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Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

<strong>Recherche</strong> <strong>nach</strong> <strong>vergleichbaren</strong> <strong>Projekten</strong><br />

<strong>bezüglich</strong> <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>einführung und<br />

Verarbeitung von alten Getreidesorten<br />

01. November 2011<br />

1


Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

INHALT<br />

1. Agrobiodiverstität (ver)schwindet .............................................. 3<br />

2. Fallbeispiel Weizen................................................................... 4<br />

3. Die Arbeit <strong>der</strong> Stiftung Kaiserstühler Samengarten ...................... 5<br />

3.1. Ziele des PLENUM Projekts .................................................. 7<br />

4. Beschreibung <strong>der</strong> genannten Projekte ........................................ 8<br />

4.1. Getreidezüchtungsforschung Darzau..................................... 8<br />

4.1.1. Einkorn ....................................................................... 9<br />

4.1.2. Lichtkornroggen ..........................................................12<br />

4.1.3. Die Marke Lichtkornroggen ...........................................13<br />

4.1.4. Wie kommt die Züchtung auf den Teller?........................14<br />

4.2. IG Emmer & Einkorn..........................................................16<br />

4.2.1. Erfolgsfaktoren............................................................17<br />

4.3. Keyserlingk-Institut...........................................................19<br />

4.3.1. Das Regionalsortenprojekt............................................19<br />

4.3.2. Erolgsfaktoren.............................................................20<br />

4.4. Fernand Krust, Berrwiller ...................................................21<br />

4.5. Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in<br />

Brandenburg (VERN) e.V ..........................................................22<br />

4.5.1. Label „Frisches Brot aus alten Sorten“............................23<br />

5. Weitere Projekte.....................................................................24<br />

5.1. Dickkopfweizen von <strong>der</strong> Alb................................................24<br />

5.2. Berggetreide aus Graubünden ............................................25<br />

5.3. Dinkel vom Ebnerhof .........................................................25<br />

6. Zusammenfassung..................................................................27<br />

7. Ausblick ................................................................................31<br />

8. Quellenangaben .....................................................................32<br />

9. Anhang .................................................................................34<br />

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Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

1. Agrobiodiverstität (ver)schwindet<br />

Der dramatische Rückgang an Lebensformen, so beschreibt es <strong>der</strong> mit<br />

globalen Umweltverän<strong>der</strong>ungen befasste Wissenschaftliche Beirat <strong>der</strong><br />

Bundesregierung, „könnte die letzte große Krise, bei <strong>der</strong> vor 65<br />

Millionen Jahren unter an<strong>der</strong>em die Saurier ausstarben, an Wucht<br />

sogar noch übertreffen“.<br />

Die Weltbevölkerung ernährt sich heute zum größten Teil von nur zehn<br />

Kulturpflanzenarten. Die übrigen Arten – und das sind immerhin<br />

99,6% aller essbaren Kulturpflanzen! – werden dagegen nur<br />

geringfügig genutzt. Beson<strong>der</strong>s gravierend ist diese Einschränkung <strong>der</strong><br />

Kulturpflanzennutzung in den Industrielän<strong>der</strong>n. In Deutschland werden<br />

kaum noch traditionelle Sorten angebaut, abwechslungsreiche<br />

Fruchtfolgen verschwinden und weichen einheitlichen<br />

Bewirtschaftungsformen.<br />

Beim Getreidebau haben sich im Zuge <strong>der</strong> Technisierung <strong>der</strong> Züchtung<br />

Hochleistungssorten durchgesetzt, die neben <strong>der</strong> Ertragshöhe und<br />

Resistenzen vorrangig an ihren Gebrauchs- und<br />

Verarbeitungseigenschaften wie Backfähigkeit und Klebergehalt<br />

gemessen werden. Bevorzugt werden helle Korn- und Mehlfarbe. Die<br />

Anbaubedingungen sind durch hohe Mineraldüngergaben und<br />

intensiven Pflanzenschutz gekennzeichnet. Die Pflanzen entwickeln<br />

kein tiefgehendes Wurzelsystem und reagieren sowohl bei Trockenheit<br />

als auch bei Nässe relativ empfindlich. Wegen <strong>der</strong> geringen Wuchshöhe<br />

<strong>der</strong> Pflanzen unterdrücken sie aufkommende Unkräuter wenig.<br />

Durch diese Ausrichtung des konventionellen Getreidebaus haben viele<br />

ältere Zucht- und Landsorten ihre einstige Anbaubedeutung verloren.<br />

Bestimmte Produkte werden im Inland nicht mehr o<strong>der</strong> kaum noch<br />

hergestellt, darunter Verarbeitungsprodukte von Einkorn und Emmer,<br />

Hartweizenmehl 1 für echte Baguette-Brote, farbige Weichweizensorten<br />

etc.<br />

Für eine am Bedarf <strong>der</strong> Verbraucher orientierte und auch<br />

Naturschutzziele berücksichtigende Getreideproduktion werden<br />

Eigenschaften gebraucht, die bei den gegenwärtigen Handelssorten<br />

1 Die Getreidesorte ist ein sogenannter „Harter Weichweizen“ (englisch „Hard<br />

Wheat“, aber nicht Hartweizen „Wheat durum“), für den beim Wachstum wärmere<br />

Temperaturen nötig sind (http://de.wikipedia.org/wiki/Baguette).<br />

3


Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

nicht zu finden sind, beispielsweise ein sortentypischer Geschmack,<br />

Gehalt an beson<strong>der</strong>en Inhaltsstoffen o<strong>der</strong> gestaffelte Reifezeiten.<br />

2. Fallbeispiel Weizen<br />

Rudolf Vögel von <strong>der</strong> Landesanstalt für Großschutzgebiete des Landes<br />

Brandenburg hat diesen Prozess am Beispiel des Weizens<br />

<strong>nach</strong>gezeichnet.<br />

„Beim Weizen hat man sich schon relativ frühzeitig im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

auf ganz wenige Arten beschränkt, die züchterisch bearbeitet wurden“,<br />

erklärt Rudolf Vögel, „und diese Entwicklung hat in Sprüngen mehrfach<br />

die vorhandene Sortenvielfalt reduziert. Dieser auch stark von<br />

rechtlichen Regelungen beeinflusste Prozess ist zum Beispiel durch<br />

Sortenzulassungen forciert worden“. Heute werden nur noch solche<br />

Weizensorten angebaut, die industriell verarbeitet werden können:<br />

„Manche alte Sorte eignet sich nicht für eine mo<strong>der</strong>ne Backstraße, weil<br />

sie zum Beispiel mit den<br />

Teigwerkzeugen verklebt o<strong>der</strong><br />

nicht das gewünschte<br />

Gärverhalten zeigt“. Der<br />

Verlust von Agrobiodiversität<br />

ist also zu einem erheblichen<br />

Teil ein technisches Problem,<br />

so Vögels Fazit.<br />

Welchen Formenreichtum<br />

Weizen zu bieten hatte, zeigt<br />

diese Fe<strong>der</strong>strichzeichnung aus<br />

dem „Handbuch des<br />

Getreidebaus“, das die<br />

Botaniker Friedrich August<br />

Körnicke und Hugo Werner<br />

1885 herausgegeben haben.<br />

Damals wurden in Deutschland<br />

noch sieben Weizenarten mit<br />

insgesamt 58 deutlich<br />

unterscheidbaren „Varietäten“ angebaut. Ende <strong>der</strong> 1970er Jahre waren<br />

es nur noch zwei Arten mit drei Varietäten – von denen eine deutlich<br />

bevorzugt wird:<br />

4


Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

„90% <strong>der</strong> 197 in Deutschland erfassten Weichweizensorten“ 2<br />

unterscheiden sich in ihrem Erscheinungsbild so unmerklich, dass sie<br />

alle einer einzigen Varietät namens Triticum aestivum lutescens<br />

zugeordnet werden.<br />

3. Die Arbeit <strong>der</strong> Stiftung Kaiserstühler Samengarten<br />

Langfristig überleben können die vielen, heute oft vergessenen<br />

Kulturarten aber nur dann, wenn sie wie<strong>der</strong> regelmäßig verarbeitet,<br />

gekauft, gegessen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>weitig genutzt werden. Ansätze dazu<br />

bieten Erhaltungsgärten wie beispielsweise <strong>der</strong> Kaiserstühler<br />

Samengarten.<br />

Das Sortenspektrum an Getreide kommt im Samengarten in<br />

Eichstetten an wechselnden Getreideparzellen zum Anbau. Die<br />

Parzellen werden gleichzeitig zur Vorvermehrung <strong>der</strong> Getreide aus <strong>der</strong><br />

regionalen Kulturpflanzensammlung <strong>der</strong> Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

genutzt. Somit kann ein jährlich wechselndes Spektrum an<br />

Getreidearten und -sorten regeneriert und auf seine Eignung für ein<br />

on-farm-Management 3 getestet werden. Hier können die Landwirte<br />

2 Bundesministerium für Bildung und Forschung: Impulse für eine <strong>nach</strong>haltige Tierund<br />

Pflanzenzucht, S.28 in: So schmeckt die Zukunft – Sozial-ökologische Agrar- und<br />

Ernährungsforschung, Bonn/Berlin, 2005<br />

3 Unter <strong>der</strong> "On-farm Erhaltung“ wird die Erhaltung und Nutzung sonst wenig<br />

angebauter Sorten o<strong>der</strong> vom Aussterben bedrohter Arten verstanden, die von<br />

landwirtschaftlichen Betrieben wie<strong>der</strong> in Anbau genommen werden. Die on-farm<br />

Erhaltung beinhaltet somit die Erhaltung und Weiterentwicklung von<br />

pflanzengenetischen Ressourcen im Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen<br />

o<strong>der</strong> gärtnerischen Nutzung. Als wichtige Ziele für ein On-farm-Management in<br />

Deutschland sind zu nennen:<br />

1. die Erhöhung <strong>der</strong> Artenvielfalt durch die Bereitstellung von Saatgut von<br />

nicht o<strong>der</strong> kaum mehr angebauten Arten,<br />

2. die Erhöhung <strong>der</strong> Sortenvielfalt durch Anbau genetisch divergenter alter<br />

Sorten,<br />

3. die Erhöhung <strong>der</strong> kulturellen Vielfalt und <strong>der</strong> Erhalt kulturellen Erbes,<br />

4. die standortbezogenen genetische Weiterentwicklung von Kultursorten<br />

durch fortgesetzte evolutive Prozesse, und<br />

5. die <strong>nach</strong>haltige Sicherung <strong>der</strong> Ernährung und Versorgung <strong>der</strong><br />

Konsumenten mit qualitativ hochwertigen Produkten.<br />

5


Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

direkt vor Ort alte und mo<strong>der</strong>ne Getreidesorten miteinan<strong>der</strong><br />

vergleichen. Darunter sind Arten und Sorten, die seit langer Zeit nicht<br />

weiter kultiviert wurden, aber mit den Boden- und Klimabedingungen<br />

gut zurechtkommen sowie den Unkrautwuchs wirksam unterdrücken.<br />

Diese Sorten sollen wie<strong>der</strong> genutzt werden, Anbaubedeutung erlangen<br />

und das Spektrum regionaler Beson<strong>der</strong>heiten erweitern.<br />

Hier am Kaiserstuhl sind die wichtigsten Kulturen im Anbau Reben,<br />

Gemüse, Mais und Obst. Im Unterschied zum Weinbau überwiegen im<br />

Gemüse- und Getreidebau flächendeckende Monokulturen, bei denen<br />

<strong>der</strong> gesamte Boden chemisch und mechanisch unkrautfrei gehalten<br />

wird. Allerdings entwickeln sich unter diesen intensiven<br />

Anbaubedingungen einige Beikräuter zu schwer bekämpfbaren<br />

Problemunkräutern.<br />

Beim Getreideanbau hat sich das Sortenspektrum genetisch und<br />

habituell extrem verengt. Es werden im Wesentlichen niedrig<br />

wachsende, sehr homogene Hochertragssorten (F1-Hybriden)<br />

angebaut, die nur unter intensiven Anbaubedingungen die<br />

ausgewiesenen Leistungen erbringen. Zusätzlich wird mit<br />

Halmstabilisatoren zur Verbesserung <strong>der</strong> Standfestigkeit bei<br />

Starkregen und Hagel gearbeitet. Vor allem bei den mo<strong>der</strong>nen<br />

Weizensorten führt die Kurzstrohigkeit in Kombination mit <strong>der</strong><br />

einseitigen Ausrichtung auf ein hohes Ertragspotential zu einem<br />

negativen Einfluss auf die Qualität.<br />

Das Sortenspektrum aus <strong>der</strong> Sortensammlung <strong>der</strong> Stiftung wird nun<br />

im Rahmen eines PLENUM Projekts zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Getreidevielfalt<br />

durch extensiven Anbau mit Ackerbegleitflora und Entwicklung neuer<br />

Produkte aus alten Sorten durch Sorten aus insgesamt 5<br />

Saatgutinitiativen erweitert. Dabei handelt es sich um regional<br />

angepasste Sorten, die in <strong>der</strong> jeweiligen Region mittlerweile wie<strong>der</strong><br />

eine gewisse Marktrelevanz erlangt haben. Abbildung 2 gibt einen<br />

Überblick über die Projektpartner und die zur Verfügung gestellten<br />

Sorten.<br />

6


Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Projekte Einkorn Emmer Roggen Weizen<br />

Fernand Krust, Berrwiller<br />

Hardy<br />

Getreidezüchtungsforschung<br />

Darzau - Dr. Karl-Josef Müller,<br />

Wendland<br />

IG Emmer und Einkorn -<br />

Markus Jenny, Präsident<br />

Svenskaja<br />

nicht verbürgte<br />

Schweizersorte<br />

Weißer (Sorte<br />

Brunner)<br />

Schwarzer<br />

(Sorte<br />

Brunner)<br />

Sorte Züblin<br />

Lichtkornroggen<br />

Keyserlingk-Institut –<br />

Dr. Berthold Heyden,<br />

Bodensee<br />

Verein zur Erhaltung und<br />

Rekultivierung von<br />

Nutzpflanzen in<br />

Brandenburg (VERN) e.V –<br />

Thomas Ebel, 1.<br />

Vorsitzen<strong>der</strong><br />

Rolipa<br />

Norddeutscher<br />

Champagnerroggen<br />

Karneol<br />

Ritter<br />

Alauda<br />

Ostpreußischer<br />

Dickkopfweizen<br />

Gesamt 5 2 3 3 5<br />

Abbildung 1: Übersicht Projektpartner und Ihre Sorten<br />

3.1. Ziele des PLENUM Projekts<br />

Mit dem PLENUM Projekt werden drei Ziele verfolgt: Zum einen geht es<br />

um die Erweiterung des <strong>der</strong>zeitigen Arten- und Sortenspektrums <strong>der</strong><br />

Getreide für den Anbau mit den entsprechenden Nutzungsoptionen.<br />

Zum zweiten werden Naturschutzaspekte <strong>der</strong> gegenwärtig kaum<br />

angebauten Getreide herausgearbeitet, die beispielsweise in einer<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ackerbegleitflora zur Bereicherung <strong>der</strong> Lebensräume<br />

und als Nahrungsquelle für die Tierwelt in <strong>der</strong> Agrarlandschaft liegen.<br />

