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Psychische Fehlbelastungen. Ausführliche Fassung (PDF; 42 KB)

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<strong>Psychische</strong> <strong>Fehlbelastungen</strong><br />

Arbeit ist ein hochwertiges Gut. Sie sollte menschengerecht und wirtschaftlich organisiert sein.<br />

Technische und wirtschaftliche Entwicklungen haben dazu geführt, dass sich die Belastungen im<br />

Arbeitsprozess verändert haben. Physische Belastungen haben abgenommen, hingegen haben die<br />

Anforderungen an die persönlichen und sozialen Kompetenzen der Beschäftigten zugenommen.<br />

Damit kann es zu einem Anstieg der psychischen Belastungen kommen.<br />

Diese Belastungen führen nicht automatisch zu negativen Folgen. Ohne Belastung ist kein Leben<br />

möglich. Arbeit und die damit verbundenen Belastungen sind prinzipiell ein positiver Aspekt unseres<br />

Lebens. Der Mitarbeiter darf und soll sich gefordert und gefördert fühlen. Eine Belastung kann<br />

Aktivierung, Leistungssteigerungen und den Wunsch nach besserer Ausschöpfung der eigenen Fähigkeiten<br />

nach sich ziehen. Arbeitslosigkeit kann dagegen eine hohe krankmachende Wirkung haben.<br />

Überlastung hat jedoch vielfältige negative Auswirkungen. Bei einer europaweiten Umfrage gaben<br />

2001 28% der Beschäftigten in Europa stressbedingte Gesundheitsprobleme an (3). Genannt werden<br />

an dieser Stelle Kopfschmerzen, Erschöpfung, Rückenschmerzen, Schlafstörungen, aber auch Blutdruckerhöhung,<br />

Herzkreislauferkrankungen, Magen-Darm-Geschwüre, Verschlechterung anlagebedingter<br />

Erkrankungen wie Diabetes und Neurodermitis, Verschlechterung von Suchtkrankheiten und<br />

Abwehrschwäche. Hinzu kommen Stress - bedingte berufliche Probleme wie Nachlassen der Aufmerksamkeit<br />

und Vergesslichkeit, die oft nur durch vermehrte Anstrengung ausgeglichen werden<br />

können.<br />

Problematisch für Unternehmen ist nicht nur der erhöhte Absentismus vom Arbeitsplatz, sondern<br />

auch fehlende Produktivität trotz Anwesenheit. Dies ist in Zeiten der Personalknappheit kaum auszugleichen.<br />

Problematisch ist auch die erhöhte Fluktuation oder der Wunsch nach Fluktuation, wenn<br />

der Arbeitnehmer keine Alternative zu seinem jetzigen Arbeitsplatz sieht. Nach einer Umfrage des<br />

Gallup-Instituts 2003 haben in Deutschland 18% der Arbeitnehmer keine emotionale Bindung an ihr<br />

Unternehmen, sind also nach Ansicht des Instituts im Zustand der inneren Kündigung. Hierbei kann<br />

es dazu kommen, dass Arbeitnehmer nicht nur ihr Engagement reduzieren, sondern evtl. dem Unternehmen<br />

auch aktiv schaden. Nur 12% der Arbeitnehmer arbeiten wirklich engagiert mit und haben<br />

eine emotionale Bindung an ihr Unternehmen. Beschäftigte ohne hohe emotionale Bindung fehlen<br />

im Durchschnitt 6 Tage mehr pro Jahr als solche mit emotionaler Bindung an den Betrieb(4).<br />

Die in Deutschland entstehenden volkswirtschaftlichen Folgekosten durch psychische <strong>Fehlbelastungen</strong><br />

pro Jahr wurden 2000 durch das Bundesministerium für Arbeit auf 70 Milliarden Euro<br />

(7% der Frühinvaliditätsfälle, 6% der Arbeitsunfähigkeitstage) geschätzt, 2003 durch Gallup auf 247<br />

bis 260 Milliarden Euro, wobei hier noch weitere Aspekte wie mangelnde Weiterempfehlung von<br />

Produkten und Leistungen des Unternehmens einbezogen wurden. Natürlich schlagen sich solche<br />

