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Marcion als Zeuge für ein vorkatholisches Christentum - Radikalkritik

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me veranlasst, die zwei Worte seien auch in die kirchliche westliche Überlieferung<br />

<strong>ein</strong>gedrungen. Um den armen Ketzer doch noch der Fälschung zu bezichtigen, sagt<br />

Blackman: die Worte passen so gut zu <strong>Marcion</strong>s Lehre, dass sie vielleicht wahrsch<strong>ein</strong>licher<br />

(man achte |37 auf die schwebende un sichere Ausdrucksweise bei dem<br />

Theologen!) <strong>ein</strong>e tendenziöse Änderung des <strong>Marcion</strong> sind und der Beweis da<strong>für</strong>,<br />

dass diese Lesart wahrsch<strong>ein</strong>lich den westlichen Text be<strong>ein</strong>flusst hat.<br />

Bot mir der kurze Brief an die Galater viel Gelegenheit, um die Ursprünglichkeit<br />

des Textes des <strong>Marcion</strong> nachzuweisen, so würde <strong>ein</strong>e ähnliche Behandlung der übrigen<br />

neun Paulsbriefe und s<strong>ein</strong>es <strong>ein</strong>en Evangeliums die Grenzen des Umfangs dieser<br />

Studie bei weitem überschreiten. Ich werde mich daher auf <strong>ein</strong>ige besonders auffallende<br />

Beispiele beschränken.<br />

In 1 Kor 15,1-3 weisen <strong>ein</strong> wiederholtes „gemäß den Schriften“ und die Worte<br />

„was ich em pfangen habe“ auf katholische Bearbeitung; in <strong>Marcion</strong>s Text fehlten alle<br />

drei Einschübe. Nach Harnack (S. 91*) hat der Ketzer diese ursprünglichen Textbestandteile<br />

gestrichen, was <strong>ein</strong> typisches Beispiel s<strong>ein</strong>er antiklerikalen Tendenz s<strong>ein</strong><br />

soll. Aber Harnack muss anerkennen, dass die Worte „was ich empfangen habe“<br />

auch bei Irenaeus, Tertullian, Hilarius, Ambrosius, Ambrosiaster usw. fehlen; „wohl<br />

Einfluss des marcionitischen Textes“. Oder des originalen, noch nicht durch kirchliche<br />

Bearbeitung im judaisierenden Sinn interpolierten Textes? Dass die Auferstehung<br />

Christi durch alttestamentliche Verheißungen bestätigt wird, finden wir sonst<br />

bei „Paulus“ nicht. Der Katholik legt darauf Nachdruck gegenüber den <strong>Marcion</strong>iten,<br />

die tatsächlich die Auffassung vertraten, dass Christus <strong>als</strong> Offenbarung des guten<br />

Gottes nichts mit dem Alten Testament zu tun hat, dem Produkt des Demiurgen.<br />

Naiv und doch in diesem Zusammenhang nicht ohne Bedeutung ist die Bemerkung<br />

von H. D. WENDLAND [49]: „Der Schriftbeweis bestätigt, dass die Gem<strong>ein</strong>de Christi<br />

wirklich das wahre Gottesvolk ist.“ Der Apostel <strong>Marcion</strong>s brauchte da<strong>für</strong> k<strong>ein</strong>en<br />

Beweis aus dem Alten Testament.<br />

Liest der katholische Text 2 Kor 3,14, dass „die Gedanken der Israeliten verhärtet“<br />

(oder „verstockt“) waren, so las <strong>Marcion</strong>: „die Gedanken des Kosmos“. Harnack<br />

nennt das „<strong>ein</strong>e schwerwiegende Korrektur.“ (S. 97*), <strong>Marcion</strong> soll den Kosmos <strong>als</strong><br />

den Weltschöpfer aufgefasst haben; dessen Gedanken waren „verstockt“. Nun frage<br />

ich mich, ob <strong>Marcion</strong> mit kosmos = mundus nicht den natürlichen Menschen, speziell<br />

die Juden |38 , gem<strong>ein</strong>t haben kann. Tertullian sagt zu mundi: „in k<strong>ein</strong>em Fall<br />

den Schöpfer, sondern das Volk in der Welt (V.11). Der Unterschied zwischen den<br />

beiden Lesarten ersch<strong>ein</strong>t mir nicht bedeutend.<br />

Der katholische Text liest 2 Kor 7,1: „… lasst uns von aller Befleckung des Fleisches<br />

und des Geistes uns r<strong>ein</strong>igen“. <strong>Marcion</strong>, der statt des Geistes las des Blutes, soll<br />

an dieser Stelle nach Harnack wiederum tendenziös geändert haben (S. 48, 100*).<br />

Ich m<strong>ein</strong>e nicht. Der Ausdruck „Fleisch und Blut“ <strong>für</strong> den natürlichen Menschen ist<br />

bekannt. [50] Dann m<strong>ein</strong>t <strong>Marcion</strong>, dass wir uns r<strong>ein</strong>igen sollen von der Verschmutzung<br />

durch Fleisch und Blut (Genitivus subjectivus). Der Redaktor machte daraus<br />

<strong>ein</strong>en Genitivus objectivus, um anzudeuten, dass wir sowohl Fleisch <strong>als</strong> auch Geist<br />

verunr<strong>ein</strong>igen. Dass aber der Geist verunr<strong>ein</strong>igt werden kann, ist <strong>ein</strong> unpaulinischer<br />

Gedanke. Pneuma <strong>als</strong> Gegenüber des sôma (Körper), sarx (Fleisch) steht Mt 26,41:<br />

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