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LGVE 1999 I Nr. 45 - Gerichte - Kanton Luzern

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Obergericht<br />

Abteilung:<br />

Rechtsgebiet:<br />

Amtsgerichtspräsidentin I von Willisau<br />

Schuldbetreibungs- und Konkursrecht<br />

Entscheiddatum: 31.05.<strong>1999</strong><br />

Fallnummer: SK 99 85<br />

<strong>LGVE</strong>: <strong>1999</strong> I <strong>Nr</strong>. <strong>45</strong><br />

Betreff:<br />

Leitsatz:<br />

Art. 191 Abs. 2 SchKG; Art. 2 Abs. 2 ZGB. Voraussetzungen der Aussicht<br />

auf eine Schuldenbereinigung. Eine offensichtlich rechtsmissbräuchliche<br />

Insolvenzerklärung führt nicht zum Konkurs.<br />

Rechtskraft:<br />

Diese Entscheidung ist rechtskräftig.<br />

Bemerkungen:


Entscheid:<br />

Mit Eingabe vom 20. Mai <strong>1999</strong> stellte der Gesuchsteller den Antrag, es sei über ihn der Konkurs zu eröffnen.<br />

Die Amtsgerichtspräsidentin lehnte den Antrag ab, mit folgender Begründung:<br />

2. - Nach altem Recht war der Konkurs voraussetzungslos zu eröffnen, wenn sich der Schuldner für<br />

zahlungsunfähig erklärte. Nach dem revidierten SchKG eröffnet der Richter den Konkurs, wenn keine<br />

Aussicht auf eine Schuldenbereinigung nach den Artikeln 333 ff. SchKG besteht (Art. 191 Abs. 2 SchKG).<br />

Aussicht auf eine Schuldenbereinigung wird nach herrschender Praxis im <strong>Kanton</strong> <strong>Luzern</strong> in der Regel<br />

angenommen, wenn der Schuldner mit dem pro Monat berechneten Überschuss über dem "erweiterten und<br />

erhöhten Existenzminimum" (betreibungsrechtliches Existenzminimum + 20% des Grundbetrags + laufende<br />

Steuerschuld) 50% der Schulden in drei Jahren zu tilgen vermag. Weiter muss der Richter ein offensichtlich<br />

rechtsmissbräuchliches Konkursbegehren (Art.2 Abs.2 ZGB) abweisen. Als Hauptfall des<br />

Rechtsmissbrauchs kann gelten, wenn der Schuldner mit der Insolvenzerklärung keinen wirtschaftlichen<br />

Neubeginn auf solider Grundlage bezweckt, sondern andere Ziele verfolgt. Das normwidrige Verhalten<br />

richtet sich ausschliesslich auf den Nachteil der Gläubiger bzw. ihre Schädigung. Eine solche<br />

Schädigungsabsicht kann insbesondere gegeben sein, wenn der Schuldner durch die Insolvenzerklärung die<br />

Bezahlung eines einzigen Gläubigers verhindern will. Rechtsmissbrauch kann auch vorliegen, wenn es dem<br />

Schuldner nur darum geht, seine Gläubiger zu prellen und wieder in den Genuss seines vollen Lohnes zu<br />

kommen (Brunner Alexander, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II,<br />

Basel 1998, N 15 ff. zu Art. 191 SchKG; Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und<br />

Konkursrechts, Bern 1997, 6. Aufl., N 25 zu § 38 SchKG).<br />

3. - a) Den Akten ist zu entnehmen, dass bereits das Amtsgericht X. über den Gesuchsteller im Jahre 1990<br />

den Konkurs eröffnet hatte. Am 28. Mai 1996 wurde durch das Amtsgericht Y. über den Gesuchsteller erneut<br />

der Konkurs eröffnet. Das Konkursverfahren wurde mit Entscheid vom 12. November 1997 geschlossen. Der<br />

Gesuchsteller gibt an, die neuen Schulden, bezüglich derer noch keine Verlustscheine existierten, würden<br />

sich auf ca. Fr. 28500.- belaufen. Hievon ist allerdings der Betrag von Fr. 4865.65 abzuziehen, da der Staat<br />

