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Das verbotene Zimmer - Demo - DDR-Autoren

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Die russische Sprache klang wie französisch. Wenn man gutwillig ist, sagte die Lehrerin.<br />

Wir bekamen Bezugsscheine für Holzpantoffeln und durften beim Einkaufen die kleinen<br />

Abschnitte der Lebensmittelkarten nicht verlieren.<br />

Wir trugen Leibchen und lange Strümpfe, Schleifen im Haar. Beim Kostümfest waren wir<br />

Schneeweißchen und Rosenrot, mit gebrannten Stocklocken im Haar.<br />

Wir hatten es mit Garanten zu tun und mit Marksteinen, ewigen und immerwährenden, mit<br />

Vorläufern, unerschrocken, unvergesslich.<br />

Immer lebte die Sonne.<br />

Unverbrüchlich.<br />

Die vielen roten Plakate mit der weißen Schrift.<br />

Die Fotografien von Gesichtern, die wir an Stäben vor uns trugen und nach der<br />

<strong>Demo</strong>nstration ordentlich zusammenstellten. Ach, es war alles zu groß für uns. Zu groß und<br />

zu laut.<br />

Die Lautsprecher. Die Fanfaren. Die Gesichter.<br />

Die alten Gesichter meiner Mitschüler, Sechsjährige.<br />

Zwanzig Jahre später die Elternversammlung zur Einschulung meines Kindes. Wir Eltern<br />

saßen in den Bänken wie Schneewittchen bei den Zwergen. Vor uns die Klassenlehrerin.<br />

Unser Rennpferdchen Kind am Start. Die Belobigungen erhielten später wir, verlesen in den<br />

Betrieben.<br />

Die Gesichter der anderen Mütter erschienen mir älter, würdiger, ernsthafter, wissender,<br />

bestimmter. <strong>Das</strong> sind richtige Erwachsene, dachte ich. Richtige Väter, dachte ich, wenn ich<br />

mir die Väter ansah.<br />

Bei der Versammlung der Lehrlingseltern in diesem Jahr saßen sie wieder da, die anderen<br />

Eltern.<br />

Meine Generation, dachte ich. <strong>Das</strong> hört sich doch gut an: meine Generation. Es hat etwas<br />

Zusammengehöriges und Ernsthaftes. Man könnte fast glauben, es gibt sie. Und so begann<br />

ich, von uns mit Wir zu sprechen und zu schreiben und las es ihnen vor.<br />

Aber sie wehrten sich und grenzten sich ab von dem Wir. Ja, wenn ich sie nicht einbezöge,<br />

wenn ich alles in der Ichform schriebe. Dann ließen sich viele Ähnlichkeiten finden.<br />

Sogar übereinstimmende Ansichten. Erstaunliche Gemeinsamkeiten.<br />

Aber die Älteren gehören doch auch zu einer Generation: Bei Beerdigungen kann man zum<br />

Beispiel sagen, mit dem Jahrhundert groß geworden, gehörte er/sie zu den ersten<br />

Studenten oder Arbeiterfunktionären der jungen Weimarer Republik, er/sie durchschaute die<br />

zunehmende Faschisierung in Deutschland, ging in den Widerstand oder konnte sich vor<br />

Hitler in die Emigration retten.<br />

Nach der Zerschlagung des Faschismus gehörte er/sie zu der Generation, die ihre ganze<br />

Kraft für den demokratischen Neuaufbau zur Verfügung stellte, große Verdienste,

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