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28.04., Predigt zur Konfirmation, Pfr. Sigloch

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<strong>Predigt</strong> im <strong>Konfirmation</strong>sgottesdienst<br />

28. April 2013 – Evang. Kreuzkirche Reutlingen<br />

Pfarrer Stephan <strong>Sigloch</strong><br />

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,<br />

liebe Schwestern und Brüder, liebe Festgemeinde,<br />

mit diesem Gottesdienst geht unser Konfi-Kurs zu Ende. Angefangen mit unserem ersten Wochenende<br />

im September haben wir miteinander „Leben geteilt“. Die Mittwochnachmittage: wir haben<br />

uns im Seniorenzentrum als Spielleiter beim Mutscheln erprobt, ihr habt Weihnachtsgrüße an ältere<br />

Gemeindeglieder verteilt, wir haben einen Mosaikgottesdienst mit allem Drumherum vorbereitet<br />

und gestaltet und einige haben im „S/um\S“ mitgemacht - bis hin zu unserem zweiten Wochenende<br />

vor 14 Tagen. Es war eine reiche Zeit: Wir haben viel miteinander erlebt; haben uns besser kennen<br />

gelernt, Vertrauen ist gewachsen, weil wir mit der Zeit immer besser gewusst haben, woran wir miteinander<br />

sind.<br />

Jede und jeder hat einen Platz gefunden auf unserem gemeinsamen Weg. Beim ersten Wochenende<br />

haben wir erlebt: wir sind verschieden, aber jede und jeder gehört dazu: mit all seinen liebenswerten<br />

und mit all seinen anstrengenden Seiten. Wir haben wenig darüber gesprochen, was das<br />

denn ist: „Gemeinde“ - aber wir haben es erlebt.<br />

Vorhin haben wir von euch gehört, dass Gott ,Ja‘ zu uns Menschen sagt. Da ist diese gute Erfahrung<br />

angesprochen: Ich, so wie ich geworden und jetzt hier bin, ich gehöre dazu: zu ihm, zu seiner Gemeinde.<br />

Und ihr habt uns deutlich gemacht: das Wort Gottes an uns ist auf eine Antwort angelegt,<br />

Gott wartet auf unsere Antwort.<br />

Wenn daheim jemand ruft: ihr nach eurer Mutter oder dem Vater, oder jemand von euren Eltern<br />

nach euch - dann warten wir auf eine Antwort. Wir kennen dieses blöde Gefühl, „irgendwo muss er,<br />

irgendwo muss sie sein, aber ich bekomme keine Antwort“. So wartet Gott auf unsere Antwort.<br />

Diese Antwort können wir uns klar machen mit der liebevollen Beziehung zwischen zwei Menschen<br />

- und haben mit den Texten gestern und heute die wichtigen Aspekte deutlich gemacht: miteinander<br />

im Gespräch sein; zu einander stehen; im Tun und Lassen der liebevollen Beziehung entsprechen.<br />

Was unsere persönliche Antwort angeht müssen wir aber - jede und jeder für sich - unseren je eigenen<br />

Weg finden, den wir vor Gott verantworten können (in dem Wort „verantworten“ steckt<br />

„Antwort“ drin). Doch ein eigener Weg, ein eigener Standpunkt - das ist nicht einfach: Was denken<br />

da die anderen? Wer will schon zu sehr auffallen? Vor Jahren hat uns im Konfi-Kurs ein Satz begleitet,<br />

der diese Frage auf den Punkt bringt: „Viele werden als Originale geboren und sterben als Kopien“.<br />

„Viele werden als Originale geboren und sterben als Kopien“ - Ich lese euch eine Geschichte dazu<br />

vor. Sie stammt aus einem Bilderbuch und heißt: „Der Superhase“ - eins meiner Lieblingsbilderbücher.<br />

- Also „Der Superhase“ (Helme Heine):<br />

Hans Knabberrabber lag im Gras und träumte. Woher kommen die Wolken und wohin fliegen sie?<br />

Wie werden die Mohrrüben rot in der schwarzen Erde? Warum sieht ein Hase wie der andere aus?<br />

1


"Ach", seufzte Hans Knabberrabber, "die Hasenohren sind lang, aber das Hasenleben ist kurz." Und<br />

schon nagte die Frage in seinem Hinterkopf, die ihn am meisten beschäftigte: Wie werde ich berühmt?<br />

"Wer berühmt ist, ist anders als die andern - also: wer anders ist als die andern, wird berühmt!"<br />

So dachte Hans Knabberrabber in seinem Hasenhirn und beschloss, anders zu werden als die<br />

andern.<br />

Am nächsten Morgen, als alle Hasen stumm ihre Mohrrüben zum Frühstück sammelten, pflückte er<br />

Pusteblumen. Dazu sang er laut. "Verrückt", mümmelten die andern Hasen und wunderten sich.<br />

"Hans Knabberrabber hat einen Rappel!" "Vielleicht macht ihn eine Mohrrübe wieder normal", dachten<br />

sie. Aber Hans knabberte die Mohrrübe, die sie ihm schenkten, im Kopfstand und schielte dabei.<br />

