Vorlesung 1 (Skript Kapitel 3) - Fakultät 6 - TU Bergakademie Freiberg
Vorlesung 1 (Skript Kapitel 3) - Fakultät 6 - TU Bergakademie Freiberg
Vorlesung 1 (Skript Kapitel 3) - Fakultät 6 - TU Bergakademie Freiberg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Organisatorisches<br />
<strong>Vorlesung</strong>: Prof. Dr. Horst Brezinski<br />
Freitag, 11:00 Uhr (AUD-1001), gerade Woche<br />
Übung:<br />
Dipl.-Kfm. Robert Keßler<br />
Gruppe 1: Donnerstag, 14:00 Uhr (WER-1045), ungerade Woche<br />
Gruppe 2: Freitag, 14:00 (LES-1001), ungerade Woche<br />
Materialien: über OPAL (Bildungsportal Sachsen)<br />
www.bildungsportal.sachsen.de<br />
Kontakt:<br />
über die Homepage des Lehrstuhls<br />
http://www.wiwi.tu-freiberg.de/intwirtsbez/<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-1<br />
Literaturhinweise<br />
Basisliteratur:<br />
Mussel, Pätzold<br />
„Grundfragen der Wirtschaftspolitik“<br />
6. Auflage, Vahlen (2005)<br />
Fritsch, Wein, Ewers<br />
„Marktversagen und Wirtschaftspolitik“<br />
7. Auflage, Vahlen (2007)<br />
Blanchard, Illing<br />
Makroökonomie<br />
4. Auflage, Pearson (2006)<br />
Ergänungsliteratur:<br />
„Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie<br />
und Wirtschaftspolitik, Band 2“<br />
9. Auflage, Vahlen (2007)<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-2
III Stabilisierungspolitik<br />
Lernziele<br />
• Den Unterschied zwischen Stabilitätspolitik und Stabilisierungspolitik erkennen<br />
• Begreifen, dass starke Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivität hohe wirtschaftliche und<br />
soziale Kosten verursachen<br />
• Die unterschiedlichen Stabilisierungskonzeptionen kennen lernen<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-3<br />
III Stabilisierungspolitik<br />
7 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
7.1 Begriffsabgrenzung und Entwicklung<br />
• Zentraler Gegenstand der Analyse waren lange Zeit Konjunkturzyklen (= Schwankungen der<br />
gesamtwirtschaftlichen Auslastungsgrades des Produktionspotenzials)<br />
-> angebotsorientiert (Neoklassik/ Monetarismus)<br />
• Im Anschluss an die Weltwirtschaftskrise (1929-33) und dem zweiten Weltkrieg bestand Furcht vor<br />
dauerhafter Unterbeschäftigung und einem zu geringem Wirtschaftswachstum (Stagnation). Der Staat<br />
sollte gesamtwirtschaftliche Nachfragedefizite durch Ausgabenerhöhungen ausgleichen<br />
-> nachfrageorientiert (Keynesianisch)<br />
• Seit den 1960er Jahren wird die wirtschaftspolitische Diskussion durch das „neue“ Problem der<br />
anhaltenden Preisniveauerhöhungen geprägt. Bis dato waren wirtschaftliche „Boomphasen mit<br />
Preisniveausteigerungen und „Depressionsphasen“ mit Preisniveausenkungen verbunden.<br />
• Diese Kombination aus Rezession und Inflation (Stagflation) konnte durch keynesianisch orientierte<br />
Konjunkturmodelle nicht erklärt werden. Dies führte zu einer bis heute anhaltenden kontroversen<br />
stabilitätstheoretischen und politischen Diskussion<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-4
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.1 Begriffsabgrenzung und Entwicklung<br />
Idealtypischer Verlauf von Konjunkturzyklen<br />
BIP<br />
Unterdurchschnittliche<br />
Auslastung<br />
des PP<br />
- Gefahr hoher<br />
Arbeitslosigkeit<br />
Produktionspotential<br />
Aufschwung<br />
Boom<br />
Abschwung<br />
Reales BIP<br />
Überdurchschnittliche<br />
Auslastung<br />
des PP<br />