Und drittens sollen neue Produkte aus dem Getreide verschiedener<br />

alter, neu eingeführter Getreidesorten entstehen.<br />

Dabei werden beispielsweise synergetische Effekte mit <strong>der</strong><br />

Regionalmarke „Kaiserlich genießen“ und <strong>der</strong> Produktlinie „Vulkanbrot“<br />

angestrebt. Die bestehende „Kaiserlich genießen“ Bäckereiproduktlinie<br />

ist in stetiger Entwicklung, seit Ende Juni dieses Jahres arbeiten drei<br />

Bäckereien an ihrer Erweiterung (siehe laufende PLENUM Projekte)<br />

7


Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

4. Beschreibung <strong>der</strong> genannten Projekte<br />

Im Folgenden werden die oben genannten Projekte vorgestellt. Dabei<br />

wird – soweit vorhanden - jeweils kurz auf die Entstehungsgeschichte<br />

und die Rahmenbedingungen <strong>der</strong> einzelnen Initiativen, auf einige<br />

Eigenschaften <strong>der</strong> bezogenen Sorten, sowie auf die Erfolgsfaktoren in<br />

<strong>der</strong>en Vermarktung eingegangen.<br />

4.1. Getreidezüchtungsforschung Darzau<br />

Im nördlichen Wendland arbeiten Dr. Karl-Josef Müller und sein Team<br />

<strong>der</strong> Getreidezüchtunsforschung Darzau seit 1989 in <strong>der</strong> biologischdynamischen<br />

Züchtungsforschung an verschiedenen Getreidearten.<br />

Hinsichtlich des Versuchsanbaus kooperiert Darzau mit biologischdynamisch<br />

und ökologisch wirtschaftenden Betrieben <strong>der</strong> Region. Den<br />

Schwerpunkt bildet die Entwicklung von Zuchtzielen für Öko-<br />

Getreidesorten. Dazu zählen insbeson<strong>der</strong>e erweiterte<br />

Qualitätskriterien, Beikrautregulierung durch Sorteneigenschaften,<br />

Nachbaufähigkeit <strong>der</strong> Sorten durch gesundes Saatgut sowie die<br />

Schaffung von Alternativen zur Grünen Gentechnik.<br />

Regional angepasste Sorten<br />

Die standortorientierte Züchtung ist wesentlicher Bestandteil <strong>der</strong> Arbeit<br />

von Dr. Müller, wie auch die Winterweizenzüchtung wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />

Gerade sandigere Standorte, wie sie in Nie<strong>der</strong>sachsen, Mecklenburg-<br />

Vorpommern und Brandenburg häufig vorkommen, sind eine große<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung für die Erzeugung von Weizen mit guten<br />

Backeigenschaften. Daher verfolgt die Getreidezüchtungsforschung<br />

Darzau mit Frohwüchsigkeit, geringem Nährstoffbedarf und guter<br />

Standfestigkeit <strong>der</strong> Sorten beson<strong>der</strong>e Züchtungsziele in Kombination<br />

mit Backqualität. Die Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit <strong>der</strong> Sorten insbeson<strong>der</strong>e<br />

gegen saatgutübertragbare Krankheiten spielt in allen <strong>Projekten</strong> von<br />

Dr. Müller eine große Rolle, weshalb dazu auch sehr viel<br />

Grundlagenforschung durchgeführt wird.<br />

In <strong>der</strong> Züchtungsarbeit werden die Anfor<strong>der</strong>ungen an die Pflanzen<br />

unter Praxisbedingungen überprüft. Im Vor<strong>der</strong>grund stehen dabei<br />

Roggen, Einkorn, Weizen, Gerste und Hafer.<br />

8


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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Im Rahmen des PLENUM Projekts kommen schließlich <strong>der</strong><br />

Lichtkornroggen und Einkorn <strong>der</strong> Sorte Svenskaja zum Einsatz.<br />

Bezüglich Einkorn wird ein Auszug aus dem Abschlussbericht zum<br />

Forschungsprojekt Einkorn mit optimierten Qualitätsmerkmalen für<br />

Back- und Teigwaren aus ökologischem Anbau von Karl-Josef Müller<br />

wie<strong>der</strong>gegeben, <strong>der</strong> einen Einblick in die umfangreiche Arbeit <strong>der</strong><br />

Sortenselektion als Backgetreide geben soll.<br />

Schließlich werden <strong>der</strong> Lichtkornroggen und seine Markenwerdung<br />

besprochen und abschließend die Fragegestellung behandelt, wie die<br />

Züchtung auf den Teller kommt.<br />

4.1.1. Einkorn<br />

Einkorn (Triticum monococcum L.) ist ein dem Weizen verwandtes<br />

Urgetreide. Sein Anbau war nahezu erloschen bis vor einigen Jahren<br />

ein zunehmendes Verbraucherinteresse an Getreidearten festzustellen<br />

war, die noch nicht den konventionellen Formen <strong>der</strong><br />

Landbewirtschaftung züchterisch angepasst worden waren.<br />

Prinzipiell eignet sich Einkorn zur Herstellung von Teig- und<br />

Backwaren, jedoch sortenabhängig in sehr unterschiedlicher<br />

Ausprägung. Bei den bisher verfügbaren Sorten sind die<br />

Klebereigenschaften 4 sehr weich. Doch bereits BORGHI et al. (1996)<br />

fanden Muster mit außerordentlich hohen Sedimentationswerten 5 , die<br />

auf einen festeren Kleber schließen lassen. Eigene Erfahrungen mit <strong>der</strong><br />

Feuchtkleberbestimmung an Einkorn zeigten eine geringe Eignung des<br />

bei Weizen eingesetzten Glutomatic-Testverfahrens 6 für die<br />

4 Beachtenswert sind die verhältnismäßig hohen Feuchtklebergehalte beim Einkorn.<br />

Die Konsistenz <strong>der</strong> Kleber ist bei den meisten Einkornsorten extrem weich, was auf<br />

hohe Anteile von Gliadin am Eiweiß zurückgeht<br />

(http://www.darzau.de/index.php?id=78).<br />

5<br />

Der Sedimentationstest ist eine indirekte Methode zur Bestimmung <strong>der</strong><br />

Glutenmenge und <strong>der</strong> Glutenqualität. Die Quellung <strong>der</strong> Glutenteilchen in<br />

Milchsäurelösung beeinflußt die Sedimentationsgeschwindigkeit einer<br />

Mehlsuspension. Der Sedimentationswert ist das <strong>nach</strong> 5 Minuten sedimentierte<br />

Volumen an gequollenen Mehlteilchen, er wird dimensionslos angegeben. Die<br />

Sedimentationswerte liegen zwischen 8 bei kleberarmen Mehlen mit niedrigem<br />

Proteingehalt und 78 bei kleberstarken Mehlen mit sehr hohem Proteingehalt. Sowohl<br />

ein höherer Glutengehalt als auch eine bessere Glutenqualität führen zu langsamer<br />

Sedimentation und folglich zu höheren Sedimentationswerten<br />

(http://www.raiffeisen.com/pflanzen/ackermanager/weizen_html).<br />

6 Das Glutomatic System ist konzipiert um folgende Parameter <strong>der</strong> Proteinqualität zu<br />

bestimmen:<br />

• Feuchtklebergehalt<br />

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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Differenzierung von Klebereigenschaften. Mit dem Soft-Wheat-Gluten-<br />

Index, ein Verfahren mit dem Rapid Visco Analyzer 7 (Newport<br />

Scientific), war eine ausgeprägtere Differenzierung zu erwarten.<br />

Bei sehr hohen Feuchtklebergehalten mit hohen Anteilen an Gliadinen<br />

sind die Teiglinge oft sehr weich. Dies erschwert die Verwendung in<br />

Öko-Bäckereien erheblich. Die Entwicklung von Sorten mit etwas<br />

festeren Klebern könnte hier Abhilfe schaffen. Die Eignung<br />

verschiedener Sorten für Teigwaren war noch nicht untersucht worden.<br />

Hoher Gelbpigmentgehalt<br />

Für Einkorn ausgesprochen typisch ist <strong>der</strong> sortenabhängig, mehr o<strong>der</strong><br />

weniger hohe, natürliche Gelbpigmentgehalt (Carotine) des Mehles.<br />

Carotine för<strong>der</strong>n beim Menschen die Pigmentbildung im Auge und in<br />

<strong>der</strong> Haut und sie schützen die Formkraft <strong>der</strong> Zelle. Im Vergleich zu<br />

Hartweizen kann Einkorn mit 1-2mg ß-Carotin pro 100g<br />

Trockensubstanz die zwei- bis dreifache Menge aufweisen (D`EGIDIO<br />

et al. 1993, BORGHI et al.1996).<br />

• Trockenklebergehalt<br />

• Wasserbindungsvermögen<br />

• Glutenstärke mittels Glutenindex<br />

Das Glutomatic System hilft dem Anwen<strong>der</strong> das bestmögliche Mehl auszuwählen,<br />

d.h. die beste Mehlqualität zu bestimmen, die für unterschiedliche Produkte<br />

notwendig ist. Die meisten Brot- und Pastaprodukte benötigen einen hohen<br />

Proteingehalt mit starkem Kleber, Gebäck und Kekswaren dagegen nur einen<br />

schwachen Kleber, um hochqualitative Produkte herzustellen.<br />

Das Glutomatic System ist schnell, einfach zu bedienen und die Ergebnisse leicht zu<br />

verstehen. Der Test kann problemlos bei Getreidehändlern, Mehlmühlen, Bäckereien<br />

und Pasta-Herstellern durchgeführt werden.<br />

Durch die Festlegung des Gluten Index als Spezifikation bei <strong>der</strong> Materialannahme<br />

werden konsistentere Ergebnisse erzielt. Die Gluten Qualität beeinflusst nicht nur die<br />

Produktqualität, son<strong>der</strong>n spielt auch eine entscheidende Rolle bei <strong>der</strong> Prozessführung<br />

(www.perten.com/Global/.../GM/GM_Method_germ_20110901.pdf).<br />

7 Für Viskositätsmessungen im Bereich <strong>der</strong> Qualitätskontrolle sowie <strong>der</strong> Forschung<br />

und Entwicklung hat sich seit mehreren Jahren <strong>der</strong> Rapid Visco Analyser (RVA)<br />

bewährt Die Messungen werden vom Gerät mit individuellen Temperatur- und<br />

Scherprofilen vollautomatisch gemessen. In einem kleinen dünnwandigen<br />

Aluminiumbehälter werden für einen Standardversuch zwei bis drei Gramm Substanz<br />

mit 25 Milliliter Wasser zu einer Suspension verrührt. Ein spezieller Flügelrotor rührt<br />

und homogenisiert die Probe. Über die Stromaufnahme des Motors, <strong>der</strong> mit einer<br />

definierten Umdrehungszahl rotiert, wird die Viskosität bestimmt. Durch das<br />

integrierte, computergesteuerte Heiz- und Kühlsystem sind Messungen mit genau<br />

reproduzierbaren Temperaturprofilen möglich. Eine Heiz- bzw. Kühlrate von bis zu 15<br />

°C/min. erlaubt die schnelle Messung kompletter Verkleisterungskurven in dreizehn<br />

Minuten(http://www.laborpraxis.vogel.de/analytik/rheologie/viskosimeter/articles/11<br />

3869/).<br />

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Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Tabelle: ß-Carotin-Gehalte von Einkorn im Vergleich mit Weizen<br />

(Souci et al 1994) und Emmer. Mittel aus zwei Jahren.<br />

Quelle: Die Einführung von Einkorn (Triticum monococcum) und Emmer (Triticum<br />

dicoccum) in den Ökologischen Landbau - Anbau, Ertrag, Qualität,<br />

Jantsch, Peter und Dieter Trautz, Osnabrück, 2003<br />

Ein entsprechen<strong>der</strong> Gehalt verleiht den Back- und Teigwaren ein<br />

gelbliches Aussehen, wodurch sich Einkornprodukte ohne<br />

Farbstoffzusätze und auch ohne Verwendung von Eigelb von an<strong>der</strong>en<br />

Getreideprodukten abheben. Dies erfor<strong>der</strong>t aber Sorten mit hohen<br />

Gelbpigmentgehalten.<br />

Anbaueigenschaften und Verarbeitung<br />

Um auf ökologischen Anbauflächen einen zufrieden stellenden Ertrag<br />

zu realisieren, bedarf es einer frühen Aussaat vor Winter. Dies för<strong>der</strong>t<br />

die Bestockung, erfor<strong>der</strong>t allerdings auch winterharte Formen. Die<br />

Entwicklung im Frühjahr bis hin zum Ährenschieben vollzog sich bei<br />

den meisten Einkornsorten mit einer anfänglichen Verzögerung.<br />

Hierdurch ergab sich eine geringere Beschattung des Bodens und<br />

somit eine geringere Konkurrenzkraft gegenüber Ackerwildkräutern.<br />

Sorten mit etwas früher einsetzendem Schossen wären dem<br />

ökologischen Anbau för<strong>der</strong>licher.<br />

Für Böden mit hoher Nährstoffversorgung bedarf es allerdings auch<br />

sehr standfester Pflanzen. In <strong>der</strong> Getreidezüchtungsforschung Darzau<br />

waren bereits drei Sorten entwickelt worden, die an verschiedenen<br />

Orten in Deutschland angebaut wurden. Sie waren in agronomischen<br />

Eigenschaften schon weit fortgeschritten, verfügten aber noch nicht<br />

über die von den Bäckern gewünschten Kombinationen vorgenannter<br />

Eigenschaften. In Gesprächen mit Landwirten zeigte sich, dass Sorten<br />

erfor<strong>der</strong>lich wären, die noch frohwüchsiger in <strong>der</strong> Frühjahrsentwicklung<br />

und standfester sein sollten.<br />

11


Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Für die Verarbeitung waren deutlich festere Teige von Nöten und zur<br />

Vermittlung <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heit des Einkorns sollte auch bei neuen<br />

Sorten die gelbliche Farbe <strong>der</strong> Brotkrume vom Konsumenten eindeutig<br />

bemerkt werden können.<br />

4.1.2. Lichtkornroggen<br />

Eines <strong>der</strong> inzwischen wohl<br />

bekanntesten Beispiele für die<br />

Arbeit von Dr. Müller und seinem<br />

Team ist <strong>der</strong> Lichtkornroggen®.<br />

Dabei handelt es sich um eine offenbestäubende Population, <strong>der</strong>en<br />

Pflanzen helle Körner entwickeln, die <strong>der</strong> Sorte ihren Namen gaben.<br />

