19.11.2013 Aufrufe

Interview mit Alfredo Tovar, Vorstandsmitglied der Kohlearbeiter ...

Interview mit Alfredo Tovar, Vorstandsmitglied der Kohlearbeiter ...

Interview mit Alfredo Tovar, Vorstandsmitglied der Kohlearbeiter ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Probleme <strong>mit</strong> dem Gehör, einige entwickeln Sehbehin<strong>der</strong>ungen. Beson<strong>der</strong>s gravierend sind die<br />

Wirbelsäulenprobleme, ausgelöst durch die Vibrationen in den Maschinen, vor allem aber durch die<br />

schweren Felsbrocken, die in die Lastwagen donnern. Die Liste <strong>der</strong> arbeitsunfähigen Arbeiter steigt<br />

deswegen kontinuierlich an. Diese werden dann einfach pensioniert. Zudem gibt es zahlreiche<br />

Unfälle, unter an<strong>der</strong>em wegen den langen Arbeitsschichten von zwölf Stunden. Die Firma verlangt<br />

nun zusätzlich, dass wir auch bei starkem Regen arbeiten. Diese unbefestigten Straßen <strong>mit</strong> dem<br />

Staub werden bei Regen jedoch zu richtigen Rutschbahnen, was das Unfallrisiko erhöht.<br />

Sie hatten diesen Sommer einen langen Streik…<br />

Schauen Sie, ich arbeite seit 22 Jahren in <strong>der</strong>selben Mine. Glencore hat sie vor sechs Jahren<br />

gekauft. In den 15 Jahren unter Carbones del Caribe hatten wir einmal einen schweren<br />

Arbeitskonflikt, in den sechs Jahren unter Glencore schon <strong>der</strong>er drei, das heißt bei je<strong>der</strong> neuen<br />

Kollektivverhandlung! Im vergangenen Sommer streikten wir fast 40 Tage, am Schluss wurde unser<br />

Protest brutal unterdrückt. Unsere Frauen und Kin<strong>der</strong> hatten den Streik unterstützt und mehrere<br />

Eingänge zum Minengelände blockiert. Die Polizeison<strong>der</strong>einheiten ESMAD erhielten dann den Befehl,<br />

diese Blockaden zu räumen. Sie taten dies <strong>mit</strong> aller Härte. Frauen – darunter Schwangere – und<br />

Kin<strong>der</strong> wurden geschlagen, litten unter dem Tränengas. Sie versuchten auch da, Führungspersonen<br />

des Streiks zu provozieren, um sie dann festnehmen zu können und sie vor Gericht zu bringen. Das<br />

brutale Vorgehen des ESMAD hat aber nicht nur uns geschadet, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Firma, und wir alle<br />

waren nach so langem Protest erschöpft, Arbeiter wie Unternehmen. Glencore hat dann das<br />

Verhandlungsangebot etwas verbessert und wir haben etwas nachgegeben, und so konnte eine<br />

halbwegs befriedigende Einigung erzielt werden.<br />

Sie haben eingangs die Armut in <strong>der</strong> Region angesprochen. Wie ist die soziale Lage in <strong>der</strong> Region?<br />

Die Situation bleibt angespannt. Einerseits sind die Dienstleistungen in den Dörfern schlecht, Wasser<br />

und Abwasserversorgung unzuverlässig o<strong>der</strong> manchmal überhaupt nicht vorhanden. Die Abgaben aus<br />

dem Kohlebergbau versickert in <strong>der</strong> Korruption <strong>der</strong> lokalen Gemeindeverwaltungen und in den<br />

Taschen illegaler bewaffneter Akteure. Zudem bezahlt Glencore nur fünf Prozent Abgaben und<br />

tätigt darüber hinaus sehr wenig soziale Investitionen. Die Minen haben viele Arbeiter aus an<strong>der</strong>en<br />

Regionen angezogen, und diese Arbeiter verdienen relativ gut verglichen <strong>mit</strong> <strong>der</strong> lokalen<br />

Bevölkerung. Dadurch stiegen die Preise für Nahrungs<strong>mit</strong>tel. Hausbesitzer erhöhen die Mieten. Das<br />

Leben für die lokale Bevölkerung, die keine gutbezahlten Jobs hat, wird so sehr teuer. Plötzlich<br />

reicht das Geld dann nicht mehr für die Schule. Insbeson<strong>der</strong>e Mädchen sind davon betroffen. Viele<br />

gehen dann aus sozialer Not in die Prostitution. Es ist keine Seltenheit, elf- o<strong>der</strong> zwölfjährige<br />

Mädchen auf dem Straßenstrich o<strong>der</strong> schon <strong>mit</strong> einem Kind auf dem Arm zu sehen. Das ist einer <strong>der</strong><br />

Gründe, warum wir von den Unternehmen mehr Investitionen in das Bildungswesen for<strong>der</strong>n. Die<br />

Vorgängerfirma von Glencore finanzierte ein Schulrestaurant. Glencore hat die Finanzierung<br />

eingestellt.<br />

Wie ist die Lage <strong>der</strong> Gesundheit <strong>der</strong> Bevölkerung, die Umweltauswirkungen <strong>der</strong> Minen?<br />

Wir haben eine enorme Staubbelastung, viele Bewohner haben Atemswegserkrankungen o<strong>der</strong><br />

Hautkrankheiten. Die Krankenhäuser <strong>der</strong> Region haben eine Zunahme verschiedener Erkrankungen<br />

festgestellt. Die Leute nennen es oft „Grippe“, aber Auslöser ist die Kontamination durch die<br />

Kohlenminen. Auch die Flüsse werden verunreinigt. Am Grund <strong>der</strong> Minen sammelt sich ein sehr<br />

saures Wasser an, Grundwasser das durch die Kohle hindurch sickert und Schwefel und an<strong>der</strong>es<br />

enthält. Dieses Wasser zerstört Metallrohre in kurzer Zeit, sie werden von <strong>der</strong> Korrosion zerfressen.<br />

Dieses Wasser wird in die Flüsse geleitet. Aber auch die Landwirtschaft und Viehzucht leidet. Zum<br />

einen, weil die Minen sehr viel Land weggenommen haben, und zum an<strong>der</strong>en weil die<br />

Verschmutzung das Wachstum behin<strong>der</strong>t. Das Vieh frisst verunreinigtes Gras, wird krank und stirbt<br />

früher. Ein beson<strong>der</strong>es Problem stellt <strong>der</strong> Kohlezug dar. Die Bergbauunternehmen haben die<br />

bestehende Zugstrecke auf zwei Spuren ausgebaut. Das hat die Lärm- und Vibrationsbelastung in<br />

den Dörfern erhöht. Viele Häuser habe starke Risse in den Wänden. Um den zweiten Schienenstrang<br />

zu legen, wurden <strong>mit</strong>ten in den Siedlungen recht hohe Mauern gebaut. Bei den starken Regenfällen<br />

<strong>der</strong> aktuellen Regenzeit konnte deshalb das Wasser nicht schnell abfliessen. Es kam zu großen<br />

Überschwemmungen. Dadurch wurden auch die Trinkwasserbrunnen <strong>der</strong> Leute verunreinigt. All<br />

diese Probleme haben wir 2009 aufgegriffen und <strong>mit</strong> <strong>der</strong> ganzen betroffenen Bevölkerung zusammen<br />

For<strong>der</strong>ungen erarbeitet, um diese Missstände zu beheben. Diese For<strong>der</strong>ungen haben wir letzten

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!