- Inflationsgefahr<br />
Rezession<br />
t<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-5<br />
III Stabilisierungspolitik<br />
7 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
7.1 Begriffsabgrenzung und Entwicklung<br />
• Stabilitätspolitik = Teil der staatlichen Wirtschaftspolitik, durch den Fähigkeiten des marktwirtschaftlichen<br />
Systems, zur Absorption gesamtwirtschaftliche Impulse, erhalten oder verbessert werden<br />
sollen<br />
• Stabilitätspolitik umfasst:<br />
- prozesspolitische Instrumente zur Verstetigung der gesamtwirtschaftlichen Güternachfrage (Geld-,<br />
Währungs- und Einkommenspolitik)<br />
- ordnungspolitische Maßnahmen, zur Erhaltung und Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen<br />
Angebotsflexibilität (Markt-, Außenhandels-, und Unternehmen-, Geld- und Finanzverfassung)<br />
• Grundlage ist die Annahme eines stabilen privaten Sektors, der in der Lage ist Impulse/Schocks<br />
eigenständig abzubauen<br />
• Stabilitätspolitik soll darauf hinwirken, dass Impulse in akzeptabler Frist und mit tolerablen<br />
Beschäftigungs-, Inflations-, Wachstums- und Allokationseffekten absorbiert werden<br />
• Stabilitätspolitische Maßnahmen sollen dem Verstetigungspostulat entsprechen<br />
• Schwankungen der Makrovariablen sollen nicht nur von der Nachfrageseite entgegengewirkt werden,<br />
sondern auch durch eine entsprechende Gestaltung der Angebotsbedingungen<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-6
III Stabilisierungspolitik<br />
7 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
7.1 Begriffsabgrenzung und Entwicklung<br />
• Stabilisierungspolitik = Maßnahmen des Staates zur Realisierung eines Bündels gesamtwirtschaftlicher<br />
Ziele (Preisniveaustabilität, Vollbeschäftigung, stetiges Wirtschaftswachstum, außenwirtschaftliches<br />
Gleichgewicht)<br />
• Stabilisierungspolitik umfasst ordnungs-, und prozesspolitische Maßnahmen, die geeignet sind, bereits<br />
entstandene Zielabweichungen Rückgängig zu machen<br />
• Wird eine grundsätzliche Instabilität des privaten Sektors unterstellt, sind stabilisierungspolitische<br />
Eingriffe zwingend erforderlich. (keynesianische Auffassung)<br />
• Die Notwendigkeit zu stabilisierungspolitischen Eingriffen kann allerdings auch im Fall eines<br />
grundsätzlich stabilen privaten Sektors erforderlich sein<br />
• Grundsätzliche Bezugsgrößen der Stabilitäts- bzw. Stabilisierungspolitik sind Niveaus bzw.<br />
Änderungsraten makroökonomischer Bestands- und Stromgrößen. (Sozialprodukt, Produktionspotenzial,<br />
Arbeitslosenquote, Geldmenge, Preisniveau, Wechselkurse, …, etc.)<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-7<br />
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.2 Stabilitätspolitische Konzeptionen Neoklassische Stabilisierungskonzeption (Monetarismus)<br />
Basishypothesen:<br />
1) Inhärente Stabilität des privaten Sektors<br />
• Glaube an die „Selbstheilungskräfte“ einer Volkswirtschaft<br />
- Volkswirtschaft neigt nicht eigendynamisch zu Konjunkturschwankungen<br />
- Exogene Schocks werden in gedämpfte Bewegungen abgebaut<br />
- Störungen (Ungleichgewichte) sind temporäre Natur und als solche hinzunehmen<br />
- langfristig erreicht eine Volkswirtschaft ihr Gleichgewicht (Gütermarkt, Arbeitsmarkt)<br />
• Folge: Skepsis hinsichtlich der Fähigkeit der Politik, das Marktsystem durch staatlich diskretionäre<br />
