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stellungnahme insieme zum vorentwurf erwachsenenschutz

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STELLUNGNAHME INSIEME ZUM VORENTWURF<br />

ERWACHSENENSCHUTZ<br />

Vernehmlassungsverfahren zur Revision des Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz,<br />

Personenrecht und Kindesrecht) / Juni 2003 bis 15. Januar 2004<br />

Als Angehörige von Menschen mit einer geistigen Behinderung verfolgen wir die Revision des<br />

Vormundschaftsrechts mit grossem Interesse. Wir nehmen deshalb gerne Stellung <strong>zum</strong> Vorentwurf<br />

für ein neues Erwachsenenschutzrecht.<br />

Viele Menschen mit einer geistigen Behinderung und sehr viele ihrer Angehörigen machen<br />

irgendwann in ihrem Leben persönlich Erfahrungen mit dem Vormundschaftsrecht. Es sind das<br />

Situationen, in denen sich die Frage stellt, wieweit die behinderte Person selbständig zu handeln<br />

vermag oder wieweit eine Unterstützung durch die Angehörigen (rechtlich) möglich ist. Es sind dies<br />

konkret auch Erfahrungen, dass eine vormundschaftliche Massnahme abgeklärt oder getroffen<br />

wird.<br />

Dabei sind Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Angehörigen immer wieder mit den<br />

Unzulänglichkeiten des heutigen Vormundschaftsrechts konfrontiert. Wir haben deshalb folgende<br />

Anliegen an die Revision:<br />

• Es braucht massgeschneiderte Massnahmen, die optimal auf die individuellen Bedürfnisse<br />

zugeschnitten sind und die Autonomie der behinderten Person möglichst fördern und<br />

respektieren.<br />

• Für Eltern sollen - wie heute bei der erstreckten elterlichen Sorge - auch zukünftig bezüglich<br />

Berichterstattungs- und Rechnungsablagepflicht spezielle Regeln gelten.<br />

• Es braucht gut qualifizierte Behörden, die die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen können.<br />

• Privatpersonen als Beistände sind erwünscht. Um sie zu ermutigen, ein solches Amt zu<br />

übernehmen, muss ihnen die nötige Einführung, Ausbildung und Unterstützung gewährt<br />

werden.<br />

1. Gesamtbeurteilung des Entwurfes<br />

Wir beurteilen den Entwurf <strong>zum</strong> neuen Erwachsenenschutz insgesamt positiv. Die wichtigen<br />

Anliegen der Eltern und Angehörigen sind im Entwurf aufgegriffen. Vor allem überzeugt uns die<br />

neue Ausgestaltung der Massnahmen. Das vorgeschlagene neue Konzept der Beistandschaft<br />

eröffnet - im Vergleich zu den heutigen Massnahmen - viel mehr Möglichkeiten, die Massnahme an<br />

die Bedürfnisse der betroffenen Person anzupassen. Wir sind auch sehr zufrieden, dass für die<br />

Ablösung der "erstreckten elterlichen Sorge" angemessene Ersatzlösungen auch im neuen<br />

Massnahmenkonzept vorgesehen sind.<br />

Wir sind überzeugt, dass die neuen Beistandschaften für Menschen mit geistiger Behinderung die<br />

Chancen verbessern, selbstbestimmt zu leben. Ganz zentral ist für uns deshalb, dass<br />

Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen das neue Massnahmenkonzept tatsächlich<br />

umgesetzt werden kann. Dazu gehört zwingend eine gute professionelle Arbeitsweise der<br />

Schweizerische Vereinigung der Elternvereine für Menschen mit einer geistigen Behinderung<br />

Postfach 6819 - 3001 Bern - Tel. 031 305 13 13 - Fax 031 305 13 14 - e-mail: sekretariat@<strong>insieme</strong>.ch - www.<strong>insieme</strong>.ch - Spenden PC 25-15000-6


