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<strong>Heinz</strong> <strong>Knieriemen</strong><br />

Aspartam – Genuss ohne Reue?<br />

Leserbrief:<br />

Neulich habe ich im Internet gelesen, dass der Süssstoff Aspartam zu Pseudo-MS führen<br />

kann, was irreparable Schäden wie bei einer echten Multiplen Sklerose (MS) verursacht. Ist<br />

das tatsächlich möglich? Ich weiss, dass ein anderer Süssstoff, Saccharin, gesundheitliche<br />

Schäden hervorgerufen hat, aber zu dieser Zeit war Krieg mit Mangelernährung. Für eine<br />

Antwort bin ich Ihnen dankbar.<br />

Antwort:<br />

Wir tun gut daran, uns in die etwas verworrenen und undurchsichtigen Internet-Diskussionen nicht<br />

einzulassen. Multiple Sklerose (MS) ist eine der vielen Krankheiten unbekannter Ursache.<br />

Spekulationen um die Entstehung sind daher Tür und Tor geöffnet, zumal die Aminosäuren des<br />

Aspartams in den Stoffwechsel des Gehirns eingreifen. Es gibt allerdings genügend Argumente,<br />

zu synthetischen Süssstoffen im allgemeinen und zu Aspartam im besonderen auf Distanz zu<br />

gehen – und die sind jedem zugänglich. Darüber hinaus erhält durch die Verbissenheit der<br />

Auseinandersetzung Aspartam einen Stellenwert, der dem Süssstoff gar nicht zukommt; denn es<br />

geht hier ja nicht um Fragen der sinnlichen Qualität der Nahrung <strong>oder</strong> gar um das Überleben der<br />

westlichen Zivilisation. Es geht nur um Süssstoffe, die keinen Beitrag zur Ernährung leisten,<br />

sondern lediglich die Sinne manipulieren und den Stoffwechsel belasten. Doch lassen Sie mich<br />

zunächst einmal auf die spannende Geschichte der Süssstoffe eingehen, die Sie mit Saccharin<br />

angeschnitten haben.<br />

In den letzten 20 Jahren ist der Markt für Süssstoffe so rasch gewachsen, dass es fast den<br />

Anschein hat, <strong>als</strong> solle sich die abenteuerliche Geschichte des Zuckers wiederholen. Es sind<br />

allerdings nicht mehr Zuckerrohrplantagen und Zuckerrübenmonokulturen, nicht mehr<br />

Sklavenarbeit und mächtige Handelsgesellschaften, welche das rauschhafte Verlangen nach<br />

Süssem befriedigen. Heute beschäftigen sich Chemiker, Bio- und Gentechnologen damit, immer<br />

neue Süssstoffe zu entwickeln, rivalisieren grosse Konzerne um Patente, Erfindungen und<br />

Absatzmärkte.<br />

In der westlichen Welt ist die Nahrung, die Art und Weise wie wir essen und was wir essen, zum<br />

wichtigsten Krankheitsfaktor geworden. Die Süssstoffe zeigen scheinbar mit der Entstofflichung<br />

des süssen Geschmacks eine Lösung auf, bieten jedoch in Tat und Wahrheit nur Hand dazu,<br />

1


Bewusstsein zu verdrängen. All die bedrängenden Probleme wie Fettleibigkeit, Altersdiabetes im<br />

Kindesalter usw. haben sich mit den Süssstoffen, die auf der Lightwelle schwimmen, nur<br />

verschärft. Die Süssstoffe haben sich ihres kalorischen Körpers entledigt. Die molekularen<br />

Konstruktionen rufen den Sinneseindruck des Süssen in den extremsten Übersteigerungen und<br />

Intensitäten hervor. Und obwohl sich einige Süssstoffe gern <strong>als</strong> „natürlich“ ausgeben, wachsen,<br />

gedeihen und reifen sie nicht – sie sind die fortgeschrittenen Konstrukte bio- und mittlerweile auch<br />

gentechnischer Forschung.<br />

Den Anfang machte um das Jahr 1890 herum das Saccharin, das Sie ansprechen. Ein Blick<br />

zurück ist lehrreich, da sich das Umfeld völlig geändert hat. Saccharin blieb immer ein ungeliebter<br />

Ersatzstoff des Zuckers, ein süsser Notbehelf in Kriegs- und Krisenzeiten, in denen Zucker knapp<br />

war. Und noch etwas hat sich grundsätzlich geändert: Das Argument, Saccharin sei ohne<br />

Nährwert, war gewichtig genug, seinen Gebrauch gesetzlich weitgehend einzuschränken. Genau<br />

diesen Nachteil der fehlenden Kalorien kehren die Süssstoffe heute heraus: Kein Karies, kein<br />

Übergewicht, keine Diabetes-Gefahr umschmeicheln Süssstoff-Hersteller die zuckerabhängigen<br />

Konsumenten, um ihre Ersatzdrogen ins Spiel zu bringen – und das mit grossem Erfolg.<br />