Maßnahmen zu stabilisieren („Staatsversagen“) -> „Marktoptimismus“<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-8
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.2 Stabilitätspolitische Konzeptionen Neoklassische Stabilisierungskonzeption (Monetarismus)<br />
Basishypothesen:<br />
2) Angebotstheoretische Fundierung<br />
Theoretische Basis:<br />
• „Saysches Theorem“ -> jedes Angebot schafft sich seine eigene Nachfrage<br />
- Bei der Produktion von Waren und Dienstleistungen entstehen Einkommen (bspw. Lohneinkommen)<br />
in gleicher Höhe -> kaufkräftige Nachfrage<br />
- eine gesamtwirtschaftliche Überproduktion ist somit nur vorübergehend zu erwarten<br />
- die Gefahr eines temporärer Ungleichgewichte besteht nur auf einzelnen Märkten; diese werden nach<br />
kurzer Zeit wieder abgebaut<br />
- geben private Wirtschaftssubjekte das erzielte Einkommen vollständig aus, besteht die gesamte<br />
Nachfrage nur aus Konsumnachfrage<br />
- Sparen die privaten Haushalte einen Teil Ihres Einkommens, tritt über den Zinsmechanismus an die<br />
Stelle des Konsumverzichts eine gleich hohe Investitionsnachfrage<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-9<br />
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.2 Stabilitätspolitische Konzeptionen Neoklassische Stabilisierungskonzeption (Monetarismus)<br />
Basishypothesen:<br />
3) Dominanz der Geldpolitik<br />
Theoretische Basis:<br />
• „Theorie der relativen Preise“ (klassischer Ansatz)<br />
- Struktur der Produktion wird durch das Verhältnis der Güterpreise bestimmt<br />
- Veränderung der Nachfragestruktur -> Veränderung der der Preisverhältnisse -> Veränderung der<br />
Zusammensetzung der Produktion<br />
- Steigen die Preise aller Güter infolge einer Geldmengenausweitung proportional an, hat dies keine<br />
Auswirkung auf den realen Sektor (keine Veränderung der Produktionszusammensetzung)<br />
-> „Neutralität des Geldes“ (bzw. naive Quantitätstheorie)<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-10
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.2 Stabilitätspolitische Konzeptionen Neoklassische Stabilisierungskonzeption (Monetarismus)<br />
Basishypothesen:<br />
3) Dominanz der Geldpolitik<br />
Theoretische Basis:<br />
• „Theorie der relativen Preise“ (moderner Ansatz)<br />
- Änderungen der Geldmenge können kurzfristig realwirtschaftliche Effekte auslösen<br />
- Ursache: Geldmengenveränderungen stören das Vermögensgleichgewicht der Wirtschaftssubjekte<br />
- Folge: zuerst Anpassungsvorgänge bei finanziellen Aktiva, dann Anpassung des des realen<br />
Vermögens (bspw. Investitionstätigkeit)<br />
- Aufgrund von Rückkopplungseffekten werden realwirtschaftliche Effekte wieder rückgängig gemacht<br />
- Folge: Geldmengenänderungen wirken sich langfristig nur auf Erhöhungen des Preisniveaus aus<br />
-> starke Betonung der Preisniveaustabilität, da Inflation zu Fehlallokationen der Produktionsfaktoren<br />
führt. Dies führt langfristig zu geringerem Wachstum und zu geringerer Beschäftigung. Die Geldpolitik<br />
soll so gestaltet werden, dass die Preisniveaustabilität aufrecht erhalten wird.<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-11<br />
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.2 Stabilitätspolitische Konzeptionen Neoklassische Stabilisierungskonzeption (Monetarismus)<br />
Stabilisierungspolitische Konsequenzen: -> langfristige Orientierung<br />
• Annahme eines stabilen privaten Sektors -> keine Notwendigkeit für diskretionäre Eingriffe des Staates<br />