Kosten auch im Unternehmen in unterschiedlichem Maße nieder, sei es durch Fluktuation und erhöhte<br />

Anlernzeiten neuer Mitarbeiter, sei es durch Verlust qualifizierter Mitarbeiter, sei es durch<br />

geringere produktive Nutzung der bezahlten Arbeitsstunden. Nicht ohne Grund legt der Gesetzgeber<br />

deshalb zunehmend Wert auf die Verminderung psychischer <strong>Fehlbelastungen</strong> der Arbeitnehmer im<br />

Rahmen des Arbeitsschutzes.<br />

Welche psychischen <strong>Fehlbelastungen</strong> gibt es?<br />

Der Begriff Belastung und das englische Pendant Stress ist mehrdeutig und im allgemeinen Sprachgebrauch<br />

oft negativ belegt. Der Begriff Stress kann den Auslöser eines unangenehmen Zustands<br />

darstellen (Stressor), einen unangenehmen Zustand selbst ( gestresst sein) oder die Folgen dieses


- 2 -<br />

unangenehmen Zustandes (Stressreaktion). Der Begriff Belastung ist deshalb vorzuziehen. Zwischen<br />

Belastungen und <strong>Fehlbelastungen</strong> gibt es einen fließenden Übergang. Was für den einen Arbeitnehmer<br />

eine Fehlbelastung ist, ist für den anderen Arbeitnehmer lediglich eine Herausforderung. Je besser<br />

ein Arbeitnehmer in Qualifikation, Erfahrung und Charakter zu den Anforderungen seines Arbeitsplatzes<br />

passt und je besser die Tätigkeit seine Grundbedürfnisse befriedigt, umso seltener empfindet<br />

er seinen Beruf als belastend. Der optimalen Personalauswahl kommt also hohe Bedeutung<br />

zu. Nach DIN EN ISO 10075-1 „Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung“<br />

(6) sind psychische Belastungen „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen<br />

auf den Menschen einwirken“.<br />

Beruflich können ergeben sich solche Belastungen (Wenchel )<br />

- aus der Arbeitsaufgabe<br />

• schwierige Aufgaben<br />

• fehlender Handlungs- und Entscheidungsfreiraum, durch den der Arbeitnehmer die<br />

Anforderungen modifizieren kann<br />

• fehlende Information, durch die ein sinnvolles Handeln oft erst möglich ist<br />

• kurze Taktzeiten der Arbeit (Sinnentleerung, Monotonie)<br />

• Arbeit unter Zeitdruck (notwendige Priorisierung, Konflikt zu Qualitätsbewußtsein,<br />

schnelle Entscheidungen)<br />

• hohe Arbeitsbelastung<br />

• häufige unvorhergesehene Abweichungen im Arbeitsablauf (Planung kann nicht<br />

eingehalten werden.)<br />

• Daueraufmerksamkeit (widerspricht dem Biorhythmus)<br />

• unzureichende Klarheit über den Arbeitsablauf<br />

• unklare Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (widersprüchliche Instruktionen)<br />

• emotionale Belastung (Medizin, Soziologie, Psychologie, Verkauf, Call Center)<br />

- aus Arbeitsmitteln und Arbeitsumwelt<br />

• Lärm<br />

• Arbeit unter Gefahr (chemische, biologische, physikalische Noxen, Unfallgefahr)<br />

• Unfälle, Katastrophen (z.B. Feuerwehr, Polizei)<br />

• Probleme seitens der Arbeitsstätte ( Klima, unzureichende Beleuchtung)<br />

• unzureichende Arbeitsmittel<br />

• ergonomische Probleme (Zwangshaltungen, unzureichende Softwareergonomie)<br />

• mangelnde Ressourcen und Ausstattung<br />

- aus sozialen Faktoren und Organisationsfaktoren<br />

• Konflikte mit Vorgesetzten und Mitarbeitern (inklusive Mobbing und sexuelle Belästigung)<br />