Behörden. Die Mindestanforderungen, die der Entwurf diesbezüglich an die Behördenorganisation<br />

und das Verfahren stellt, sind für uns unverzichtbar.<br />

Im weiteren begrüssen wir es, dass mit dem neuen Entwurf diverse Stigmatisierungen des<br />

heutigen Rechts beseitigt werden können. Dazu gehört der vorgesehene Verzicht auf die<br />

Publikation der Massnahmen, wie auch eine bessere Terminologie. Insbesondere ist es richtig,<br />

dass zukünftig im Gesetz nicht mehr von "Geistesschwäche" und "Geisteskrankheit" die Rede ist,<br />

sondern neu der Ausdruck "geistige Behinderung" verwendet wird.<br />

Im Erwachsenenschutzrecht sind neu Bestimmungen aufgenommen, die speziell auf den Schutz<br />

von urteilsunfähigen Personen in Wohn- und Pflegeeinrichtungen ausgerichtet sind. Die Eltern<br />

und Angehörigen begrüssen es, dass damit ein besonderes Augenmerk auf die Situation von<br />

Menschen mit schwerer geistiger Behinderung oder auch betagten Menschen, die in Einrichtungen<br />

leben, gelegt wird. Auch aus unserer Sicht besteht bei diesen Personen ein erhöhtes<br />

Schutzbedürfnis. Dies ganz besonders in Situationen, wo zur Debatte steht, die Bewegungsfreiheit<br />

dieser Menschen einzuschränken. Wir heissen es grundsätzlich gut, dass das<br />

Erwachsenenschutzrecht diese freiheitseinschränkenden Massnahmen regeln will.<br />

2. Stellungnahme zu einzelnen für uns wichtigen Neuerungen<br />

2.1 Die Beistandschaften (Art. 377 bis 384)<br />

Der Zweck der Massnahmen soll nach neuem Recht darin liegen, "die Selbstbestimmung der<br />

betroffenen Person so weit wie möglich zu erhalten und zu fördern". Diese Zweckbestimmung wird<br />

von uns voll unterstützt:<br />

In den letzten Jahrzehnten ist erfreulicherweise die Erziehung und Förderung von Kindern mit<br />

geistiger Behinderung zu mehr Selbständigkeit immer mehr ausgebaut worden und zunehmend<br />

selbstverständlich geworden. Dazu beigetragen hat der Ausbau der Sozialversicherungen und die<br />

Entwicklung der Heilpädagogik, aber auch eine sich ändernde Haltung der Gesellschaft gegenüber<br />

Menschen mit geistiger Behinderung. Was für die praktische Förderung oder Betreuung von<br />

Menschen mit geistiger Behinderung heute ein selbstverständliches Postulat ist, muss auch für die<br />

behördlichen Massnahmen gelten: Soviel Schutz und Unterstützung wie nötig, und gleichzeitig<br />

sowenig Einschränkung wie möglich.<br />

Das neue Erwachsenenschutzrecht schafft nun endlich die Voraussetzungen dazu. Mit den neuen<br />

Massnahmen kann der Beistand sowohl für einzelne Aufgaben als auch für ganze Lebensbereiche<br />

oder sogar umfassend zuständig sein. Und es kann flexibel bestimmt werden, wie diese<br />

Zuständigkeit aussieht: Bei welchen Angelegenheiten der Beistand die betroffene Person vertritt<br />

oder bei welchen Angelegenheiten er sie nur begleitet oder mit ihr zusammenwirken muss.<br />

Wir sind nicht grundsätzlich dagegen, dass auch im neuen Recht eine "umfassende<br />

Beistandschaft" (analog der heutigen Entmündigung) vorgesehen ist. Wir gehen aber davon aus,<br />

dass dies nicht zur 'typischen Massnahme' bei Menschen mit geistiger Behinderung werden darf.<br />

