Deaf Jam - Aktion Mensch
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Unterrichtsmaterialien<br />
<strong>Deaf</strong> <strong>Jam</strong><br />
überall dabei<br />
Das inklusive<br />
Filmfestival
<strong>Deaf</strong> <strong>Jam</strong><br />
Credits / Filmdaten<br />
Unterrichtsfächer<br />
Deutsch, Englisch, Kunst, Gesellschaftskunde,<br />
Ethik, Religion, Theater<br />
Filmtitel (Original) <strong>Deaf</strong> <strong>Jam</strong><br />
Kategorie<br />
Dokumentarfilm<br />
Land, Jahr USA, 2011<br />
Länge<br />
70 Minuten<br />
Regie<br />
Judy Lieff<br />
Kamera<br />
Melissa R. Donovan, Claudia Raschke-Robinson<br />
Schnitt<br />
Keiko Deguchi, Dena Mermelstein<br />
Fassung<br />
Englische/ASL-Sprachfassung mit deutschen Untertiteln<br />
(auch für Gehörlose) /Audiodeskription/Tonfassung für Schwerhörige<br />
FSK<br />
ohne Altersbeschränkung<br />
Empfohlen ab Klasse 7<br />
Inhalt<br />
Zwei Sprachen, zwei Kulturen, ein Gedicht – das ist die Geschichte von <strong>Deaf</strong> <strong>Jam</strong>. Regisseurin Judy Lieff erzählt von der<br />
gehörlosen Schülerin Aneta aus New York, deren Eltern aus Israel eingewandert sind. Sie trifft in der Spoken Word Slam-<br />
Szene auf die hörende Tahani, eine Slam-Poetin, die aus Palästina stammt. Die beiden jungen Frauen bilden ein einzigartiges<br />
Performance-Duo, das die gerappte Lautsprache mit der Gebärdensprache verbindet.<br />
Der Film zeigt die Dynamik dieser Lyrik und beeindruckt mit der ausdrucksstarken Gestik und Mimik von Aneta und Tahani,<br />
die gemeinsam eine neue Form von Poesie erschaffen. Dabei stehen die beiden ebenso für die unterschiedliche Art, an ihrer<br />
Umwelt teilzuhaben, wie für die Möglichkeiten der Kommunikation über Grenzen hinweg – seien sie sprachlich oder politisch.<br />
1
<strong>Deaf</strong> <strong>Jam</strong> ist ein Film…<br />
…über Aneta, die gehörlos ist<br />
…über American Sign Language Poetry<br />
(s. Glossar S. 10)<br />
…über die Freundschaft zwischen einer Israelin<br />
und einer Palästinenserin<br />
…führt die Themenliste weiter!<br />
Stichwörter<br />
Handkamera, Tonspur, Bild- und Ton-Nachbearbeitung,<br />
Soundtrack, graphische Elemente, Animation, Schnitt,<br />
Bildqualität<br />
1. Erste Reaktionen<br />
Vor einer tiefer gehenden Diskussion zum Film ist es wichtig,<br />
die ersten Eindrücke frei aussprechen zu können. Spontane<br />
Äußerungen sind gefragt und willkommen!<br />
Was sind eure ersten Eindrücke zum Film?<br />
Gibt es Momente / Szenen im Film, die euch besonders<br />
angesprochen haben?<br />
Habt ihr Fragen zum Film?<br />
Habt ihr euch vor dem Film schon einmal mit dem Thema<br />
Gehörlosigkeit und Gebärdensprache beschäftigt?<br />
Beherrscht sie jemand von euch vielleicht selbst?<br />
Gibt es Themen aus dem Film, die euch weiter<br />
beschäftigen werden?<br />
2. Entwicklung von Problem- und Themenstellungen<br />
Gebärdensprache / ASL / Schule<br />
Aneta macht ihren Schulabschluss an der<br />
„Lexington School for the <strong>Deaf</strong>“ in Queens,<br />
New York. Die Privatschule wurde bereits<br />
1864 gegründet und ist die größte Schule für<br />
gehörlose Schülerinnen und Schüler in der<br />
Stadt. Hier hat der Film seinen Ursprung.<br />
Was erfahrt ihr in dem Film über die Lexington-Schule?<br />
Welche Rolle spielt der ASL-Poetry-Workshop innerhalb<br />
des normalen Schulalltages? Beschreibt die Arbeitsweise<br />
im Workshop!<br />
Aneta kommt aus einer gehörlosen Familie. Ihre Eltern, sie<br />
selbst und auch der Bruder kommunizieren miteinander in<br />
Gebärdensprache. Anetas Familie ist aber eher eine Ausnahme,<br />
