Reformation in Heilbronn - Evangelische Kirchengemeinde ...
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B 3 „...<strong>in</strong> Sachen des Glaubens e<strong>in</strong>e neue Ordnung und Änderung“<br />
aus der Verantwortung <strong>Heilbronn</strong>s vor<br />
Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu<br />
Augsburg 1530<br />
Vorbemerkungen:<br />
Kaiser Karl V. wollte auf dem Reichstag zu Augsburg<br />
1530 den Glaubensstreit im Reich beilegen.<br />
In se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>ladung an die Reichsstände<br />
erklärte er sich bereit, „e<strong>in</strong>es jeden Gutbedünken,<br />
Op<strong>in</strong>ion und Me<strong>in</strong>ung“ anzuhören. Dazu<br />
dient die folgende Schrift: von Hans Lachmann<br />
im Auftrag des Rats der Stadt verfasst, war sie<br />
zugleich Glaubensbekenntnis und Rechtfertigung<br />
der kirchlichen Neuordnung <strong>in</strong> <strong>Heilbronn</strong>.<br />
Der Gesandte <strong>Heilbronn</strong>s auf dem Augsburger<br />
Reichstag, Bürgermeister Riesser, hat die Schrift<br />
dem Kaiser wohl nicht überreichen können.<br />
<strong>Heilbronn</strong> schloss sich vielmehr dem von Melanchthon<br />
verfassten Glaubensbekenntnis – der<br />
confessio - an, die schon drei Wochen zuvor<br />
dem Kaiser im Auftrag zahlreicher Reichsstände<br />
übergeben worden war.<br />
Der „allergnädigste Kaiser“ und „eure kaiserliche<br />
Majestät“ werden <strong>in</strong> der <strong>Heilbronn</strong>er Schrift unmittelbar<br />
angesprochen, weil die Verfasser (<strong>in</strong><br />
falscher E<strong>in</strong>schätzung der Rolle des Kaisers) <strong>in</strong><br />
ihm e<strong>in</strong>en neutralen Schiedsrichter im Glaubensstreit<br />
sehen. Karl V. sah aber die von den<br />
evangelischen Reichsständen vorgelegte Confessio<br />
durch die katholische Confutatio als widerlegt<br />
an.<br />
Der folgende Textauszug ist gekürzt und<br />
sprachlich vere<strong>in</strong>facht.<br />
Allerdurchlauchtigster, großmächtiger Fürst<br />
und Herr. Eure kaiserliche Majestät geruhen<br />
gnädiglich zu vernehmen...dass wir <strong>in</strong> etlichen<br />
Sachen des Glaubens e<strong>in</strong>e neue Ordnung und<br />
Änderung vorgenommen [haben]. Doch wir<br />
haben nichts unternommen, was wir nicht gegenüber<br />
e. kay. mt. (= eure kaiserliche Majestät)<br />
als e<strong>in</strong>em christlichen Kaiser auf grund<br />
des göttlichen Worts glauben verantworten zu<br />
können.<br />
Christus hat gesagt (Lukas 11): „Der Knecht,<br />
der den Willen des Herrn weiß und den nicht<br />
tut, der wird mit viel Schlägen getroffen“(... )<br />
Um den großen Zorn Gottes zu verh<strong>in</strong>dern<br />
nach Erkenntnis se<strong>in</strong>er Wahrheit und se<strong>in</strong>es<br />
Willens, auch [um] Gnade und Friede zu erreichen,<br />
haben wir e<strong>in</strong>e neue Ordnung nach dem<br />
W<strong>in</strong>kelmaß se<strong>in</strong>es göttlichen Worts aufgerichtet<br />
– <strong>in</strong> der untertänigsten und tröstlichen Zuversicht<br />
auf e.k.mt. als e<strong>in</strong>es christlichen Herrschers<br />
und Oberherrn auf Erden, dem wir auch,<br />
was unser Leib und Gut betrifft, gehorsam untertan<br />
bleiben werden.(...)<br />