Aus dem Getreide können für Roggen ungewöhnlich helle, lockere<br />

Brote von mildem Geschmack gebacken werden. Lichtkornroggen®<br />

eignet sich beson<strong>der</strong>s, aber nicht nur für den Anbau auf leichten bis<br />

mittleren Böden (also Böden mit höherem Sandanteil), wie sie in<br />

Roggen<br />

Roggen (Secale cereale) ist ein Getreide und gehört zu den Gräsern<br />

(bot. Poacea). Roggen ist eine einjährige Pflanze, die bis 2 m hoch<br />

wird. Seine vierkantigen Ähren werden zwischen 5 und 20 cm lang und<br />

hängen zur Blütezeit leicht über. Die Ähre ist begrannt und besteht<br />

meist aus zweiblütigen Ährchen. Roggen ist ein Fremdbefruchter. Das<br />

Roggenkorn wird bis zu 9 mm lang und schimmert bläulich grün. Reifer<br />

Roggen löst sich beim Dreschen leicht aus den Spelzen heraus.<br />

Es gibt Sommer- und Winterroggen, wobei in Mitteleuropa fast<br />

ausschließlich Winterroggen angebaut wird. Winterroggen ist ein sehr<br />

winterhartes Getreide. Der Roggen ist an kühle und trockene Klimate<br />

angepasst und ist eine anspruchslose Frucht, die auf schwächeren<br />

Standorten gute Erträge bringt.<br />

Der Großteil des Roggens wird heute als Futterroggen verwendet. Für<br />

die menschliche Ernährung dient Roggen überwiegend in Mittel- und<br />

Osteuropa als Brotgetreide. Roggenbrote trocknen im Vergleich zu<br />

an<strong>der</strong>en Broten nur langsam aus und schmecken darum länger frisch.<br />

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Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

4.1.3. Die Marke Lichtkornroggen<br />

"Lichtkornroggen®" ist ein beim Bundespatent- und -markenamt<br />

eingetragenes Markenzeichen (Nr. 302 17 635, eingetragen am 10.<br />

Mai 2002, zusätzlich „Lichtroggen®“ unter 305 32 705 am 11.Oktober<br />

2005 und inzwischen als "Lichtkorn" in <strong>der</strong> EU). Markeninhaberin ist<br />

die Gesellschaft für goetheanistische Forschung e.V., vertreten durch<br />

Dr. Karl-Josef Müller, Getreidezüchtungsforschung Darzau.<br />

Der Markenschutz soll sicherstellen, dass dort wo Lichtkornroggen<br />

drauf steht, auch Lichtkornroggen drin ist. Die Bezeichnung Lichtkorn<br />

o<strong>der</strong> Lichtkornroggen darf also nur dann verwendet werden, wenn<br />

über die Lieferscheine vom letztverarbeitenden Empfänger bis zurück<br />

zur Getreidezüchtungsforschung Darzau als Erhaltungszüchter<br />

<strong>nach</strong>gewiesen werden kann, woher die Sorte ursprünglich stammt.<br />

Daher sollte bei <strong>der</strong> Weitergabe auch immer explizit Lichtkornroggen<br />

im Lieferschein gelistet werden.<br />

Bei <strong>der</strong> Sorte Lichtkornroggen® handelt es sich um ein<br />

Sortengemisch 8 , <strong>der</strong>en Saatgut zur Erhaltung und <strong>nach</strong>haltigen<br />

Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr.<br />

1 lit. b) SaatG bestimmt ist (Erhaltungssorte). Lichtkornroggen<br />

befindet sich <strong>der</strong>zeit unter <strong>der</strong> BSA-Kenn-Nr. RW 1148 im<br />

Zulassungsverfahren als Erhaltungssorte. Saatgut kann aber bereits<br />

als Vorvertriebssaatgut erworben werden.<br />

Die Markenzeichenlizenz entspricht ab Kalen<strong>der</strong>jahr 2011 dem<br />

Züchteranteil im Saatgutpreis. Bei rechtmäßig erworbenem<br />

Lichtkornroggensaatgut ist das daraus erwachsende Konsumgetreide<br />

lizenzfrei. Händler o<strong>der</strong> Verarbeiter haben keine Lizenz zu entrichten,<br />

son<strong>der</strong>n müssen nur für die Echtheit sorgen, indem sie sich <strong>der</strong><br />

Herkunft vergewissern. Sollten dies<strong>bezüglich</strong> Zweifel aufkommen, so<br />

sollte die Untersuchung einer Roggenprobe durch authorisierte<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft für Bildekräfteforschung 9 in Auftrag<br />

gegeben werden.<br />

8 Lichtkornroggen® ist ursprünglich hervorgegangen aus: 1/3 Schmidt-Roggen <strong>der</strong><br />

Linie Irion 1988/406, 1/3 Hack-Roggen des Anbaus in Wagenstatt 1988 (ein<br />

langjährig biologisch-dynamisch angebauter Roggen aus ehemals Petkuser Nomaro<br />

mit wechselvoller Geschichte), 1/3 Danko, Halo, Kustro, Carokurz und EHO-Kurz aus<br />

dem Sortenversuchsanbau in Tangsehl 1989-1992.<br />

(http://www.darzau.de/index.php?id=9)<br />

9 Die Methode ist relativ neu. Sie wurde von Dorian Schmidt begründet.<br />

13


Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Das Markenzeichen "Lichtkornroggen®" darf also nur verwendet<br />

werden für Getreidepartien, die ausschließlich aus Lichtkornroggen<br />

bestehen, dessen Eigenschaften aufweisen und zumindest gemäß EU-<br />

Bio-Verordnung in ihrer jeweils geltenden Fassung produziert wurden.<br />

Die Bezeichnung "Lichtkornroggen®" darf nicht mehr verwendet<br />

werden, wenn in einer Konsumgetreidepartie <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

hellkörnigen Roggenkörner unter 80% liegt o<strong>der</strong> die<br />

Bildekräftekonstitution <strong>der</strong> Körner <strong>nach</strong> Verkostung nicht mehr über<br />

alle wesentlichen Grundelemente, wie Helligkeit im Kopfbereich, den<br />

Leib umfassende Wärmehülle und Spiralwirbel im Brustbereich verfügt.<br />

Ein Produkt, das Lichtkornroggen® enthält, darf die Bezeichnung nur<br />

dann im Produktnamen führen, wenn <strong>der</strong> Getreideanteil zu mindestens<br />

90% aus Lichtkornroggen besteht; die Verwendung des<br />

Markenzeichens in <strong>der</strong> Angabe <strong>der</strong> Inhaltsstoffe des Produkts ist auch<br />

bei geringeren Anteilen zulässig, wenn <strong>der</strong> prozentuale Anteil<br />

ausgewiesen wird. Die Bezeichnung "Lichtkornroggen®" darf nicht<br />

benutzt werden, wenn auf Lieferschein o<strong>der</strong> Rechnung <strong>der</strong><br />

empfangenen Sendung auf die Nutzung des Markenzeichens verzichtet<br />

wurde. Bei <strong>der</strong> Abgabe von Konsumgetreide ist dem Empfänger mit<br />

Lieferschein o<strong>der</strong> Rechnung zu versichern, dass die Markenlizenz im<br />

Saatgutpreis entrichtet wurde.<br />

4.1.4. Wie kommt die Züchtung auf den Teller?<br />

Von dem Erfassen einer neuen Idee für die Weiterentwicklung einer<br />

Sorte, bis zum Zeitpunkt, zu dem sie erstmalig verzehrt werden kann,<br />

vergehen leicht 10 Jahre.<br />

von Karl-Josef Müller<br />

Bisher ist die Methode noch nicht <strong>nach</strong> herkömmlichen naturwissenschaftlichen<br />

Maßstäben validiert. Es ist jedoch denkbar, dass dies ähnlich wie mit <strong>der</strong> Sensorik<br />

möglich ist. Bei dieser Methode wird <strong>der</strong> Mensch zum Instrument, ähnlich wie bei <strong>der</strong><br />

sensorischen Analyse. Es geht darum, die Wirkungen auf die eigene Lebendigkeit zu<br />

erfassen. Durch entsprechende Schulung <strong>der</strong> Aufmerksamkeit können sehr<br />

differenzierte Wirkungen von Lebensmitteln wahrgenommen werden. Im Unterschied<br />

zur sensorischen Analyse - bei <strong>der</strong> das Schmecken geschult wird - geht es bei <strong>der</strong><br />

Bildekräfteforschung um die Schulung <strong>der</strong> Wachheit für den eigenen Leib und seine<br />

Lebendigkeit. Im Einzelnen geht es um die Schulung des Denkens, Fühlens und<br />

Wollens. Erst wenn diese uns bewusster sind, können wir sie zur Beobachtung <strong>der</strong><br />

eigenen Lebendigkeit und <strong>der</strong> Wirkungen von Lebensmitteln auf sie gezielt einsetzen.<br />

(http://www.biodynamic-research.net/rf/meth/bikrfo)<br />

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Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Mit 4% Flächenanteil ist die Anbaufläche im ökologischen Landbau<br />

<strong>nach</strong> wie vor zu gering, um viele Sorten auf dem herkömmlichen Weg<br />

<strong>der</strong> Sortenzulassung in den Handel zu bringen und über<br />

Lizenzgebühren die übliche Zuchtarbeit zu refinanzieren. Das im<br />

Saatgutverkehrsgesetz geregelte und darauf aufbauend für den<br />

konventionellen Landbau konzipierte Sortenzulassungsverfahren ist<br />

deshalb für den ökologischen Landbau nur begrenzt sinnvoll.<br />

Zwar durchlaufen auch einige Sorten aus Darzau die Sortenzulassung<br />

beim Bundessortenamt. Die hohen Kosten des Zulassungsverfahrens<br />

sind aber für Sorten, die einer starken regionalen Begrenzung<br />

unterliegen o<strong>der</strong> einer speziellen Verwendung dienen, nicht sinnvoll.<br />

Die Refinanzierung <strong>der</strong> Zuchtarbeit – die Sortenwicklung von <strong>der</strong><br />

Kreuzung bis zur Zulassung dauert ca. 10-15 Jahre – ist auf dem<br />

herkömmlichen Weg auf absehbare Zeit nicht möglich. Die Suche <strong>nach</strong><br />

neuen Wegen ist somit auch eine politische Aufgabe, die eine<br />

Anpassung gesetzlicher Regelungen an die Gegebenheiten des<br />

ökologischen Landbaus erfor<strong>der</strong>t.<br />

Der offizielle Zulassungsweg, bis eine Vermarktung auf „normalen“<br />

Weg möglich ist, birgt weitere Stolpersteine, die zu zusätzlichem<br />

Forschungs- und Züchtungsbedarf führen. Das in Verkehr bringen von<br />

Saatgut erfor<strong>der</strong>t z.B. eine Feldanerkennung, die eine ökologische<br />

Züchtung und Saatgutvermehrung vor handfeste Probleme stellen<br />

kann.<br />

Weitere Details zu den Umständen <strong>der</strong> Nutzbarmachung alter Sorten<br />

sind <strong>nach</strong>zulesen im <strong>Projekten</strong>twicklungsbrief 2003/2004 <strong>der</strong><br />

Getreidezüchtungsforschung Darzau (Seite 4 ff.) und in größerem<br />

Detail im Bericht In Situ – On Farm – Erhaltung im Sinne evolutiver<br />

Prozesse am Beispiel Lichtkornroggen von Karl-Josef Müller.<br />

Im Fazit des Berichts ist zu lesen:<br />

Aus <strong>der</strong> Intention, Roggen ursprünglichen Typs an die regionalen<br />

Bedingungen sandiger, trockenstressgefährdeter Standorte unter<br />

ökologischer Bewirtschaftung in Norddeutschland anzupassen, nutzbar<br />

zu machen und zugleich in seiner Vielfalt zu erhalten, entwickelte sich<br />

über die Jahre eine unverwechselbare Population mit einem<br />

beson<strong>der</strong>en Charakter. Die Methode <strong>der</strong> Mutterstammbaumselektion 10<br />

unter offener Bestäubung ermöglichte es, den Grundcharakter <strong>der</strong><br />

Sorte zu erhalten und Entwicklungen, die sich an Einzelpflanzen in <strong>der</strong><br />

Population zeigten, sowie Anfor<strong>der</strong>ungen von Seiten <strong>der</strong> Landwirte und<br />

10 Mutterstammbaumselektion bedeutet, dass sich die ausgesäten Körner über die<br />

Generationen immer eindeutig einer Mutterpflanze zuordnen lassen können.<br />

Weiterführende Informationen unter http://www.darzau.de/index.php?id=111.<br />

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Verarbeiter, in <strong>der</strong> Weise zu integrieren, dass sukzessive<br />

Verän<strong>der</strong>ungen möglich wurden. Im Gegensatz zur konservierenden<br />

Ex-Situ-Erhaltung in Genbanken kann mit <strong>der</strong> dargestellten In-Situ-<br />

Erhaltung im Sinne evolutiver Prozesse eine Kultur an und mit <strong>der</strong><br />

Pflanze möglich werden, die zu unvorhersehbaren Innovationen führen<br />

können.<br />

4.2. IG Emmer & Einkorn<br />

1995 schlossen sich auf Initiative <strong>der</strong> Schweizerischen Vogelwarte<br />

Sempach die Landwirtschaftlichen Beratungszentrale Lindau LBL<br />

(heute AGRIDEA), <strong>der</strong> WWF-Sektion Schaffhausen, die Pro Specie Rara<br />

und die Vogelwarte Sempach zu einer Projektträgerschaft zusammen.<br />

Sie verfolgten partnerschaftlich das Ziel, die uralten Getreidearten<br />

Emmer und Einkorn im schaffhausischen Klettgau wie<strong>der</strong> traditionell<br />

anzubauen und Emmer- und Einkorn-Produkte regional zu vermarkten.<br />

Gleichzeitig soll eine Ausbreitung bedrohter Tier- und Pflanzenarten<br />

auf den Anbauflächen geför<strong>der</strong>t werden.<br />

Verwirklichung einer Vision<br />

Was mit einigen Körnern und einer visionären Idee begann,<br />

entwickelte sich zu einem zukunftsträchtigen Erfolgskonzept für den<br />

Natur- und Artenschutz in <strong>der</strong> Kulturlandschaft: Eine extensive<br />

Produktion ohne Pflanzenschutzmittel, kombiniert mit ökologischen<br />

Ausgleichsflächen (Buntbrachen) und eine regionale und nationale<br />

Vermarktung exklusiver Produkte aus den beiden Urgetreiden. Der<br />

Anbau konzentriert sich auf drei Regionen (Schaffhausen, Rafzerfeld,<br />

Fricktal/Schenkenbergertal). Einerseits weil Emmer und Einkorn in<br />

diesen Gebieten früher traditionell angebaut wurden, andrerseits weil<br />

in diesen Regionen seit Jahren gezielte Massnahmen zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Artenvielfalt umgesetzt werden (Artenför<strong>der</strong>ungs-, ÖQV-<br />

Vernetzungsprojekte, Bewirtschaftungsvereinbarungen Kanton AG).<br />

Ökologische Ziele<br />

Das Projekt will über den extensiven Anbau von Emmer Lebensräume<br />

für Tiere und Pflanzen erhalten beziehungsweise neu schaffen. Im<br />

Hinblick auf die Erhaltung respektive Wie<strong>der</strong>ansiedelung des Rebhuhns<br />

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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

und als eigenständiges ökologisches Ziel sollen die Ackerbegleitflora<br />

und -fauna und ihre genetische Basis erhalten und geför<strong>der</strong>t werden.<br />