denn 92 Prozent aller gehörlosen Kinder haben hörende Eltern.<br />
Oft wird die Gebärdensprache in den Familien dann nicht ange-<br />
wendet. Gerade sie stärkt aber oft das Selbstbewusstsein der<br />
Kinder und erleichtert spontane und gefühlsbetonte Äußerun-<br />
gen. Mit dem Angebot des ASL-Poetry-Workshops an Anetas<br />
Schule soll genau dies unterstützt werden. Die Jugendlichen<br />
werden zum ausdrucksstarken Erzählen in Gebärdensprache<br />
angeregt.<br />
Könnt ihr euch an die einzelnen Bedeutungen erinnern?<br />
Denkt beispielsweise an das Bild der Mona Lisa im Film!<br />
Was erfahrt ihr im Film noch über ASL? Was macht<br />
Gebärdensprache so besonders?<br />
2
In den USA, Kanada, einigen Regionen in Mexiko und verschie-<br />
denen Ländern in Afrika ist ASL die dominierende Gebärden-<br />
sprache. ASL steht für ‚American Sign Language’ (Amerika-<br />
nische Gebärdensprache) und vereint als Besonderheit fünf<br />
Komponenten, die eine Gebärde ausmachen. Im Film werden<br />
sie benannt als:<br />
Handstellung – Ausführungsstelle – Handform –<br />
Bewegung – Gesichtsausdruck<br />
In Deutschland lebende Schülerinnen und Schüler, die Gebär-<br />
densprache beherrschen, werden Anetas Gebärden vielleicht<br />
nicht verstehen. Im deutschsprachigen Raum wird, neben der<br />
Österreichischen (ÖGS) und Schweizerischen (DSGS), vor al-<br />
lem die Deutsche Gebärdensprache (DGS) verwendet. Deshalb<br />
ist ASL hier auch vergleichbar mit einer Fremdsprache. Genau-<br />
so wie es verschiedene Lautsprachen auf der Welt gibt, gibt<br />
es auch verschiedene Gebärdensprachen. Gebärdensprachen<br />
waren im Laufe der Geschichte immer wieder mit Verboten<br />
belegt oder im öffentlichen Raum lediglich geduldet.<br />
Recherchiert, wodurch sich ASL beispielsweise von der<br />
in Deutschland verwendeten Gebärdensprache (DGS)<br />
unterscheidet. Wie und wann entstanden überhaupt<br />
Gebärdensprachen? Seit wann ist Gebärdensprache in<br />
Deutschland als Sprache anerkannt? Sammelt weitere<br />
Informationen und recherchiert auch im Internet!<br />
Was denkt ihr über Gebärdensprache und deren<br />
Möglichkeiten sowie Grenzen? Warum nehmen die<br />
Jugendlichen an dem Workshop teil? Was erhoffen<br />
sie sich? Gibt es vielleicht auch Zweifel?<br />
In den Workshops erlernen die Jugendlichen die Grundlagen<br />
der ASL-Poetry. Die Besonderheit liegt im Erzählen in Bildern.<br />
Aus Körpersprache, Rhythmus und Bewegung der Hände wird<br />
ein Bild erzeugt. Das entspricht einem gesprochenen Ausdruck.<br />
Gedichte in Gebärdensprache lassen sich nur schwer in einen<br />
geschriebenen Text umwandeln. ASL-Poetry wird deshalb auch<br />
‚Sprache in Bewegung’ genannt.<br />
Zu welchen Themen verfassen die Jugendlichen ihre<br />
Gedichte? Was geschieht dabei mit ihnen? Welche<br />
Erfahrungen macht die Gruppe bei ihren ersten<br />
öffentlichen Auftritten in der Aula oder später in<br />
einem Club unter hörenden <strong>Mensch</strong>en?<br />
Welchen Effekt hat eurer Meinung nach der Workshop<br />
auf Aneta?<br />
Versucht selbst ein Gedicht oder eine kurze Geschichte<br />
auf ähnliche Weise auszudrücken! Überlegt euch, wie ihr<br />
diese mit Gesten, Mimik und Bewegungen erzählen könnt.<br />
Wenn ihr die Gebärdensprache beherrscht, versucht diese<br />
mit einzubinden. Gestaltet eine ähnliche Form der<br />
Erzählung.<br />
Nehmt, ähnlich wie Aneta und ihre Gruppe, eure<br />
Ergebnisse mit einer Kamera auf! Oder macht einfach<br />
Fotos von bestimmten Körper- und Gesichtsausdrücken<br />
und gestaltet so eine kleine Bildergeschichte. Beschreibt<br />
danach, was ihr jeweils in den Aufnahmen seht.<br />
