«Humor ist eine Sache des gesunden ... - Nachttopf.ch
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12/2006 CURAVIVA 9<br />
SCHWERPUNKT Kultur<br />
S<strong>ch</strong>ade einfa<strong>ch</strong>, wenn ein so wi<strong>ch</strong>tiges<br />
Element wie der Humor dem Zufall<br />
überlassen bleibt. Wenn wir in sol<strong>ch</strong>en<br />
Momenten gezielt diesem La<strong>ch</strong>en <strong>eine</strong><br />
Bedeutung geben und dieses so au<strong>ch</strong><br />
fördern, würde si<strong>ch</strong> vieles in der<br />
Betriebskultur verändern.<br />
■ Das ruft na<strong>ch</strong> <strong>eine</strong>r Art <strong>«Humor</strong>konzept»<br />
für Institutionen.<br />
Briand: I<strong>ch</strong> vereinfa<strong>ch</strong>e es. Es geht darum,<br />
dass der Sinn für Unsinn bei denen, die<br />
in den Institutionen arbeiten, gefördert<br />
wird. Ni<strong>ch</strong>t: «Alles muss genau so<br />
laufen, wie es immer läuft.» Das «Andersdenken»<br />
soll Raum bekommen und<br />
ein Teil der Institution werden. I<strong>ch</strong><br />
erlebe die Mens<strong>ch</strong>en in den Institutionen<br />
Neuem gegenüber sehr offen.<br />
■ Dabei <strong>ist</strong> Humor in der Pflege ja<br />
k<strong>eine</strong>swegs ein neues Thema.<br />
Briand: Die erste Arbeit zum Thema<br />
<strong>«Humor</strong> und La<strong>ch</strong>en in der Pflege»<br />
wurde m<strong>eine</strong>s Wissens bereits Ende der<br />
60er Jahre von Rosi Gross in Bern<br />
ges<strong>ch</strong>rieben. Leider waren damals die<br />
herrs<strong>ch</strong>enden Paradigmen der Betriebe<br />
oftmals sehr starr.<br />
■ Wie verändert Humor das Leben in<br />
Institutionen?<br />
Briand: Humor stimuliert die Institutionskultur.<br />
La<strong>ch</strong>en löst das Gegenteil<br />
<strong>des</strong>sen aus, wofür weisse Berufskleidung<br />
steht. Weiss steht weniger für Hygiene<br />
denn als Zei<strong>ch</strong>en der Abgrenzung.<br />
La<strong>ch</strong>en hingegen ma<strong>ch</strong>t nahbarer, denn<br />
La<strong>ch</strong>en <strong>ist</strong> immer etwas Persönli<strong>ch</strong>es,<br />
das weitergegeben wird. Die Grundstimmung<br />
in der Institution verändert<br />
si<strong>ch</strong>. Die Institutionskultur wird<br />
persönli<strong>ch</strong>er. Das steigert zum <strong>eine</strong>n die<br />
Qualität, andererseits aber au<strong>ch</strong> die<br />
Verletzli<strong>ch</strong>keit. Denn Humor bedeutet<br />
immer: «I<strong>ch</strong> kann es ni<strong>ch</strong>t so verbissen<br />
nehmen.» Man <strong>ist</strong> näher am Leben dran.<br />
■ Wo <strong>ist</strong> mit Humor Vorsi<strong>ch</strong>t geboten?<br />
Briand: Dort, wo m<strong>eine</strong> Haltung ni<strong>ch</strong>t<br />
<strong>eine</strong> wohlwollende <strong>ist</strong>. Demenzkranke<br />
Mens<strong>ch</strong>en haben oftmals das Gefühl, sie<br />
würden ausgela<strong>ch</strong>t. Au<strong>ch</strong> da <strong>ist</strong> Vorsi<strong>ch</strong>t<br />
angebra<strong>ch</strong>t. Gelingt es uns aber, im Fall<br />
<strong>eine</strong>s Missverständnisses zu erklären,<br />
<strong>«Humor</strong> <strong>ist</strong> <strong>eine</strong> <strong>Sa<strong>ch</strong>e</strong> <strong>des</strong> <strong>gesunden</strong><br />
Mens<strong>ch</strong>enverstan<strong>des</strong> und ni<strong>ch</strong>t als Therapie<br />
im eigentli<strong>ch</strong>en Sinne geda<strong>ch</strong>t.»<br />