Elemente des extensiven Anbaus sind:<br />

- Anlage ökologischer Ausgleichsflächen auf mindestens 5% <strong>der</strong><br />

extensiv bearbeiteten Anbaufläche,<br />

- Verzicht auf Pestizide,<br />

- Verbesserung <strong>der</strong> Fruchtfolge,<br />

- Vernetzung wertvoller Lebensräume (Jenny et al. 2002).<br />

Starker Vorbildcharakter<br />

Eine ökonomische Fallstudie über das Projekt bestätigt eindrücklich,<br />

dass die konsequente ökologische Ausrichtung des Emmer- und<br />

Einkornanbaus ein interessantes Marktpotential hat. Partner aus<br />

Handel und Gewerbe setzen auf Produkte aus Emmer und Einkorn. Sie<br />

haben erkannt, dass eine glaubwürdige Geschichte und konsequent<br />

<strong>nach</strong>haltig produzierte Produkte bei den Konsumenten heute viel<br />

Vertrauen genießen und sich erfolgreich vermarkten lassen.<br />

Heute ist das Emmer/Einkorn-Projekt ein weitgehend über die<br />

Wertschöpfung am Markt finanziertes Projekt. Es hat über die<br />

Landesgrenzen hinaus Beachtung gefunden und wird im Sinne <strong>der</strong><br />

Lokalen Agenda 21 für den ländlichen Raum als beispielhaft beurteilt.<br />

4.2.1. Erfolgsfaktoren<br />

Die oben genannte ökonomische Fallstudie über das Projekt mit dem<br />

Titel Anbau und Vermarktung alter Landsorten: Ein Fallbeispiel nennt<br />

zusammenfassend folgende Erfolgsfaktoren als die wichtigsten:<br />

- Entwicklung lokalen Wissens hinsichtlich Saatgutvermehrung,<br />

Emmeranbau und Weiterverarbeitung,<br />

- Existenz regionaler Produktions- und<br />

Weiterverarbeitungskapazitäten,<br />

- unternehmerische Initiative <strong>der</strong> Projektleiter und <strong>der</strong> Partner<br />

<strong>der</strong> kooperierenden Institutionen (inklusive <strong>der</strong> Kenntnis des<br />

sozio-ökonomischen Kontextes und <strong>der</strong> Nähe zur Region),<br />

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Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

- innovative Produkte, die auf großes Interesse und breite<br />

Unterstützung stoßen;<br />

- Produktdifferenzierung und Spezialisierung als Marktstrategie.<br />

Die Politik ist gefragt<br />

Des Weiteren stellt die Studie fest, dass sich aus dem Projekt und <strong>der</strong><br />

Identifikation von Erfolgsfaktoren verschiedene Folgerungen für die<br />

Politik ziehen lassen.<br />

So war für das Projekt das Vorhandensein von Startkapital existentiell.<br />

Die breite Herkunft des Startkapitals hat gleichzeitig eine breite<br />

institutionelle Unterstützung mit sich gebracht. Die Politik kann die<br />

Etablierung von Fonds för<strong>der</strong>n, aus denen solche Unterstützung<br />

gewährt werden kann, zum Beispiel durch Steuererleichterungen o<strong>der</strong><br />

öffentliche Beteiligung an privatem Startkapital. Ebenso existentiell<br />

war die finanzielle Unterstützung <strong>der</strong> Landwirte. Es hat sich gezeigt,<br />

dass eine Landwirtschaft, die ökologische und kulturelle Zusatzbeziehungsweise<br />

Kuppelprodukte wie den Landschaftsschutz und den<br />

Erhalt seltener (Kultur-)Arten hervorbringt, in <strong>der</strong> Schweiz nicht ohne<br />

Kompensationen für diese Leistungen existieren kann.<br />

Professioneller Informations- und Erfahrungsaustausch nötig<br />

Dieses Projekt wird wesentlich von kleinen und mittleren lokalen<br />

Unternehmern getragen. Um weitere solcher Projekte entstehen zu<br />

lassen, bedürfen kleine und mittlere lokale Unternehmer <strong>der</strong><br />

Ermutigung und Unterstützung. Daraus folgt, dass bestehende<br />

Plattformen zum Austausch von Erfahrung und zur Vermittlung<br />

professioneller Unterstützung (z.B. im Rahmen von RegioPlus) erhalten<br />

und ausgebaut werden sollten. Dies betrifft insbeson<strong>der</strong>e den Erwerb<br />

und den Ausbau von Management- und Marketingfähigkeiten im<br />

Naturschutzbereich, wo ein großes Defizit besteht. Aus <strong>der</strong> Tatsache,<br />

dass das Projekt wesentlich von kleinen und mittleren lokalen<br />

Unternehmern getragen wird, ergibt sich für die Politik auch die<br />

Aufgabe, durch gezielte Mittelstandsför<strong>der</strong>ung einer weiteren<br />

Zentralisierung <strong>der</strong> Verarbeitungsstrukturen entgegenzuwirken, gerade<br />

im Bereich <strong>der</strong> Lebensmittelindustrie.<br />

18


Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Im Emmer-Projekt war es ein Forschungsprojekt, welches <strong>der</strong><br />

auslösende Faktor war. Ein Weg zur Unterstützung solcher Projekte<br />

liegt daher auch im vermehrten Einbezug <strong>der</strong> Forschung in <strong>der</strong>artige<br />

konkrete regionale Bezüge.<br />

4.3. Keyserlingk-Institut<br />

1988 gründeten Dr. Bertold Heyden und Elisabeth Beringer mit<br />

Unterstützung mehrerer biologisch-dynamisch arbeiten<strong>der</strong> Landwirte<br />

das J. und C. Graf Keyserlingk-Institut am Bodensee. Trägerverein des<br />

Instituts ist <strong>der</strong> Verein zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Saatgutforschung im<br />

biologisch-dynamischen Landbau.<br />

Das Institut konzentriert seine Arbeit auf die Erhaltung und<br />

Weiterentwicklung bewährter Getreide-Hofsorten. Ein Schwerpunkt ist<br />

dabei die Entwicklung neuer Weizen- und Roggensorten für die<br />

Bodenseeregion und ähnliche Standorte. Alle bisher entstandenen<br />

Sorten wurden durch die Selektion aus langjährig biologischdynamisch<br />

gepflegten Hofsorten entwickelt. Dabei kann Dr. Heyden<br />

auf die Entwicklungsdynamik innerhalb eines Feldes setzen, wodurch<br />

im Laufe <strong>der</strong> Jahre eine neue Formenvielfalt mit Anpassung an die<br />

regionalen Anbaubedingungen zu beobachten ist.<br />

4.3.1. Das Regionalsortenprojekt<br />

So sind eine Roggensorte und mehrere<br />

Weizensorten entstanden, die nun zusammen<br />

mit Hofsorten von Roggen und Dinkel die<br />

Grundlage für das Regionalsortenprojekt bilden.<br />

17 Höfe bauen diese Sorten an; die Ernte wird<br />

von vier Bäckereien zu Brot verbacken. Unter<br />

dem Logo SaatGut Brot wird dieses von ca. 100<br />

Naturkostläden in <strong>der</strong> Bodenseeregion und im weiteren süddeutschen<br />

Umkreis verkauft.<br />

19


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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Wer kann sich am Regionalsortenprojekt beteiligen?<br />

Es handelt sich am Bodensee um biologisch-dynamische Höfe. Die<br />

Bauern sind Mitglie<strong>der</strong> im Verein zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Saatgutforschung.<br />

Die Bäcker haben eine Demeter-Anerkennung.<br />

Die Zusammenarbeit in <strong>der</strong> Gemeinschaft ist durch Verträge intern<br />

geregelt (Saatgut, Verwendung <strong>der</strong> Ernte, Vermarktung <strong>der</strong> Produkte<br />

und Lizenz).<br />

4.3.2. Erolgsfaktoren<br />

Die Vorteile dieses Projektes sind vielfältig und erreichen alle<br />

Beteiligten:<br />

Das Saatgut<br />

Basissaatgut wird vom Keyserlingk-Institut bereitgestellt und ein Jahr<br />

vorvermehrt. Einige Höfe übernehmen die weitere<br />

Saatgutvermehrung. Saatgut kann nur innerhalb <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />

abgegeben werden. Eine Genehmigung dafür wurde vom<br />

Bundessortenamt erteilt.<br />

Die Bauern<br />

Den Landwirten stehen lokal angepasste, fruchtbare Getreidesorten<br />

zur Verfügung, <strong>der</strong>en Eigenschaften sie genau kennen. Sie sind hierfür<br />

nicht auf den Zukauf von außen angewiesen und übernehmen die<br />

Saatgutvermehrung selbst.<br />

Die Ernte<br />

Die Ernte wird von den beteiligten Bäckereien und eventuell an<strong>der</strong>en<br />

angeglie<strong>der</strong>ten verarbeitenden Betrieben aufgenommen.<br />

Die Bäcker<br />

Die Bäckereien bevorzugen das Getreide aus <strong>der</strong> Region. Sie können<br />

daraus qualitativ hochwertige Produkte herstellen. Langfristigere<br />

Absprachen über Preis und Qualität sind möglich. Für die Züchtung<br />

sind die unmittelbaren Rückmeldungen aus <strong>der</strong> Praxis hilfreich.<br />

Die Produkte<br />

Die Produkte werden unter einem gemeinsamen Warenzeichen in den<br />

Handel gebracht. Dies beinhaltet den regionalen Getreideanbau und<br />

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Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

die regionale Verarbeitung, beson<strong>der</strong>s aber die Sortenentwicklung auf<br />

biologisch-dynamischer Grundlage in <strong>der</strong> Bodenseeregion. Auch<br />

biologisch-dynamische Hofsortenpflege ist ein <strong>der</strong> Züchtung adäquates<br />

Qualitätsmerkmal.<br />

Der Handel<br />

Der Naturkosthandel unterstützt das Regionalsortenprojekt durch<br />

Angebot und sachgemäße Werbung.<br />

Der Kunde<br />

Die Kundinnen und Kunden schließlich erhalten nicht "nur" eine<br />

regionale Spezialität von hochwertiger Qualität und gutem Geschmack.<br />

Vielmehr leisten sie mit dem Erlös jedes gekauften Brotes über den<br />

"Züchter-Cent" einen kleinen finanziellen Beitrag zur weiteren<br />

Züchtungs- und Forschungsarbeit des Keyserlingk-Institutes. Folglich<br />

muss nicht länger <strong>der</strong> Bauer allein die Kosten für Saatgutkosten<br />

tragen.<br />

Lizenzen<br />

Bei <strong>der</strong> geringen Anbaufläche lässt sich die Sortenerhaltung nicht über<br />

den Saatgutpreis finanzieren, wohl aber durch einen etwas höheren<br />

Preis <strong>der</strong> Brote im Laden. Dieser wird über einen höheren<br />

Einkaufspreis des Getreides von den Bäckern vorfinanziert.<br />

4.4. Fernand Krust, Berrwiller<br />

Dr. Bertold Heyden vom Keyserlingk-Institut hat diese Sorte<br />

empfohlen. Sie gilt als regional angepasst und verfügt über gute<br />

Backeigenschaften. Heyden und Krust attestieren ihr eine gute<br />

Standfestigkeit, laut <strong>der</strong> Eiweißanalysen braucht die Sorte bessere<br />

Böden (ab 50 Bodenpunkte aufwärts).<br />

Fernand Krust<br />

verarbeitet das<br />

Getreide in <strong>der</strong><br />

hofeigenen<br />

Bäckerei. Der<br />

Internetauftritt<br />

<strong>der</strong> Hofbäckerei<br />

ist sehr vielversprechend. Ein Besuch vor Ort ist in Planung.<br />

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4.5. Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von<br />

Nutzpflanzen in Brandenburg (VERN) e.V<br />

Der Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in<br />

Brandenburg e.V., kurz VERN e.V., wurde 1996 gegründet. Mitglie<strong>der</strong><br />

sind Privatpersonen, Landwirte, Gärtner und Institutionen/Vereine.<br />

Der VERN e.V. erhält ca. 2.000 alte Nutzpflanzensorten und hält sie für<br />

die Allgemeinheit einfach zugänglich. Er erhält zudem das Wissen über<br />

den Anbau, den Umgang und die Nutzung <strong>der</strong> Kulturpflanzen.<br />

Neben <strong>der</strong> Erhaltungsarbeit betreibt <strong>der</strong> VERN e.V. auch<br />

Öffentlichkeits-, Bildungs-, Beratungs- und politische Arbeit zum Erhalt<br />

alter Nutzpflanzen.<br />

Projektsorten<br />

Im Rahmen des PLENUM Projekts wird mit <strong>der</strong> Roggensorte<br />

Norddeutscher Champagnerroggen und <strong>der</strong> Weizensorte<br />

Ostpreußischer Dickkopfweizen gearbeitet.<br />

Champagnerroggen<br />

Ursprünglich aus Frankreich im frühen 19. Jahrhun<strong>der</strong>t eingeführt,<br />

entwickelte sich <strong>der</strong> zum “Norddeutschen” umgetaufte<br />

Champagnerroggen bald zu einer <strong>der</strong> verbreitetsten<br />

Winterroggensorten Deutschlands und darüber hinaus. Einem Züchter<br />

nordwestlich Berlins, Herrn Jäger aus Könkendorf, verdankte <strong>der</strong> <strong>nach</strong><br />

ihm benannte “Jägers Norddeutscher Champagnerroggen” den Anbau<br />

bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Seine Höhe – bis zu 2 m –<br />

wurde ihm in Kultur und Ernte immer mehr zum Nachteil.<br />

Kurzhalmroggen waren angesagt. Für einige Jahrzehnte war er im<br />

Kühllager <strong>der</strong> Gaterslebener Genbank verschwunden.<br />

Vor wenigen Jahren wurden Restbestände <strong>nach</strong> eingehen<strong>der</strong><br />

Beurteilung durch den VERN erst <strong>nach</strong> Greiffenberg und Criewen,<br />

schließlich auch auf die Betriebsflächen einiger Uckermärker Landwirte<br />

gebracht.<br />

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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Dickkopfweizen<br />

“Kuwerts Ostpreußischer Dickkopf“, eine Winterweizensorte von<br />

nahezu gleichem Alter, wurde um 1900 in Versuchsberichten <strong>der</strong><br />

Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft häufig aufgeführt. Erwähnt<br />

wurden beson<strong>der</strong>s die Robustheit, Kälteresistenz und Standfestigkeit<br />

dieses norddeutschen Gewächses mit beson<strong>der</strong>s dicken, kompakten<br />

Ähren.<br />

4.5.1. Label „Frisches Brot aus alten Sorten“<br />

Ähnlich dem Regionalsortenprojekt des Keyserlingk-Instituts lautet das<br />

Motto des VERN e.V. zur Wie<strong>der</strong>einführung und Vermarktung alter<br />