Aneta bei ihrem ersten Auftritt<br />
in der Schulaula<br />
Die Ursprünge der ASL-Poetry liegen im Poetry Slam. Das<br />
ist eine Dichtkunst, die live vor Publikum vorgeführt wird. Die<br />
Künstlerinnen und Künstler treffen sich oft zu Wettbewerben,<br />
bei denen der oder die Beste vom Publikum ausgewählt wird.<br />
Das Wichtigste beim Poetry Slam ist immer das gesprochene<br />
Wort, aber eine gute „Performance“ gehört genauso dazu.<br />
Überlegt, wie Poesie in unserer heutigen Zeit neu definiert<br />
werden könnte! Welche neuen Formen von Poesie gibt es?<br />
Welche Rolle könnten technische Entwicklungen spielen,<br />
wie das Internet oder Audio-Bearbeitungsprogramme?<br />
Kennt ihr zum Beispiel Veranstaltungen, bei denen Bilder<br />
oder ganze Filme auf Leinwände projiziert werden und die<br />
Künstlerinnen und Künstler dazu performen?<br />
Welche Möglichkeiten ergeben sich daraus für gehörlose<br />
Künstlerinnen und Künstler? Welche fallen euch noch ein?<br />
3
Anderssein / Toleranz / Gebärdensprach-Kultur<br />
Die Jugendlichen treffen sich regelmäßig zum<br />
Workshop. Einmal reden sie auch über den<br />
Umgang der Familien mit ihrer Gehörlosig-<br />
keit. Wie bereits angedeutet ist Aneta eine<br />
der wenigen, die auch gehörlose Eltern hat.<br />
Welche Erfahrungen haben die Jugendlichen gemacht? Wie ist<br />
das Verhältnis zu hörenden Eltern? Belastet sie die Gehörlo-<br />
sigkeit? Oder sind sie eher stolz darauf? Welche Hoffnungen<br />
und Ängste haben sie für die Zukunft? Diskutiert folgende<br />
Aussagen:<br />
„Ich war froh, als mein Bruder gehörlos auf die Welt kam. Hö-<br />
rende <strong>Mensch</strong>en sagen ‚Tut mir leid’, wenn ein gehörloses Kind<br />
geboren wird.“ (Aneta)<br />
„Gehörlose sind stark. Aber nach der Highschool bin ich in der<br />
wirklichen Welt. Und dann?“ (Aneta)<br />
„Hörende haben eine größere Auswahl an Leuten. Es gibt so<br />
viele unterschiedliche <strong>Mensch</strong>en. Ich möchte mich mit mehr<br />
hörenden <strong>Mensch</strong>en treffen. Aber ich kann nicht mit ihnen<br />
kommunizieren. Sie sagen: ‚Nein, keine Zeit.’ Lexington ist eine<br />
kleine Welt. Sie ist einfach zu klein.“ (Aneta)<br />
„Meine Familie ist hörend. Sie reden und ich werde zurück-<br />
gelassen. Ich kriege viele Gespräche nicht mit.“ (Robert)<br />
„Meine Mutter akzeptiert es, mein Vater nicht. Ich soll ein<br />
Cochleaimplantat (s. Glossar S. 10) bekommen. Ich sage:<br />
Nein. Ich bin stolz auf meine Gehörlosigkeit.“ (Wanda)<br />
„Ich liebe es, gehörlos zu sein. Es ist friedlich. Ich höre keine<br />
Flugzeuge, ich kann bei Lärm durchschlafen. Es ist toll. Ich<br />
liebe Gebärdensprache. Es ist eine eigene Kultur und Sprache.<br />
Mit Hörenden ist es langweilig.“ (Shiran)<br />
Es existiert eine Diskussion um die Gebärdensprache und den<br />
Erhalt ihrer Kultur. Immer mehr Alternativen zur Gebärdenspra-<br />
che werden entwickelt. Zum Beispiel das frühe Erlernen der<br />
Lautsprache oder der Einsatz eines Cochleaimplantats.<br />
Beim letzteren wird der/dem Betroffenen eine Hörprothese<br />
eingesetzt, die es ihr/ihm ermöglicht, akustische Signale wahr-<br />
zunehmen. Das Hören wird wie eine Art Fremdsprache neu<br />
erlernt. Die Gebärdensprache wäre damit überflüssig.<br />
Im Film heißt es:<br />
Was ist eurer Meinung nach das Besondere an der Gehör-<br />
losenkultur? Glaubt ihr, die Gebärdensprache könnte<br />
irgendwann verschwinden?<br />
Diskutiert auch die Aussage aus dem Film: „Das Überle-<br />
ben einer Sprache bedeutet das Überleben einer Kultur,<br />
das Überleben eines Volkes.“<br />
Welche Rolle spielen in dieser Diskussion Aneta und all<br />
