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Bildungstage der <strong>GEW</strong>: Berufliche Bildung<br />
tionierung auch „leistungsschwächerer“<br />
Jugendlicher in der Warteschlange führen,<br />
die – positiv gesprochen – neue Chancen<br />
für diejenigen eröffnen, die bislang schon<br />
von Anfang an<br />
aussortiert worden sind. Das ‚Fenster der<br />
Möglichkeiten‘ öffnet sich für diejenigen<br />
(jedoch nur) für eine kurze Zeit. Gleichzeitig<br />
aber kommt es zu einer Stabilisierung<br />
des Teils des ‚Übergangssystems‘, in dem<br />
es um den Erwerb eines höheren Schulabschlusses<br />
geht. Zwar reduziert sich die<br />
Zahl der Neuzugänge in das bestehende<br />
‚Übergangssystem‘, aber gleichzeitig kommt<br />
es zu einer Potenzierung der heute schon in<br />
vielen Maßnahmen zu beobachtende ‚Konzentration<br />
der Unerträglichkeit‘ (auf beiden<br />
Seiten) durch eine Konzentration der (sozial)<br />
pädagogischen Schweregrade und damit zu<br />
einem absehbar weiter abnehmenden Wirkungsgrad<br />
der vielfältigen Förderlandschaft<br />
(Folge: weniger, aber noch schwerer).<br />
These 9: Der Fachkräftemangel prägt sich<br />
aus!<br />
Der gegenwärtige und vor allem zukünftige<br />
Fachkräftemangel wird sich vor allem bei<br />
den für die deutsche Volkswirtschaft so<br />
wichtigen Facharbeitern in den im Rahmen<br />
der Rationalisierungs- und Globalisierungsprozessen<br />
verbliebenen Industriekernen<br />
ausprägen und damit den Kernbereich des<br />
dualen Berufsausbildungssystems betreffen.<br />
Viele der Menschen, die heute in Rente<br />
gehen, verfügen über eine Facharbeiterausbildung,<br />
viele, die nun nachrücken sollten,<br />
sind jedoch nicht angemessen ausgebildet,<br />
was auch eine Folge der verfehlten Berufsausbildungspolitik<br />
darstellt.<br />
Nicht bei den Akademikern, sondern vor<br />
allem auf der mittleren Qualifikationsebene<br />
(Ausbildungsabschlüsse des dualen Systems<br />
sowie der Berufsfachschulen) ist mit einem<br />
Fachkräfteengpass zu rechnen. Gleichzeitig<br />
fokussieren sich immer mehr Jugendliche<br />
auf „höhere“ Schulabschlüsse, insbesondere<br />
auf die Fachhoch- oder Hochschulreife, aber<br />
auch auf eine „akademische“ Ausbildung.<br />
Diese Orientierung trägt sicherlich dazu bei,<br />
dass zum einen seit 2000 die Erwerbsquote<br />
von Älteren kontinuierlich steigt, so dass<br />
der demografisch bedingte Rückgang des<br />
Arbeitsangebots im Jugendbereich teilweise<br />
kompensiert werden konnte. Andererseits<br />
erreicht die Zahl der Fachhoch- und Hochschulzugangsberechtigten<br />
einen Höhepunkt<br />
von rund 45% eines Altersjahrgangs. Dies hat<br />
insbesondere quantitative Auswirkungen,<br />
nicht unbedingt aber qualitative Effekte für<br />
den Industriestandort Deutschland.<br />
Andererseits erhalten nicht mehr alle akademisch<br />
Ausgebildeten ein festes Arbeitsverhältnis.<br />
Viele Hochschulabsolventen müssen<br />
sich auf spätere Werkverträge in ihren<br />
Unternehmen einrichten. Diese Diskrepanz<br />
wird von der Fortexistenz der hoch problematischen<br />
Berufswahlentscheidungen begleitet,<br />
vor allem der Frauen, im Sinne einer<br />
Perpetuierung der Konzentration auf einige<br />
wenige Berufe. Insgesamt kann festgehalten<br />
werden, dass der gesamtwirtschaftliche<br />
Engpass erst gegen 2030 eintritt, der mit<br />
einem leichten bzw. konstanten Überangebot<br />
an akademisch Ausgebildeten einhergeht<br />
und zeitgleich zunehmend steigende<br />
Engpässe bei Fachkräften mit mittleren<br />
Bildungsabschlüssen entstehen lässt. Von<br />
daher ist die Politik gefordert, auf einen<br />
drohenden Engpass im mittleren Qualifikationsbereich<br />
angemessen zu reagieren und<br />
nicht mehr nur ausschließlich die Erhöhung<br />
der Akademikerquote zu präferieren. Nur<br />
so kann es gelingen, den Sandwich-Druck<br />
auf das duale Berufsbildungssystem zu reduzieren,<br />
weil einerseits immer mehr junge<br />