• Umgang mit schwierigen Kunden/Beschwerdeführern<br />

• unzureichende Qualifikationsangebote<br />

• unzureichende Kooperation, Kommunikation, soziale Unterstützung<br />

• Nacht- und Schichtarbeit<br />

• häufige Überstunden (8)<br />

• sehr lange Arbeit (8)<br />

• Umstrukturierung, Rationalisierung


- 3 -<br />

- aus gesellschaftlichen Faktoren<br />

• Angst um den Arbeitsplatz<br />

• gesellschaftliche Akzeptanz der Tätigkeit<br />

• Rollenkonflikte<br />

• schlechte Aufstiegschancen<br />

Aus einer Vielzahl von Modellen zu Stressreaktionen im Beruf werden derzeit besonders folgende<br />

diskutiert<br />

• Person-Environment Fit –Theorie (Harrison 1978) (12) ( Job Fit Modell) :<br />

Stress entsteht, wenn Umgebung und Person nicht zusammenpassen.<br />

• Job Demand - Job Control Modell von Karasek 1979 (13):<br />

Stress entsteht durch hohen Arbeitsdruck in Verbindung mit geringem Entscheidungsspielraum.<br />

• Effort-Reward-Imbalance - Modell nach Siegrist 1966 (15):<br />

Besteht kein sinnvolles Verhältnis zwischen Einsatz und Belohnung, führt dies zu<br />

Stress.<br />

Wie entstehen psychische Fehlbeanspruchungen?<br />

Nach DIN EN ISO 10075-1 ist eine psychische Beanspruchung die „individuelle, zeitlich unmittelbare<br />

und kurzfristige Auswirkung der psychischen Belastung im Menschen in Abhängigkeit<br />

von seinen individuellen Voraussetzungen und seinem Zustand.“ (6).<br />

Je nach betroffenem Arbeitnehmer und den ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen kann eine<br />

psychische Belastung positive oder negative Folgen haben (7):<br />

Positive Folgen<br />

• Übungseffekte<br />

• Anregungseffekte<br />

• Lerneffekte<br />

Negative Folgen<br />

• Ermüdung<br />

• Ermüdungsähnliche Zustände wie Monotonie und psychische Sättigung kommen<br />

bei Unterforderung des Arbeitnehmers z.B. durch gleichförmige sinnentleerte Tätigkeiten<br />

zustande und beeinträchtigen Leistungsvermögen und Aufmerksamkeit.<br />

• Burn out–Syndrome mit Motivationsverlust, Frustration, Leistungsabfall und Apathie<br />

kommen als Folge emotionaler Belastungen bei mangelhafter sozialer Unterstützung<br />

und fehlender Belohnung besonders in Berufen mit Publikumskontakt wie im<br />

Erziehungswesen, in sozialen Berufen, in Beraterberufen, in der Justiz und Polizei,<br />

in Verwaltung und Management, in kirchlichen Berufen, im Verkauf vor.<br />

Stressreaktionen<br />

Stressreaktionen treten eher bei beruflicher Überforderung auf. Sie sind einem physiologischen Reaktionsschema<br />

des Menschen zuzuordnen, mit dem dieser schnell auf Bedrohungen mit Flucht oder<br />

Kampf reagieren kann. Bei dieser Notfallreaktion wird das sympathische Nervensystem sowie das


- 4 -<br />

Hypothalamus–, Hypophysen-, Nebennierenrinden-System, die Amygdala und die Zirbeldrüse aktiviert.<br />

Der Hypothalamus und das limbische System verursachen die Ausschüttung großer Mengen<br />

an Adrenalin und Noradrenalin aus dem Nebennierenmark und den Zellen des sympathischen Nervensystems.<br />

Diese erweitern die Bronchien und führen zu einer verbesserten Atmung, erhöhen die<br />

Herzfrequenz, den Tonus von Venen und Arterien im Bereich der Haut und des Magen-Darm-<br />

Traktes, während die Gefäße im Muskel und im Herz erweitert werden. Der Blutdruck steigt an.<br />

Eine schnelle Fluchtreaktion ist möglich. Aus der Nebennierenrinde werden Cortisol und andere<br />

Glucocorticoide freigesetzt, die Stoffwechselreserven wie Zucker und Fette mobilisieren, Sexualhormone,<br />

