Boden des Jahres 2013 - Plaggenesch - Geologischer Dienst NRW
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<strong>Boden</strong> <strong>des</strong> <strong>Jahres</strong> <strong>2013</strong> - <strong>Plaggenesch</strong><br />
<strong>Plaggenesch</strong>e sind vom Menschen geschaffene Böden. Sie<br />
entstanden durch eine historische Form der Landnutzung, die<br />
seit dem 8. bis 11. Jahrhundert besonders im nordwestdeutschen<br />
Flachland betrieben wurde. Ziel der Plaggenwirtschaft<br />
war die <strong>Boden</strong>verbesserung auf den hofnahen Ackerflächen,<br />
vor allem im Gebiet armer Sandböden. Erst mit dem<br />
Aufkommen mineralischer Düngemittel im 19. Jahrhundert<br />
fand diese Wirtschaftsform almählich ein Ende.<br />
1 Schwarzgrauer <strong>Plaggenesch</strong> aus Heide-Plaggen bei Ostbevern<br />
(Münsterland)<br />
Typisch für den <strong>Plaggenesch</strong> ist der durch Humus dunkel gefärbte,<br />
vom Menschen aufgebrachte Plaggenauftrag, bodenkundlich der<br />
Eschhorizont. Von einem <strong>Plaggenesch</strong> wird gesprochen, wenn dieser<br />
<strong>Boden</strong>auftrag einschließlich <strong>des</strong> begrabenen Oberbodens 40 cm<br />
übersteigt. Im vorliegenden Fall reicht er bei dem sandigen <strong>Plaggenesch</strong> aus dem Münsterland bis<br />
etwa 70 cm Tiefe. Er weist Humusgehalte von mehr als 4 % auf. Charakteristisch für den<br />
<strong>Plaggenesch</strong> sind auch erhöhte Phosphorgehalte. Unter dem <strong>Boden</strong>auftrag folgen Reste <strong>des</strong> ursprünglichen<br />
<strong>Boden</strong>s mit rostgefärbten Eisenanreicherungen über gelbem, leicht fleckigem Sand.<br />
Die grauschwarze Färbung <strong>des</strong> Plaggenauftrags lässt auf Heideflächen als Herkunftsgebiet <strong>des</strong><br />
aufgetragenen Materials schließen.<br />
2 Brauner <strong>Plaggenesch</strong> aus Gras-Plaggen bei Willich (Niederrhein)<br />
Wurden vorwiegend Grasplaggen gewonnen, so sind die <strong>Plaggenesch</strong>e eher bräunlich gefärbt, wie<br />
hier bei einem <strong>Plaggenesch</strong> vom Niederrhein. Der Auftrag beträgt etwa 65 cm und besteht aus<br />
humushaltigem schwach schluffigem Sand. Überdeckt wurde ein durch Grundwasser und stauende<br />
Nässe geprägter <strong>Boden</strong>.<br />
3 Unterschiedlich alte Keramikscherben von einer Ackerfläche<br />
Artefakte, vom Menschen hergestellte Gegenstände, sind für die <strong>Plaggenesch</strong>e charakteristisch<br />
und tragen in der Regel zur Identifizierung der Böden bei. Oft sind lediglich kleinere Ziegelbröckchen<br />
im Plaggenmaterial enthalten, häufiger finden sich auch kleine Keramikscherben. Archäologische<br />
Funde an der Basis <strong>des</strong> Plaggenauftrags können durch die Plaggendeckschicht geschützt<br />
sein.<br />
4 Durch den Plaggenauftrag sind <strong>Plaggenesch</strong>e gegenüber ihrer Umgebung leicht erhöht<br />
Für die Plaggengewinnung wurden riesige Flächen benötigt; es wird von einem Verhältnis von 10:1<br />
bis 40:1 zwischen abgeplaggter Fläche und Auftragsfläche ausgegangen. Man schätzt, dass sich<br />
die <strong>Boden</strong>oberfläche durch den andauernden Plaggenauftrag pro Jahr um etwa 1 mm erhöhte.<br />
Über die Jahrhunderte entstanden in Nordrhein-Westfalen auf diese Weise meist <strong>Plaggenesch</strong>e<br />
von 40 bis 80 cm, seltener auch von mehr als 100 cm Stärke. Geht man von 70 cm Plaggenauftrag<br />
aus, so ergibt sich für eine Fläche von 100 x 100 m ein <strong>Boden</strong>volumen von 7 000 Kubikmeter, was<br />
etwa einem Gewicht von über 12 500 Tonnen entspricht. Der Plaggenauftrag führt dazu, dass die<br />
vom Menschen geschaffenen Böden gegenüber der Umgebung meist herausgehoben und an einem<br />
abrupten Gelän<strong>des</strong>prung, der sog. Eschkante, zu erkennen sind.<br />
5 Mit der Plaggenhacke wurden Stücke <strong>des</strong> Oberbodens mit Teilen der Pflanzendecke<br />
gewonnen<br />
Die Plaggengewinnung erfolgte im Gemeinschaftsland, den sog. Allmenden (auch Gemeine Mark),<br />
an dem alle Gemeindemitglieder Nutzungsrechte hatten. Mit der Plaggenhacke (Plaggenhaue)
wurden dort flache Stücke <strong>des</strong> humushaltigen Oberbodens einschließlich der darauf wachsenden<br />