Erwachsene in die Hochschule strömen, die<br />
vielfach nur formal über eine Hochschulzugangsberechtigung<br />
verfügen, aber in Wirklichkeit<br />
mehr Kompetenzen für das duale<br />
Berufsbildungssystem besitzen und dem<br />
dualen Ausbildungssystem damit verloren<br />
gehen. Andererseits integriert unter diesen<br />
Prämissen die duale Berufsausbildung prioritär<br />
Personen aus dem Übergangsbereich,<br />
wodurch auf allen Ebenen Qualitätsverluste<br />
zu verzeichnen sind. Die erste Gruppe<br />
wäre sicherlich mit einer Berufsbiografie<br />
auf der Basis der dualen Ausbildung am<br />
Arbeitsmarkt erfolgreicher, während die<br />
zweite Gruppe – trotz einer qualifizierten<br />
Berufsausbildung – den qualitativen Anforderungen<br />
am Arbeitsmarkt nicht immer<br />
angemessen gewachsen ist.<br />
These 10: Es findet eine Fehlallokation zur<br />
Hochschule statt!<br />
Dieses Problem zeigt sich allein darin, dass in<br />
Rheinland-Pfalz gegenwärtig ca. 51,7% eine<br />
Hochschulzugangsberechtigung für Fachhochschulen<br />
oder Universitäten erhalten,<br />
die mehrheitlich den Weg zur Hochschule<br />
suchen, aber der dualen Ausbildung meist<br />
verloren gehen. Rheinland-Pfalz hat in den<br />
80er Jahren versäumt, das System der Berufsakademien<br />
aus ideologischen Gründen<br />
zu implementieren. Dieses System findet<br />
in Baden-Württemberg einen sehr großen<br />
Zuspruch, und der südliche Landesteil von<br />
Rheinland-Pfalz profitiert ebenfalls nachhaltig<br />
davon. Mit diesem System hätte man<br />
die duale Ausbildung mit der Hochschule<br />
verbinden können. Dies ist mit den traditionellen<br />
Hochschulen so nicht wirklich<br />
machbar.<br />
These 11: Heutige Berufsausbildung überfordert<br />
einige Schüler!<br />
Bei dem Druck „von unten“ entsteht ein<br />
Problem, dass bestimmte Schülergruppen<br />
in der Berufsausbildung einfach überfordert<br />
sind. Dadurch entstehen insbesondere<br />
kognitive Blockaden, die dazu führen, dass<br />
einzelne Schüler ihre Berufsausbildung<br />
abbrechen.<br />
These 12: Die gegenwärtigen und historisch<br />
gewachsenen Berufsbildungsstrukturen<br />
führen zu einem Nirwana!<br />
Der Wettbewerb im Berufsbildungssystem<br />
führt zu Verlierern und zu Gewinnern.<br />
Obwohl das Gesamtsystem der beruflichen<br />
Bildung einen steigenden Kooperations- und<br />
Fusionsbedarf besitzt, entsteht eine die<br />
Gesellschaft schädigende Konkurrenzsituation,<br />
die letztlich bei den Menschen zu<br />
Unsicherheiten führt, aber auch zu Unsicherheiten<br />
bei der inhaltlichen Ausformung<br />
einer kompetenzorientierten Berufsbildung.<br />
Insbesondere der Druck zur Spezialisierung<br />
statt zur Generalisierung führt zu einer katastrophalen<br />
Fehlentwicklung. Dieser Druck<br />
wurde einerseits durch den Bologna-Prozess<br />
an den Hochschulen gefördert, andererseits<br />
führen Spartenberufe auch in dem Berufsbildungssystem<br />
zu einer Entwicklung, die dem<br />
Menschen in einer mobilen Gesellschaft und<br />
Wirtschaft nur wenig nützt.<br />
These 13: Generalisierung statt Spezialisierung<br />
in Ausbildung und Hochschule<br />
erwünscht!<br />
Es stellt sich schon die Frage, ob die über<br />
300 Ausbildungsberufe wirklich den Auszubildenden<br />
letztlich für den Arbeitsmarkt<br />
dienen. Wäre hier nicht ein Beschränken<br />
auf einen generalisierenden Nukleus von<br />
Ausbildungsberufen wirkungsvoller und gesellschaftspolitisch<br />
wirksamer? Auch in der<br />
Fachhochschule und in den Universitäten,<br />
in denen es mittlerweile über 1.100 Bachelorstudiengänge<br />
gibt, stellt sich ebenfalls<br />
diese Frage<br />
Auch im Fachschulbereich scheint man den<br />
verheerenden Weg zur Spezialisierung gehen<br />
zu wollen, in dem wir teilweise zwischen<br />
Erziehern für die Jahrgänge 1 - 3 und 4 - 5/6<br />
unterscheiden. Lediglich in der Pflege gehen<br />
14 <strong>GEW</strong>-Zeitung Rheinland-Pfalz 5 - 6 / 2013