Wir begrüssen somit das vorgeschlagene Konzept der Beistandschaften und unterstützen<br />

insbesondere folgende Neuerungen:<br />

Art. 380 Begleitbeistandschaft<br />

Wir sind überzeugt, dass die "Begleitung" im neuen Massnahmensystem ihren Platz haben<br />

muss. Sie ermöglicht z.B. die persönliche Fürsorge bei Personen, die ansonsten relativ<br />

selbständig sind, zu gewährleisten. Auch Personensorge muss neben der Vermögenssorge<br />

ihren Stellenwert haben. Für Menschen ohne Angehörige kann die Begleitung (ev.<br />

kombiniert mit weiteren Beistandschaften) einem Bedürfnis entsprechen. Für sie ist es<br />

wichtig, auf eine Bezugsperson zählen zu können.<br />

Stellungnahme <strong>insieme</strong> <strong>zum</strong> Vorentwurf Erwachsenenschutz Seite 2 von 6


Art. 383 Mitwirkungsbeistandschaft<br />

Wir setzen in diese neue Art der Beistandschaft die Hoffnung, dass mit ihr die Autonomie<br />

von Menschen mit geistiger Behinderung besser respektiert werden kann: In<br />

Lebensbereichen, wo diese selbst handeln wollen, wird es nicht mehr unbedingt nötig sein,<br />

ihnen die Handlungsfähigkeit zu entziehen und doch kann mit der Mitwirkung des Beistands<br />

ein Schutz gegen Übervorteilung geboten werden.<br />

Art. 380-384, insbesondere Art. 382 Abs. 3 Einschränkungen der Handlungsfähigkeit<br />

Als grossen Vorteil erachten wir, dass auch die Einschränkungen der Handlungsfähigkeit<br />

massgeschneidert erfolgen können bzw. dass die Handlungsfähigkeit der verbeiständeten<br />

Person so weit wie möglich erhalten bleibt. In dieses Konzept passt, dass es neu möglich<br />

sein soll, lediglich den Zugriff auf bestimmte Vermögenswerte (z.B. ein bestimmtes Konto) zu<br />

verwehren. Wir halten dies für einen guten und praxistauglichen Vorschlag.<br />

2.2 Ablösung erstreckte elterliche Sorge (Art. 408 und 409)<br />

Bei Menschen mit geistiger Behinderung ist heute die erstreckte elterliche Sorge eine verbreitete<br />

Massnahme. Es ist für uns deshalb von besonderem Interesse, welche Aenderungen<br />

diesbezüglich im neuen Recht vorgesehen sind.<br />

Der Entwurf überzeugt uns, auch wenn es die erstreckte elterliche Sorge in der heutigen Form<br />

nicht mehr geben soll: Wir begrüssen insbesondere den Vorschlag, dass Eltern als Beistände –<br />

sofern die Behörde nichts anderes anordnet – keine Rechnung ablegen und auch nicht periodisch<br />

Bericht erstatten müssen. Würde diese spezielle Regelung für Eltern abgeschafft, so würde dies in<br />

Elternkreisen auf grosses Unverständnis stossen. Gerade die Eltern von Menschen mit einer<br />

geistigen Behinderung wenden viel Zeit und Engagement für ihre erwachsenen Söhne und Töchter<br />

auf und unterstützen diese nicht selten auch finanziell. Administrative Auflagen ohne erkennbaren<br />

Nutzen würden von ihnen deshalb als Schikane empfunden. Hingegen ist es richtig, dass die<br />