in den Wirtschaftskreislauf (Laissez-faire-Staatsauffassung)<br />
• Instabilitäten sind die Folge interventionistischer Eingriffe des Staates in die Marktprozesse<br />
• Prozesspolitik (Konjunkturpolitik) wird abgelehnt<br />
• Betonung der Ordnungspolitik -> Staat soll den ordnungskonformen Rahmen für das Funktionieren des<br />
Marktsystems schaffen (Wettbewerbsgesetzgebung, Deregulierung, Schaffung eines investitionsfreundlichen<br />
Klimas etc.)<br />
• Vermeidung von Staatsdefiziten und Sicherung der Geldwertstabilität<br />
• Sicherung der Preisniveaustabilität -> stetige und berechenbare Geldpolitik<br />
• Ablehnung staatlicher Vollbeschäftigungsgarantien -> Tarifpartner übernehmen mit Lohnpolitik<br />
Verantwortung für den Beschäftigungsstand in der Volkswirtschaft<br />
• Der Fiskalpolitik kommt keine aktive stabilisierungspolitische Verantwortung zu<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-12
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.2 Stabilitätspolitische Konzeptionen Neoklassische Stabilisierungskonzeption (Monetarismus)<br />
Stabilisierungspolitische Konsequenzen: -> langfristige Orientierung<br />
PP<br />
PP<br />
Y<br />
Staatsauffassung:<br />
• Liberalistisch, (weniger Staat)<br />
Politikbereich:<br />
• Ordnungspolitik<br />
Zielpriorität:<br />
• Preisniveaustabilität<br />
Zeit<br />
Strategie:<br />
• verstetigend potenzialorientiert,<br />
regelgebunden, Wachstumspolitik<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-13<br />
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.2 Stabilitätspolitische Konzeptionen Keynesianisches Stabilisierungskonzeption<br />
Basishypothesen:<br />
1) Inhärente Instabilität des privaten Sektors<br />
• Wirtschaftliche Störungen sind immanente Bestandteile von Marktwirtschaften; es besteht eine<br />
Tendenz zum Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung; Marktkräfte allein können wirtschaftliche Schocks<br />
nicht beseitigen<br />
- nicht funktionsfähiger Wettbewerb aufgrund der Unvollkommenheit der Märkte -> Preis- und<br />
Lohnstarrheit<br />
- instabile Verhalten der Wirtschaftssubjekte<br />
-> sich ständig ändernde Investitionstätigkeit privater Wirtschaftssubjekte führt zu Konjunkturzyklen<br />
-> instabile Liquiditätsneigung privater Wirtschaftssubjekte führt zu Schwankungen der<br />
Geldnachfrage<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-14
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.2 Stabilitätspolitische Konzeptionen Keynesianisches Stabilisierungskonzeption<br />
Basishypothesen:<br />
2) Nachfrageorientierte Fundierung<br />
• Die instabil gesamtwirtschaftliche Nachfrage dominiert das Geschehen in einer Volkswirtschaft<br />
• Die güterwirtschaftliche Nachfrage entscheidet über die Höhe der Produktion und des<br />
Beschäftigungsgrades<br />
• Die Nachfrage schafft sich ihr Angebot<br />
• Typisch für reife Volkswirtschaften ist Nachfragemangel -> Kontraktions-/ Deflationslücken<br />
3) Dominanz der Nachfrageorientierte Fundierung<br />
• Fiskalpolitik wird dominante Rolle bei der Stabilisierung der Wirtschaft zugeschrieben<br />
• Geldpolitik der Zentralbank hat nur eine untergeordnete Bedeutung<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-15<br />
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.2 Stabilitätspolitische Konzeptionen Keynesianisches Stabilisierungskonzeption<br />
Stabilisierungspolitische Konsequenzen: -> kurzfristige Orientierung<br />