Mit der 200fachen Süsskraft des Zuckers schwimmt Aspartam auf der attraktiven Light-Welle. Der<br />

Süssstoff wird seit 1983 von der G.D. Searle & Co., einer Tochterfirma des Chemie- und Gentech-<br />

Giganten Monsanto, hergestellt. Im Geschmacksprofil ist er im Gegensatz etwa zu Saccharin dem<br />

Zucker ähnlich, was viel dazu beigetragen hat, den Low-Calorie-Markt, ausgehend von den USA,<br />

stürmisch zu entwickeln. Alle Süssstoffe versprechen Genuss ohne Reue, gern wird von Natur pur<br />

geredet. Sie bleiben deshalb trotzdem reine Syntheseprodukte ohne Vorbild in der Natur mit<br />

schwer abschätzbaren Risiken für die Gesundheit. Ob Cola- <strong>oder</strong> Limonadegetränk, Cremespeise,<br />

Yoghurt, Mayonnaise <strong>oder</strong> Kaugummi mit dem Aufdruck "ohne Zucker": Sie werden nicht lange<br />

suchen müssen, um auf den Süssstoff Aspartam zu stossen. Einer noch weiteren Verbreitung<br />

steht lediglich die mangelnde Hitzebeständigkeit im Wege.<br />

Aspartam wird aus zwei Aminosäuren, Asparaginsäure und Phenylalanin, und einer kleinen<br />

Menge des Alkohols Methanol hergestellt. Weltweit vorgeschrieben ist der Warnhinweis" enthält<br />

Phenylalanin. Damit erhalten Menschen mit der angeborenen Stoffwechselerkrankung<br />

Phenylketonurie die Möglichkeit, Aspartam und damit gesüsste Produkte zu meiden. Bei dieser<br />

vererbbaren Krankheit fehlt das Enzym Phenylalaninoxydase. Die Aminosäure Phenylalanin kann<br />

daher nicht in das lebenswichtige Tyrosin umgewandelt werden. Die Folge sind schwere geistige<br />

Defekte, wenn nicht frühzeitig eine strenge Diät eingehalten wird. Neben Phenylalanin enthält<br />

Aspartam mit der namengebenden Asparaginsäure noch eine weitere Aminosäure. Diese müssen<br />

chemisch zu einem komplexen Gebilde verknüpft werden, damit eine intensiv süss schmeckende<br />

Substanz entsteht. Phenylalanin, die eine Komponente des Aspartams, wird in den USA mit<br />

2


genmanipulierten Mikroorganismen produziert.<br />

Aspartam gilt in den USA wie Glutamat <strong>als</strong> „Worst Trigger of Migraine“, <strong>als</strong> häufiger Kopfschmerzund<br />

Migräneauslöser, wird aber auch für eine Reihe weiterer Gesundheitsstörungen wie Übelkeit,<br />

Benommenheit, allergische Hautreaktionen, Depressionen, Gedächtnisverlust, Sehstörungen,<br />

Hyperaktivität, epileptische Anfälle usw. verantwortlich gemacht. Hier geht es nun nicht um<br />

Spekulationen, sondern viele Menschen haben die Wirkungen von Aspartam am eigenen Körper<br />

gespürt. Ausserdem scheint hinreichend belegt, dass Aspartam das Hunger- und Sättigungsgefühl<br />

stört.<br />

Neben diesen spezifischen Betrachtungen habe ich aber auch ganz allgemein zu Süssstoffen eine<br />

sehr kritische Einstellung, die mit der Entstofflichung des Süssen zusammenhängt. Die Botschaft<br />

süss ist für unseren gesamten Stoffwechsel immer mit dem Auftrag verbunden, Kohlenhydrate<br />

<strong>oder</strong> Stärke aufzuspalten und sie in Energie umzuwandeln. Der normale Haushaltszucker, die<br />

Disaccharose, wird – im Speichel des Mundes beginnend – in die Einfachzucker Glucose und<br />

Fructose aufgespalten und kann so ins Stoffwechselgeschehen eingeführt werden. Mit den<br />

Süssstoffen wird dagegen ein Signal gegeben, werden die fein ausgewogenen Kreisläufe unseres<br />

Körpers angesprochen – doch es folgt keine Botschaft, die der Körper lesen kann. Die Süssstoffe<br />

sind so strukturiert, dass sie aufgrund von Sinnesmanipulationen die Information süss liefern,<br />

jedoch keine Kalorien, keine Energie spenden. Wir alle, vor allem Kinder, müssen wieder lernen,<br />

Geschmackssensibilität zu entwickeln – das Süss-aromatische der Früchte und das Süsswerden<br />

des Brotes beim längeren Kauen wahrnehmen. Das Bedürfnis nach Süssem sollte mit natürlichen<br />

Produkten befriedigt werden. Zucker, mit Vorzug unraffinierter, kann in der Ernährung sparsamzurückhaltend<br />

eingesetzt werden, so wie wir das mit Gewürzen und Salz auch tun.<br />

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