Sorten „Frisches Brot aus alten Sorten“. Brandenburger Landwirte<br />

und -innen führen den Versuchs- und Feldanbau durch. Die fachliche<br />

Beratung und Betreuung erfolgt durch den VERN e.V., mit<br />

Unterstützung <strong>der</strong> Landesanstalt für Großschutzgebiete (LAGS).<br />

Finanzielle Unterstützung für Anbauflächen ausgewählter<br />

Erhaltungssorten wird im Rahmen des<br />

Kulturlandschaftsprogramms(KULAP) durch das Ministerium für<br />

Landwirtschaft, Umwelt und Raumordnung (MLUR) gewährt.<br />

Vermarktung und Qualitätskontrolle erfolgt durch die<br />

Erzeugergemeinschaft BIOKORNTAKT GmbH, Berlin.<br />

Über erste<br />

Backergebnisse mit<br />

den oben<br />

genannten Sorten<br />

ist in den Berichten<br />

On-Farm Erhaltung<br />

genetischer<br />

Ressorucen von<br />

Getreide und<br />

Ölpflanzen (S.61<br />

ff.) und Bericht<br />

zum<br />

Bäckerworkshop -<br />

Verarbeitung<br />

seltener<br />

Getreidesorten zu<br />

Backspezialitäten<br />

<strong>nach</strong>zulesen (S. 3f., S.12 ff.).<br />

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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

5. Weitere Projekte<br />

Im Folgenden werden weitere Initiativen vorgestellt, mit denen wir uns<br />

in den kommenden Jahren besser vernetzen möchten. Dazu zählen<br />

beispielsweise das Projekt um den Dickkopfweizen von <strong>der</strong> Alb, die<br />

Gran-Alpin Genossenschaft aus Graubünden und Hans Gahleitner vom<br />

Ebnerhof aus dem Mühlviertel in Österreich.<br />

5.1. Dickkopfweizen von <strong>der</strong> Alb<br />

"Schützen durch nützen" will das Bempflinger Bäckerhaus. Gemünzt ist<br />

dieser Slogan auf den nahezu ausgestorbenen Dickkopfweizen, <strong>der</strong><br />

künftig wie<strong>der</strong> als Backware in die Läden kommen soll. Der<br />

Dickkopfweizen steht auf <strong>der</strong> Liste <strong>der</strong> aussterbenden Getreidesorten.<br />

Ein Bäckerhaus und ein ehemaliger Professor <strong>der</strong> Hochschule für<br />

Wirtschaft und Umwelt (HfWU) wollen das än<strong>der</strong>n. Die Rettung des<br />

hochwertigen Brotweizens soll die Bedeutung von Nachhaltigkeit und<br />

Regionalität bei <strong>der</strong> Erzeugung von Lebensmitteln unterstreichen.<br />

Vor 50 Jahren war er praktisch ausgestorben, heute ist <strong>der</strong><br />

Dickkopfweizen von Weizen-Hochzuchtsorten fast vollständig<br />

verdrängt. Nun wurde die seltene Getreidesorte aus ihrem<br />

Dornröschenschlaf erweckt. „Für mich hat sich mit diesem Projekt eine<br />

ganz neue Sicht auf das Prinzip <strong>der</strong> Nachhaltigkeit eröffnet, das wir<br />

seit Jahren verfolgen“, betont die Geschäftsführerin des Bäckerhaus<br />

Veit, Erdmute Veit-Murray. Denn bauen die Landwirte bestimmte<br />

Sorten nicht mehr an, sterben diese auf den Fel<strong>der</strong>n aus. Und an<br />

Hochschulen o<strong>der</strong> Genbanken kann das Saatgut nur eine begrenzte<br />

Zeit keimfähig gehalten werden, so Veit-Malb.<br />

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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

5.2. Berggetreide aus Graubünden<br />

1987 wurde die Genossenschaft Gran Alpin 11 in Tiefencastel<br />

gegründet, um den ökologischen Bergackerbau in den Bergtälern<br />

Graubündens zu för<strong>der</strong>n. Die Bevölkerung und das Gastgewerbe soll<br />

mit qualitativ hochwertigen Produkten versorgt werden.<br />

1996 erfolgte dann die Umstellung auf den kontrolliert biologischen<br />

Anbau <strong>nach</strong> Bio-Suisse Richtlinien (Knospe). Heute produzieren an die<br />

siebzig Bio-Betriebe zwischen 300 bis 400 Tonnen Weizen, Roggen,<br />

Speisegerste, Braugerste, Dinkel, Nackthafer und Buchweizen.<br />

Die Genossenschaft übernimmt das Getreide ihrer Mitglie<strong>der</strong>, sorgt für<br />

die Weiterverarbeitung und für die Vermarktung <strong>der</strong> Gran Alpin<br />

Produkte. Gran Alpin unterstützt zusätzlich Projekte die verschiedene<br />

Getreidesorten auf ihre Eignung für das Berggebiet und speziell für den<br />

Terrassenackerbau untersucht.<br />

2003 ist erstmals Braugerste angebaut worden - für die Herstellung<br />

eines speziellen Gran Alpin Biers.<br />

2009 wurde erstmals Nackthafer im Münstertal angebaut. In erster<br />

Linie für die Produktion <strong>der</strong> regionalen Spezialität "Schaibiettas".<br />

Erfolgsgeschichte Cadi Roggen<br />

Seit 2010 wird die alte Landroggensorte Cadi vermehrt und angebaut,<br />

da die neueren Roggensorten sich als zu wenig winterhart im<br />

Berggebiet erwiesen haben. Daraus fertigt die Bäckerei Stgier aus<br />

Tiefencastel mit seinen 40 Mitarbeitenden das legendäre Bio-Patatti-<br />

Bergbrot 12 , das in sechs eigenen Bäckereien, aber auch bei Coop<br />

verkauft wird.<br />

5.3. Dinkel vom Ebnerhof<br />

362 Sorten hat Hans Gahleitner mittlerweile in seiner Scheune in<br />

Erhaltungszucht - eine <strong>der</strong> größten Sammlungen Mitteleuropas. Bis<br />

seine Züchtung Ebners Rotkorn <strong>nach</strong> einem langwierigen<br />

Anerkennungsverfahren vom Österreichischen Bundesamt 1999<br />

endlich als EU-Sorte zugelassen wurde, dauerte es zwar ganze zehn<br />

11 http://www.granalpin.ch<br />

12 Artikel im Anhang<br />

25


Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Jahre, doch die Mühe hat sich gelohnt:<br />

Ebners Rotkorn wird heute auf „90 Prozent“ 13 aller biologischen<br />

Dinkelflächen in Österreich angebaut.<br />

Dinkel "Ebners-Rotkorn"<br />

Der Dinkel Ebners-Rotkorn hat gute Backeigenschaften, hohe<br />

Standfestigkeit, sehr gute Bestockungskraft, gute Schälausbeute,<br />

Winterfestigkeit, ist früh- und spätsaatverträglich, absolut striegelfest<br />

und hat sehr gute Resistenzen gegen Krankheiten. Ebners Rotkorn ist<br />

ein echter Dinkel ohne Weizengene und besitzt beste Aromaqualität.<br />

Weiters hat er einen überdurchschnittlich guten Redoxwert 14<br />

gegenüber an<strong>der</strong>en Getreidearten.<br />

13 Zeitschrift Bio-Nachrichten, Der Dinkel-König von Österreich, Interview mit Bio-<br />

Züchter Hans Gahleitner, S.32, April 2010<br />

14 Der Redoxwert macht Aussagen über die Kapazität des Nahrungsmittels,<br />

Elektronen an den Körper abzugeben, d.h. über die Wirkung <strong>der</strong><br />

gesundheitsför<strong>der</strong>nden Substanzen freie Radikale zu neutralisieren.<br />

26


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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

6. Zusammenfassung<br />

Ziel ist es, längerfristig im Ökolandbau eine eigenständige Züchtung<br />

von Getreidesorten zu realisieren, die nicht an den gängigen Kriterien<br />

von Massenertrag und äußerer Perfektion orientiert ist.<br />

Innere Werte wie ein hoher Gehalt an Vitaminen und Mineralien sowie<br />

ein ausgezeichneter Geschmack sind Ziele, für die sich <strong>der</strong><br />

kostenaufwändige Aufbau eigener Züchtungslinien lohnt.<br />

Dazu muss nicht zuletzt <strong>der</strong> Endverbraucher für diese Arbeit<br />

sensibilisiert werden, o<strong>der</strong> wie es Herr Ulrich Schulze von <strong>der</strong><br />

Landwirtschaftskammer NRW im Interview formuliert hat: “Eigentlich<br />

geht’s hinten los!”<br />

Abbildung 3: Vereinfachte Wertschöpfungskette Brot<br />

27


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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Für den Versuchsanbau im Samengarten wurde <strong>der</strong> Lichtkornroggen<br />

und Einkorn, <strong>der</strong> Sorte Svenskaja gewählt. Der Lichtkornroggen<br />

zeichnet sich durch seine helle Kornfarbe aus, was für die Verarbeitung<br />

ein Herausstellungsmerkmal sein könnte. Laut Karl-Josef Müller<br />

können aus dieser Roggensorte „sehr helle, lockere Brote von mildem<br />

Geschmack gebacken werden“.<br />

Einkorn <strong>der</strong> Sorte Svenskaja dagegen kann schon als „funktionelles<br />

Lebensmittel“ (functional food) beschrieben werden, da es von Natur<br />

aus einen hohen Carotingehalt besitzt.<br />

Mit <strong>der</strong> Aufnahme von Einkorn in unseren Versuchsanbau greifen wir<br />

eine alte Tradition auf. So wurde bis zum Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

am Kaiserstuhl Einkorn angebaut.<br />

Wie kommt eine Sorte aus unserer Arbeit zum Landwirt<br />

Als einer <strong>der</strong> Erfolgsfaktoren in <strong>der</strong> Arbeit von Karl Josef Müller muss<br />

sein unermüdliches Bestreben genannt werden, die Marktzulassung für<br />

Saatgut alter, regional angepasster Sorten zu erwirken. „Den Weg<br />

dahin ebnen Verträge. Den Hintergrund bildet das<br />

Saatgutverkehrsgesetz. Heute verhin<strong>der</strong>t es, dass eine Sorte<br />

überhaupt zur Nutzung kommt, es sei denn, sie entspricht den<br />

Uniformitätsanfor<strong>der</strong>ungen des Gesetzes, hat das Potential vielerorts<br />

besser als alle an<strong>der</strong>en zu sein und zudem in großem Umfang<br />

<strong>nach</strong>gefragt zu werden. Bis zu 19.000 ! müssen an Gebühren allein<br />

aufgebracht werden, um eine Marktzulassung für nur eine Sorte zu<br />

erreichen. Im Gegensatz dazu steht das Anliegen, Landwirtschaft und<br />

Sorten standortbezogen auszurichten. Es kann nur überwunden<br />

werden, wenn Gemeinschaften selbst zum Eigentümer von Sorten und<br />

Saatgut werden, so dass nur noch die Konsumware im<br />

Marktgeschehen erscheint. Dann kann es vielerlei Sorten geben, die<br />

den regionalen Bedingungen entsprechen,“ berichtet mir Karl Josef<br />

Müller im Telefoninterview. Dies<strong>bezüglich</strong> erforscht die<br />

Getreidezüchtungsforschung in Darzau neue Vertragskonzepte und<br />

sucht die Zusammenarbeit mit Erzeugergemeinschaften.<br />

Die IG Emmer und Einkorn liefert als Initiative einen möglichen<br />

Rahmen für die weitere Entwicklung unseres Getreidevielfalt-Projektes<br />

hier am Kaiserstuhl, indem es auf eindrückliche Art und Weise<br />

vorführt, die einzelnen Interessensgruppen, wie Landwirte,<br />

28


Stiftung Kaiserstühler Garten<br />

Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Verarbeiter, Verbraucher und auch die Politik, für das Projekt zu<br />

gewinnen. Es hat damit einen starken Vorbildcharakter für unser<br />

Projekt.<br />

Dabei soll die Verwendung von Emmer als Biergetreide aufgegriffen<br />

werden. Emmerbier15 ist eine spezielle obergärige Biersorte, die aus<br />

Emmer (Triticum dicoccum) gebraut wird. Es wird hergestellt aus Malz,<br />

darunter über 50 % Emmer, dazu Einkorn, Dinkel, Weizen und Gerste<br />

sowie Naturhopfen. Das Bier erhält ein bernsteinfarbenes, eher<br />

naturtrübes Aussehen und einen ausgeprägt malzaromatischen<br />

Geschmack.<br />

Geschichte<br />

Emmer wurde schon früher bis ins hohe Mittelalter angebaut und<br />

diente zusammen mit Einkorn und Dinkel als Grundnahrungsmittel,<br />

etwa wie <strong>der</strong> heutige Weizen. Auch bei vielen Ausgrabungen im Nahen<br />

Osten, in Mesopotamien und im Alten Ägypten wurden Reste von<br />

Emmer gefunden. Die Biere Ägyptens wurden schon seit mehr als<br />

4.000 Jahren auf dieser Grundlage gebraut. Für Mesopotamien geht<br />

man sogar von einer Verwendung seit etwa 10.000 Jahren aus.<br />

Zeitgenössische Emmerbiere<br />

Das Riedenburger Brauhaus in Riedenburg und die Brauerei Hauf in<br />

Dentlein am Forst ("Dentleiner Bio Emmer") gelten als die einzigen<br />

Brauhäuser, die die Tradition <strong>der</strong> Emmerbiere fortführen. Die Brauerei<br />

Falken in Schaffhausen, Schweiz, braut ebenfalls Emmerbier mit<br />

Gerstenmalz, Schaffhauser Emmer, Hopfen und Hefe. Dieser Emmer<br />

wird im Klettgau von Landwirten <strong>der</strong> IG Emmer & Einkorn angebaut.<br />

Auch das Regionalsortenprojekt des Keyserlingk-Institutes am<br />

Bodensee nimmt Vorbildfunktion ein. Hier ist es Dr. Berthold Heyden<br />

gelungen, über eine Vermarktungsinitiative als Erhaltungszucht seine<br />

alten Hofsorten wie Rolipa (Roggen) und Karneol, Ritter und Alauda<br />

(Weizen) erfolgreich zu vertreiben. Die Produkte kommen unter einem<br />

gemeinsamen Warenzeichen auf den Markt. Um die Initiative auch<br />

finanziell zu unterstützen, wird ein sogenannter Züchtercent auf jedes<br />

verkaufte Brot erhoben und an das Keyserlingk-Institut<br />

15 http://de.wikipedia.org/wiki/Emmerbier<br />

29


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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

weitergegeben. So müssen nicht länger <strong>der</strong> Züchter und <strong>der</strong> Bauer die<br />

Kosten für die Saatgutproduktion tragen.<br />

Im Interview an seinem Institut erklärt Herr Dr. Heyden noch, dass<br />

durch die Kurzstrohgene heutiger Züchtungen ein Mangel an<br />

Wuchshormonen zu verzeichnen ist, was ein nicht so schnelles<br />

Auswachsen zur Folge hat und damit unter an<strong>der</strong>em eine bessere<br />