• Annahme eines instabilen privaten Sektors -> Eingreifen des Staates ist erforderlich<br />
(interventionistische Staatsauffassung)<br />
• Untergeordnete Bedeutung der Ordnungspolitik und Betonung der Prozesspolitik<br />
• Das wirtschaftspolitische Ziel der Vollbeschäftigung hat Priorität; der Staat trägt Verantwortung<br />
für die Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung<br />
• Erfordernis einer diskretionären (antizyklischen) Konjunkturpolitik (expansiver<br />
Instrumenteneinsatz in Rezessionen, kontraktive Maßnahmen währen Boomphasen) -> Glättung<br />
der Schwankungen der gesamt-wirtschaftlichen Nachfrage<br />
• Besondere Bedeutung der Fiskalpolitik<br />
- Steuersenkungen während Rezession, Steuererhöhungen während Boomphasen<br />
- antizyklische Handhabung der Staatsausgaben<br />
• Geldpolitik nimmt lediglich eine flankierende Rolle ein<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-16
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.2 Stabilitätspolitische Konzeptionen Keynesianisches Stabilisierungskonzeption<br />
Stabilisierungspolitische Konsequenzen: -> kurzfristige Orientierung<br />
PP<br />
PP<br />
Staatsauffassung:<br />
• interventionistisch (mehr Staat)<br />
Y<br />
Politikbereich:<br />
• Prozesspolitik<br />
Zielpriorität:<br />
• Vollbeschäftigung<br />
Zeit<br />
Strategie:<br />
• antizyklisch, zyklusorientiert, diskretionär,<br />
Konjunkturpolitik<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-17<br />
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.2 Stabilitätspolitische Konzeptionen<br />
Stabilisierungspolitische Konsequenzen: Zusammenfassung<br />
Merkmale<br />
Neoklassiker<br />
Keynesianer<br />
• (In) Stabilität des<br />
privaten Sektors<br />
Stabilität,<br />
„Marktoptimisten“<br />
Instabilität,<br />
„Marktpessimisten“<br />
Basishypothese<br />
• Theoretische<br />
Fundierung<br />
angebotsorientiert,<br />
langfristig (Trend),<br />
preistheoretisch,<br />
unendliche Bedürfnisse<br />
nachfrageorientiert,<br />
kurzfristig (Zyklus),<br />
kreislauftheoretisch,<br />
Endliche Bedürfnisse<br />
• Dominanzhypothese<br />
•Staatsauffassung<br />
Geldpolitik<br />
(„Monetaristen“)<br />
liberalistisch,<br />
„weniger Staat“<br />
Fiskalpolitik<br />
(„Fiskalisten“)<br />
interventionistisch,<br />
„mehr Staat“<br />
Stabilisierungspolitische<br />
Konzeption<br />
•Politikbereich<br />
•Zielpriorität<br />
•Strategie<br />
Ordnungspolitik<br />
Preisniveaustabilität<br />
verstetigend,<br />
potenzialorientiert,<br />
regelgebunden,<br />
Wachstumspolitik<br />
Prozesspolitik<br />
Vollbeschäftigung<br />
antizyklisch,<br />
zyklusorientiert,<br />
diskretionär,<br />
Konjunkturpolitik<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-18
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.3 Stabilitätspolitische Zielsetzungen<br />
Lernziele:<br />
• Erkennen, dass rationale Stabilisierungspolitik die Definition und Operationalisierung von<br />
Stabilitätszielen voraussetzt<br />
• Begreifen, dass sich die stabilisierungspolitischen Ziele aus den gesellschaftlichen Grundwerten<br />
herleiten lassen<br />
• Die Herausbildung des magischen Vierecks bzw. Sechsecks kennen lernen und das Entstehen von<br />
Zielkonflikten erklären können<br />
• Die Problematik der Auswahl von makroökonomischen Zielvariablen und ihrer Indikatoren erkennen<br />
• Die konkrete Stabilisierungspolitischen Zielsetzungen der Bundesrepublik Deutschland kennen lernen<br />
