10.11.2013 Aufrufe

vergesellschaftete Mensch.pdf - Gemeindeforschung.de

vergesellschaftete Mensch.pdf - Gemeindeforschung.de

vergesellschaftete Mensch.pdf - Gemeindeforschung.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Der <strong>vergesellschaftete</strong> <strong>Mensch</strong>.<br />

Dr. Hans Perlinger<br />

I. Einordnung <strong>de</strong>r Thematik:<br />

1) Neuere Ten<strong>de</strong>nz: Theorie <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Bedingungen <strong>de</strong>r<br />

Sozialisation (Hauptvertreter: Pierre Bourdieu). Hierher gehört die<br />

schichtenspezifische Sozialforschung und die sozialökologische<br />

Sozialisationsforschung (Hauptvertreter: Bronfenbrenner).<br />

2) Theorie <strong>de</strong>r <strong>vergesellschaftete</strong>n Subjektivität, dh. Beleuchtung <strong>de</strong>r<br />

anthropologischen bzw. psychologischen Seite <strong>de</strong>r<br />

Sozialisationstheorie (Hauptvertreter: Gehlen, Schütz), Parsons,<br />

Freud und Mead).<br />

Thematik ist zumin<strong>de</strong>st überwiegend bei <strong>de</strong>r Theorie <strong>de</strong>r <strong>vergesellschaftete</strong>n<br />

Subjektivität einzuordnen.<br />

Im Auge zu behalten<strong>de</strong>r Grundsatz:<br />

Soziologie fragt nach <strong>de</strong>n sozialen Mechanismen und Institutionen, durch die<br />

eine Gesellschaft die Weitergabe ihres Systems im Generationenwechsel<br />

sichert. Es soll aber durch eine allgemeine Sozialisationstheorie die Lücke<br />

zwischen <strong>de</strong>n angegebenen Positionen überbrückt wer<strong>de</strong>n.<br />

II. Theoretische Ansätze:<br />

1) Von Be<strong>de</strong>utung: Durkheim, Freud, Mead und Piaget)<br />

2) Vorschlag Geulen: Typologie <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>lle:<br />

a. Gehlen: anthropologisch funktionalistisches<br />

Mo<strong>de</strong>ll (Existenzsicherung, Entlastung).<br />

b. Schütz: Wissensmo<strong>de</strong>ll (bewusste Subjektivität, Struktur<br />

<strong>de</strong>r Alltagswelt).<br />

c. Parsons: Integrationsmo<strong>de</strong>ll (Rollenbün<strong>de</strong>l, Rollennorm).<br />

d. Freud: Repressionsmo<strong>de</strong>ll (Repression organisch<br />

bedingter Triebe).<br />

e. Mead: Individuationsmo<strong>de</strong>ll. <strong>Mensch</strong> hat Bewusstsein,<br />

aber auch Selbstbewusstsein. Selbstbewusstsein<br />

entsteht aus sozialer Erfahrung in <strong>de</strong>r Interaktion.


III. Neuere Bestrebungen:<br />

Seit <strong>de</strong>n 70er Jahren ist zunehmen<strong>de</strong>s Interesse an sozialwissenschaftlicher<br />

Anthropologie zu erkennen. Ursache: Ansätze wie Systemtheorie,<br />

marxistische Orthodoxie u.a. sahen Begriff <strong>de</strong>s <strong>Mensch</strong>en und <strong>de</strong>s Subjekts<br />

als nicht mehr notwendig an.<br />

Gegenbewegung: Bildung einer Subjekttheorie tritt in <strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rgrund.<br />

(Geulen, Hurrelmann). Wichtiger Einfluss durch die Psychoanalyse, die<br />

immer wie<strong>de</strong>r auf die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r psychologischen Ebene hinweist.<br />

Neue Leiti<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Soziologie: Das gesellschaftlich handlungsfähige und<br />

mündige Subjekt.<br />

IV. Klassische Paradigmen:<br />

1) Psychoanalyse (psychoanalytische Linie): Das Über-Ich-Mo<strong>de</strong>ll wird<br />

in die Soziologie übernommen. Aufarbeitung in <strong>de</strong>r Soziologie führt<br />

zur sog Neo-Analyse. Hauptbegriffe: Sozialcharakter (anstatt:<br />

Volkscharakter), <strong>de</strong>r eindimensionale <strong>Mensch</strong> (H. Marcuse).<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Psychologie: Bestehenbleiben auf Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r<br />

psychischen Ebene. Zu nennen auch: Begriff Habitus (Bourdieu) als<br />

Parallele zu Sozialcharakter. „Habitus“ als Abgrenzungsmo<strong>de</strong>ll.<br />

(psychoanalytische Linie)<br />

2) Materialistische Mo<strong>de</strong>lle (materialistische Linie): Phylogenetische<br />

Ausstattung <strong>de</strong>s <strong>Mensch</strong>en ist wesentlicher Faktor (Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Arten in Struktur und Verhaltensweise). Tätigkeitsbegriff = Vermittler<br />

zwischen gesellschaftlicher Realität und Ontogenese (durch<br />

Umwelteinflüsse und biologische Faktoren bestimmter Entwicklung).<br />

(materialistische Linie)<br />

3) Die Rollentheorie Parsons: Im Hintergrund: Durkheim, Freud, Weber<br />

und Mead).<br />

Rolle: Element <strong>de</strong>s sozialen Systems + Element zur Beschreibung von<br />

Subjektivität. Deshalb beson<strong>de</strong>rs geeignet. Bei Parsons jedoch<br />

verengt zur Rolle eines Akteurs.<br />

Kritik:<br />

Dahrendorf: Verlust <strong>de</strong>r individuellen Autonomie.<br />

Auch Habermas und Goffman: Rollenbegriff tritt zurück und wird<br />

durch <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntität abgelöst (Krappman 1971).<br />

Der I<strong>de</strong>ntitätsbegriff bezieht sich auf komplexe subjektive<br />

Sachverhalte. Daher ist er oft ungenau. Jedoch: wissenssoziologisch<br />

be<strong>de</strong>utsam im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Erforschung von Mentalitäten.