die anderen ASL-Poetry-Künstlerinnen und Künstler?<br />
„In amerikanischen Schulen lernen 52% von gehörlosen<br />
Kindern nur das Sprechen. 36% lernen die Gebärdensprache<br />
und das Sprechen. 11% lernen nur die Gebärdensprache.“<br />
4
Durch die ASL-Poetry-Workshops sollen die Jugendlichen<br />
auch die Kraft und Fülle der Gehörlosenkultur für sich entde-<br />
cken. Ein bedeutender Teil dieser Kultur ist die Gebärdenspra-<br />
che. Den Projektleitern ist es wichtig, den Schülern ‚ihre Ge-<br />
schichte’ bewusst zu machen. Sie ist angereichert mit einem<br />
dauernden Kampf um Toleranz, um Sichtbarkeit innerhalb der<br />
Gesellschaft und um das Recht auf Ausübung ihrer Gebärden-<br />
sprache. Das betrifft Schulen genauso wie die Familie oder die<br />
Öffentlichkeit allgemein.<br />
Später im Film trifft sich eine Gruppe von gehörlosen<br />
Erwachsenen. Unter ihnen der bekannte ASL-Poet Peter Cook.<br />
Er vergleicht die Gehörlosen mit Kakerlaken:<br />
Was haltet ihr von diesem Vergleich? Cook beschreibt mit<br />
dem Vergleich die Stärke der gehörlosen Kinder. Sollte man<br />
das Verhindern der Gehörlosenkultur mit der Beseitigung<br />
von Kakerlaken vergleichen?<br />
Wie reagiert die Öffentlichkeit allgemein auf das Anderssein<br />
von <strong>Mensch</strong>en? Habt ihr selbst schon Situationen erlebt, in<br />
denen ihr oder Andere aufgrund von Anderssein ausgegrenzt<br />
wurdet? Wie seid ihr damit umgegangen? An wen wendet ihr<br />
euch in solchen Momenten?<br />
„Seit vielen Jahren gibt es Kakerlaken in New York. Wir haben<br />
sie satt. Wir verbannen sie aus unseren Häusern, besprühen<br />
sie, aber wir kriegen sie nicht los. Gehörlose <strong>Mensch</strong>en kriegt<br />
man nicht los. Niemals. Wir sind wie Kakerlaken.“<br />
(Peter Cook)<br />
5
Freundschaft / interkultureller & sprachlicher Dialog<br />
Während ihres letzten Schuljahres begegnet<br />
Aneta der Muslimin Tahani.<br />
Was wisst ihr über die Herkunft von Aneta und Tahani?<br />
Kennt ihr den Konflikt zwischen Israel und Palästina?<br />
Recherchiert auch im Internet!<br />
Wie haben sie sich kennen gelernt? Wie würdet ihr beide<br />
beschreiben, auch im Umgang miteinander? Haben sie für<br />
euch Vorbildwirkung? Begründet eure Antwort!<br />
Welche Wege der Kommunikation haben sie für sich<br />
gefunden? Im allgemeinen Umgang miteinander, aber<br />
auch für die Arbeit an ihren Stücken?<br />
Wie wirken sich ihre Herkunft und die Besonderheit ihrer<br />
Kommunikation auf die Themen ihrer Stücke aus? Was<br />
bewegt die beiden? Welche Unterschiede und Gemein-<br />
samkeiten entdecken sie aneinander?<br />
Aneta hat innerhalb des Films verschiedene Arten von Freund<br />
schaft erlebt. Da waren die Mitschüler innerhalb des ASL-<br />
Poetry-Workshops, die beste Freundin Shiran und später die<br />
hörende Tahani.<br />
-<br />
Beschreibt die verschiedenen Beziehungen und die<br />
Hoffnungen sowie Ängste, die an sie geknüpft waren.<br />
Was bedeutet für euch Freundschaft? Wie fühlt ihr euch,<br />
wenn ihr in einer Gruppe Gleichgesinnter seid? Habt ihr<br />
ähnlich unerwartete Freundschaften geschlossen wie<br />
Aneta und Tahani?<br />
Mit ihrer Verbindung von gerappter Lautsprache und Gebärden<br />
erschaffen Aneta und Tahani eine völlig neue Art dieser Kunst.<br />
Ein Professor meint im Film sogar, dass hier eine Sprache<br />
entsteht, die es in einem Buch nicht geben kann.<br />
Was bringen sie in ihren Gedichten zum Ausdruck und wie<br />
schaffen sie das?<br />
Wie reagieren die Zuhörerinnen und Zuhörer – hörende,<br />
wie gehörlose – auf die Auftritte? Was bewirken sie mit ihrer<br />