Vegetation und der Pflanzenwurzeln gewonnen. Nach einer - meist viel zu kurzen - Regenerationsphase<br />
von oft nur 10 bis 20 Jahren wurden auf den Flächen erneut Plaggen gestochen.<br />
Die Plaggengewinnung war Schwerstarbeit, eine "Plackerei", die in der Landwirtschaft einen wesentlichen<br />
Anteil der Arbeitszeit einnahm. Oberhausen-Königshardt und auch Augustdorf in der<br />
Senne haben der Plaggenwirtschaft ein Denkmal gesetzt, indem sie Plaggenhacken in ihre Ortswappen<br />
aufnahmen.<br />
6 Der Abtransport der Plaggen in die Ställe erfolgte mit dem Pferdefuhrwerk (Senne,<br />
Ostwestfalen)<br />
Mit Pferdefuhrwerken brachte man die Plaggen in die Ställe, wo sie als Einstreu für das Vieh<br />
dienten. Danach wurde das mit dem Kot und Urin der Tiere, teils auch mit häuslichen Abfällen und<br />
Kompost vermischte Plaggenmaterial auf den Ackerflächen verteilt. Die <strong>Boden</strong>verbesserung bestand<br />
zum einen in der Zufuhr von Nährstoffen aus dem Tierdung und in der Nährstofffreisetzung<br />
bei der langsamen Zersetzung <strong>des</strong> Humus (organische Substanz), zum anderen auch in dem<br />
durch den Humus leicht erhöhten Wasserspeichervermögen <strong>des</strong> Plaggenmaterials.<br />
Die Plaggenwirtschaft schuf die Voraussetzung dafür, dass auf den kleinen, plaggengedüngten<br />
Ackerflächen dauerhafter, "ewiger" Roggenbau betrieben werden konnte. Denn durch das Plaggen<br />
wurden die Nährstoffe <strong>des</strong> umliegenden Ödlands auf die wenigen kleinen Flächen für den Getreideanbau<br />
kontinuierlich konzentriert.<br />
7 Die Plaggenentnahme-Flächen verarmten und verheideten, der Sand wurde vom Wind<br />
erodiert<br />
Durch wiederholtes Plaggenstechen entzog man den Entnahmegebieten nachhaltig die Nährstoffe,<br />
insbesondere Stickstoff. Die Böden verarmten dort vollständig und versauerten sehr stark. Häufig<br />
entwickelten sich Podsole, säuregebleichte Sandböden. Heidevegetation breitete sich aus und die<br />
Flächen wurden nur noch als Schafweiden genutzt, was auch die Entwicklung von Wald dauerhaft<br />
verhinderte. Da bei der Plaggenentnahme die schützende Vegetationsdecke entfernt wurde, war<br />
der sandige Mineralboden der Winderosion ausgeliefert. Noch bis in das 19. Jahrhundert wurde in<br />
einigen Teilen Nordrhein-Westfalens Sand zu mehrere Meter hohen Dünen aufgeweht, zum Beispiel<br />
im westlichen Münsterland bei Rhede, in der Senne und am Niederrhein bei Wesel.<br />
8 Die <strong>Boden</strong>karte zeigt <strong>Plaggenesch</strong>e verstärkt in Ortsnähe, hier zum Beispiel bei<br />
Metelen (Münsterland)<br />
Die <strong>Boden</strong>karte 1 : 50 000 <strong>des</strong> Geologischen <strong>Dienst</strong>es weist auf 3,5 % der Lan<strong>des</strong>fläche Nordrhein-Westfalens<br />
<strong>Plaggenesch</strong>e aus. Schwerpunkte der Verbreitung sind die flachen Bereiche <strong>des</strong><br />
Münsterlan<strong>des</strong> und Ostwestfalens. Lokal können die <strong>Plaggenesch</strong>e weit größere Anteile erreichen,<br />
insbesondere in der engeren Umgebung von Siedlungen, teils auch rund um einzelne Bauernhöfe.<br />
Heute werden die <strong>Plaggenesch</strong>e überwiegend ackerbaulich genutzt. Durch die übliche Mineraldüngung<br />
sind sie - wie alle Ackerböden - in bodenchemischer Sicht deutlich verändert und das<br />
Befahren mit schweren landwirtschaftlichen Maschinen birgt die Gefahr der <strong>Boden</strong>verdichtung. Da<br />
<strong>Plaggenesch</strong>e häufig in Ortsnähe liegen, sind sie durch den Flächenverbrauch für Neubaugebiete,<br />
Industrie- und Verkehrsflächen besonders bedroht. Kleinere <strong>Plaggenesch</strong>-Flächen wurden nach<br />
Beendigung der landwirtschaftlichen Nutzung aufgeforstet; sie sind damit konserviert.<br />
Da die <strong>Plaggenesch</strong>e durch eine Agrarnutzung geprägt wurden, die lange zurück liegt, bilden sie<br />
heute Archive der kulturhistorischen Entwicklung unserer Landschaft. Aus diesem Grund sind sie<br />
besonders schutzwürdig.<br />
Kontakt:<br />
<strong>Geologischer</strong> <strong>Dienst</strong> Nordrhein-Westfalen - Lan<strong>des</strong>betrieb<br />
De-Greiff-Str. 195 * D-47803 Krefeld<br />
Fon +49 (0) 2151 897-0 * Fax +49 (0) 2151 897-505<br />
E-Mail poststelle@gd.nrw.de * www.gd.nrw.de