Schmerzwahrnehmung, Entzündungsprozesse und Immunfunktionen hemmen.<br />

Nach Ende der Stressreaktion kommt es zur Normalisierung der Hormonspiegel. Solche Stressreaktionen<br />

sind durchaus physiologisch und werden deshalb auch als Eustress bezeichnet.<br />

Wirken Stressoren aber ständig fort, ohne dass es zu Bewältigungsstrategien kommt, so kann es zu<br />

einer ständigen Erhöhung der Hormonwerte kommen. Ernste psychosomatisch bedingte gesundheitliche<br />

Probleme wie Hypertonie, Arteriosklerose, Immunschwäche, Osteoporose, Störung der Reproduktion<br />

und Gedächtnisverlust werden mit chronischem Dysstress in Verbindung gebracht (9). Psychisch<br />

gesehen kann chronischer Stress zu Anspannung, Frustration, Ärger, Ermüdung, Monotoniegefühl<br />

und Sättigungsgefühl, zu Unzufriedenheit, Resignation, Depression und Schlaflosigkeit führen.<br />

Leistungsschwankungen, verminderte Konzentration, Fehler und eine schlechte sensomotorische<br />

Koordination können am Arbeitsplatz die Folge sein, werden aber oft durch vermehrte Anstrengung<br />

überspielt. Sozial sind betroffene Arbeitnehmer streitsüchtiger und isolieren sich (7).<br />

Woran erkennt man psychische Fehlbeanspruchungen der Mitarbeiter?<br />

Stress hat Wirkungen auf Gesundheit und Psyche. Hinweise auf mögliche psychische <strong>Fehlbelastungen</strong><br />

finden sich bei unterschiedlichen Indikatoren:<br />

• hohe Fehlzeiten<br />

• hohe Fluktuation<br />

• negatives Betriebsklima<br />

• Anteil von Mitarbeitern mit Einsatzeinschränkung<br />

• Häufung von Gesundheitsstörungen<br />

• Konflikte/ Mobbing<br />

• veränderte Leistungsbereitschaft<br />

• Mehrarbeit<br />

• Überstundenanfall /Überstundenwegfall<br />

• sinkende Produktivität /Qualität<br />

• Unfallzahlen<br />

Selbstverständlich müssen stets auch technische und ergonomische Mängel, Schadstoffbelastung,<br />

falsche Personalauswahl, mangelndes Führungsverhalten, ungünstige soziale Bewertung der Tätigkeit,<br />

niedriger Sozialstatus der Arbeitnehmer, höheres Alter der Arbeitnehmer und Häufung von<br />

Grundkrankheiten mit bekannt hohen Fehlzeiten als Ursache ausgeschlossen werden.<br />

Auffällig werden diese Indikatoren oftmals bei der Personalverwaltung, beim Personalrat, bei der<br />

Krankenversicherung, aber auch beim Betriebsarzt. Dieser entdeckt oft auch als erster gesundheitliche<br />

Beschwerden, die für <strong>Fehlbelastungen</strong> typisch sind wie hoher Blutdruck, Kopfschmerzen,<br />

Schlaflosigkeit, Verschlechterung von Diabetes bei entsprechender Veranlagung , Depressionen und<br />

ähnliche Erkrankungen.


- 5 -<br />

Wie kann man <strong>Fehlbelastungen</strong> im Betrieb diagnostizieren und abbauen?<br />

Wichtig ist es in jedem Falle, die Kommunikation im Betrieb zu fördern. Der Arbeitgeber sollte seine<br />

Arbeitnehmer genau kennen. Mitarbeitergespräche, in denen die Arbeit des letzten Jahres besprochen<br />

und einvernehmlich Ziele gesetzt werden, aber auch über Probleme, Verbesserungsmöglichkeiten<br />

und Förderungsmaßnahmen geredet werden kann, sind notwendig. Gespräche zwischen den<br />

Mitarbeitern sollten gefördert werden. Gemeinsame Aktivitäten sollten angeboten werden. Probleme<br />

sollten offen und frühzeitig angesprochen werden, damit Vertrauen entstehen kann. Eine Beteiligung<br />

bei der Problemlösung sollte Mitarbeitern angeboten werden, wenn sie möglich ist.<br />