‚Slam Poetry in ASL’?<br />
„Wie definiert man ‚taub’? ‚Nicht hören können?’ Ich möchte<br />
die Definition im Wörterbuch ändern. ‚Nicht können’ ist negativ<br />
konnotiert. Ich finde, wir sollten sagen ‚nicht hören’. Eine ande-<br />
re Perspektive.“ (Aneta)<br />
Diskutiert den Wunsch Anetas nach einer neuen Erklärung<br />
von Gehörlosigkeit! Ist er auf andere Formen von Beeinträch-<br />
tigungen, egal welcher Art, übertragbar? Welche Grundaus-<br />
sage verbirgt sich hinter diesem Wunsch?<br />
Welche Vorstellungen, Wünsche, Hoffnungen und/oder<br />
Bedenken habt ihr in Bezug auf ein gleichberechtigtes<br />
Miteinander zwischen <strong>Mensch</strong>en mit und ohne<br />
Behinderung?<br />
6
<strong>Deaf</strong> <strong>Jam</strong> ist ein Dokumentarfilm…<br />
… in dem Aneta Einblicke in ihr Leben gibt<br />
… in dem Text animiert wird<br />
… in dem Bild und Ton teilweise bearbeitet sind<br />
… führt die Themenliste weiter!<br />
Stichwörter<br />
Handkamera, Tonspur, Bild- und Ton-Nachbearbeitung,<br />
Soundtrack, graphische Elemente, Animation, Schnitt,<br />
Bildqualität<br />
3. Filmisches Erzählen und Gestaltungsmittel<br />
Was fällt euch an der Machart des Films noch auf? Was<br />
ist euch ( im Vergleich zu anderen Filmen, die ihr kennt )<br />
als ‚besonders’ im Kopf geblieben? Wie ist er erzählt und<br />
aufgebaut?<br />
Ton und Musik<br />
Ein Film besteht heute immer aus einer<br />
Bild- und Tonebene. Das war nicht immer<br />
so. Der erste Film überhaupt wurde 1895 in<br />
Paris vorgeführt. Dieser Moment gilt heute als<br />
Geburtsstunde des Films. Erfinder der Technik<br />
waren die Brüder Lumière. Allerdings fehlte damals noch der<br />
Ton und die Filme waren in schwarz / weiß. Die Schauspieler<br />
erzählten die Geschichten allein über ihre Körpersprache und<br />
einen besonders starken Gesichtsausdruck. Der Ton kam erst<br />
1927 hinzu. Bis dahin bezeichnete man diese Filme deshalb<br />
auch als Stummfilme. Heute werden manchmal wieder reine<br />
Stummfilme produziert. 2012 gewann der französische Stumm-<br />
film ‚The Artist’ ( Regie: Michel Hazanavicius ) sogar fünf Oscars!<br />
Hätte <strong>Deaf</strong> <strong>Jam</strong> vielleicht auch ein Stummfilm werden<br />
können? Wieso glaubt ihr, hat sich die Filmemacherin<br />
Judy Lieff dagegen entschieden, einen tonlosen Film zu<br />
drehen?<br />
Überlegt, an welchen Stellen die Filmemacherin dennoch<br />
versucht hat, Anetas Gehörlosigkeit im Film deutlich zu<br />
machen? Was ist in diesen Momenten zu hören? Warum<br />
ist keine völlige Stille zu hören? Denkt zum Beispiel an<br />
den Anfang des Films!<br />
Habt ihr durch den Film eine Vorstellung davon erhalten,<br />
wie Aneta die Außenwelt wahrnimmt?<br />
Im Film wird oft Musik eingesetzt. Zum Beispiel immer dann,<br />
wenn die Schüler ihre Stücke in Gebärdensprache präsen-<br />
tieren. So auch bei ihrer ersten Aufführung in der Aula der<br />
Schule.<br />
Beschreibt die Musik im Film! Wodurch zeichnet sie sich<br />
aus? Woran erinnert sie euch? In welchen Momenten im<br />
Film wird noch Musik eingesetzt?<br />
Warum war es der Filmemacherin wohl wichtig, nicht auf<br />
Musik zu verzichten? Hört euch dazu zum Beispiel den<br />
Einstieg des Films noch mal ohne Ton an. Sammelt eure<br />
Eindrücke! Schaut euch danach die gleiche Stelle mit Ton<br />
an. Wie verändert sich eure Wahrnehmung?<br />
Welche Funktion könnte Musik im Film haben? Erinnert<br />
euch auch an andere Filme, die ihr bereits gesehen habt!<br />
Wann wird zum Beispiel schnelle Musik eingesetzt, wann<br />
langsame oder beschwingte?<br />
Die Filmemacherin Judy Lieff<br />