• Den Zusammenhang zwischen Zielen und Politikbereichen kennen lernen<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-19<br />
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.3 Stabilitätspolitische Zielsetzungen<br />
Das magische Viereck:<br />
Stabilitätspolitische Ziele des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes (1967)<br />
• Bund und Länder sollen bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des<br />
gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts beachten. Dementsprechend sollen folgende Zielsetzungen<br />
simultan erreicht bzw. abgesichert werden:<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-20
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.3 Stabilitätspolitische Zielsetzungen<br />
Das magische Viereck:<br />
• Bis heute unveränderte formale Gültigkeit der im Stabilitätsgesetz fixierten Zielsetzungen<br />
• Keine eindeutige Festlegung von Zielvariablen, Messwerten und Zielwerten<br />
• Bundesregierung ist verpflichtet, die im laufenden Jahr angestrebten Ziele im Rahmen des<br />
Jahreswirtschaftsberichts darzulegen<br />
• Die Anfangs durch die Bundesregierung numerisch eng festgelegten Zielgrößen wurden später durch<br />
Bandbreiten ersetzt<br />
• In der Vergangenheit gelang es oftmals nur Einzelziele des magischen Vierecks zu erreichen<br />
• Zielverfehlungen wurden oftmals als Beweis für die Instabilität des privaten Sektors angesehen<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-21<br />
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.3 Stabilitätspolitische Zielsetzungen<br />
Das magische Viereck: Ansatz der Neoklassik<br />
• Der Zielkatalog soll auf die Sicherung der Preisniveaustabilität und des hohen Beschäftigungsstandes<br />
begrenzt werden. Eine antizyklische Globalsteuerung soll vermieden werden<br />
• Wirtschaftswachstum ist ein kaum vorhersehbares Ergebnis privatwirtschaftlicher Entscheidungen<br />
• Ein quantifiziertes Wachstumsziel ist u.U. mit negativen Ankündigungseffekten verbunden. Wird es als<br />
verbindlich betrachtet kann dies Maßnahmen zur Investitions-, Konsum-, und Außenwirtschaftslenkung<br />
erfordern. Derartige Maßnahmen sind mit der dezentralisierten Entscheidungsstruktur von<br />
Marktwirtschaften schwer vereinbar<br />
• Ein angemessenes und stetiges Wirtschaftswachstum ist im Beschäftigungsziel bereits enthalten<br />
• Quantifizierung des Wirtschaftswachstums impliziert die Forderung nach einer expotentiellen Zunahme<br />
des realen Einkommensniveaus -> unrealistische Erwartungshaltung der Wirtschaftssubjekte -><br />
Verteilungsansprüche übersteigen permanent die Möglichkeiten -> Zunahme von Verteilungskämpfen<br />
-> Leistungsfähigkeit der Wirtschaft wird langfristig überfordert<br />
• Angemessen ist ein Wachstum, dass sich aus der Dynamik einer preisniveaustabilen und<br />
vollbeschäftigten Wirtschaft ergibt<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-22
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.3 Stabilitätspolitische Zielsetzungen<br />
Das magische Viereck: Ansatz der Neoklassik<br />
• Abkehr vom außenwirtschaftlichen Gleichgewicht als eigenständige stabilitätspolitische Zielsetzung<br />
• In der Weltwirtschaft bestehende Instabilitäten können auf ein einzelnes Land übertragen werden<br />
(importierte Inflation, importierte Arbeitslosigkeit etc.) und dessen Stabilitätsbemühungen zunichte<br />
machen<br />