In Klein- und Mittelbetrieben bietet sich das Instrument der Qualitätszirkel (Gesundheits-, Innungszirkel,<br />

u.U. unter Mitwirkung betrieblicher Experten) an, in denen Probleme angesprochen und Lösungen<br />

erarbeitet werden. Diese sollten dann aber noch mit betrieblichen Experten abgestimmt, in<br />

ihrer Wertigkeit festgelegt und angegangen werden.<br />

In größeren Betrieben können sich professionelle Diagnoseinstrumente wie Befragungen, moderierte<br />

Gruppengespräche und Arbeitsbeobachtungen anbieten. Hier steigert man sich von einfachen<br />

Screening-Instrumenten zu diffizilen Instrumenten, die dann in die Hand des Fachmanns gehören.<br />

Darüber hinaus ist der Arbeitgeber Adressat des Arbeitsschutzgesetzes, er muss also die Gefährdungsbeurteilung<br />

auch in Einzelfällen, in denen psychische <strong>Fehlbelastungen</strong> im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung<br />

zu erfassen sind, selbst durchführen können. Nur die Kenntnisse der Betriebsparteien<br />

über die betrieblichen Verhältnisse erlauben eine praxisgerechte Herangehensweise. Eine<br />

Unterstützung durch externe Experten oder Diagnoseinstrumente kann im Einzelfall sinnvoll sein.<br />

Hier bieten Experten bei Krankenversicherungen, die BG, aber auch Beratungsfirmen Lösungsmöglichkeiten<br />

an.<br />

Strategien zum Abbau von Belastungen sollten erstellt und das Ergebnis der Verbesserungen evaluiert<br />

werden. In sehr stressbelasteten Betrieben lohnt es sich auch über individuelle Angebote zum<br />

Stressabbau – auch außerhalb der Arbeitszeit - wie Sport, Relaxationstechniken und verhaltenspsychologische<br />

Stressabbautechniken nachzudenken.<br />

Sozialer Kompetenz – auch von Vorgesetzten - kommt eine hohe Bedeutung zu. Wichtig ist auch<br />

ein gutes Fortbildungsprogramm, in dem die Beschäftigten ihre Qualifikation für den Job ausbauen<br />

und aktuell halten können. Dies muss auch für ältere Arbeitnehmer gewährleistet sein. Auch ein<br />

Coaching durch Kollegen und Beratung durch Fachleute, Informationsmaterial auf dem neuesten<br />

Stand und gute Ausstattung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsumfelds tragen zu einem guten Betriebsklima<br />

und motivierten Arbeitnehmern bei.<br />

Wie weit haben sich die Betriebe in Baden-Württemberg bereits<br />

mit diesem Thema auseinandergesetzt?<br />

In Betrieben beschäftigen sich neben der Betriebsleitung hauptsächlich die Personalabteilung, aber<br />

auch der Personalrat, der Betriebsarzt, Frauen- und Behindertenbeauftragte und die Fachkraft für<br />

Arbeitssicherheit mit dem Abbau psychischer <strong>Fehlbelastungen</strong>. Betriebspsychologen und Betriebssozialarbeiter<br />

sind nur in wenigen Betrieben vorhanden.<br />

Leider gibt es keine Zahlen aus Baden-Württemberg, wie viele Betriebe sich bisher mit dieser Thematik<br />

beschäftigt haben. Betriebsärzte berichten, dass das Thema immer wieder in ihrer Praxis von<br />

Arbeitnehmern angesprochen wird und sie in Fällen von psychischer Fehlbelastung tätig werden.<br />

Bundesweit berichtete die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen und der<br />

Medizinische Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V. (MDS) in ihrer Dokumentation


- 6 -<br />

2001 „Leistungen der Primärprävention und der betrieblichen Gesundheitsförderung gemäß § 20<br />