V. Geulen: Versuch einen Begriff vom in <strong>de</strong>r Gesellschaft han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />

<strong>Mensch</strong>en zu schaffen.<br />

Ausgangspunkt:<br />

• Den <strong>Mensch</strong>en als Subjekt sozialen Han<strong>de</strong>lns (Han<strong>de</strong>ln als tätiger<br />

Verwirklichung von Zielen)<br />

• und in seiner empirisch-psychologische Bedingtheit (Orientierung<br />

an an<strong>de</strong>ren Subjekten in Verstehen, Kommunikation und<br />

Konfliktaustragung).<br />

• zu erfassen.<br />

Der Begriff <strong>de</strong>s sozialen Han<strong>de</strong>lns ist <strong>de</strong>r Bezugspunkt. Dieser Begriff soll<br />

mit 2 Dimensionen verknüpft wer<strong>de</strong>n:<br />

1. Han<strong>de</strong>ln als tätige Verwirklichung von Zielen<br />

2. Han<strong>de</strong>ln als Orientierung an an<strong>de</strong>ren Subjekten in Verstehen,<br />

Kommunikation und Konfliktaustragung.<br />

Seit Mitte <strong>de</strong>r 70er Jahre: <strong>de</strong>r <strong>Mensch</strong> wird als Vernunftwesen wie<strong>de</strong>r zum<br />

Bezugspunkt.<br />

Zunächst: Chomsky: in <strong>de</strong>r Sprachwissenschaft entwickelte Theorie <strong>de</strong>r<br />

angeborenen Fähigkeit zur Satzbildung (ab 1957). Unterscheidung von<br />

Kompetenz und Performanz(= output im Verhältnis zum input) (wer<strong>de</strong>n<br />

von Oevermann als Grundlage für eine Sozialisationstheorie<br />

vorgeschlagen. Das be<strong>de</strong>utet: Sozialisation = unter empirischen<br />

Bedingungen stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Entfaltung einer Handlungskompetenz.<br />

(hierfür jedoch keine empirische Belege).<br />

Theorie von Piagets: Schwerpunkt auf logisch mathematisches Denken.<br />

Kritik: Entspricht nicht <strong>de</strong>m Interesse einer am sozialen Han<strong>de</strong>ln<br />

orientierten Theorie.<br />

Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>r Theorie Piagets auch auf das moralische Bewusstsein<br />

<strong>de</strong>s <strong>Mensch</strong>en durch Kohlberg. Moral als Normgeber und damit<br />

Formungsmittel. Deshalb hat die moralische Orientierung in <strong>de</strong>r<br />

menschlichen Entwicklungsphase eine beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung.<br />

Frage: Bestimmt nur das Bewusstsein das soziale Han<strong>de</strong>ln? Das Objekt<br />

Kohlberg`scher Moraltheorie ist einsam. Es han<strong>de</strong>lt im Bewusstsein <strong>de</strong>r<br />

Perspektiven an<strong>de</strong>rer, tritt aber nicht in eine Konsensbildung mit an<strong>de</strong>ren<br />

ein.<br />

Deshalb Jürgen Habermas: Theorie <strong>de</strong>s kommunikativen Han<strong>de</strong>lns<br />

(Versuch universelle Diskursethik zu entwickeln (= Chomsky + Mead).<br />

Kritik: Theorie <strong>de</strong>r Kommunikation liefert wohl nur einen Bezugspunkt zu


einer umfassen<strong>de</strong>n Sozialisationstheorie. (= Versuch <strong>de</strong>n Formalismus<br />

und I<strong>de</strong>alismus Meads zu überwin<strong>de</strong>n)<br />

VI. Hinweise:<br />

• Der Begriff „ sozialisiertes Subjekt“ harrt noch seiner Definition,<br />

obgleich dieser Begriff seinerseits Voraussetzung für die Erläuterung<br />

<strong>de</strong>s Begriffes gesellschaftlicher Genese ist.<br />

• Alle Theoriemo<strong>de</strong>lle haben ihre Stärken, aber auch ihre Schwächen,<br />

können aber nicht <strong>de</strong>n gesamten Umfang <strong>de</strong>r Sozialisation erfassen.<br />

Gesamttheorie <strong>de</strong>rzeit lediglich Projekti<strong>de</strong>e (Hurrelmann).<br />

• Körper, Geist und Seele sind formbar, aber je<strong>de</strong>r Part auf an<strong>de</strong>re<br />

Weise. Im Grundsatz kann sowohl <strong>de</strong>r Innenbereich wie aber<br />

auch <strong>de</strong>r Außenbereich <strong>de</strong>s <strong>Mensch</strong>en geformt wer<strong>de</strong>n.<br />

• Die Einwirkungsmöglichkeiten: Emotionspsychologie,<br />

Kommunikationspsychologie, Kognitionspsychologie,<br />

Sozialpsychologie, Familien- Jugend- und Alters Soziologie,<br />

Soziologie <strong>de</strong>r Bildung und Erziehung, Arbeits- und Berufssoziologie,<br />

Religionssoziologie.<br />

• Das Lernen von Normen ist abhängig von <strong>de</strong>n<br />

Sozialisationsbedingungen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!