• Es bestehen zudem vielfach Schwierigkeiten bei der Operationalisierung der stabilitätspolitischen<br />
Zielsetzungen (bspw. Preisniveaustabilität, Beschäftigungsstand)<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-23<br />
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.3 Stabilitätspolitische Zielsetzungen<br />
Das magische Viereck: Ansatz der Keynesianer<br />
• Aufgrund der Verfehlung einer simultanen Verwirklichung der Ziele des magischen Vierecks plädierten<br />
Anhänger der keynesianischen Theorie für eine „Verfeinerung“ der antizyklischen Nachfragesteuerung:<br />
- grundsätzliche Relativierung der stabilitätspolitischen Ziele, da eine simultane Verwirklichung<br />
unmöglich erscheint (Phillips-Kurven-Ansatz). Dem Vollbeschäftigungsziel sollte absolute Priorität<br />
eingeräumt werden, während Preisniveaustabilität lediglich als sekundäres Ziel angesehen wird<br />
- das jeweils am meisten gefährdete Ziel sollte auf Basis von Ad-hoc Entscheidungen mit temporärer<br />
Priorität behandelt werden<br />
- der makroökonomische Zielkatalog sollte um das Ziel der „gerechten Einkommens- und<br />
Vermögensverteilung erweitert werden (magisches Fünfeck) bzw. nach heutiger Diskussion um das<br />
Ziel des ökologischen Gleichgewichts erweitert werden (magisches Sechseck)<br />
• Durch eine derartige Verfeinerung der antizyklischen Stabilisierungspolitik und die Beschleunigung<br />
politischer Entscheidungsprozesse sollte die Globalsteuerung entsprechend der keynesianischen<br />
Theorie verbessert werden. Nach bisherigen Erfahrungen und theoretischen Erkenntnissen erscheint es<br />
zweifelhaft, ob eine solche Politik dauerhaft Erfolg haben kann<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-24
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.3 Stabilitätspolitische Zielsetzungen<br />
Das magische Viereck: Erweiterung zum „magischen Sechseck“<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-25<br />
III Stabilisierungspolitik<br />
1 Problemstellung und Konzeptionen der Stabilisierungspolitik<br />
1.4 Zielumsetzung und Einsatz geeigneter wirtschaftspolitische Instrumente<br />
Auswahl-, Zuordnungs- und Effizienzprobleme:<br />
• Es besteht eine lange und schwer überschaubare Wirkungskette zwischen Instrumenteneinsatz und<br />
Zielvariablen -> Auswahl von schnell umsetzbaren und auf die endgültige Zielsetzung ausgerichteten<br />
Zwischenzielen<br />
• Ein kombinierter Instrumenteneinsatz aus verschiedenen Politikbereichen (Fiskal,- Geld,-<br />
Außenwirtschaftspolitik etc.) setzt Koordinierung und Abstimmung der entsprechenden<br />
Entscheidungsträger voraus. -> Dies funktioniert in föderalistischen Systemen nicht reibungslos<br />
• Der Einsatz unterschiedlicher Instrument kann zum gleichen Ergebnis führen. -> Auswahl des<br />
effizientesten Instruments unter Berücksichtigung unerwünschter Nebenwirkungen<br />
Grundsätzliche Fragestellungen (Keynesianer vs. Neoklassik):<br />
• Welche Politikbereiche dominieren bei der gesamtwirtschaftlichen Steuerung?<br />
• Welche Variablen erhalten aufgrund der unterstellten Transmissionshypothese strategisches Gewicht?<br />
• Welche Einzelinstrumente sollen bevorzugt eingesetzt und wie sollen diese quantitativ und zeitlich<br />
dosiert werden?<br />
<strong>TU</strong> <strong>Bergakademie</strong> <strong>Freiberg</strong> / LS für Internationale Wirtschaftsbeziehungen / Prof. Dr. Horst Brezinski / Allgemeine Wirtschaftspolitik 3-26