Abs. 1 und 2 SGB V“ über 1189 Aktionen der Krankenkassen zur betrieblichen Gesundheitsförderung<br />

in Deutschland. Hierbei wurden hauptsächlich Betriebe des verarbeitenden Gewerbes (565), in<br />

geringerem Maße Dienstleistungsbetriebe (483) und sonstige Betriebe aufgesucht. Die Betriebsgröße<br />

lag zwischen 1 und >1500, meist bei 100 – 499 (41,6%) Arbeitnehmern. Betriebe mit 100 und<br />

499 Mitarbeitern, die hier zur Hälfte vertreten waren, machen bundesweit nur etwa ein Viertel der<br />

Betriebe aus.<br />

In den meisten Betrieben wurden Routinedaten der Krankenkassen ausgewertet. Etwa 27,5% der<br />

Betriebe führten Gesundheitszirkel durch. Inhaltlich wurde in 64,1% eine Reduktion körperlicher<br />

Belastungen angestrebt, in 24,1% eine gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung, in 21% Stressmanagement,<br />

in 15,4% eine gesundheitsgerechte Gemeinschaftsverpflegung, in 12,4% Suchtprävention(16).<br />

Eine Studie des Instituts für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH Zürich beschäftigte sich mit<br />

dem Gesundheitsmanagement in 634 von 1874 kontaktierten Schweizer Dienstleistungsunternehmen<br />

(17). Bei der Personalführung steht die offene Kommunikation über alle Hierarchieebenen und<br />

die persönliche Rückmeldung bei guter Leistung im Vordergrund (70% der Unternehmen). Nur 50%<br />

der Unternehmen bezogen Mitarbeiter in wichtige Entscheidungen ein. Bei den Zielvorgaben fanden<br />

in 70 % der Unternehmen Mitarbeitergespräche statt, wobei in 60% Zielvereinbarungen getroffen<br />

wurden. Leistungsabhängige Löhne gab es in 40% der Fälle. Bei der Personalentwicklung fanden in<br />

70% der Fälle fachspezifische Schulungen, in 40% Frauenförderung und in 36% Förderung der sozialen<br />

Kompetenz statt. Nur ein Fünftel der Unternehmen wandte die Laufbahnplanung als Instrument<br />

der Personalentwicklung an.<br />

Maßnahmen des Personalmanagements über die Arbeitsorganisation waren seltener. Teilautonome<br />

Arbeitsgruppen und individualisierte Arbeitszeitmodelle gab es nur in einem Drittel der Betriebe.<br />

Telearbeit gab es kaum. Maßnahmen zu Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit waren nur in 40% der<br />

Unternehmen erfüllt, in 20% teilweise. Gesundheitsförderungsmaßnahmen waren eher selten: 40%<br />

der Unternehmen überprüften die Fehlzeiten systematisch. 25% gliederten Langzeitkranke systematisch<br />

ein. Nur in einem Fünftel der Unternehmen fand Sozialberatung u.ä. statt. In 30% der Unternehmen<br />

wurde auf ergonomische Arbeitsplatzgestaltung Wert gelegt. In 5% wurden Ergonomiekurse<br />

angeboten. 20% der Unternehmen schulten ihre Führungskräfte. Sonstige Kurse zum gesundheitsorientierten<br />

Verhalten wurden seltener durchgeführt.<br />

Personalmanagement und Gesundheitsförderung hingen eng zusammen. Als Effekte der Gesundheitsförderung<br />

gaben 60 % der Unternehmern die Erfüllung gesetzlicher Auflagen, 40 % eine höhere<br />

Mitarbeiterzufriedenheit an. Es bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße<br />

über 250 Mitarbeitern und der Verbreitung von Gesundheitsförderungsmaßnahmen. Bei<br />

Personalmanagementmaßnahmen bestanden Zusammenhänge zu dem Anteil von Frauen in mittleren<br />

und oberen Kadern und dem Anteil von Mitarbeitern mit Hochschulabschluss. Ein negativer Zusammenhang<br />

von Personalmanagementmaßnahmen bestand zu dem Anteil an- und ungelernter Mitarbeiter.<br />

Welche Institutionen bieten Hilfe beim Abbau psychischer<br />

<strong>Fehlbelastungen</strong> an?<br />

Zahlreiche Institutionen / Experten bieten in Baden-Württemberg ihre Hilfe beim Abbau psychischer<br />