Behörde bei besonderen Verhältnissen – etwa wenn die behinderte Person sehr vermögend ist –<br />

eine Aufsicht wahrnimmt.<br />

Infolge der gestiegenen Lebenserwartung von Menschen mit einer geistigen Behinderung nehmen<br />

immer häufiger auch Geschwister die Aufgabe als Beistand wahr. Wir erachten es als sinnvoll,<br />

dass die Behörde für sie unter bestimmten Umständen gleiche Erleichterungen wie für Eltern<br />

festlegen kann.<br />

Die heutige erstreckte elterliche Sorge hat nicht nur Vorteile: So wird von Eltern etwa kritisiert,<br />

dass sie in jedem Fall eine Entmündigung voraussetzt. Gerade eine jüngere Elterngeneration<br />

möchte aber ihre Töchter und Söhne nicht zu stark „bevormunden“.<br />

Dass Eltern zukünftig ihre Kinder als Beistände "massgeschneidert" unterstützen können<br />

ist für uns – zusammen mit den Sonderregelungen bezüglich Rechnungsablage- und<br />

Berichterstattungspflicht – ein guter Vorschlag.<br />

2.3 Erwachsenenschutzbehörde (insbesondere Art. 443)<br />

Die Erwachsenenschutzbehörde ist für uns ein zentraler Baustein des neuen<br />

Erwachsenenschutzes. Die guten Instrumente, die das Erwachsenenschutzrecht zur Verfügung<br />

stellen will, nützen nichts, wenn sie nicht angewendet/umgesetzt werden. Es gibt keine guten<br />

Massnahmen ohne gute Behörden. Deshalb setzen wir uns vehement dafür ein, dass diese<br />

Verbesserungen nicht aus dem Entwurf herausgebrochen werden.<br />

Stellungnahme <strong>insieme</strong> <strong>zum</strong> Vorentwurf Erwachsenenschutz Seite 3 von 6


Als Eltern und Angehörige von Menschen mit geistiger Behinderung sind wir uns bewusst, dass die<br />

Abklärung einer "massgeschneiderten Massnahme" eine anspruchsvolle - aber keineswegs<br />

unmögliche - Aufgabe ist. Eine gute Abklärung bedingt, dass die zuständige Behörde Kenntnisse<br />

darüber hat, welche sehr unterschiedlichen Einschränkungen mit einer geistigen Behinderung<br />

verbunden sein können und dass sie eine Vorstellung hat von der Lebenssituation von Menschen<br />

mit geistiger Behinderung und ihrer Familien. Erforderlich ist, dass die Behörde diesen Menschen<br />

im Verfahren mit dem nötigen Verständnis und Respekt begegnet. Und sie bedingt nicht zuletzt,<br />

dass die Behörde die rechtlichen Möglichkeiten kennt und diese ausschöpfen kann. Nur so kann<br />

eine gut angepasste Massnahme bestimmt werden.<br />

Heute machen Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Angehörigen im Umgang mit den<br />

Behörden sehr unterschiedliche Erfahrungen. Zum Teil hängt dies auch mit der sehr<br />

unterschiedlichen Organisation/Ausgestaltung der Behörden in der Schweiz zusammen:<br />

Schwierige Situationen ergeben sich leider immer wieder, wenn die Vormundschaftsbehörde sich<br />

aus Laiinnen und Laien zusammensetzt und diese dann entscheiden müssen, ob und welche<br />

vormundschaftliche Massnahme zu treffen ist. Auch heute noch werden Eltern mit Vorstellungen<br />

konfrontiert wie etwa, dass ein Mensch mit einer geistigen Behinderung grundsätzlich zu<br />

entmündigen ist. Oder es kommt vor, dass die Massnahmen nicht mit dem Schutzbedürfnis der<br />

Betroffenen sondern mit der Absicherung der Gemeinde begründet werden. Oder es bestehen bei<br />

den Behördenmitgliedern selbst falsche Vorstellungen über die Wirkungen einer Massnahme. Aus<br />

diesen Erfahrungen heraus sind wir überzeugt, dass das neue Erwachsenenschutzrecht mit<br />

Laienbehörden nicht verwirklicht werden kann.<br />

Die Anforderungen, die im neuen Erwachsenenschutzrecht an die Behörde gestellt werden<br />

sind richtig und notwendig. Wir unterstützen insbesondere die Forderung, dass<br />