"Erstaunlich!" riefen einige Hasen. So etwas hatten sie noch nie gesehen. "Ich bin auf dem richtigen<br />

Weg", dachte Hans Knabberrabber. "Ich werde berühmt!"<br />

Und sogleich behauptete er: "Ich kann schwimmen!" Neugierig folgten ihm die Hasen zum Mühlteich.<br />

Langsam kletterte Hans auf das Mühlrad, richtete sich stolz auf und rief: "Ich bin eine Ente!"<br />

Dann sprang er los. Die Hasen hielten die Luft an: Hans Knabberrabber plumpste in das Wasser wie<br />

ein Stein. Natürlich konnte Hans kaum die Ohrenspitzen über Wasser halten. Aber eine Strömung<br />

trieb ihn ans Ufer, auch wenn er sich später nicht mehr daran erinnern konnte. Er hatte fünf Liter<br />

Wasser geschluckt - aber er war am Leben. - Im Triumphzug wurde "Hans der schwimmende Hase"<br />

<strong>zur</strong>ückgetragen und wie ein Held gefeiert.<br />

Und sogleich prahlte er: "Ich kann auch fliegen!" Mit geschwellter Brust ging er auf den nächsten<br />

Baum zu. Atemlos beobachteten die Hasen, wie er höher und höher kletterte. Oben hockte er sich auf<br />

einen dicken Ast, ruderte wild mit den Armen und schrie: "Ich bin ein Uhu!" Dann breitete er die Arme<br />

aus und sprang. Die Hasen schrien laut auf und schlugen entsetzt die Pfoten vor die Augen. Wie erstarrt<br />

saßen sie da. Erst als sie Schritte hörten, wagten sie, zwischen den Pfoten hervorzublinzeln: Da<br />

stand Hans Knabberrabber ganz lebendig vor ihnen. "Er kann fliegen wie ein Vogel", staunten sie.<br />

Dass Hans auf ein weiches Moospolster gefallen war, hatten sie nicht gesehen.<br />

Mit Windeseile sprach sich im Hasenland herum, dass Hans ein besonderer Hase war, ein Hase, der<br />

schwimmen und fliegen konnte, ein Superhase.<br />

Und wer wollte das nicht sein, ein Superhase? Wer wollte nicht schwimmen und fliegen können?<br />

Viele machten es ihm nach. Und so kam es, dass der Fischer sich über die ertrunkenen Hasen wunderte,<br />

die im Mühlteich trieben. Der Förster wunderte sich über die Hasen, die mit gebrochenem Genick<br />

unter den Bäumen lagen. Und die Zeitungen berichteten über das seltsame Hasensterben.<br />

Hans Knabberrabber war berühmt. Er machte sich einen dicken Knoten in jedes Ohr, damit ihn alle<br />

erkennen konnten. Was kümmerte es ihn, daß er nichts mehr hörte! Denn ... wer hört schon mit einem<br />

Knoten in den Ohren? Das dachte sich auch der Fuchs. Am gleichen Abend noch holte er sich den<br />

berühmten Hans Knabberrabber - und er schmeckte ihm wie jeder andere Hase. [Ein Denkmal bauten<br />

ihm die Hasen in einem Park auf grünem Rasen. Und auf dem Marmor steht geschrieben: Er konnte<br />

kopfstehn, schwimmen, fliegen!]<br />

Irgendwie tut er einem am Ende leid, der gute Hans, nicht wahr? Da hat er sich so ins Zeug gelegt<br />

für seinen Erfolg, und dann so was! Wir können ihm nicht vorwerfen, dass er keinen eigenen Weg<br />

2


gesucht hat. Irgendwas ist schief gelaufen. Und ich behaupte: in dem, was schief gelaufen ist, ist der<br />

gute Hans uns ziemlich nah‘ verwandt.<br />

Das Entscheidende passiert am Anfang: Hans vergleicht sich mit anderen! Wer berühmt ist, ist anders<br />

als die andern - also: wer anders ist als die andern, wird berühmt! - Wie gut kennen wir dieses<br />

Vergleichen! Die anderen haben alles, dürfen alles, sehen gut aus ... und ich?!<br />

Hans vergleicht sich mit den anderen, und beginnt, sich abzugrenzen. Er lebt nicht mehr mit den<br />

anderen zusammen, interessiert sich nicht mehr für sie. Er dreht sich nur noch um sich selber. Die<br />

anderen sind keine Gegenüber, sondern nur noch Mittel <strong>zur</strong> Bestätigung seiner eigenen Wichtigkeit.<br />

So macht er sich abhängig von ihnen - und ist als Negativ doch nur eine Kopie.<br />