Aargau für diese Forderung einen Verlustschein hat. Nach den aufgelegten Urkunden hat der Gesuchsteller<br />

somit folgende neue Schulden im Totalbetrag von Fr. 24254.70: Steuern 1997 Fr. 10767.50, Steuern 1998<br />

Fr 10838.00, direkte Bundessteuer 1997 Fr. 749.00, direkte Bundessteuer 1998 Fr. 749.00, Sanitas <strong>Luzern</strong><br />

Fr. 1151.20. 1998 setzte die Gemeinde M. die Steuern 1997 in Betreibung. Am 23. Januar <strong>1999</strong> erfolgte der<br />

Pfändungsvollzug. Dabei wurde eine Lohnpfändung von Fr. 1000.- pro Monat verfügt. Die<br />

Pfändungsurkunde wurde dem Gesuchsteller am 20. April <strong>1999</strong> zugestellt.<br />

b) Es ist offensichtlich, dass der Gesuchsteller keinen wirtschaftlichen Neubeginn anstrebt, sondern seine<br />

Belangbarkeit für die bestehenden Zahlungsverpflichtungen, insbesondere die Steuerschulden,<br />

einschränken will. So erklärt er weniger als zwei Jahre nach Schluss des früheren Konkurses wiederum<br />

seine Zahlungsunfähigkeit. Es fällt auf, dass vor allem die Steuerrechnungen unbezahlt blieben. Bereits<br />

unter den Konkursforderungen im Jahre 1996 befanden sich hauptsächlich Steuerforderungen der<br />

Gemeinde E. Es ist augenfällig, dass der Gesuchsteller und seine Frau einfach keine Lust haben,<br />

Steuerrechnungen zu bezahlen. Selbst die Rechnungen für die direkte Bundessteuer, die auf einen äusserst<br />

geringen Betrag lauten, wurden nicht bezahlt. Der Gesuchsteller bezweckt mit der Insolvenzerklärung einzig<br />

und allein, sich der Betreibung für die Steuern zu entledigen und die Lohnpfändung aufzuheben. Er hat die<br />

Insolvenzerklärung denn auch abgegeben, sobald ihm der Lohn tatsächlich gepfändet wurde. Es deutet alles<br />

darauf hin, dass der Gesuchsteller in keiner Weise einen wirtschaftlichen Neubeginn anstrebt. Vielmehr geht<br />

es ihm nur darum, den Staat als Gläubiger zu prellen und wieder in den Genuss seines vollen Lohnes zu<br />

kommen. Bei diesem Ergebnis ist sein Gesuch um Konkurseröffnung rechtsmissbräuchlich und daher<br />

abzuweisen. (...)<br />

4. - Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Gesuchsteller und seine Frau bei gutem Willen ohne weiteres in<br />

der Lage gewesen wären, die Steuerrechnungen zu bezahlen bzw. in Zukunft die Schulden innert nützlicher<br />

Frist abzahlen könnten. Ihr erhöhtes Existenzminimum beträgt Fr. 4020.- (Grundbetrag Familie Fr. 1350.-,<br />

20%-Zuschlag Fr. 270.-, Miete Fr. 1700.-, Krankenkasse ca. Fr. 400.-, Fahrkosten Fr. 300.-). Diesen<br />

Auslagen steht ein gemeinsames Einkommen von rund Fr. 6700.- gegenüber. Wenn man auch für die<br />

Ehefrau einen angemessenen Abzug für Fahrtkosten berücksichtigt, bleibt dem Gesuchsteller und ihr<br />

mindestens Fr. 2000.- pro Monat, mit denen sie die Schulden abzahlen könnten. Auch aus diesem Grund ist<br />

das Gesuch um Konkurseröffnung abzuweisen.


(Den gegen diesen Entscheid erhobenen Rekurs hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des<br />

Obergerichts des <strong>Kanton</strong>s <strong>Luzern</strong> am 10. August <strong>1999</strong> abgewiesen, SK 99 85.)

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