Weil aber e.k.m. e<strong>in</strong> Mandat verkünden ließ,<br />
das klar und deutlich be<strong>in</strong>haltet, dass das re<strong>in</strong>e<br />
Wort Gottes nach der Hl. Schrift gepredigt<br />
werden soll, was wir unseren Predigern mit<br />
Nachdruck e<strong>in</strong>geschärft haben, so haben wir<br />
es für nötig gehalten, das Evangelium nicht<br />
alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong> bloßes Wort se<strong>in</strong> zu lassen, sondern<br />
ihm auch <strong>in</strong> der Lehre und Ermahnung <strong>in</strong> der<br />
Kirche Raum zu geben, damit die Gewissen der<br />
Untertanen nicht verwirrt werden, wenn <strong>in</strong> der<br />
Kirche <strong>in</strong> der Praxis und im Gottesdienst nicht<br />
e<strong>in</strong>gehalten wird, was die Lehre und das Wort<br />
ausweisen. (...)<br />
Warum die Messe e<strong>in</strong> Gräuel vor Gott ist (...)<br />
zum ersten durch die H<strong>in</strong>zufügungen der Menschen<br />
zum zweiten wegen des Opfers<br />
zum dritten durch Anbeten und Suchen <strong>in</strong> der<br />
Messe, wo doch Gott alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em ewigen<br />
Wort gesucht werden soll<br />
zum vierten, weil sie <strong>in</strong> fremder unverständlicher<br />
Sprache [gehalten wird].<br />
Auch der hl. Paulus lehrt (Römer 12, 1.Kor<strong>in</strong>ther<br />
2, 2.Kor<strong>in</strong>ther 10, 12, 13) wenn man <strong>in</strong> der<br />
Kirche zusammenkommt, soll man mite<strong>in</strong>ander<br />
reden durch Psalmen, Lobgesängen, zur Erbauung<br />
und zum Trost der ganzen Versammlung.<br />
Demgegenüber ist die Messe e<strong>in</strong> Gräuel, da<br />
alles <strong>in</strong> fremder late<strong>in</strong>. Sprache ohne Erbauung<br />
geschieht, <strong>in</strong> prächtigen Ornaten, mit denen<br />
man sich bekleidet hat und Anerkennung<br />
sucht, während man den Tod des Herrn verkündigen<br />
und die Erlösungstat Christi predigen<br />
sollte, um uns an die brüderliche Liebe untere<strong>in</strong>ander<br />
zu er<strong>in</strong>nern. (...) So spricht Paulus<br />
(Römer 4.): er ist gestorben um unserer Sünde<br />
willen. Hier haben wir das klare Wort, dass<br />
Christus unsere Sünden schon getragen hat<br />
und nicht, dass er sie noch tragen werde <strong>in</strong> der<br />
Messe. Wer <strong>in</strong> der Messe opfern will, bekennt<br />
öffentlich und glaubt, dass Christus am Kreuz<br />
nicht genug bezahlt habe – das aber ist e<strong>in</strong><br />
Gräuel und e<strong>in</strong>e Lästerung. (...)<br />
Ist nun e<strong>in</strong> Leib, e<strong>in</strong> Haupt, e<strong>in</strong> Geist, e<strong>in</strong> Herr,<br />
e<strong>in</strong> Glaube, e<strong>in</strong>e Taufe, e<strong>in</strong> Gott und Vater, der<br />
über uns ist, so soll ke<strong>in</strong>e Trennung oder Unterschied<br />
gemacht werden im Empfang des Sakraments.<br />
(...)<br />
Allergnädigster Kaiser, wie es nach göttlichem<br />
Wort <strong>in</strong> unserer Kirche geordnet wurde, geruhe<br />
e.k.m. gnädig zu vernehmen.<br />
Das hl. Abendmahl wird allgeme<strong>in</strong> alle 14 Tage<br />
gehalten nach den E<strong>in</strong>setzungsworten Christi.<br />
