01.05., 10:15 Uhr, Johannes 21, 1-14, Pfr. Sigloch
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die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen“. Danach erzählen sie Thomas davon: „Wir haben den<br />
Herrn gesehen!“ Der aber ist so leicht nicht zu überzeugen – das Sehen allein reicht ihm nicht:<br />
„Wenn ich ihn nicht sehen und begreifen kann, kann ich nicht glauben, was ihr erzählt ….“.<br />
Die Frage vieler neuzeitlichen Menschen ist offenbar so neu nicht, sondern spielt von Anfang an<br />
eine Rolle. Schließlich aber begegnet Jesus auch Thomas. Und er sieht nicht nur, sondern kann<br />
auch fassen und greifen – und damit erfassen und begreifen. Wer heute sagt „Ich glaube nur was<br />
ich sehe!“ ist demnach nicht sehr modern – sondern ein Nachfolger des zweifelnden Thomas, der<br />
für alle Zweifler den Auferstandenen nicht nur gesehen, sondern ihn auch berührt hat und davon<br />
berührt und verändert worden ist.<br />
Am Ende des ursprünglichen Evangeliums steht dann eben das Wort: „Selig sind, die nicht sehen<br />
und doch glauben“ - das ist die Herausforderung für alle nach-österlichen Christen – für alle, denen<br />
die Ostererfahrung nachgetragen werden muss, damit sie nicht in Vergessenheit gerät, für uns alle,<br />
die wir sonntags zum Gottesdienst kommen und Ostern „er-innern“.<br />
VII. „... sie wussten, dass es der Herr war“<br />
„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ - die zweite faszinierende Beobachtung knüpft<br />
daran an; sie steckt in dem Satz: „Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist<br />
du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.“<br />
An dem Satz habe ich zu knabbern, denn er atmet so viel Wahrheit und ist doch kaum zu<br />
erklären: keiner fragt ihn „Wer bist du?“, denn auf eine besondere Weise „wissen“ sie, wer er ist.<br />
Warum fragt keiner? Trauen sie sich nicht? Die Jünger fragen nicht deswegen nicht, weil es ihnen<br />
peinlich wäre. Das ist mir aus der Geschichte klar. Wenn sie Angst vor Peinlichkeiten hätten, dann<br />
hätten sie sicherlich nicht am Morgen noch einmal das Netz ausgeworfen, nur weil ein daher<br />
gelaufener Mann am Ufer das gesagt hat.<br />
Sie waren ihr Leben lang Fischer und wussten: Wir haben heute Nacht nichts gefangen – dann ist<br />
die Chance auf einen Fang heute vorbei. Sie haben trotzdem das Netz noch einmal ausgeworfen –<br />
sie haben offenbar keine Angst gehabt, sich zum Deppen zu machen. Also müsste es für Einen von<br />
ihnen doch ein Leichtes gewesen sein, den Fremden, der sie zum Frühstück eingeladen hat, zu<br />
fragen: „Wer bist du?“<br />
Sie fragen nicht, weil sie „wissen“, wer er ist. Ihre Vernunft, ihr Verstand, ihre Erinnerung haben<br />
viele Fragen parat. Und sie können es nicht erklären – aber sie „wissen“, wen sie da vor sich haben.<br />
Es ist ein „Wissen“ jenseits ihrer Vernunft, eine Gewissheit, die sie nicht erklären können. Dort<br />
am Feuer wird keiner der Fischer an die Worte Hiobs gedacht haben: „Ich weiß, dass mein Erlöser<br />
lebt“ (Hiob 19,25) - aber es ist diese Art von „Wissen“, die sie hindert zu fragen.<br />
Manchmal begegnen wir Menschen, die wir noch nie getroffen haben. Und wir spüren sofort,<br />
dass wir uns verstehen (oder auch, wenn wir uns nicht verstehen): So eine Art „Wissen“ ist das,<br />
eine „Gewissheit“ jenseits 'vernünftiger' Erklärungen.<br />
Junge Eltern mit ihrem ersten Kind – sie spüren, was das Richtige ist für ihr Kind, ohne dass sie es<br />
erklären könnten: Sie „wissen“ es.