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4 Wurzelsystem und Längenfunktion

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12 Spiegelungsgruppen<br />

4 <strong>Wurzelsystem</strong> <strong>und</strong> <strong>Längenfunktion</strong><br />

Definition<br />

Das <strong>Wurzelsystem</strong> von W (oder genauer von (W, S)) ist<br />

Φ:={wα s | w ∈ W, s ∈ S} ⊆V.<br />

Elemente von Φ heissen Wurzeln.<br />

Speziell: Π := {α s | s ∈ S} Menge der einfachen Wurzeln.<br />

Bemerkung<br />

ϕ ∈ Φ ⇒ B(ϕ, ϕ) ϕ=wαs<br />

= B(wα s ,wα s )=B(α s ,α s )=1.<br />

Beispiele<br />

• Dih 3 B(α s ,α t )=− cos π 3 = − 1 2<br />

∢(α s ,α t ) = 120 ◦ α t α s + α t<br />

α s<br />

−α t<br />

−α s<br />

Φ= { ±α s , ±α t , ±(α s + α t ) }<br />

−α s − α t<br />

• Dih ∞ B(α s ,α t )=−1<br />

∞ Hs = {x s α s + x t α t | B(α s ,x s α s + x t α t )<br />

} {{ }<br />

= x s − x t<br />

=0} = Rδ mit δ = α s + α t<br />

Wir hatten schon auf Seite 10 ausgerechnet (für n ∈ Z 0 <strong>und</strong> überzeugen uns leicht,<br />

dass dies allgemein für n ∈ Z gilt)<br />

(st) n α s = α s +2nδ<br />

=⇒ t(st) n α s = α s +2α t +2nδ = α t +(2n +1)δ<br />

<strong>und</strong> es gelten dieselben Formeln mit s <strong>und</strong> t vertauscht. (Insbesondere stimmen die<br />

Spiegelungsgeraden H s <strong>und</strong> H t überein!)


4. <strong>Wurzelsystem</strong> <strong>und</strong> <strong>Längenfunktion</strong> 13<br />

α t<br />

tα s<br />

stα s<br />

H s = H t<br />

α s<br />

Der Übersichtlichkeit halber sind in obiger Figur die Vektoren nicht als Pfeile eingezeichnet.<br />

Übung 4.1 Bestimme die Menge der Wurzeln Φ für W ( ) .<br />

Bemerkung ϕ ∈ Φ=⇒−ϕ ∈ Φ.<br />

Das ist klar: ϕ = wα s =⇒−ϕ = w(−α s )=wsα s ∈ Φ.<br />

Bemerkung Wurzeln <strong>und</strong> Spiegelungen<br />

Analog zum Begriff der einfachen Wurzeln nennen wir die Elemente von S die einfachen<br />

Spiegelungen. Die Menge aller Spiegelungen ist die Menge der Konjugierten, also<br />

T := { wsw ∣ −1 w ∈ W, s ∈ S } .<br />

Wir wollen nun die Wirkung in der standard geometrischen Darstellung betrachten:<br />

wsw −1 : λ ↦−→ w ( s(w −1 λ) ) = w ( w −1 λ − 2B(α s ,w −1 λ)α s<br />

)<br />

= λ − 2B(wαs ,λ)wα s<br />

das heisst wsw −1 wirkt als Spiegelung längs der Wurzel ϕ := wα s an der Hyperebene<br />

H ϕ := { λ ∈ V ∣ ∣ B(ϕ, λ) =0<br />

}<br />

. Die beiden Wurzeln ϕ, −ϕ ∈ Φ definieren natürlich<br />

dieselbe Spiegelung in GL(V ).<br />

Definition<br />

Setze<br />

Φ + := { ϕ ∈ Φ ∣ ∑<br />

ϕ = c s α s ⇒ c s 0 } .<br />

Diese Teilmenge ist die Menge der positiven Wurzeln.<br />

Φ − := −Φ + ⊆ Φ ist die Menge der negativen Wurzeln.<br />

In den Beispielen, die wir angeschaut haben, gilt Φ = Φ +<br />

.<br />

∪ Φ − . Wir werden zeigen, dass<br />

das allgemein gilt, d. h. jede Wurzel ist entweder positiv oder negativ. Dazu benötigen wir<br />

zuerst noch einen weiteren Begriff, der in der Theorie der Coxetergruppen eine wichtige<br />

Rolle spielt. Es handelt sich um die <strong>Längenfunktion</strong>.<br />

s∈S


14 Spiegelungsgruppen<br />

Definition<br />

Sei (W, S) ein Coxetersystem. Wir definieren die <strong>Längenfunktion</strong><br />

l : W −→ Z 0<br />

w ↦−→ min { n ∣ ∣ ∃ s 1 ,...,s n ∈ S mit w = s 1 ...s n<br />

}<br />

.<br />

Wir sagen, l(w) seidieLänge von w ∈ W .Einereduzierte Zerlegung von w ∈ W ist<br />

eine Schreibweise von w als Produkt von l(w) ElementenausS.<br />

Trivialerweise gilt: l(w) =0⇐⇒ w =1.<br />

Proposition 4.1 Die Abbildung<br />

ε : W −→ {±1}<br />

s ↦−→ −1<br />

definiert einen Gruppenhomomorphismus.<br />

für s ∈ S<br />

Beweis. Für s, t ∈ S mit m st ≠ ∞ gilt ( (−1)(−1) ) m st<br />

=1. □<br />

Übung 4.2 Welche Bedingung muss m st erfüllen, damit s <strong>und</strong> t (s, t ∈ S) inW konjugiert sind?<br />