Aber die Anderen eifern nun ihm nach, weil sie sich mit ihm vergleichen. Sie wollen sein wie er: so<br />

anerkannt, so beliebt. Auch das kein eigener Weg. Sie leben nicht ihr eigenes Leben, sie versuchen,<br />

den berühmten Hans zu kopieren und leben ein fremdes, fremdbestimmtes Leben. Das ist selbstzerstörerisch,<br />

am Ende steht es sogar in der Zeitung: sie sterben als Kopien.<br />

Die Geschichte vom Superhasen erzählt unsere Geschichte, unsere Erfahrung, unsere Welt. So ist es,<br />

das Leben. Warum? Wir brauchen das Gefühl, wertvoll zu sein, beachtet zu werden. Jemandem wichtig<br />

und nicht einfach gleichgültig sein, das trägt uns: Anerkannt werden, diese Erfahrung suchen wir.<br />

In einem Gedicht fragt Dietrich Bonhoeffer: “Wer bin ich? Bin ich nur das, was andere von mir denken?”<br />

- Hans Knabberrabber hat es sich so vorgestellt. Aber wir sind mehr als das, was andere von<br />

uns denken. Ich weiß nicht, ob wir einmal das Lied gesungen haben, in dem es heißt: “Du bist gewollt,<br />

kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur, ganz egal, ob du dein Lebenslied in Moll singst<br />

oder Dur. Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu.” Wir sind nicht nur das, was andere<br />

von uns denken. Wir sind gute Gedanken Gottes.<br />

Draußen im Foyer steht auf einem Stoffband: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche<br />

ist für das Auge unsichtbar“. Dass wir gute Gedanken Gottes sind, das sehen wir zunächst mit dem<br />

Herzen … und wenn wir unser Leben als eine Antwort an Gott gestalten, dann werden es auch die<br />

Menschen um uns herum spüren und mit ihrem Herzen sehen.<br />

Halten wir das fest: Gott ruft uns Menschen ins Leben. Das erst macht uns zu Menschen, und nicht,<br />

dass andere uns gut finden. Gott sagt “Ja” zu uns! Daraus wächst eine tiefe innere und dann auch<br />

eine äußere Freiheit zu einem eigenen Weg im Leben und im Glauben. Für diesen Weg verspricht uns<br />

Gott, woran euch eines der Bänder draußen erinnert: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen<br />

sein“ (1. Mose 12,2).<br />

„Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein“ – was das bedeuten kann, will ich mit einer Geschichte<br />

erzählen, die Noemi für unser Konfi-Buch ausgesucht hat:<br />

„Als ich mit einem Tibeter im Gebirge im Schneesturm wanderte, sah ich einen Mann, der im Schnee<br />

den Abhang hinunter gestürzt war. Ich sagte: ‚Wir müssen ihm helfen!‘ Mein Begleiter erwiderte:<br />

‚Niemand kann von uns verlangen, dass wir uns um ihn bemühen, während wir selber in Gefahr sind,<br />

umzukommen.‘ ‚Immerhin‘, antwortete ich, ‚wenn wir schon sterben müssen, ist es gut, wir sterben,<br />

während wir anderen helfen.‘<br />

3


Er wandte sich ab und ging seines Weges. Ich stieg zu dem verunglückten Mann hinunter, hob ihn<br />

mühsam auf meine Schultern und trug ihn bergan. Durch diese Anstrengung wurde mir warm und<br />

meine Wärme übertrug sich auf den vor Kälte steifen Verunglückten. Unterwegs fand ich meinen<br />

früheren Begleiter im Schnee liegen. Müde, wie er war, hatte er sich nieder gelegt und war erfroren.<br />

Ich hatte einen Menschen retten wollen, aber ich rettete mich selbst.“<br />

In einem Lied heißt es: „Wo Menschen sich vergessen, / die Wege verlassen / und neu beginnen,<br />

ganz neu, / da berühren sich Himmel und Erde, / dass Frieden werde unter uns“ (NL 93,1) - Gottes Segen<br />

ist Gabe und Aufgabe. Wir können ihn nicht erklären, wir können ihn erzählen. Und wir können<br />

ihn leben.<br />

Was Menschen dabei erleben, wenn „Himmel und Erde [sich berühren]“, ist auf einem Band draußen<br />

als Wunsch so formuliert:<br />

„Der Herr sei vor Dir. Der Herr segne dich.<br />

Er erfülle deine Füße mit Tanz und deine Arme mit Kraft.<br />

Er erfülle dein Herz mit Zärtlichkeit<br />

und deine Augen mit Lachen.<br />

Er erfülle deine Ohren mit Musik<br />

Und deine Nase mit Wohlgerüchen.<br />

Er erfülle deinen Mund mit Jubel und dein Herz mit Freude.<br />

Er schenke dir immer neu die Gnade der Wüste,<br />

stilles frisches Wasser und neue Hoffnung.<br />

Er gebe uns immer neu die Kraft,<br />

der Hoffnung ein Gesicht zu geben.<br />

So segne dich der Herr.“<br />

Das wünschen wir euch: Dass ihr immer neu die Kraft habt, „der Hoffnung ein Gesicht zu geben“.<br />

Als Originale, nicht als Kopien. Jede und jeder auf eure ganz eigene Weise, für die Gott euch begabt<br />

hat.<br />

Ihr werdet herausfinden, welche Art und Weise das ist, wenn ihr es ausprobiert. Amen.<br />

4

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