120926 Ehrenbürgerschaft
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Geschichtswerkstatt Tübingen e. V.<br />
www.geschichtswerkstatt-tuebingen.de<br />
Lern- und Dokumentationszentrum zum<br />
Nationalsozialismus e. V.<br />
www.nsdok-tuebingen.de<br />
An die<br />
Presse und Medien<br />
Tübingen, 8. September 2012<br />
Einladung zur Informationsveranstaltung:<br />
Soll NS-Belasteten die <strong>Ehrenbürgerschaft</strong> aberkannt werden?<br />
am Mittwoch, den 26. September 2012, 20.00 Uhr,<br />
Kulturamt Veranstaltungsraum, Nonnengasse 19<br />
Professor Dr. Wolfgang Seibel (Universität Konstanz) wird in seinem Vortrag berichten, warum der<br />
Gemeinderat der Stadt Konstanz den ehemaligen Oberbürgermeister Bruno Helmle von der Liste<br />
der Ehrenbürger gestrichen hat. Dr. Martin Ulmer und Dr. Hans-Otto Binder erläutern anschließend,<br />
warum eine Aberkennung der Ehrenbürgerwürde beim früheren Oberbürgermeister Adolf Scheef<br />
und beim Philosophen Theodor Haering nach derzeitigem Kenntnisstand angebracht ist.<br />
Am 11. Oktober soll im städtischen Kulturausschuss weiter über den Umgang mit NS-verstrickten<br />
Ehrenbürgern beraten werden. Die Verwaltung vertritt in ihrer Vorlage Nr. 176/2012 vom 12. April<br />
2012 die Auffassung, dass die <strong>Ehrenbürgerschaft</strong> mit dem Tod erlischt und plädiert daher lediglich<br />
für eine Kommentierung der derzeitigen Ehrenbürgerliste. Es gibt jedoch keine zwingenden<br />
rechtlichen Vorschriften, die auch eine Streichung jener Personen aus der Liste der Ehrenbürger<br />
verbieten, die sich dieser Auszeichnung als unwürdig erwiesen haben. in einigen Städten wurde<br />
nach 1945 so verfahren, kürzlich etwa in Konstanz.<br />
Für Tübingen ist es sicher richtig, dass für ein fundiertes Urteil über einzelne Personen wie Hans<br />
Gmelin noch detaillierte Forschungsarbeit zu leisten ist. Unserer Ansicht nach ist jedoch in zwei<br />
Fällen (Theodor Haering, Adolf Scheef) bereits heute eine Entscheidung über eine Aberkennung der<br />
<strong>Ehrenbürgerschaft</strong> möglich.
Theodor Haering war nach dem Ersten Weltkrieg ein entschiedener Gegner der Weimarer Republik. Seine<br />
Forderung nach einem nationalen Machtstaat, sein Antisemitismus und der Wunsch nach einem Führer, ließ<br />
ihn 1937 der NSDAP beitreten. Haering war in der Folgezeit vielfältig propagandistisch für den<br />
nationalsozialistischen Staat tätig, nicht nur in der Universität, sondern auch öffentlich. Nach 1945 gehörte er<br />
zu den Ersten, die aus der Universität entlassen wurden. Seine spätere Einstufung als „Mitläufer“<br />
ermöglichte ihm die Rückkehr. Seine Gesinnung freilich änderte sich nicht, Selbstkritik oder gar aktives<br />
Eintreten für die Demokratie sucht man bei ihm vergeblich.<br />
Der frühere Demokrat und Oberbürgermeister Adolf Scheef betrieb ab 1933 nach Kräften eine nationalsozialistische<br />
Kommunalpolitik. Auf seine Initiativen hin entstanden die SA-Motorsportschule, die Reichsbräuteund<br />
die Reichssanitätsschule, die Schwesternschule, die Jugendherberge sowie Einrichtungen des Nationalsozialistischen<br />
Volkswohlfahrtverbands und mehrere Siedlungen. Er baute Tübingen zur „Parteistadt“ aus.<br />
Die häufigen Zugriffe der Parteieinrichtungen auf städtische Finanzmittel und auf Immobilien stießen bei<br />
Scheef auf Wohlwollen. Hinzu kam sein unbedingter Einsatz für die nationalsozialistischen Ziele im Alltagsgeschäft.<br />
Nach dem heutigen Kenntnisstand fordern wir den Gemeinderat auf, die<br />
Ehrenbürgerwürde für Theodor Haering und Adolf Scheef abzuerkennen. Die Stadträtinnen und<br />
Stadträte sind zu der öffentlichen Informations- und Diskussionsveranstaltung eingeladen.<br />
Wir bitten um eine angemessene Ankündigung der Veranstaltung und Berichterstattung.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Ulrike Baumgärtner<br />
Geschichtswerkstatt Tübingen e.V.<br />
Dr. Hans-Otto Binder<br />
Lern- und Dokumentationszentrum zum<br />
Nationalsozialismus e.V.