Korollar 4.2 S = { w ∈ W ∣ } l(w) =1 .<br />

Beweis. Gemäss obiger Proposition gilt s ∈ S ⇒ s ≠1. Somits ∈ S ⇒ l(s) =1. □<br />

Beispiel W = W ( ) = 〈 r, s, t ∣ r 2 = s 2 = t 2 =(rs) 3 =(st) 3 =(rt) 2〉 .<br />

rsts<br />

sts<br />

rst<br />

rsrts<br />

ts<br />

srts<br />

rts<br />

rsrt<br />

rs<br />

rsrtsr<br />

srtsr<br />

rstsr<br />

stsr<br />

srt<br />

rsr<br />

rtsr<br />

tsr<br />

Der nebenstehende Graph hat als Ecken<br />

die Gruppenelemente w ∈ W , <strong>und</strong> zwei<br />

Ecken w <strong>und</strong> v sind durch eine Kante verb<strong>und</strong>en,<br />

falls wv −1 ∈ S = {r, s, t} (siehe<br />

auch Korollar 4.4). Man liest ab<br />

∑<br />

t l(w)<br />

w∈W<br />

=1+3t +5t 2 +6t 3 +5t 4 +3t 5 + t 6<br />

=(1+t)(1 + t + t 2 )(1 + t + t 2 + t 3 ).<br />

st<br />

t<br />

s<br />

rt<br />

r<br />

sr<br />

Es gibt hier also ein eindeutig bestimmtes<br />

längstes Element w ◦ = rsrtsr mit<br />

l(w ◦ ) = 6. Das Gruppenelement w ◦ hat<br />

genau 16 reduzierte Zerlegungen (entspricht<br />

Pfaden der Länge 6 von 1 zu w ◦ ).<br />

1<br />

Es gilt W ∼ = Sym 4 , die symmetrische<br />

Gruppe vom Grad 4. Bekanntlich erzeugen<br />

die Transpositionen benachbarter Elemente (1 2), (2 3) <strong>und</strong> (3 4) die Gruppe Sym 4 .<br />

Ein Isomorphismus W ∼=<br />

−→ Sym 4 ist zum Beispiel gegeben durch r ↦→ (1 2), s ↦→ (2 3) <strong>und</strong><br />

t ↦→ (3 4).


4. <strong>Wurzelsystem</strong> <strong>und</strong> <strong>Längenfunktion</strong> 15<br />

Proposition 4.3 Die <strong>Längenfunktion</strong> l : W → Z 0 eines Coxetersystems (W, S) hat<br />

folgende Eigenschaften für w, w ′ ∈ W <strong>und</strong> s ∈ S.<br />

(1) l(w) =0⇐⇒ w =1<br />

(2) Sei ε : W →{±1} der Homomorphismus definiert durch ε(s) =−1 für s ∈ S.<br />

Dann gilt ε(w) =(−1) l(w) .<br />

(3) l(w −1 )=l(w)<br />

(4) l(ww ′ ) l(w)+l(w ′ )<br />

(5) l(ww ′ ) ∣ ∣ l(w) − l(w ′ ) ∣ ∣<br />

(6) l(ws) =l(w)+1oder l(ws) =l(w) − 1<br />

(7) l(sw) =l(w)+1oder l(sw) =l(w) − 1<br />

Beweis. (1) ̌ (2) ̌<br />

(3) w = s 1 ...s n mit s 1 ,...,s n ∈ S <strong>und</strong> l(w) =n<br />

=⇒ w −1 = s n ...s 1 ,alsol(w −1 ) n = l(w).<br />

Ebenso für w −1 anstelle von w =⇒ l(w) =l ( (w −1 ) −1) l(w −1 ).<br />

Zusammen also l(w −1 )=l(w).<br />

(4) w = s 1 ...s n mit s 1 ,...,s n ∈ S <strong>und</strong> l(w) =n<br />

w ′ = s ′ 1 ...s′ m mit s′ 1 ,...,s′ m ∈ S <strong>und</strong> l(w′ )=m<br />

=⇒ ww ′ = s 1 ...s n s ′ 1 ...s′ m ,alsol(ww′ ) n + m = l(w)+l(w ′ ).<br />

(5) l(w) =l ( ww ′ (w ′ ) −1) (4)<br />

l(ww ′ )+l ( (w ′ ) −1) (3)<br />

= l(ww ′ )+l(w ′ )<br />

=⇒ l(ww ′ ) l(w) − l(w ′ ).<br />

Also auch l(ww ′ ) (3)<br />

= l ( (ww ′ ) −1) = l ( (w ′ ) −1 w −1) l ( (w ′ ) −1) −l(w −1 ) (3)<br />

= l(w ′ )−l(w).<br />

(6) Mit (4) <strong>und</strong> (5) folgt<br />

l(w)−1 =l(w)−l(s) l(ws) l(w)+l(s) =l(w)+1 <strong>und</strong> mit (2) folgt l(ws) ≠ l(w).<br />