Standfestigkeit garantiert. Jedoch geht durch diesen züchterischen<br />

Eingriff ein gutes Stück an Nahrungsqualität verloren, dem Korn fehlt<br />

ein Teil seiner Vitalität.<br />

Mit <strong>der</strong> Wahl des Saatguts vom Bodensee für unser Projekt sind wir<br />

damit unserem Anspruch, qualitativ hochwertigste Lebensmittel zu<br />

erzeugen, ein Stück näher gekommen.<br />

Ein weiteres erfolgreiches Beispiel zur Einführung traditioneller<br />

Getreidesorten ist VERN e.V. mit seinem Projekt „Frisches Brot aus<br />

alten Sorten“. Auch hier wurden die maßgeblichen Akteure konsequent<br />

in die Entwicklung des Projektes einbezogen. Im Gespräch mit dem<br />

Büro des VERN e.V. wurde betont, dass als Grundlage für die<br />

Umsetzung einer erfolgreichen Vermarktung von Produkten aus alten<br />

Getreidesorten ein hoher Bedarf an Öffentlichkeitsarbeit zur<br />

Bedeutung, den Nutzen und die Erhaltung von Agrobiodiversität.<br />

Fernand Krust aus dem Elsass überzeugt durch eine qualitativ<br />

hochwertige Verarbeitung des Getreides in seiner hofeigenen Bäckerei.<br />

Vor Jahrzehnten ist es ihm gelungen, einen befreundeten Bäcker für<br />

die Zusammenarbeit in <strong>der</strong> hofeigenen Holzofenbäckerei zu gewinnen.<br />

Im Interview war Herr Krust sehr zuversichtlich <strong>bezüglich</strong> <strong>der</strong><br />

Standfestigkeit seiner Sorte auf unseren Böden, da diese laut<br />

Eiweißanalysen bessere Böden braucht. Noch in diesem Jahr soll es zu<br />

einem Treffen kommen.<br />

30


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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

7. Ausblick<br />

Aus den vorgestellten <strong>Projekten</strong> zur Nutzung alter Getreidesorten<br />

können hervorragende Anknüpfungspunkte für das Projekt mit <strong>der</strong><br />

Stiftung Kaiserstühler Garten gezogen werden. Es konnten Sorten<br />

übernommen werden, die jetzt im Anbau auf Ihre Qualitäten zu<br />

überprüfen sind. Zu den Erfolgsfaktoren <strong>der</strong> genannten Projekte<br />

gehört, möglichst früh alle maßgeblichen Akteure in die<br />

<strong>Projekten</strong>twicklung zu involvieren. Die Suche <strong>nach</strong> potentiellen<br />

Partnern in <strong>der</strong> Region Kaiserstuhl-Tuniberg hat längst begonnen. Nun<br />

müssen die Erstkontakte mit Landwirten, Müllern und Bäckern aus <strong>der</strong><br />

Region vertieft werden. Ein solches Projekt lebt vom ständigen<br />

Erfahrungs- und Informationsaustausch mit den Projektpartnern. Dazu<br />

werden wir gemeinsame Treffen organisieren bzw. uns telefonisch und<br />

per E-Mail regelmäßig über die Entwicklung unserer Partner<br />

informieren.<br />

Darüber hinaus werden wir uns auch Gedanken zur Kreation eines<br />

Markenzeichens machen, um die Arbeit zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Getreidevielfalt im Kaiserstühler Garten auch finanziell auf <strong>nach</strong>haltige<br />

Beine zu stellen.<br />

Nachdem durch diese <strong>Recherche</strong> ein Überblick zu bestehenden<br />

Getreideprojekten gewonnen werden konnte, gilt es, zu einzelnen<br />

Initiativen den Kontakt zu intensivieren, um durch Detailfragen weitere<br />

Anregungen zur Umsetzung des hiesigen Projektes zu bekommen.<br />

Außerdem sind Fragen zum Sortenschutzrecht im Handel von alten<br />

Landsorten intensiver zu prüfen.<br />

31


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8. Quellenangaben<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung: Impulse für eine<br />

<strong>nach</strong>haltige Tier- und Pflanzenzucht, S.26-30 in: So schmeckt die<br />

Zukunft – Sozial-ökologische Agrar- und Ernährungsforschung,<br />

Bonn/Berlin, 2005<br />

MÜLLER,K.J. 2010: In Situ-On Farm-Erhaltung im Sinne evolutiver<br />

Prozesse am Beispiel Lichtkornroggen. Berichte <strong>der</strong> Gesellschaft für<br />

Pflanzenbauwissenschaften, Band 5, 83-88, ISBN: 978-386829-264-0<br />

MÜLLER,K.J. 2007: Einkorn mit optimierten Qualitätsmerkmalen für<br />

Back- und Teigwaren aus ökologischem Anbau. Bundesanstalt für<br />

Landwirtschaft und Ernährung (BLE) [Hrsg.], Bundesprogramm<br />

Ökologischer Landbau, Abschlussbericht (Projekt 03OE614).<br />

Müller,K.J. Getreidezüchtungsforschung Darzau,<br />

PROJEKTENTWICKLUNGSBRIEF 2007/08<br />

Müller,K.J. Getreidezüchtungsforschung Darzau,<br />

PROJEKTENTWICKLUNGSBRIEF 2006/07<br />

Müller,K.J. Getreidezüchtungsforschung Darzau,<br />

PROJEKTENTWICKLUNGSBRIEF 2005/06<br />

Müller,K.J. Getreidezüchtungsforschung Darzau,<br />

PROJEKTENTWICKLUNGSBRIEF 2004/05<br />

Oliver Schelske, Anbau und Vermarktung alter Landsorten: Ein<br />

Fallbeispiel, Zürich<br />

VERN Tagungsband: On-farm-Erhaltung genetischer Ressourcen von<br />

Getreide und Ölpflanzen, S.61 ff., VERN (Hrsg.), Greiffenberg, 2004<br />

VERN, Bericht zum Bäckerworkshop – Verarbeitung seltener<br />

Getreidesorten zu Backspezialitäten, S. 3f. und S.12 ff., 2005<br />

32


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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

Verde, Das Magazin für Bio und Nachhaltigkeit, Bio-Brot: Roggen aus<br />

den Bündner Bergen, Oktober 2010<br />

Zeitschrift Bio-Nachrichten, Der Dinkel-König von Österreich, Interview<br />

mit Bio-Züchter Hans Gahleitner, April 2010<br />

http://einkorn.de/index.php?id=10<br />

http://einkorn.de/index.php?id=9<br />

http://einkorn.de/index.php?id=6<br />

http://www.saatgutfonds.de/getreidezuechtung/darzau<br />

http://www.emmer-einkorn.ch/about/vision.html<br />

http://www.saatgutfonds.de/getreidezuechtung/keyserlingk/<br />

http://www.saatgut-forschung.de/institut/<br />

http://www.saatgut-forschung.de/regionalsorten-projekt/<br />

http://www.turlupain.com<br />

http://vern.de/<br />

http://vern.de/projekte-publikationen<br />

http://vern.de/frisches-brot-aus-alten-sorten<br />

33


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Eichstetter Stiftung zur Bewahrung <strong>der</strong> Kulturpflanzenvielfalt in <strong>der</strong> Region<br />

9. Anhang<br />

Artikel Brot aus den Bergen, aus: Verde - Das Magazin für Bio und<br />

Nachhaltigkeit, Oktober 2010<br />

Warenkunde Getreide <strong>der</strong> Firma Spielberger:<br />

• Warenkunde Emmer<br />

• Warenkunde Einkorn<br />

• Warenkunde Weizen<br />

• Warenkunde Dinkel<br />

• Warenkunde Mehl<br />

34


Bio-Brot CUCINA<br />

BROT AUS<br />

DEN BERGEN<br />

HART AN DER WACHSTUMSGRENZE WACHSEN IM BÜNDNERLAND<br />

BIO-ROGGEN UND BIO-WEIZEN, AUS DENEN MEHL<br />

FÜR DAS LEGENDÄRE PATATTI-BROT GEMAHLEN WIRD.<br />

Text<br />

Fotos<br />

Im Bündnerland geben sich Politiker gerne volksnah.<br />

Trotzdem staunten die Wan<strong>der</strong>er in Urmein, unterhalb<br />

des bekannten Skigebiets am Heinzenberg, nicht schlecht,<br />

als sie an einem strahlenden Septembermorgen Eveline<br />

Widmer-Schlumpf auf einem Acker erblickten. Dort bestellte<br />

die Bundesrätin mit 50 Gentech-Kritikern den Acker<br />

von Anna und Christian Bühler und säte eigenhändig auf<br />

einer halben Hektare Cadi-Roggen – eine einheimische, winterfeste<br />

Sorte, die lange Zeit kaum mehr kultiviert worden ist.<br />

ACHT MONATE NACH DER EINSAAT STEHT<br />

DAS FELD IN KRÄFTIGEM WUCHS.<br />

Berggebiet:<br />

ideale Bedingungen<br />

für den Roggenanbau.<br />

Roggen ist schwierig anzubauen und deshalb die Königsdisziplin<br />

unter den Getreiden, die in den exponierten Lagen in<br />

den Alpen wachsen. Da ist es auch nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass<br />

Christian Bühler sich dafür starkmacht. Bühler präsidiert<br />

die Vereinigung Gran Alpin, eine Bauern-Genossenschaft,<br />

die sich <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Bio-Berggetreide verschrieben<br />

hat. «Als Präsident muss ich doch mit gutem Beispiel vorangehen»,<br />

witzelt <strong>der</strong> engagierte Landwirt.<br />

Acht Monate <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Einsaat des Cadi-Roggens<br />

steht das Feld bereits in kräftigem Wuchs. Das sei <strong>der</strong> Vorteil<br />

von winterfestem Getreide, erklärt Bühler.<br />

Christian Bühler:<br />

Bauer im Roggen.<br />

4/10 coop verde - 9


Bio-Brot CUCINA<br />

Berggetreide: ein rares Gut.<br />

Labyrinth:<br />

Getreidemühle in den Bergen.<br />

4/10 coop verde - 11


Bio-Brot CUCINA<br />

Handwerk 1:<br />

traditioneller<br />

Leinen-Mehlsack.<br />

Handwerk 3:<br />

Patatti-Brotteig in<br />

Holzformen.<br />

Handwerk 2:<br />

Mehlmischung muss<br />

stimmen.<br />

Handwerk 4:<br />

Qualitätskontrolle<br />

von Bäcker Stgier.<br />

«Es kann langsamer wachsen.» Unterstützung erhält Bühler<br />

nicht nur von <strong>der</strong> exponierten Lage – «auf dieser Höhe gibt es<br />

keine Schädlinge» –, son<strong>der</strong>n auch vom beson<strong>der</strong>en Verlauf<br />

<strong>der</strong> Witterung. Im April schneite es nochmals, so dass die Pflanzen<br />

gut mit Wasser versorgt waren. Und weil sie sich durch die<br />

Last des Schnees kämpfen mussten, sei <strong>der</strong> Roggen jetzt beson<strong>der</strong>s<br />

kräftig und dicht. Zweieinhalb bis drei Tonnen Korn plant<br />

Bühler Ende August zu ernten – «ein gutes Resultat».<br />

Gute Roggen-Ernten braucht die schon 1987 gegründete<br />

Gran Alpin-Genossenschaft dringend. Denn das Getreide<br />

ist einerseits so begehrt und an<strong>der</strong>seits so kapriziös,<br />

dass in den letzten Jahren stets Mangel herrschte. Dabei<br />

wäre Roggen eigentlich das ideale Multifunktionsgetreide,<br />

wie Christian Bühler erklärt: «Es liefert nicht nur das Korn<br />

ROGGEN IST SO BEGEHRT,<br />

DASS JAHRELANG MANGEL HERRSCHTE.<br />

für die Brotherstellung, son<strong>der</strong>n auch das im Stall benötigte<br />

Stroh für die Kühe.» Darum engagiert er sich beim Pilotprojekt<br />

mit Cadi-Roggen, <strong>der</strong> einen beson<strong>der</strong>s hohen Wuchs<br />

aufweist, also viel Stroh produziert. Und das wie<strong>der</strong>um ist –<br />

<strong>nach</strong>dem es den Stall verlassen hat – wichtig für den Mist,<br />

mit dem die Fel<strong>der</strong> auf dem hochgelegenen Bio-Bauernhof<br />

gedüngt werden. «Mist», so Bühler, «ist viel besser als Gülle,<br />

weil er den von den Pflanzen benötigten Stickstoff über ei -<br />

nen längeren Zeitraum abgeben kann.»<br />

Der Cadi-Roggen, <strong>der</strong> bei Bühler und einigen an<strong>der</strong>en<br />

Bündner Bauern <strong>der</strong> Gran Alpin-Genossenschaft angebaut<br />

wird, wird in einer Mühle gemahlen, die gemäss den<br />

Pro Montagna-Richtlinien ebenfalls im Berggebiet liegen<br />

muss. Von dort gelangt das Mehl dann in das 200-Seelen-Dorf<br />

Tiefencastel. Dort befindet sich nicht nur <strong>der</strong> Geschäftssitz<br />

von Gran Alpin, son<strong>der</strong>n auch die Bäckerei Stgier, wohin<br />

ein Teil <strong>der</strong> Produktion <strong>der</strong> Bündner Gran Alpin-Bauern<br />

geliefert wird: Rund 75 Tonnen Mehl aus Roggen und<br />

Weizen, wie die Gran Alpin-Geschäfts führerin Maria<br />

Egenolf Mathieu erklärt, seien es 2009 gewesen. Daraus<br />

fertigt Claudio Stgier mit seinen 40 Mitarbeitenden das<br />

legendäre Bio-Patatti-Bergbrot, das in seinen sechs eigenen<br />

Bäckereien, aber auch bei Coop verkauft wird.<br />

Der Tiefencastler Bäcker hat den väterlichen Betrieb<br />

vor zehn Jahren übernommen und seither ein hohes Tempo<br />

angeschlagen. Denn Claudio Stgier ist ein Tüftler – stets<br />

auf <strong>der</strong> Suche <strong>nach</strong> Neuem, stets dabei, sich und seinen<br />

Betrieb weiterzuentwickeln. Darum hat er vor sechs Jahren<br />

keine Sekunde gezögert, als er angefragt wurde, für eine<br />

ProSpecieRara-Generalversammlung ein Spezialbrot zu backen.<br />

«Ich habe mich an ein Rezept meines Grossvaters aus<br />

Kriegszeiten erinnert», erzählt Stgier. «Damals war Getreide<br />

knapp, so dass dem Brot gerne Kartoffeln beigemischt<br />

wurden.» So wurde flugs das «Patatti-Brot» wie<strong>der</strong>geboren,<br />

das einem Coop-Mitarbeiter und GV-Teilnehmer so gut<br />

schmeckte, dass er es umgehend ins Sortiment des Grossverteilers<br />

brachte. Gefallen findet das Bio-Patatti-Bergbrot<br />

offenbar auch bei den Unterlän<strong>der</strong>n, wie in Graubünden<br />

<strong>der</strong> Rest <strong>der</strong> Schweiz genannt wird. 2009 haben jedenfalls<br />