7
Animierte Wort-Spiele<br />
In <strong>Deaf</strong> <strong>Jam</strong> gibt es eine Reihe von Wort-<br />
Animationen. Animation bedeutet mehrere<br />
eigentlich starre Bilder oder Fotos zum Leben<br />
zu erwecken. So werden zum Beispiel auch<br />
Trickfilme gemacht. Der Ablauf einer Hand-<br />
lung wird zuerst Bild für Bild gezeichnet oder am Computer<br />
entworfen. Danach werden sie in der richtigen Reihenfolge von<br />
einer Kamera aufgenommen oder weiter am Computer verar-<br />
beitet. Letztlich geht es dann darum, sie in eine flüssige Bewe-<br />
gung zu versetzen. Und schon ist der Animationsfilm fertig! Die<br />
einfachste Form von Animation sind Daumenkinos.<br />
Recherchiert im Internet, wie solche Daumenkinos<br />
gemacht werden und was ihr dafür braucht. Überlegt<br />
euch selbst eine kleine Handlung und erstellt euer eigenes<br />
Daumenkino! Tipps gibt es zum Beispiel hier:<br />
www.mediaculture-online.de/Daumenkino.1193.0.html<br />
Im <strong>Deaf</strong> <strong>Jam</strong> erscheinen vor allem Wort-Animationen. Zum<br />
Beispiel, wenn die Jugendlichen ihre Gedichte vortragen.<br />
Dann erscheinen plötzlich einzelne Wörter oder ganze Sätze,<br />
die bunt und großflächig durchs Bild huschen. Oder auch zu<br />
Beginn des Films, als Peter Cook erklärt, was ASL-Poetry ist.<br />
Hier fliegen Wörter erst durch das Bild, lösen sich dann in<br />
einzelne Buchstaben auf oder verdampfen zum Schluss sogar<br />
zu einer kleinen Wolke.<br />
Welche Bedeutung haben eurer Meinung nach diese<br />
Wortanimationen? Woran sind sie gekoppelt? Was sollen<br />
sie verdeutlichen oder verstärken?<br />
Woher kennt ihr noch solche Spielereien mit Schrift?<br />
Welche Parallelen seht ihr zum Beispiel zu Graffiti oder<br />
Comics?<br />
8
4. Referenzmedien und weitere Informationen<br />
Filme<br />
Def<br />
Großbritannien 2003. Kurzfilm in Schwarzweiß von Ian Clark.<br />
Empfohlen ab 14 Jahre<br />
Tony ist gehörlos und lebt in einer tristen, von Gewalt gezeich-<br />
neten Wohnsiedlung. Er geht nicht gern zur Schule und wird<br />
von den anderen Jungen seiner Nachbarschaft eigentlich nur<br />
gehänselt. Aber er hat einen Traum. Er will Rapstar werden...<br />
Der Film ist auch zu sehen auf vimeo:<br />
vimeo.com/39374912<br />
Ich muss dir was sagen<br />
Österreich 2006. Dokumentarfilm von Martin Nguyen.<br />
Oskar und Leo sind vier und Zwillingsbrüder. Oskar ist seit sei-<br />
ner Geburt gehörlos, Leo nicht. Der Film zeichnet ein intimes<br />
Portrait einer Familie, dass mit der neuen Situation versucht<br />
zurechtzukommen, zwischen Gebärdensprache und Zukunfts-<br />
ängsten.<br />
das Cochlea Implantat eingesetzt. Er lernte unter großen<br />
Strapazen Hören, Lippen lesen, sich in Lautsprache auszudrü-<br />
cken. Die Gebärdensprache war ihm verboten und damit das<br />
Mittel, sich wirklich auszudrücken. Erst als Erwachsener lernt<br />
er sie, steht seitdem als Gebärdenkünstler auf der Bühne und<br />
provoziert.<br />
Touch the Sound – A Sound Journey With Evelyn Glennie<br />
Deutschland / Grobritannien 2004.<br />
Dokumentarfilm von Thomas Riedelsheimer.<br />
FSK ohne Altersbeschränkung<br />
Evelyn Glennie ist seit ihrer Kindheit ihr gehörlos. Sie hat<br />
gelernt, den Körper als Resonanzraum zu nutzen, die Klänge<br />
ihrer Umwelt zu spüren. Der Film begleitet die heute welt-<br />
berühmte Solo-Perkussionistin auf einer Klang-Reise durch<br />
die Welt.<br />
Verbotene Sprache<br />
Schweiz 2009. Dokumentarfilm von Katrin Sutter / David Thayer.<br />
Empfohlen ab 14 Jahren<br />
Verbotene Sprache ist ein Porträt des Gebärdensprachkünst-<br />
