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Lesen - Golf Dornseif

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Die weibliche Oberschicht in Windhoek spielte Cricket nach britischem Vorbild, Tennis und<br />

Musikinstrumente. Es wurde eifrig gemalt und gedichtet, gestickt und gehäkelt, im Damensitz geritten<br />

und zur Flinte gegriffen beim sportlichen Scheibenschießen. Nachmittags ging man ins Frauenbad<br />

zur Erfrischung. Es schlossen sich sogar mutige Bergsteigerinnen zu Touren zusammen.<br />

Dienstmädchen oder Stütze oder was?<br />

Einige Aufgabenbereiche, die Dienstmädchen und Stützen in Städten des Schutzgebiets oder auf<br />

Farmen übertragen wurden, waren zum Verwechseln ähnlich und reine Augenwischerei. Sie<br />

säuberten das Haus, kochten, nähten, wuschen einen Teil der Wäsche, plätteten oder<br />

beaufsichtigten die Kinder der Herrschaft. Feuer anzünden, Wasser holen, Reinigen des Geschirrs<br />

und Große Wäsche übernahmen die schwarzen Hausangestellten unter Aufsicht weißer Dienstboten.<br />

Ein Dienstmädchen, das in einer städtischen Beamtenfamilie arbeitete und vom Frauenbund<br />

vermittelt wurde, berichtete 1912, dass der Arbeitstag um 5.30 Uhr früh begann und gegen 19.30 Uhr<br />

endete, wenn in der Küche alles blitzsauber wirkte. Afrikanisches Personal musste außerdem<br />

beaufsichtigt werden. Hinzu kam Staubwischen und Zimmer aufräumen. Das Mädchen backte<br />

morgens Brötchen und bereitete das Frühstück der Familie. Mittag- und Abendessen mussten<br />

vorbereitet werden. Nachmittags war Nähen, Waschen und Plätten an der Reihe. Schließlich musste<br />

die Gnädige Frau beim Frisieren und Ankleiden unterstützt werden. Stützen waren etwas „ranghöher“<br />

als Dienstmädchen in der Regel und erhielten etwas mehr Lohn. Examinierte Erzieherinnen durften<br />

mit der besten Bezahlung rechnen.<br />

1910 bekam eine Stütze bzw. ein Kinderfräulein monatlich 50 Mark Lohn oder etwas mehr.<br />

Erzieherinnen ohne Examen hatten Aussicht auf etwa 100 Mark, examinierte Kolleginnen maximal<br />

200 Mark. Dienstmädchen mussten sich mit 20 Mark monatlich begnügen, erhielten aber auch von<br />

Fall zu Fall Party-Zuschläge für Extra-Leistungen. Wäscherinnen und Plätterinnen arbeiteten zuhause<br />

und bekamen Stücklohn. Die Stütze der Hausfrau gab es nur in deutschen Haushalten als Kuriosum<br />

und durfte sich „Fräulein“ nennen bei kärglichem Lohn „mit Familienanschluss“ zweifelhafter Natur.<br />

Zweifelhafte Qualifikation bei Bewerberinnen<br />

Während einer Vorstandssitzung der Abteilung Berlin erstattete Margarethe Schnitzker einen Bericht<br />

über ihre Erfahrungen mit Bewerberinnen für die Ausreise nach Südwestafrika. Viele Mädchen auf<br />

Arbeitsuche in der Kolonie konnten bei ihrer Vorstellung keine Zeugnisse vorzeigen oder solche, die<br />

offensichtlich auf Gefälligkeit beruhten. Manche äußerten frei heraus, dass Abenteuerlust ihr<br />

Hauptmotiv war oder die Hoffnung auf eine gute Partie als Gnädige Frau.<br />

In dem Referat erwähnte Frau Schnitzker auch zahlreiche gescheiterte Existenzen: Ehefrauen<br />

wollten ihrem Ehemann entkommen, verarmte höhere Töchter konnten daheim nicht länger<br />

durchgefüttert werden (nach dem Tod des Vaters). Es konnten 67 interessierte Mädchen begutachtet<br />

werden, aber nur neun eigneten sich als Dienstmädchen für Südwester Haushaltungen. Nummer 10<br />

ging am 4. Januar 1912 in Hamburg an Bord eines Woermann-Dampfers.<br />

Von 57 Gesuchen wurden zwei wegen mangelhafter Zeugnisse abgelehnt, eine Bewerberin war nicht<br />

tropentauglich, ein anderes Mädchen erhielt keine elterliche Erlaubnis zur Ausreise (wegen<br />

Minderjährigkeit). Die Referentin bedauerte außerordentlich, dass die Mädchen nach ihrer Ankunft im<br />

Schutzgebiet – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nie wieder etwas von sich hören ließen.<br />

„Es tut mir immer furchtbar leid, dass ich die gebildeten Mädchen trotz ihres lebhaften Interesses<br />

immer wieder enttäuschen muss, weil keine geeigneten Arbeitsplätze in der Kolonie verfügbar sind“,<br />

betonte Frau Schnitzker.<br />

Zu den Spitzen-Verdienerinnen zählten im Schutzgebiet die erfahrenen Köchinnen mit solider<br />

Ausbildung: einige hundert Mark monatlich waren ihnen sicher (oder noch mehr). Ähnliche Chancen<br />

hatten allein verantwortliche Wirtschafterinnen in Hotels mit Befugnissen von Chefinnen. Andererseits<br />

bezichtigte August Bebel 1901 im Reichstag zu Berlin die Deutsche Kolonialgesellschaft, in<br />

Südwestafrika zwei Fälle von Freitod bei ausgesandten Frauen verschuldet zu haben. Männer<br />

hingegen nahmen sich viel häufiger das Leben in der Kolonie.

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