90 000 <strong>der</strong> erdig schmeckenden Patatti-Brote à je 300 Gramm<br />

die Bäckerei in Tiefencastel verlassen.<br />

Bis aus dem Brot, das für jenen Anlass gebacken<br />

wurde, ein Pro Montagna-Produkt wurde, mussten Stgier und<br />

seine Mitstreiter von Gran Alpin einen langen Weg zurücklegen.<br />

Das grösste Problem <strong>der</strong> Getreideproduktion, sagt<br />

Stgier, seien die klimabedingten Schwankungen. «Die ideale<br />

Mischung fürs Patatti-Brot ist 30 Prozent Kartoffeln,<br />

60 Prozent Weizen, 10 Prozent Roggen.» Aber die Qualität<br />

des Mehls sei eben sehr verschieden. Doch das mache das<br />

Leben als Bäcker interessant: «Hier sind wir als Handwerker<br />

noch richtig gefor<strong>der</strong>t.»<br />

Gefor<strong>der</strong>t war <strong>der</strong> Fachmann auch, als das Mehl<br />

zum ersten Mal nicht richtig «klebte» und <strong>der</strong> Teig viel zu<br />

dickflüssig blieb. Und weil das immer wie<strong>der</strong> passieren<br />

kann, wurde er fortan in eine Körbchenform bugsiert, was<br />

ihm letztlich zu einer charakteristischen Verpackung verholfen<br />

hat – «ein perfektes Markenzeichen», freut sich <strong>der</strong><br />

umtriebige Bäckermeister. Improvisiert werden musste auch<br />

mit den Kartoffeln. «Ideal wären Safier gewesen, eine trockene,<br />

lokale Sorte», sagt Stgier. Aber die Ausbeute beim<br />

Anbau ist zu klein. Also muss von Ernte zu Ernte eruiert<br />

werden, welche Sorte zum Zuge kommt. Und weil sich<br />

Kartoffeln nicht über den ganzen Winter lagern lassen, ohne<br />

ihre Konsistenz zu verän<strong>der</strong>n, muss Stgier seinen<br />

Jahresbedarf von 25 Tonnen bereits im Herbst «schwellen».<br />

Aber auch dafür hat <strong>der</strong> findige Bäcker eine einfache Lösung<br />

gefunden: Im Industriequartier von Tiefencastel stehen seit<br />

kurzem vier Kühlcontainer voller Gschwellti. _<br />

<br />

Auserlesene<br />

Produkte aus Schweizer Bergregionen werden bei Coop unter<br />

<strong>der</strong> Marke verkauft. Mit dem Kauf von Pro<br />

Montagna-Produkten erhalten die Konsumenten nicht nur einen<br />

; sie leisten auch einen direkten<br />

Beitrag an die Coop für . Damit<br />

werden die in den Bergen und die <br />

<strong>der</strong> unterstützt.<br />

12 - coop verde 4/10 4/10 coop verde - 13


WARENKUNDE<br />

1. Getreide<br />

1.1. Weizen<br />

Weizen gehört zusammen mit Mais und Reis weltweit zu den wichtig-sten<br />

Getreidearten. In Deutschland wird vor allem Winter- und Sommerweizen<br />

angebaut, wobei im Bio-Anbau fast ausschließlich Winterweizen ausgesät<br />

wird. Im Anbau hat <strong>der</strong> Weizen in den letzten Jahrzehnten ältere Getreidearten<br />

wie Dinkel o<strong>der</strong> Emmer verdrängt, weil er deutlich höhere Erträge<br />

bringt.<br />

Herkunft<br />

Der heutige Saatweizen ging aus <strong>der</strong> Kreuzung mehrerer Getreide- und<br />

Wildgrasarten hervor. Die ersten angebauten Weizenarten waren Einkorn<br />

und Emmer. Ihr Herkunftsgebiet ist <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>e Orient. In den letzten Jahren<br />

wurden - insbeson<strong>der</strong>e im konventionellen Anbau - große Anstrengungen<br />

unternommen, um Sorten zu züchten, die hohe Erträge und optimale Backeigenschaften<br />

gewährleisten. Parallel werden jedoch bei immer mehr Menschen<br />

Weizenunverträglichkeiten beobachtet, die hauptsächlich durch diese Sorten verursacht sein könnte.<br />

Der Weizen für die SPIELBERGER Weizen-Produkte wird von Demeter-Landwirten in Baden-Württemberg<br />

angebaut. Er stammt von zwei Anbaugemeinschaften, mit denen die Mühle zum Teil bereits seit 50 Jahren<br />

zusammen arbeitet. Gemeinsam wird an dem Ziel gearbeitet, in naher Zukunft ausschließlich bio-dynamisch<br />

gezüchtete Weizensorten zu verwenden.<br />

Ernährungsphysiologische Bedeutung<br />

Weizen ist Basis für viele Grundnahrungsmittel. Er besteht zu ca. 70% aus Stärke, 10-12% Eiweiß und 2% Fett.<br />

Die meisten ernährungsphysiologisch wertvollen Bestandteile, wie ungesättigte Fettsäuren, Mineralstoffe<br />

und Vitamine befinden sich im Weizenkeim, <strong>der</strong> nur in Vollkornprodukten enthalten ist. Dank schonen<strong>der</strong><br />

Verarbeitung bleiben sie im Vollkornmehl über längere Zeit erhalten.<br />

Verwendung<br />

In vielen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Erde werden Brot, Brötchen und an<strong>der</strong>e Backwaren aus Weizenmehl gebacken. Verantwortlich<br />

für die guten Backeigenschaften sind die wasserunlöslichen Eiweißverbindungen, die für das Aufquellen<br />

des Teiges verantwortlich sind. In <strong>der</strong> gesunden Vollwerternährung spielen darüber hinaus das ganze<br />

Korn - das bei SPIELBERGER-Produkten keimfähig ist - sowie Flocken und Grieße eine wichtige Rolle.<br />

Spezielle Sorten<br />

PurPur-Weizen ist eine sehr alte Sorte, die <strong>der</strong>zeit eine Renaissance erlebt. Dies liegt nicht nur an dem attraktiven<br />

Aussehen des Korns, son<strong>der</strong>n vor allem an seinem gesundheitlichen Mehrwert. Die kräftige, leicht<br />

violette Farbe des PurPur-Weizens stammt von den in <strong>der</strong> Schale enthaltenen purpur-farbenen Anthocyanen.<br />

Diese wasserlöslichen Pflanzeninhaltsstoffe sind eine Untergruppe <strong>der</strong> Flavonoide o<strong>der</strong> Polyphenole. Sie sind<br />

effektive Fänger von reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffmolekülen und verhin<strong>der</strong>n als so genannte „Radikalenfänger“<br />

oxidative Schädigungen von Erbgut, Proteinen und Fetten. Anthocyanen werden darüber hinaus<br />

weitere gesundheitsför<strong>der</strong>nde Eigenschaften <strong>nach</strong>gesagt: Sie sollen die Sehleistung verbessern, Entzündungen<br />

hemmen und Blutgefäße schützen.<br />

Die wärmeliebende Variante des Weizens, <strong>der</strong> Hartweizen, kommt mit sehr wenig Nie<strong>der</strong>schlag aus. Deshalb<br />

wächst er vor allem in mediterranen Gebieten, z. B. in Italien. Er wird bei uns vor allem zur Herstellung von<br />

Teigwaren verwendet. Seine ausgespägte Stärkestruktur und sein hoher Klebergehalt, tragen dazu bei, dass<br />

Nudeln sich sehr leicht bissfest kochen lassen. Seine gelbe Farbe erhält <strong>der</strong> Hartweizen durch einen hohen<br />

Carotingehalt.<br />

Weizenprodukte im SPIELBERGER-Sortiment<br />

demeter Weizen<br />

Weizenmehl Type 405, 550, 1050, Vollkorn<br />

Weizengrieß und Hartweizengrieß<br />

PurPur-Weizenflocken kbA<br />

Bulgur (Hartweizen)<br />

Couscous (aus Hartweizengrieß)<br />

Schwäbische Nudeln mit und ohne Ei (aus Hartweizengrieß)<br />

Spielberger GmbH - Burgermühle - 74336 Brackenheim - www.spielberger.de<br />

Tel. 0 71 35/98 15-0 - E-mail: info@spielberger-muehle.de


WARENKUNDE<br />

1. Getreide<br />

1.2. Dinkel<br />

Dinkel ist ein sehr altes Getreide, das erst in den letzten 20 bis 30 Jahren<br />

- vor allem durch die Bio-Szene - wie<strong>der</strong>entdeckt wurde. Die mittelalterliche<br />

Heilkundlerin Hildegard von Bingen nannte schon im 11.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t 17 Vorzüge dieses Getreides. Heute sind viele <strong>der</strong> von ihr<br />

genannten Wirkungen wissenschaftlich belegt.<br />

Herkunft<br />

Die Kulturpflanze Dinkel tauchte vor rund 5000 Jahren in Asien erstmals<br />

auf. In Mitteleuropa entwickelte sie sich bis zum Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

zum wichtigsten Brotgetreide. Da Dinkel durch Düngung nicht im<br />

selben Maße in seiner Ertragsleistung steigerbar ist wie Weizen, wurde<br />

er im letzten Jahrhun<strong>der</strong>t von diesem verdrängt. Als robustes Getreide,<br />

das auch in nie<strong>der</strong>schlagsreichen Gebieten und höheren Lagen gedeiht<br />

und das weniger krankheitsanfällig ist, wurde <strong>der</strong> Dinkel im Bio-Anbau wie<strong>der</strong>entdeckt. Geschützt durch<br />

feste Spelzen sind die Körner weniger empfindlich gegenüber Pilzerkrankungen. Vor <strong>der</strong> Verarbeitung muss<br />

<strong>der</strong> Spelz jedoch in einem separaten Arbeitsschritt entfernt werden.<br />

Der Dinkel für SPIELBERGER-Produkte wird vorwiegend von den Demeter-Erzeugergemeinschaften im schwäbischen<br />

Unterland und in Hohenlohe angebaut. Die Spielberger-Mühle hat seit den 1960er Jahren aktiv daran<br />

mitgewirkt, dass Dinkel bei den Partnerlandwirten eine wachsende Bedeutung genießt.<br />

Ernährungsphysiologische Bedeutung<br />

Als unverfälschtes Urgetreide besitzt Dinkel einen hohen Gehalt an Ballaststoffen, Spurenelementen und<br />

Vitalstoffen wie hochwertige Eiweiße und komplexe Kohlenhydrate. Er ist reich an den Vitaminen A, E, B1, B2<br />

und Niacin, das für die Funktion <strong>der</strong> Nerven und einen geregelten Stoffwechsel wichtig ist. Mit einem hohen<br />

Gehalt an Kieselsäure regt er das Denkvermögen an. Zudem enthält Dinkel viele Aminosäuren, die im Körper<br />

die Produktion heiter stimmenden<strong>der</strong> Hormone anregen. Damit ist belegt, was Hildegard von Bingen schon<br />

wusste: Dinkel macht glücklich.<br />

Die vitalen Inhaltsstoffe des Dinkels sind leicht wasserlöslich und belasten deshalb den Körper bei <strong>der</strong> Verdauung<br />

nicht. Dank einer speziellen Eiweiß-Sequenz verursacht Dinkel bei empfindlichen Menschen weniger<br />

allergische Raktionen als z.B. Weizen. An Zöliakie erkrankte Personen können allerdings auch Dinkel nicht zu<br />

sich nehmen.<br />

Verwendung<br />

Dinkel hat ähnliche Backeigenschaften wie Weizen. Deshalb können alle Produkte aus Weizen gleichermaßen<br />

aus Dinkel hergestellt werden. Der feine nussige Geschmack des Dinkels kommt z.B. in Broten und Teigwaren<br />

beson<strong>der</strong>s gut zur Geltung. Aber auch in Form von Bulgur, Flocken o<strong>der</strong> Grieß bereichert das Getreide<br />

den Speiseplan.<br />

Sorten<br />

Dinkel wurde züchterisch weniger bearbeitet als z.B. Weizen. Im ökologischen Landbau wird <strong>der</strong>zeit an Sorten<br />

gearbeitet, die an die unterschiedlichen Standortvoraussetzungen angepasst sind. Je <strong>nach</strong> Bodenbeschaffenheit<br />

und klimatischen Voraussetzungen muss das Getreide an<strong>der</strong>e Voraussetzungen erfüllen, um gesund<br />

zu gedeihen und ein Korn mit guten Backeigenschaften zu ergeben.<br />

Die SPIELBERGER-Mühle achtet darauf, dass vorwiegend alte Sorten wie z.B. Oberkulmer Rotkorn verwendet<br />

werden. Auch bei neueren Sorten wie Alkor o<strong>der</strong> Frankenkorn steht die Verträglichkeit im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Eine Spezialität aus Dinkel ist Grünkern. Um in verregneten Sommern ihre Ernte zu retten trockneten im 16.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t Bauern ihren Dinkel am Holzfeuer. Heute wird für die Herstellung von Grünkern <strong>der</strong> Erntezeitpunkt,<br />

das Stadium <strong>der</strong> so genannten Teigreife, genau abgepasst. Auf großen Rosten wird das Getreide in<br />

<strong>der</strong> Regel über Buchenholz-Feuer bei 110 °C gedarrt. Hierdurch entwickelt sich ein nussiges, leicht rauchiges<br />

Aroma.<br />

Dinkelprodukte im SPIELBERGER-Sortiment<br />

demeter Dinkel und Grünkern<br />

Dinkelmehlmehl Type 630, 1050, Vollkorn<br />

Dinkelgrieß<br />

Dinkelflocken grob und fein<br />

Dinkel-Bulgur<br />

Schwäbische Dinkel-Nudeln<br />

demeter Tortenboden aus Dinkelvollkornmehl<br />

demeter Toastbrot Dinkelvollkorn und Dinkel hell<br />

Spielberger GmbH - Burgermühle - 74336 Brackenheim - www.spielberger.de<br />

Tel. 0 71 35/98 15-0 - E-mail: info@spielberger-muehle.de


WARENKUNDE<br />

1. Getreide<br />

1.11. Einkorn<br />

Einkorn gehört zu den ältesten Getreidearten überhaupt. Er gilt als<br />

Vorläufer des Weizens, zumindestens besitzen beide gemeinsame Vorfahren.<br />

Der Name des Getreides weist auf eine Beson<strong>der</strong>heit hin: An<br />

jedem Glied <strong>der</strong> Ährenspindel befindet sich nur ein einzelnes Korn,<br />

das aus einer Blüte hervorgegangen ist. In <strong>der</strong> Reifephase wird die Ähre<br />

spröde und kann leicht in die einzelnen Glie<strong>der</strong> zerfallen.<br />

Herkunft<br />

Seinen Ursprung hat Einkorn im Gebiet um Euphrat und Tigris, von wo<br />

aus sich das Getreide schon in <strong>der</strong> Frühzeit über Kleinasien bis <strong>nach</strong><br />

Europa verbreitete. Reste von Einkorn wurden unter an<strong>der</strong>em auch bei<br />