• die Behörde unabhängig entscheidet;<br />

• die Anordnung von Massnahmen und andere wichtige Entscheide von mehreren<br />

Personen zusammen getroffen werden;<br />

• die Behörde interdisziplinär arbeitet bzw. zusammengesetzt ist.<br />

Es ist uns bewusst, dass mit der vorgeschlagenen Revision in einigen Kantonen die<br />

Behördenstruktur reformiert werden muss (Professionalisierung, Regionalisierung). Wir sind aber<br />

überzeugt, dass diese Reform unabdingbar ist, wenn das neue Erwachsenenschutzrecht<br />

tatsächlich Wirkung entfalten soll.<br />

2.4 Unterstützung der Beistände (Art. 445 und 446)<br />

Wie bereits ausgeführt sind es heute vielfach die Eltern, die die Aufgaben des Beistands<br />

übernehmen bzw. die elterliche Sorge weiterführen. Immer häufiger äussern jedoch diese<br />

Angehörigen das Anliegen, diese Aufgabe später einmal an eine andere Person abgeben zu<br />

können. Dies steht auch im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die Lebenserwartung von<br />

Menschen mit geistiger Behinderung in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist. Auch ihre Eltern<br />

sehen sich mit der Tatsache konfrontiert, dass sie nicht immer für ihre Kinder sorgen können, bzw.,<br />

dass sie selbst in ein Alter kommen, wo sie mit dieser Aufgabe überfordert sind. Nicht immer sind<br />

Geschwister da, die einspringen können. Die Angehörigen haben häufig den Wunsch, dass eine<br />

Privatperson an ihrer Stelle die Beistandschaft übernimmt. Damit ist die Hoffnung verbunden, dass<br />

eine Privatperson im Vergleich zu einem Berufsbeistand mehr Zeit findet, eine persönliche<br />

Beziehung zu ihrer Tochter, ihrem Sohn aufzubauen. Die Eltern bemühen sich häufig, selbst im<br />

Bekanntenkreis eine solche freiwillige Person zu suchen. Viele Leute scheuen aber die<br />

Verantwortung, weil sie befürchten, von der Aufgabe als Beistand überfordert zu sein. Solche<br />

Befürchtungen könnten zerstreut werden, würde eine gute Einführung in das Amt als Beistand<br />

angeboten und hätten Privatpersonen die Gewähr, in schwierigen Situationen Unterstützung bei<br />

der Erwachsenenschutzbehörde zu finden.<br />

Ein vermehrter Beizug von Privatpersonen würde nicht zuletzt auch die vom Gemeinwesen<br />

angestellten Berufsbeistände entlasten.<br />

Stellungnahme <strong>insieme</strong> <strong>zum</strong> Vorentwurf Erwachsenenschutz Seite 4 von 6


Aus diesen Gründen unterstützen wir die Bestimmung von Art. 445 und 446, die eine solche<br />

Unterstützung für Beistände vorsehen. Wir würden es zudem begrüssen, wenn der Bund<br />

durch einen eigenen finanziellen Beitrag ein Zeichen setzt, dass die nötigen Ressourcen für<br />

diese Ausbildung und Unterstützung zur Verfügung gestellt werden.<br />

2.5 Schutz von urteilsunfähigen Personen in Wohn- und Pflegeeinrichtungen (Art. 437-442)<br />

Wir begrüssen es, dass sich das neue Erwachsenenschutzrecht den Schutz von urteilsunfähigen<br />

Personen in Wohn- und Pflegeeinrichtungen zur Aufgabe macht. Insbesondere unterstützen wir<br />

den Anspruch auf einen schriftlichen Betreuungsvertrag und die freie Arztwahl sowie die<br />

Förderung von Aussenkontakten.<br />

Es ist richtig, dass Menschen in Einrichtungen vor ungerechtfertigten Einschränkungen in ihrer<br />

Bewegungsfreiheit geschützt werden. Eltern und Angehörige sind überzeugt, dass auch<br />