lers Rolf Lanicca. Als erstes Kind in der Schweiz wurde ihm<br />
Internetseiten<br />
Rotkäppchen<br />
in deutscher Gebärdensprache. Deutschland 2011.<br />
Ein Trickfilmprojekt von Britt Dunse und Isabelle Schmidt.<br />
8 Minuten. Ohne Altersbeschränkung<br />
Das Märchen Rotkäppchen in deutscher Gebärdensprache<br />
ist das Ergebnis eines Trickfilmworkshops mit 16 Kindern der<br />
Enst-Adolf-Eschke Schule für Gehörlose in Berlin. Hier ist alles<br />
selbstgemacht!<br />
Zu sehen auf vimeo: vimeo.com/32920291<br />
Das Making of auf vimeo: vimeo.com/32937353<br />
Weitere Informationen zum Thema<br />
Gehörlosigkeit<br />
Deutscher Gehörlosen-Bund e.V.:<br />
www.gehoerlosen-bund.de/dgb/<br />
Taubenschlag (Portal für Gehörlose und Schwerhörige):<br />
www.taubenschlag.de<br />
Bücher<br />
Freak City<br />
Deutschland 2010. Jugendbuch von Kathrin Schrocke.<br />
Empfohlen ab 12 Jahren<br />
Lea ist hübsch, temperamentvoll – und von Geburt an gehör-<br />
los. Als Mika sie zum ersten Mal sieht, zieht ihn das quirlige<br />
Mädchen mit der Lockenmähne sofort in ihren Bann. So sehr,<br />
dass er beschließt, einen Gebärdensprachkurs zu machen.<br />
Familie und Freunde sind skeptisch und bald kommen ihm<br />
selbst erste Zweifel. Nie hätte er gedacht, dass die Welt der<br />
Gehörlosen eine völlig andere ist als seine. Und plötzlich ist<br />
da wieder Sandra, Mikas Exfreundin, über die er nie ganz<br />
hinweggekommen ist. Doch Lea hat sich schon in sein Herz<br />
geschlichen… ( Klappentext )<br />
9
5. Glossar<br />
ASL (American Sign Language)<br />
ASL ist die dominierende Gebärdensprache in den USA, in<br />
den englischsprachigen Teilen Kanadas und in einigen Län-<br />
dern Afrikas. Historisch ist sie eine Mischung aus der alten<br />
Französischen Gebärdensprache (LSF), der Gebärdensprache<br />
der Inseleinwohner Martha‘s Vineyards und der Zeichenspra-<br />
che der amerikanischen Indianer. Mit der englischen Sprache<br />
ist ASL nicht vergleichbar, da sie, wie alle Gebärdensprachen,<br />
eigene grammatikalische und semantische Regeln heraus-<br />
gebildet hat. Entwickelt wurde ASL in der ersten Amerikani-<br />
schen Schule für Gehörlose (American School for the <strong>Deaf</strong>) in<br />
Hartford, Connecticut, die im Jahre 1817 von Thomas Hopkins<br />
Gallaudet und dem gehörlosen Franzosen Laurent Clerc auf-<br />
gebaut wurde. Sie ist noch heute Anlaufstelle für viele gehörlo-<br />
se Schülerinnen und Schüler. Die später gegründete Gallaudet<br />
Universität in Washington, D.C. ist zudem bis heute die einzige<br />
amerikanische Hochschule, die ihr Lehrprogramm speziell auf<br />
die Bedürfnisse gehörloser und schwerhöriger Studentinnen<br />
und Studenten ausgerichtet hat.<br />
ASL-Poetry<br />
Die Performance-Kunst ist eine Mischung aus Körpersprache,<br />
Rhythmus und Bewegung der Hände. Aus diesen drei Kom-<br />
ponenten kreieren die ASL-Poetinnen und Poeten ein dreidi-<br />
mensionales Bild, welches vergleichbar ist mit Sprach-Poesie.<br />
Werden gleiche Handbewegungen beispielsweise mehrmals<br />
hintereinander wiederholt, ergibt sich daraus ein Rhythmus.<br />
Aber auch cineastische Konzepte finden sich wieder. So spie-<br />
len Künstler oft mit Nahaufnahmen, also äußerst detailreichen<br />
Bildern oder eher überblickshaften Bewegungen, die eine Sze-<br />
nerie aus der Distanz (Totale) beschreiben. Bilder können aber<br />
auch in andere Bilder hinüber gleiten, zurück- oder vorgespult<br />
werden. Das ermöglicht dem Künstler, verschiedene Blick-<br />
winkel von Personen in einer Szene zu verdeutlichen. Dem<br />
körperlichen Ausdruck sind keine Grenzen gesetzt. ASL-Poetry<br />