Ötzi, dem berühmten Urmensch in den Tiroler Alpen, gefunden. Noch<br />

zu Beginn des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts wurde Einkorn auch in Deutschland<br />

an einigen Orten angebaut. Seither hat <strong>der</strong> Weizen das Urkorn verdrängt, weil er erheblich höhere Erträge<br />

bringt. Im ökologischen Landbau erlebt das ursprüngliche Getreide in den letzten Jahren jedoch eine<br />

Renaissance. Wegen seiner Anspruchslosigkeit wird es vor allem auf nährstoffarmen und trockenen Böden<br />

angebaut.<br />

Die SPIELBERGER-Mühle bezieht ihr Einkorn aus Österreich und Deutschland. Dort widmen sich mehrere<br />

Demeter-Erzeuger dem Anbau dieses für den Landwirt nicht ganz unkomplizierten Getreides. So erfor<strong>der</strong>t<br />

die Kultur im Frühjahr eine aufwändige Unkrautbekämpfung, denn die Reihen schließen sich erst spät. Auch<br />

erfor<strong>der</strong>t es einiges an Fingerspitzengefühl, den richtigen Erntezeitpunkt zu finden. Zu füh geerntet verstopfen<br />

die Grannen des unreifen Korns den Mähdrescher. Wartet <strong>der</strong> Landwirt jedoch zu lange, so geht durch<br />

die Brüchigkeit <strong>der</strong> Ähren ein erheblicher Teil <strong>der</strong> Ernte verloren. Später Regen in <strong>der</strong> Erntezeit lässt das Korn<br />

aufquellen, wodurch sich die Backeigenschaft verschlechtern.<br />

Ernährungsphysiologische Bedeutung<br />

In seiner ursprünglichen Form ist Einkorn beson<strong>der</strong>s wertvoll für eine gesunde und ausgewogene Ernährung.<br />

Im Vergleich zu Weizen o<strong>der</strong> Dinkel besitzt es weniger Kohlehydrate, dafür jedoch mehr Eiweiße -<br />

insbeson<strong>der</strong>e seltene Aminosäureverbindungen - und Mineralstoffe wie Magnesium, Zink und Eisen. Der<br />

hohe Carotin-Gehalt sorgt für die gelbliche Farbe des Einkorns. Ihm verdankt es seine positive Wirkung auf<br />

die Sehkraft sowie zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Aminosäuren Phenylalamin und<br />

Tyrosin sind an <strong>der</strong> Bildung von Adrenalin beteiligt, weshalb Einkorn die Konzentrationsfähigkeit för<strong>der</strong>t.<br />

Da Einkorn eine alte, unverfälschte Getreidesorte ist, wird es auch von Menschen mit einer Weizenunverträglichkeit<br />

sehr gut vertragen.<br />

Verwendung<br />

Einkorn besitzt einen süßlich-nussigen Geschmack. Sein Mehl verfügt über einen niedrigen Kleieanteil und<br />

einen hohen Kleberproteingehalt. Damit eignet es sich sehr gut für feine Backwaren wie Waffeln o<strong>der</strong> ähnliches.<br />

Brot und Backwaren gibt es ein unverwechselbares Aroma. Im Vergleich zu Weizenmehl verfügt Einkorn-Mehl<br />

allerdings über eingeschränkte Backeigenschaften. Lockeres Brot lässt sich deshalb entwe<strong>der</strong> mit<br />

Sauerteig o<strong>der</strong> aus Mehlmischungen mit Weizen- o<strong>der</strong> Dinkelmehl herstellen.<br />

Darüber hinaus eignet sich Einkorn zum Kochen von Suppen und Getreidebeilagen. Aus Einkorn lassen sich<br />

zudem schmackhafte Teigwaren herstellen.<br />

Einkornprodukte im SPIELBERGER-Sortiment<br />

demeter Einkorn<br />

Einkorn-Vollkornmehl<br />

Einkornflocken<br />

Spielberger GmbH - Burgermühle - 74336 Brackenheim - www.spielberger.de<br />

Tel. 0 71 35/98 15-0 - E-mail: info@spielberger-muehle.de


WARENKUNDE<br />

1. Getreide<br />

1.12. Emmer<br />

Wie Einkorn ist auch Emmer eine sehr alte Getreidesorte. Er ist nahe mit<br />

dem Hartweizen verwandt, was sich beispielsweise an <strong>der</strong> Härte <strong>der</strong> Körner<br />

zeigt. An <strong>der</strong> Emmerähre wachsen aus jedem Absatz <strong>der</strong> Ährenspindel<br />

zwei Körner, weswegen Emmer gelegentlich auch Zweikorn genannt wird.<br />

Als Spelzgetreide ist das Korn sehr gut vor äußeren Einflüssen geschützt.<br />

Allerdings müssen die Spelzen in einem zusätzlichen Arbeitsschritt entfernt<br />

werden.<br />

Herkunft<br />

Die Heimat des Emmers liegt im Vor<strong>der</strong>en Orient. Dort stellte er vor ca.<br />

10.000 Jahren zusammen mit Gerste das Hauptgetreide dar. Auch in Mitteleuropa<br />

spielten diese beiden Getreidearten bis zur Bronzezeit eine wichtige<br />

Rolle. Aufgrund seines geringen Nährstoffbedarfs wächst Emmer sehr<br />

gut auf trockenen und mageren Böden. Er ist wenig krankheitsanfällig und<br />

verfügt über eine natürliche Resistenz gegenüber Pilzkrankheiten. Die<br />

Halme des Emmers sind sehr lang. Aus diesem Grund ist die Standfestigkeit<br />

des Getreides niedrig. Auch sind die Erträge - im Vergleich zu Weizen<br />

- sehr viel geringer.<br />

Die SPIELBERGER-Mühle bezieht ihren Emmer aus Österreich und Deutschland. Dort widmen sich mehrere<br />

Demeter-Erzeuger dem Anbau dieses anspruchsvollen Getreides. Für die Unkrautbekämpfung ist<br />

im ökologischen Landbau viel Handarbeit erfor<strong>der</strong>lich. Durch Düngung lassen sich die Erträge kaum<br />

steigern. Und auch für die Bestimmung des optimalen Erntezeitpunkts ist einiges an Fingerspitzengefühl<br />

erfor<strong>der</strong>lich, damit die Körner optimal ausgedroschen werden können, ohne dass die Backeigenschaften<br />

durch späten Regen leiden.<br />

Ernährungsphysiologische Bedeutung<br />

Emmer hat einen sehr hohen Mineralstoff- und Eisengehalt und ist wesentlich proteinreicher als Weizen.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e Magnesium und Zink sind in nennenswerten Mengen vorhanden. Darüber hinaus enthält<br />

Emmer für die Sehkraft wichtige Carotinoide. Als alte, unverfälschte Getreidesorte, die züchterisch nur<br />

wenig bearbeitet wurde, wird Emmer auch von Menschen mit einer Weizenunverträglichkeit sehr gut<br />

vertragen. Emmer ist jedoch glutenhaltig und darf von Zöliakie-Patienten nicht konsumiert werden.<br />

Verwendung<br />

Schon früh verwendeten die Menschen Emmer, um Brot und Brei daraus herzustellen. Emmerbrot<br />

zeichnet sich durch ein beson<strong>der</strong>s würziges Aroma und eine charakteristische dunkle Färbung aus. Die<br />

Backeigenschaften von Emmermehl erfor<strong>der</strong>n ein wenig Geschick, zur Herstellung von Brot empfiehlt<br />

sich die Verwendung von Rezepturen mit Sauerteig. Problemlos können Kuchen, Waffeln o<strong>der</strong> Feingebäck<br />

aus Emmermehl gebacken werden. Da Emmer mit dem Hartweizen nahe verwandt ist, besitzt er<br />

ein hartes, glasiges Korn, das beim Mahlen eher grießig wird. Deshalb eignet er sich hervorragend zur<br />

Herstellung von Teigwaren. In Italien kennt man Emmer auch als eine Art Polenta, die mit Frischkäse<br />

und Kräutern gegessen wird. Zu einiger Beliebtheit in Deutschland hat es Emmerbier einer fränkischen<br />

Öko-Brauerei geschafft.<br />

Emmerprodukte im SPIELBERGER-Sortiment<br />

demeter Emmer<br />

Emmer-Vollkornmehl<br />

Emmer-Flocken<br />

Bildquelle: www.oekolandbau.de<br />

©BLE, Bonn, Foto: D. Menzler<br />

Spielberger GmbH - Burgermühle - 74336 Brackenheim - www.spielberger.de<br />

Tel. 0 71 35/98 15-0 - E-mail: info@spielberger-muehle.de


2. Mahlprodukte<br />

WARENKUNDE<br />

2.1. Mehle und Mehltypen<br />

In <strong>der</strong> Spielberger-Mühle wird das regional angebaute demeter<br />

Getreide in einem mehrstufigen Verfahren sorgfältig ausgemahlen.<br />

Je <strong>nach</strong> gewünschter Mehltype werden dabei verschiedene<br />

Fraktionen des Mehls zusammen gemischt. So erhält man erstklassige<br />

Mehle mit hervorragenden Backeigenschaften.<br />

Ganzes Korn<br />

1. Schrot<br />

Vermahlung<br />

Mehl<br />

Grießputzmaschine<br />

Herstellung<br />

Vor <strong>der</strong> Vermahlung durchläuft das Getreide verschiedene<br />

2. Schrot Keime Grieß mit Keim 1. Auflösung<br />

Reinigungsstufen. Im Schrollensieb werden Grobteile und im<br />

Mehl<br />

Grießputzmaschine<br />

Sandsieb Bruchkorn und ähnliches abgetrennt. Mit Hilfe eines<br />

Luftstroms werden in <strong>der</strong> Windsichtung leichtere Teile wie Mehl<br />

3. Schrot<br />

2. Auflösung<br />

Grieß<br />

Dunst/Feingrieß<br />

Staub und Spreu entfernt. Im Anschluss an den Metall- und<br />

4. Schrot<br />

1. Mahlung<br />

Steinausleser werden im Rund- und Langkorntrieur Unkraut-<br />

Mehl<br />

Dunst/Feingrieß<br />

samen, Mutterkorn, Flughafer etc. aussortiert. In <strong>der</strong> Scheuermaschine<br />

wird Staub und Schmutz mechanisch abgerieben und<br />

5. Schrot<br />

2. Mahlung<br />

Mehl<br />

anschließend ausgeblasen. Der Tischausleser entfernt schließlich<br />

ungeschälte und leichte Körner.<br />

Streife<br />

3. – 8. Mahlung<br />

Feinpassagen<br />

Erst da<strong>nach</strong> wird das Getreide in insgesamt 16 Passagen vermahlen,<br />

Mehl<br />

wobei es mehrfach durch die verschiedenen Stockwerke<br />

6 Passagenmehle<br />

und Anlagen <strong>der</strong> Mühle läuft. Nach je<strong>der</strong> Mahlpassage werden<br />

die verschiedenen Mehl-, Schrot- und Grieß-Fraktionen sowie<br />

Kleie (25%) Mahlerzeugnisse (75%)<br />

Vollkornmehl= 16 Passagenmehle + Kleie<br />

die Kleie durch Siebung getrennt.<br />

Auszugsmehle = eine Kombination von verschiedenen Passagenmehlen<br />

Schon <strong>nach</strong> <strong>der</strong> ersten Mahlpassage zerfällt das Getreidekorn<br />

in einen weichen Mehlkörper und einen etwas härteren und<br />

<br />

<br />

grobkörnigeren Grießanteil. Ein Teil hiervon wird zusammen mit dem Keim und einem<br />

<br />

Teil<br />

<br />

<strong>der</strong> Schalenteile abgetrennt,<br />

um als Grieß abgepackt zu werden. Der restliche Grießanteil durchläuft die weiteren Mahlpassagen und<br />

wird zu Typenmehlen vermahlen.<br />

Am Ende erhält man 32 so genannte Passagenmehle, aus denen je <strong>nach</strong> gewünschtem Ausmahlgrad die unterschiedlichen<br />

Typenmehle zusammengemischt werden.<br />

Mehltypen<br />

Die Typenbezeichnung bei Mehlen gibt den Gehalt an Mineralstoffen an. Sie wird durch Verbrennen (Veraschen)<br />

des Mehls bestimmt. Die Mineralien bleiben als Asche zurück. Der Anteil <strong>der</strong> Mineralstoffe in mg pro 100 g Mehl<br />

ergibt die Typenbezeichnung. Je höher <strong>der</strong> Wert, desto höher ist <strong>der</strong> vorwiegend aus den Randschichten resultierende<br />

Mineralstoffgehalt und gleichzeitig in <strong>der</strong> Regel auch <strong>der</strong> Gehalt an Vitaminen und wertvollen ungesättigten<br />

Fettsäuren. In DIN-Normen sind gebräuchliche Typenklassen für Mehle festgelegt.<br />

Verwendung<br />

Das hellste Mehl ist das Weizenmehl Type 405. Es eignet sich hervorragend für Feingebäck wie Waffeln, Weih<strong>nach</strong>tsplätzchen<br />

und ähnliches. Ebenfalls sehr hell sind die Typen 550 bzw. 630, die bei Weizen- und Dinkelmehl<br />

gebräuchlich sind. Sie eignen sich für Weißbrot, aber auch für alle an<strong>der</strong>en Backwaren, bei denen ein helles Mehl<br />

gewünscht wird. Die Typen 1050 bei Weizen- und Dinkelmehl bzw. 1150 bei Roggenmehl ergeben kräftige Backwaren<br />

und lassen sich zu Broten, Kuchen und an<strong>der</strong>em mehr verarbeiten. Brote und Kuchen aus Vollkornmehl sind<br />

reich an Mineralstoffen und Vitaminen. Sie besitzen einen kräftigen Getreide-Geschmack. Dank <strong>der</strong> Beimischung<br />

von Feingrieß wird das Spätzle- und Nudelmehl beson<strong>der</strong>s griffig und ergibt so feine, bissfeste Spätzle. Für das<br />

Hefezopfmehl werden Getreidechargen mit einer speziellen Eiweißstruktur verwendet, so dass sich lockere Hefezöpfe<br />

mit einer leckeren, fasrigen Krume backen lassen.<br />

Die Vielfalt <strong>der</strong> SPIELBERGER demeter Mahlprodukte<br />

demeter Weizenmehl Type 405, 550, 1050 und Vollkorn<br />

demeter Spätzle- und Nudelmehl aus Weizenmehl Type 550<br />

demeter Dinkelmehl Type 630, 1050 und Vollkorn<br />

demeter Hefezopfmehl aus Dinkelmehl Type 630<br />

demeter Roggenmehl 1150 und Vollkorn<br />

demeter Weizengrieß<br />

demeter Hartweizengrieß<br />

demeter Dinkelgrieß<br />

Bio-Hirsegrieß<br />

demeter Spezialitätenmehle aus Reis, Soja, Mais<br />

demeter Hafer- und Weizenkleie<br />

Spielberger GmbH - Burgermühle - 74336 Brackenheim - www.spielberger.de<br />

Tel. 0 71 35/98 15-0 - E-mail: info@spielberger-muehle.de

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