Fotos: aku<br />
warum wir la<strong>ch</strong>en, dann können<br />
Demente oft loslassen vom Bild, man<br />
la<strong>ch</strong>e sie aus. Und sie la<strong>ch</strong>en mit. La<strong>ch</strong>en<br />
hat immer au<strong>ch</strong> mit Loslassen zu tun.<br />
■ Soll au<strong>ch</strong> Galgenhumor im Klinikund<br />
Heimalltag Platz haben?<br />
Briand: Einen sehr wi<strong>ch</strong>tigen Platz.<br />
Galgenhumor dient Betreuenden und<br />
Pflegenden oft zum Verarbeiten von<br />
Situationen, die nur s<strong>ch</strong>wer zu verarbeiten<br />
sind.<br />
■ Wie bringen wir mehr Humor in<br />
unseren Arbeitsalltag hinein?<br />
Briand: Ein humorvoller Tag steht und<br />
fällt oft mit s<strong>eine</strong>m Anfang. In den<br />
me<strong>ist</strong>en Institutionen wird der<br />
Mitarbeitergarderobe<br />
zu wenig<br />
Aufmerksamkeit<br />
ges<strong>ch</strong>enkt. Persönli<strong>ch</strong>e,<br />
kreative<br />
Gestaltung s<strong>ch</strong>afft<br />
in diesem Berei<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>on mit einfa<strong>ch</strong>sten<br />
Mitteln <strong>eine</strong>n<br />
heiteren Tagesanbru<strong>ch</strong><br />
und führt die<br />
Ankömmlinge aus<br />
dem Alltagstrott.<br />
Weitere Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
zur Kreativität<br />
bieten der<br />
Znüniraum oder<br />
das Stationszimmer.<br />
I<strong>ch</strong> kenne <strong>eine</strong><br />
Institution, wo die<br />
Na<strong>ch</strong>twa<strong>ch</strong>e jeden<br />
Morgen <strong>eine</strong>n Witz erzählen muss, am<br />
besten passend zur aktuellen Arbeitssituation.<br />
Und warum werden oftmals<br />
nur S<strong>ch</strong>wierigkeiten s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong><br />
festgehalten? Es ma<strong>ch</strong>t do<strong>ch</strong> Sinn,<br />
humorgefüllte Alltagssituationen,<br />
mögen Sie no<strong>ch</strong> so skurril sein, au<strong>ch</strong><br />
für andere niederzus<strong>ch</strong>reiben. Dort, wo<br />
Humor <strong>eine</strong>n bewussten Stellenwert<br />
besitzt, dort wird von all<strong>eine</strong> mehr<br />
gela<strong>ch</strong>t. I<strong>ch</strong> habe mit m<strong>eine</strong>r Arbeit<br />
ni<strong>ch</strong>ts Neues erfunden. I<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>e<br />
nur den Humor und die Kreativität zu<br />
mobilisieren, die in uns allen vorhanden<br />
sind.<br />
■<br />
Marcel Briand<br />
Na<strong>ch</strong> abges<strong>ch</strong>lossener Lehre als Psy<strong>ch</strong>iatriepfleger absolvierte Marcel Briand (*1967) die Höhere<br />
Fa<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule für Pflege. Bevor er sein Humor-Projekt in Angriff nahm, arbeitete er fünf Jahre<br />
als Stationsleiter im Reusspark (Aargau). Heute arbeitet er in drei Berei<strong>ch</strong>en: als Begegnungsclown,<br />
indem er gezielte humorvolle Interaktionen bei Bewohnern und Mitarbeitern dur<strong>ch</strong>führt;<br />
als Unterhalter, indem er Personalanlässe, Tagungen und Kongresse mit s<strong>eine</strong>n humorvollen<br />
kabarett<strong>ist</strong>is<strong>ch</strong>en Karikaturen aus der Pflegewelt begleitet. Den wi<strong>ch</strong>tigsten Berei<strong>ch</strong> bilden<br />
zurzeit die Humorberatung von Institutionen und S<strong>ch</strong>ulungen im Berei<strong>ch</strong> der humorvollen<br />
Pflege. Weitere Infos: www.na<strong>ch</strong>ttopf.<strong>ch</strong><br />
(ak)