Am Samstag Abend läutet e<strong>in</strong>e Glocke und ermahnt,<br />
sich auf das hl. Abendmahl vorzubereiten<br />
zur Besserung des Lebens (...)<br />
Am Sonntag s<strong>in</strong>gt man e<strong>in</strong>en Psalm, die<br />
Schüler im Chor <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>, damit das Late<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> Übung bleibt, das geme<strong>in</strong>e Volk deutsch.<br />
Danach Predigt e<strong>in</strong>e Stunde, nach der Predigt<br />
bekennt man den Glauben (late<strong>in</strong> und<br />
deutsch),danach wendet sich der Prediger mit<br />
se<strong>in</strong>en zwei Diakonen an das Volk [die Geme<strong>in</strong>de],<br />
verkündigt den Tod Christi, was man suchen<br />
soll im Abendmahl (...) Danach spricht der<br />
Prediger die Worte Christi über das Brot und<br />
den We<strong>in</strong> und dann reichen die Diakone das<br />
Sakrament vor dem Altar denen, die es begehren,<br />
zunächst den Frauen, dann den Männern.<br />
Danach s<strong>in</strong>gt man den Lobgesang Gottes (...),<br />
danach wendet sich der Prediger wieder an die<br />
Geme<strong>in</strong>de, ermahnt sie, an die Guttat Christi<br />
zu denken und e<strong>in</strong>ander zu lieben. Nach dem<br />
S<strong>in</strong>gen teilt der Prediger den Segen aus.(...)<br />
Nachmittags hält er wieder e<strong>in</strong>e Predigt (...)<br />
weil e.k.mt. verordnet hat, das hl. Evangelium<br />
ohne menschlichen Zusatz klar zu predigen,<br />
wie bei uns geschehen. (...)<br />
Warum wir nicht auf e<strong>in</strong> künftiges Konzil warten<br />
konnten<br />
Hätten wir noch länger mit der christlichen<br />
Neuordnung gewartet, so wäre das ewige Wort<br />
für e<strong>in</strong>e Fabel gehalten worden, deshalb schien<br />
es uns nicht geziemend, länger still zu halten<br />
und das göttliche Wort zu verkle<strong>in</strong>ern, haben<br />
doch e.k.m. selbst zugestanden, dass man das<br />
göttliche Wort nicht nur predigen, sondern<br />
auch danach leben und handeln soll, wie auch<br />
der hl. Paulus <strong>in</strong> 1. Kor<strong>in</strong>ther 4 schreibt: das<br />
Reich Gottes besteht nicht aus Worten, sondern<br />
<strong>in</strong> der Kraft oder Tat.(...)<br />
Nach allem, gnädigster Kaiser etc. trösten wir<br />
uns damit, dass e.k.mt. aus der Anzeige unserer<br />
Beweggründe bemerken, das unsere Trennung<br />
von der hl. Christlichen Kirche nicht aus Ungehorsam,<br />
Abfall oder Widerspenstigkeit gegen<br />
e.k.m. als unserer natürlicher Obrigkeit gerichtet<br />
ist. Denn wir bezeugen bei unserem Seelenheil,<br />
dass wir nichts anderes suchen und<br />
von Gott Erhörung erhoffen, als se<strong>in</strong>e göttliche<br />
Ehre, Preis, Lob und Heiligung se<strong>in</strong>es Namens<br />
(...) Desgleichen soll bei uns <strong>in</strong> der Kirche e<strong>in</strong>e<br />
göttliche Ordnung und unter unseren Untertanen<br />
e<strong>in</strong>e gute christliche Verwaltung, Friede<br />
und E<strong>in</strong>igkeit [herrschen] und wir dem Zorn<br />
Gottes entfliehen.(...)<br />
E.k.mt. und des Hl. Reichs untertänigste und<br />
gehorsamste Bürgermeister und Rat der Stadt<br />
<strong>Heilbronn</strong>.<br />
30 <strong>Reformation</strong> <strong>in</strong> <strong>Heilbronn</strong>