ist eine ‚Sprache in Bewegung‘.<br />
DGS ( Deutsche Gebärdensprache )<br />
Wie die Bezeichnung vermuten lässt, wird die DGS vor allem<br />
in Deutschland verwendet. Sie ist, ebenso wie ASL, eine<br />
visuell-manuelle Sprache und wird von schätzungsweise<br />
200.000 <strong>Mensch</strong>en benutzt. Auch die DGS unterscheidet sich<br />
in der Grammatik grundlegend von der deutschen Lautspra-<br />
che. Sie ist eine Mischung aus Mimik, Körperhaltung und<br />
Gebärden. Letztere differenzieren sich durch die Handform,<br />
die Handstellung sowie Ausführungsstelle und der Bewegung.<br />
Um Eigennamen zu gebärden wird zusätzlich das Fingeralpha-<br />
bet verwendet.<br />
Die DGS wurde in Deutschland erst 2002 mit dem Behin-<br />
dertengleichstellungsgesetz ( § 6 BGG ) rechtlich anerkannt.<br />
Bis dahin wurde sie entweder verboten, unterdrückt oder im<br />
öffentlichen Raum nur geduldet.<br />
Poetry Slam<br />
Der Ursprung des Poetry Slam liegt im Chicago der 1990er<br />
Jahre. Einer der ersten Pioniere war der Poet und Bauarbei-<br />
ter Marc Kelly Smith, geboren 1949. Er etablierte 1984 den<br />
‚Uptown Poetry Slam‘ in einem Jazzclub als Wettbewerb, mit<br />
dem Publikum als Jury. Poetry Slams spielen mit verschie-<br />
denen Stimmlagen, Styles, kulturellen Traditionen, Textsorten<br />
und Performances. Manche nutzen zusätzlich Beats, bspw.<br />
aus dem Hip-Hop-Bereich, oder kombinieren ihre Poems mit<br />
ausdrucksstarken Körperbewegungen. Am wichtigsten ist bei<br />
einem Poetry Slam jedoch das kritische Publikum, welches<br />
als Jury darüber abstimmt, welche Performance am stärksten<br />
überzeugte. Insofern sind die Poetry Slams meist geprägt von<br />
intensiven Begegnungen zwischen den Künstlerinnen und<br />
Künstlern und dem Publikum.<br />
Cochleaimplantat<br />
Für Gehörlose oder Schwerhörige, deren Hörnerv noch funk-<br />
tioniert, ist ein Cochleaimplantat als Hörprothese denkbar. Es<br />
ersetzt die Funktion des beschädigten Innenohrs und über-<br />
trägt Audiosignale direkt an das Gehirn. Das CI besteht aus<br />
zwei Teilen: Zum einem aus dem Implantat, welches direkt<br />
hinter das Ohr unter die Haut platziert wird und zum anderen<br />
aus einem Sprachprozessor mit dazugehöriger Sendespule.<br />
Letztere werden wie ein Hörgerät hinter dem Ohr getragen.<br />
CIs wandeln Schall in elektrische Impulse um und schaffen so<br />
eine Stimulanz des Hörnervs in der Hörschnecke. Lautspra-<br />
che und Geräusche sind wieder oder erstmals wahrnehmbar.<br />
Die Bedeutung eines Geräusches muss jedoch erst gelernt<br />
werden. In der Gehörlosencommunity ist der Einsatz von CIs<br />
umstritten, da hierdurch die Identität gefährdet werden könnte.<br />
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Impressum<br />
Autorin: Claudia Ziegenfuß<br />
Konzept: doxs! dokumentarfilme für Kinder und Jugendliche<br />
Betreuung: Grimme-Institut, Marl<br />
In Kooperation mit<br />
überall dabei<br />
Das inklusive Filmfestival<br />
ist eine Veranstaltung der <strong>Aktion</strong> <strong>Mensch</strong><br />
und ihrer Kooperationspartner<br />
<strong>Aktion</strong> <strong>Mensch</strong> e.V.<br />
Heinemannstr. 36<br />
53175 Bonn<br />
Projektleitung: Nadja Ullrich<br />
Telefon: 0228 2092-390<br />
nadja.ullrich@aktion-mensch.de<br />
Stand: September 2012<br />
Mehr Informationen zum Filmfestival<br />
erhalten Sie unter<br />
www.aktion-mensch.de/filmfestival<br />
Weitere Bildungsmaterialien der<br />
<strong>Aktion</strong> <strong>Mensch</strong> finden Sie unter<br />
www.aktion-mensch.de/unterricht<br />
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