.<br />

Eine neue Labor-Studie (mit allerdings nur einer kleinen<br />

Gruppe nicht-repräsentativer Frauen) belegt, dass sich die<br />

Lubrikation von prämenopausalen Frauen von der von<br />

Frauen in oder nach den Wechseljahren unterscheidet.<br />

Genauer: Die Vagina von jüngeren Frauen ist in sexuell nicht<br />

erregtem Zustand feuchter als die von älteren Frauen <strong>–</strong><br />

bei sexueller Erregung jedoch bestehen keine Unterschiede<br />

in der Lubrikation (Laan/van Lunsen 1997, zit. n. Sydow,<br />

im Druck). Nun scheint es so zu sein, dass Frauen nicht<br />

selten Geschlechtsverkehr haben ohne sexuell erregt zu sein.<br />

Das kann bei jüngeren Frauen ohne große Schmerzen funktionieren,<br />

da auch ohne jede Erregung noch eine gewisse<br />

vaginale Lubrikation vorhanden ist. Wenn Frauen/Paare<br />

dieses sexuelle Verhaltensmuster dann während <strong>und</strong> nach<br />

den Wechseljahren fortsetzen, kann das für die Frau richtig<br />

schmerzhaft werden, da ihre Vagina nicht länger sowieso<br />

feucht ist <strong>–</strong> sie leidet unter Dyspareunie, die scheinbar durch<br />

die Wechseljahre kommt, tatsächlich aber von Geschlechtsverkehr<br />

ohne sexuelle Erregung.<br />

Die Abnahme der koitalen Aktivität steht eher in Zusammenhang<br />

mit anderen Ursachen als mit den Wechseljahren:<br />

Es besteht auch kein signifikanter Zusammenhang<br />

zwischen Aktivität <strong>und</strong> Östrogenstatus. Stattdessen ist diese<br />

Abnahme in der Regel partnerbedingt. Entweder durch<br />

Partnerverlust (Tod, Trennung/Scheidung) oder aber durch<br />

<strong>Alter</strong>nsveränderungen der <strong>Sexualität</strong> des Partners (Abnahme<br />

von sexuellem Interesse <strong>und</strong> Potenz) sowie auch <strong>–</strong> wie in<br />

jedem Lebensalter <strong>–</strong> durch Partnerschaftsprobleme. Auch ein<br />

eigenes sexuelles Desinteresse der Frau, das meist schon<br />

lange bestand, kann eine Rolle spielen.<br />

Ältere Frauen sind sexuell unterschiedlich!<br />

Menschen jeden <strong>Alter</strong>s können auf unterschiedliche Weise<br />

mit ihrer <strong>Sexualität</strong> umgehen. Ältere Frauen nutzen verschiedene<br />

sexuelle Optionen <strong>–</strong> oft auch mehrere verschiedene<br />

Möglichkeiten gleichzeitig (ausführlich: Sydow 1994).<br />

„Selbstbestimmte sexuelle Abstinenz“ ist sowohl bei manchen<br />

Witwen anzutreffen (s. Zitat unten) als auch bei Frauen<br />

in Partnerschaften, die vielleicht noch nie Freude an Sex<br />

hatten oder aber aufgr<strong>und</strong> partnerschaftlicher <strong>und</strong>/oder<br />

ges<strong>und</strong>heitlicher Probleme ihr sexuelles Interesse verloren<br />

haben.<br />

Eine 73-Jährige: „Ich bin an meinen Mann geb<strong>und</strong>en,<br />

nich’, auch selbst jetzt nach’m Tode noch, innerlich, nich’.<br />

Ich hätte kein Interesse <strong>–</strong> also, es würde mich irgendwie<br />

schütteln mit ’nem anderen Mann zusammen zu sein. <strong>–</strong><br />

Ja, sag’ ich ehrlich.“ (zit. n. Sydow 1994, S. 98)<br />

BZgA FORUM 1/2<strong>–</strong>2003<br />

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