<strong>Fehlbelastungen</strong> an. Die wichtigsten seien hier aufgezählt:<br />

• Arbeitgeberverbände


- 7 -<br />

• Arbeitsmediziner<br />

• Betriebs- und Unternehmensberater<br />

• Gewerkschaften<br />

• Kirchen<br />

• Landesgesundheitsamt beim Regierungspräsidium Stuttgart und Gesundheitsämter<br />

• niedergelassene Arbeitspsychologen<br />

• Psychologische Beratungsstellen<br />

• Staatliche Gewerbeaufsicht<br />

• Versicherungen wie Krankenkassen und Berufsgenossenschaften<br />

• Volkshochschulen.<br />

Um Sie bei der Auswahl von Beratern zu unterstützen, stellen wir Ihnen in der folgenden Homepage/<br />

Broschüre Qualitätskriterien für die Auswahl von Beratern und Methoden vor.<br />

Literatur<br />

1. Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik: Konzept zur Ermittlung<br />

psychischer <strong>Fehlbelastungen</strong> am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention<br />

LV 28, (2002)<br />

2. Rentrop, M., Stamm, R. (2001): Arbeitsschutz in der Europäischen Union, Teil 2:<br />

Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren. Die BG, 6, 298 - 302<br />

3. Merllie, D., Paolie,P. (2001): Dritte Europäische Umfrage über Arbeitsbedingungen.<br />

Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen Dublin,<br />

Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, Luxembourg<br />

4. Gallup GmbH (2004): Neue Gallup-Studie. Milliardenverluste durch unengagiertes<br />

Arbeiten, Arbeit&Ökologie-Briefe 1/2004, 9 – 10<br />

5. Quelle: Arbeitskreis „Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder“; Statistisches<br />

Landesamt Baden-Württemberg<br />

6. Deutsches Institut für Normung: DIN EN ISO 10075-1 „Ergonomische Grundlagen<br />

bezüglich psychischer Arbeitsbelastung“<br />

7. Wenchel, K. (2001): <strong>Psychische</strong> Belastungen am Arbeitsplatz Ursachen – Auswirkungen<br />

– Handlungsmöglichkeiten Erich Schmidt – Verlag Berlin<br />

8. Sparks, K., Cooper,C., Fried, Y. Shirom,A. (1997): The effects of hours of work on<br />

health: a metaanalystic review. Journal of Occupational and Organizational Psychology,<br />

70, 391 – 498<br />

9. Birbaumer, N., Schmidt, R.F (2003): Biologische Psychologie, Springer-Verlag Heidelberg<br />

10. Lazarus, R. S. (1966): Psychological Stress and the Coping Process. New York:<br />

Springer<br />

11. Edwards, J. R. (1992): A cybernetic theory of stress, coping and well-being in organizations.<br />

Academy of Management Review, 17, 238 – 274.<br />

12. Harrison, R. V. (1978): Person-environment fit and job stress. In Cooper, V. L.,<br />

Paye, R. Ed. Stress at work, 175 – 205. New York: Wiley<br />

13. Karasek, R. (1979) Job demands, job decision latitude, and mental strain: Implications<br />

for job redesign. Administrative Science Quarterly, 24, 285 – 306<br />

14. Warr, P.B. (1987) Work, unemployment and mental health. Oxford: Oxford University<br />

Press.<br />

15. Siegrist, J. (1996): Adverse health effects of high effort/ low reward conditions. Jounal<br />

of Occupational Health Psychology 1, 27 – 41<br />

16. Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Medizinische<br />

Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V. (MDS) (2002): Dokumentation


- 8 -<br />

2001 Leistungen der Primärprävention und der betrieblichen Gesundheitsförderung<br />

gemäß § 20 Abs. 1 und 2 SGB V http://www.mds-ev.org/ download/Pr%E4ventionsbericht-Tabellenband.pdf<br />

17. Bauer, G. F., Schmid, M. R., Zellweger, U., Krüger, H. (2002): Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />

2001 – Entwicklungsstand in Schweizer Dienstleistungsunternehmen.<br />

http://www.feelok.ch/v1/ispmz/berichte/ BGM2001_Bericht_online.pdf

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