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Die Universität Rostock zwischen Sozialismus und - RosDok ...

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Fred Mrotzek<br />

<strong>Die</strong> <strong>Universität</strong> hatte dort schon ihre Mängel. Für mich war es ein Kulturschock,<br />

als wir in den Philosphen-Turm hinein kamen. Dort hatte sich jede Gruppe,<br />

von den Lesben bis zu den Homosexuellen sehr laut artikuliert, was ich als<br />

seltsam empfand. Unten gab es ein Frauenkaffee. Mein Fre<strong>und</strong> Pieplow <strong>und</strong> ich<br />

gingen in dieses Kaffee <strong>und</strong> empfanden das als eine tolle Sache. Dort saßen aber<br />

nur Frauen, <strong>und</strong> als wir dort hineinkamen, wurden wir regelrecht rausgeworfen<br />

<strong>und</strong> wüst beschimpft. Mein Fre<strong>und</strong> in seiner charmanten Art sagte: „Meine Damen<br />

wir wollen hier nur ein Kaffee trinken.“ Aber es nützte nichts.<br />

Dann fuhr man hoch in die Bibliothek im achten Stock, wo Sie durch ganz<br />

viele Räume mit unzähligen Büchern laufen. Dort gehen Sie an das Regal <strong>und</strong><br />

nehmen das Buch raus, welches Sie brauchen. Man geht dann an einen der vielen<br />

Arbeitstische <strong>und</strong> liest einfach dieses Buch. Sobald man fertig ist, legt man es<br />

zurück. Es sagt keiner: „Das ist nichts für dich“ oder „das brauchen Sie nicht zu<br />

lesen, denn ich habe es für Sie gelesen,“ so wie es bei uns in den Vorlesungen der<br />

Fall war. Der Kulturschock bestand darin, alle diese Bücher einfach lesen zu<br />

können. In dieser Bibliothek in der achten Etage habe ich unglaublich viel Zeit<br />

verbracht <strong>und</strong> habe die Sachen gelesen, die mich interessierten, Dinge, die nicht<br />

immer etwas mit meinem Studium zu tun hatten, wo ich aber genau wusste, dass<br />

ich sie im Osten nicht bekomme. Der Hunger nach Bildung, nach den Dingen, die<br />

es in der DDR nicht gab, das ist das, was ich als Kulturschock erlebt habe.<br />

Daniel Münzner:<br />

<strong>Die</strong> Aufnahme durch die Hamburger Professoren, respektive Kersten Krüger,<br />

haben Sie als sehr fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> interessiert beschrieben. Wie haben die Studierenden<br />

in Hamburg auf diesen „Kulturkontakt“ reagiert?<br />

Fred Mrotzek:<br />

<strong>Die</strong> Studenten haben sehr interessiert reagiert, was eigentlich verblüffend war.<br />

Wir waren wahrscheinlich die Ersten, die dort hinkamen. Nicht nur von den<br />

Professoren, sondern auch von den Studenten wurden wir unheimlich fre<strong>und</strong>lich<br />

empfangen <strong>und</strong> eingeladen. Damals hatte ich so ein bisschen den Eindruck eines<br />

Zoomechanismus. Wir sind sehr viel privat eingeladen worden, auch zu Feiern<br />

<strong>und</strong> man feierte in Westdeutschland zu seiner Zeit ganz anders als im Osten. Es<br />

wurde viel geraucht <strong>und</strong> sie bröselten sich da auch teilweise irgendetwas rein. Es<br />

hat auch seltsamer gerochen als sonst, obwohl ich nie geraucht habe. Heute weiß<br />

ich, was das ist. Es gab ganz nette Partys <strong>und</strong> auch Fre<strong>und</strong>schaften, die bis heute<br />

halten. Andererseits gab es aber auch etwas bei den Studierenden, was ich als<br />

aufgesetzt empfand. Das waren zumeist diejenigen, die ein bisschen mehr Geld<br />

hatten, wo Standespartys gefeiert worden sind. Da hatte man das Gefühl vorgeführt<br />

zu werden. Von diesen Leuten habe ich mich dann bald ferngehalten <strong>und</strong><br />

mich in die materielle Preisklasse begeben, in der man sich auch ungezwungener

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