Menschen, die ein sehr auffälliges Verhalten haben oder psychisch krank sind, nicht von<br />

Wohneinrichtungen ausgeschlossen werden dürfen. Diese Menschen sollen nicht, wie dies früher<br />

verbreitet der Fall war, auf Dauer in psychiatrischen Kliniken wohnen. <strong>insieme</strong> hat deshalb auch<br />

die entsprechenden Forderungen nach Enthospitalisierung mitgetragen. Der Einbezug von<br />

Menschen mit einem auffälligen Verhalten in Wohneinrichtungen ist sicher nicht immer einfach. Wir<br />

sind uns der Tatsache bewusst, dass es in Ausnahmesituationen dazu kommen kann, dass<br />

freiheitsbeschränkende Massnahmen unausweichlich sind. Sei es, um die behinderte Person<br />

selbst oder andere MitbewohnerInnen zu schützen. Keinesfalls können wir jedoch akzeptieren,<br />

dass Menschen in Wohn- oder Pflegeeinrichtungen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt<br />

werden, weil die notwendige Betreuung nicht erbracht bzw. eingespart wird. Auch diese Gefahr<br />

besteht.<br />

Die Voraussetzungen für freiheitsbeschränkende Massnahmen müssen deshalb so<br />

restriktiv wie möglich formuliert werden.<br />

Als ganz negativ erleben es heute Eltern und Angehörige, wenn sie schlecht oder sogar gar nicht<br />

über freiheitsbeschränkende Massnahmen informiert werden. Hier entstehen dann Zweifel<br />

darüber, wie angemessen und gerechtfertigt diese Massnahmen waren. Es ist allerdings heute<br />

extrem schwierig, für die Angehörigen in solchen Situationen konkret zu reagieren. Die<br />

Möglichkeit, die Wohneinrichtung zu wechseln, besteht meist wegen fehlender Alternativen nicht.<br />

Die Angehörigen finden keine Instanzen, die sich für ihre Probleme als zuständig erachten.<br />

Der Entwurf für das Erwachsenenschutzrecht enthält gute Ansätze, um diesen Problemen zu<br />

begegnen. Wir begrüssen insbesondere die Protokollierungspflicht und die<br />

Beschwerdemöglichkeit an die Erwachsenenschutzbehörde. Darüber hinaus regen wir jedoch<br />

an, die Bestimmung des Entwurfs noch zu verstärken und zwar:<br />

• indem die Institutionen verpflichtet werden, die Angehörigen so rasch wie möglich über<br />

freiheitsbeschränkende Massnahmen zu informieren.<br />

• indem sobald dies möglich ist, die Zustimmung der vertretungsberechtigten Angehörigen<br />

bzw. des Beistands eingeholt werden muss.<br />

• indem die Erwachsenenschutzbehörde über freiheitsbeschränkende Massnahmen<br />

informiert werden muss, wenn die betroffene Person keinen Vertreter (Angehörige oder<br />

Beistand) hat.<br />

Im weiteren erachten wir es als richtig und notwendig, dass die Kantone eine<br />

Aufsichtspflicht über die Institutionen wahrnehmen. Dies umso mehr, als die<br />

Stellungnahme <strong>insieme</strong> <strong>zum</strong> Vorentwurf Erwachsenenschutz Seite 5 von 6


Behinderteneinrichtungen mit dem neuen Finanzausgleich in die alleinige Zuständigkeit der<br />

Kantone fallen sollen.<br />

Das neue Erwachsenenschutzrecht ist für uns eine wichtige Vorlage. Wir versprechen uns von<br />

diesem neuen Recht einen besseren Schutz und gleichzeitig eine vermehrte Respektierung der<br />

Selbstbestimmung von Menschen mit geistiger Behinderung.<br />

Bern, Januar 2004<br />

Stellungnahme <strong>insieme</strong> <strong>zum</strong> Vorentwurf Erwachsenenschutz Seite 6 von 6

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