SwarmMind: Was verstehen Sie
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42/43 Expertise Magazinname <strong>SwarmMind</strong> 1/2012 1/2011<br />
Wer sich an alte Muster<br />
klammert, muss irgendwann<br />
sehen, wo er bleibt.<br />
Gefragt ist beides! Moderne Führung verlangt, dass sowohl im System als auch am System gearbeitet<br />
wird – und zwar zu gleichen Teilen. Führungskräfte sind dann allerdings nicht mehr bloße Verwalter<br />
der klassischen Professionalität. <strong>Sie</strong> stellen gerade diese Vorstellung von Professionalität in Frage.<br />
Zugegeben, dies ist eine einigermaßen abstrakte Forderung. Wo soll man in die Arbeit am System<br />
einsteigen? Am besten ganz unten – beim Menschenbild. Etwas zugespitzt lautet es gegenwärtig: Mitarbeiter<br />
müssten stets motiviert werden, damit sie Höchstleistungen erbringen. <strong>Sie</strong> seien tendenziell<br />
unmündig und nur begrenzt dazu in der Lage, sich selbst zu koordinieren.<br />
Ihr Handeln sei vorwiegend von Opportunismus geprägt. Das würde so natürlich<br />
niemand laut sagen, doch wie erklärt es sich sonst, dass die Vertrauensarbeitszeit<br />
meist erst ab einer höheren Gehaltsstufe einsetzt, oder dass<br />
oft ganze Abteilungen mit der Suche nach dem bestmöglichen Motivierungssystem<br />
betraut werden?<br />
Dabei gibt es zahlreiche Belege dafür, dass derartige Bemühungen ihr<br />
Ziel verfehlen. So kommt beispielsweise der Göttinger Neurowissenschaftler<br />
Gerald Hüther zu dem Schluss, dass die extrinsische Motivation „hirn-<br />
Fotos: Michael Göken, Musterbrecher<br />
technischer Unsinn“ ist. Motivierung, so wie man sie sich in den meisten Unternehmen heute vorstellt,<br />
wäre demnach eine Fiktion. <strong>Sie</strong> basiert zudem auf einem sehr trivialen Menschenbild, das<br />
einseitig ökonomisch-rational interpretiert wird.<br />
Die Befreiung aus dem Hamsterrad der einfallslosen Professionalität lohnt sich. Es ist nicht<br />
besonders intelligent, auf wiederkehrende Diagnosen des Scheiterns mit einer erhöhten Dosis des<br />
unwirksamen Medikaments zu reagieren. Anders ausgedrückt: Anstatt Jahr für Jahr zu versuchen,<br />
die Systeme in der gewohnten Expertenlogik zu verbessern, könnte Führung auch mit der Arbeit am<br />
System und somit bei sich selber beginnen. Oder, um es mit den Worten des Gründers der Drogeriemarktkette<br />
DM, Götz Werner, auf den Punkt zu bringen: „Warum haben wir immer zwei<br />
Menschenbilder? Das von uns – und das von den anderen?“<br />
Bisher wurde Führung in erster Linie daran gemessen, ob sie ihre strategische Kompetenz beweist<br />
und Wettbewerbsvorteile aufbaut. Eine musterbrechende Führung in Zeiten wachsender Unsicherheit<br />
zielt dagegen darauf ab, die kollektive Intelligenz der Mitarbeitenden dazu zu nutzen, Probleme<br />
aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu betrachten und das Unternehmen mitzugestalten. Man<br />
denkt demzufolge weniger an optimale „Ressourcennutzung“, sondern fördert vielmehr die Entfaltung<br />
von Mitarbeiterpotenzialen.<br />
Die Energie fließt in das Design von Rahmenbedingungen, in denen das im Kollektiv vorhandene<br />
Wissen und die individuellen Fähigkeiten tatsächlich eingebracht werden können. Wie zum Beispiel<br />
bei W. L. Gore & Associates: Das US-amerikanische Unternehmen, bekannt durch seine Marken<br />
GORE-TEX ® und Windstopper ® , zeichnet sich durch eine bereits seit Ende der 1950er-Jahre gelebte<br />
Kultur des „Commitment“ aus. Damit ist ein Prinzip gemeint, das allen Gore-Mitarbeitenden die<br />
Chance gibt, sich für Themen<br />
zu engagieren, die ihnen<br />
wirklich am Herzen liegen.<br />
Die Logik dahinter ist<br />
folgende: Es ist besser, wenn<br />
Menschen sich Aufgaben<br />
suchen, die sie wirklich begeistern,<br />
als wenn man<br />
Menschen für Aufgaben<br />
„fremdbegeistern“ muss, die<br />
von anderen definiert werden.<br />
Bei Gore zeigt sich etwas,<br />
was bei vielen Unternehmen<br />
zu beobachten ist,<br />
die wir als „Musterbrecher“<br />
bezeichnen: <strong>Sie</strong> gehen einerseits<br />
konsequent von eigenverantwortlichen,mündigen<br />
Mitarbeitenden aus,<br />
Bisher wurde Führung in<br />
erster Linie daran gemessen,<br />
ob sie ihre strategische<br />
Kompetenz beweist und<br />
Wett bewerbsvorteile aufbaut.<br />
und zwar nicht nur im Rahmen des Hochglanzleitbildes, und sie gewähren maximalen Freiraum.<br />
Auf der anderen Seite wird man aber an jedem freiwillig eingegangenen Engagement auch gemessen.<br />
Es handelt sich bei Commitments also nicht um Spielwiesen, deren Betreten folgenlos bleibt, sondern<br />
um verbindliche Selbstverpflichtungen. Der Großteil der Energie wird dafür eingesetzt, durch<br />
konsequente Nutzung der kollektiven Intelligenz Kooperationsvorteile innerhalb<br />
des Unternehmens entstehen zu lassen, aus denen sich dann im Markt „automatisch“<br />
neue Wettbewerbsvorteile ergeben. Gore arbeitet seit über 50 Jahren<br />
erfolgreich mit diesem Ansatz, gilt als einer der besten Arbeitgeber – und<br />
hat bislang nie rote Zahlen geschrieben.<br />
Interessanter Link:<br />
www.musterbrecher.de