(7) l(sw) (3)<br />

= l ( (sw) −1) = l(w −1 s) (6)<br />

∈ { l(w −1 ) ± 1 } (3)<br />

= { l(w) ± 1 } . □<br />

Korollar 4.4 Die Abbildung<br />

d : W × W −→ Z 0 ⊆ R 0<br />

(w, w ′ ) ↦−→ l ( w(w ′ ) −1)<br />

ist eine (rechtsinvariante) Metrik auf W (also d(wv, w ′ v)=d(w, w ′ )).<br />

[Die Dreiecksungleichung folgt natürlich aus (4) in der obigen Proposition.]<br />

Übung 4.3 Finde eine linksinvariante Metrik auf W .<br />

Wir kommen nun zu einem ersten Satz.


16 Spiegelungsgruppen<br />

Satz 4.5 Sei (W, S) ein Coxetersystem. Für w ∈ W <strong>und</strong> s ∈ S gilt<br />

Korollar 4.6 Φ=Φ +<br />

.<br />

∪ Φ − .<br />

l(ws) =l(w)+1⇐⇒ wα s ∈ Φ + ,<br />

l(ws) =l(w) − 1 ⇐⇒ wα s ∈ Φ − .<br />

Beweis. Klar: Φ + ∩ Φ − = ∅, da0/∈ Φ(ϕ ∈ Φ ⇒ B(ϕ, ϕ) =1).<br />

Sei ϕ ∈ Φ eine beliebige Wurzel. Wir schreiben sie als ϕ = wα s .Gemäss (6) der vorherigen<br />

Proposition ist l(ws) ∈ { l(w) ± 1 } Satz<br />

=⇒ ϕ = wα s ∈ Φ + ∪ Φ − . □<br />

Korollar 4.7 Die standard geometrische Darstellung σ : W → GL(V ) ist treu (d. h. σ<br />

ist injektiv).<br />

Beweis. Zur Erinnerung: wir verwenden die Schreibweise wλ = σ(w)λ.<br />

Wäre wλ = λ für alle λ ∈ V , aber w ≠ 1, so wäre w von der Form w = w ′ s mit<br />

l(ws) =l(w ′ )=l(w) − 1für ein geeignetes s ∈ S.<br />

Satz<br />

=⇒ wα s ∈ Φ − .<br />

Mit der Voraussetzung, dass w im Kern von σ liegt, haben wir dann Φ + ∋ α s = wα s ∈ Φ − ,<br />

was absurd ist.<br />

□<br />

Beweis. (Satz)<br />

Es genügt zu zeigen:<br />

l(ws) =l(w)+1=⇒ wα s ∈ Φ + .<br />

(∗)<br />

Für l(ws) =l(w) − 1habenwirl ( (ws)s ) = l(w) =l(ws)+1 =⇒ (∗)<br />

wsα } {{ } s ∈ Φ + ,<br />

= w(−α s )=−wα s<br />

d. h. wα s ∈ Φ − .<br />

Die Umkehrrichtung ⇐“ folgt aus l(ws) ∈ { l(w) ± 1 } <strong>und</strong> Φ ” + ∩ Φ − = ∅ mit der Implikation<br />

⇒“. ”<br />

Beweis von (∗) mit Induktion nach l(w).<br />

l(w) =0⇒ w =1,alsowα s = α s ∈ Φ + ̌<br />

Sei l(w) 1, etwa w = s 1 ...s n mit s 1 ,...,s n ∈ S <strong>und</strong> n = l(w).<br />

Setze t := s n ∈ S. Dann haben wir wt = s 1 ...s n−1 ,alsol(wt) n − 1=l(w) − 1 <strong>und</strong><br />

somit l(wt) =l(w) − 1.<br />

Andrerseits ist l(ws) =l(w) + 1 nach Voraussetzung.<br />

Insbesondere also s ≠ t.<br />

Wir definieren W s,t := gp(s, t) dievons <strong>und</strong> t erzeugte Untergruppe von W . Gemäss<br />

Proposition<br />

(<br />

3.2 ist W s,t eine Diedergruppe der Ordnung 2m st (kann ∞ sein).<br />

W s,t , {s, t} ) ist selbst ein Coxetersystem <strong>und</strong> hat somit eine <strong>Längenfunktion</strong> l s,t .<br />

Klar: für w ∈ W s,t ist l s,t (w) l(w). [ Später werden wir sehen, dass l s,t = l| Ws,t gilt. ]

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