Unabhängig von Rom ....pdf - MJB-Verlag Mehr
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<strong>Unabhängig</strong> <strong>von</strong> <strong>Rom</strong> und doch Katholisch<br />
-Vorüberlegungen für eine<br />
Kurzgefasste Geschichte der Alt – Katholiken<br />
in Deutschland-<br />
zusammengestellt <strong>von</strong><br />
Manfred Backhausen<br />
Alt – Katholisch – Was ist das?<br />
Was also ist die „Altkatholische Kirche in Deutschland“? Das<br />
»Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland«, wie es<br />
staatskirchenrechtlich korrekt heißt, ist eine<br />
autonome,<br />
bischöflich-synodal verfasste,<br />
katholische<br />
Kirche, die sich zur Vielfalt und zu den wesentlichen Lehren und<br />
Institutionen der alten, ungeteilten Kirche des 1. Jahrtausends bekennt.<br />
Sie hat ihren Ursprung in verschiedenen innerkatholischen<br />
Reformbewegungen, wie etwa dem Konziliarismus 1 , Gallikanismus 2 ,<br />
Jansenismus 3 , der Kirche <strong>von</strong> Utrecht 4 , dem Febronismus 5 ,<br />
Josefinismus 6 und den Wessenbergschen 7 Reformen 8<br />
Im Jahre 1768 hatte auch der Kölner Erzbischof die „Emser Punktation“<br />
mit unterzeichnet, in welcher der Papst aufgefordert wurde, sich mit den<br />
Rechten zu begnügen, die er vor den Pseudo-Isidor´schen Fälschungen 9<br />
besessen hatte und das er den Bischöfen die alten Rechte zurückgebe 10 .<br />
1 Bewegung im 15. Jahrhundert, welche als oberstes Organ der Kirche das Konzil ansah:<br />
2 Verteidigung der alten rechte der französischen Kirche gegen die Eingriffe des Papstes;<br />
3 benannt nach Cornelius Jansen, Bischof <strong>von</strong> Ypern (gest. 1638); kirchliche Reformen nach Innen;<br />
4 verteidigte die seit dem Mittelalter anerkannte weitgehende <strong>Unabhängig</strong>keit des Utrechter Domkapitels<br />
gegenüber dem Papst;<br />
5 nach Febronius, Pseudonym für Johannes Nikolaus <strong>von</strong> Hontheim, Weihbischof <strong>von</strong> Trier (gest. 1790);<br />
forderte die Wiederherstellung der altkirchlichen Verfassung<br />
6 Reformversuche Kaiser Josef II <strong>von</strong> Österreich (gest. 1790), u.a. zur Stärkung der Bischöfe gegenüber dem<br />
Papst;<br />
7 Ignaz Heinrich <strong>von</strong> Wessenberg (1774 - 1860), Konstanzer Bistumsverwesers, forderte u.a. die<br />
Widerherstellung der bischöflich-landeskirchlichen Kirchenordnung;<br />
8 Erläuterungen in den Fußnoten nach: Urs Küry, Kirchengeschichte und kleine Unterscheidungslehre für den<br />
Christkatholischen Unterricht, Christkatholischer Schriftenverlag, Allschwil, 1968, Seiten 26ff;<br />
9 eine der gefälschten Urkunden auf deren Basis sich der Machtanspruch des römischen Papstes und der<br />
päpstliche Kirchenstaat sich gründeten;
Aber am 18. Juli 1870 verkündete Papst Pius IX. auf dem sog. Ersten<br />
Vatikanischen Konzil die Bulle »Pastor Aeternus« 11 . In dieser Bulle<br />
definierte er folgende beiden Dogmen 12 .<br />
1) Jurisdiktionsprimat des Papstes<br />
deutsche Übersetzung<br />
Wer daher sagt, der römische Papst habe lediglich<br />
das Amt der Aufsicht oder Führung, nicht aber die<br />
volle und höchste Jurisdictions-Gewalt über die<br />
ganze Kirche, nicht nur in Sachen des Glaubens<br />
und der Sitte, sondern auch in Sachen, welche die<br />
Disciplin und die Regierung der über die ganze<br />
Erde verbreiteten Kirche betreffen; oder derselbe<br />
besitze nur den bedeutenderen Anteil, nicht aber<br />
die ganze Fülle dieser höchsten Gewalt; oder<br />
diese seine Gewalt sei keine ordentliche und<br />
unmittelbare, sei es über alle und jegliche Kirchen,<br />
oder über alle und jegliche Hirten und Gläubige:<br />
der sei im Banne.<br />
2) Unfehlbarkeit des Papstes<br />
deutsche Übersetzung<br />
Indem Wir daher an der vom Anbeginne des<br />
christlichen Glaubens überkommenen<br />
Ueberlieferung treu festhalten, lehren Wir, mit<br />
Zustimmung des heiligen Concils, zur Ehre Gottes<br />
unseres Heilandes, zur Erhöhung der katholischen<br />
Religion und zum Heile der christlichen Völker,<br />
und erklären es als einen <strong>von</strong> Gott geoffenbarten<br />
Glaubenssatz: dass der römische Papst, wenn er<br />
<strong>von</strong> seinem Lehrstuhle aus (ex cathedra) spricht,<br />
das heisst, wenn er in Ausübung seines Amtes als<br />
Hirte und Lehrer aller Christen, kraft seiner<br />
höchsten apostolischen Gewalt, eine <strong>von</strong> der<br />
gesamten Kirche festzuhaltende, den Glauben<br />
oder die Sitten betreffende Lehre entscheidet,<br />
vermöge des göttlichen, im heiligen Petrus ihm<br />
verheissenen Beistandes, jene Unfehlbarkeit<br />
besitzt, mit welcher der göttliche Erlöser seine<br />
Kirche in Entscheidung einer den Glauben oder<br />
die Sitte betreffenden Lehre ausgestattet wissen<br />
wollte, und dass daher solche Entscheidungen<br />
des römischen Papstes aus sich selbst, nicht aber<br />
erst durch die Zustimmung der Kirche,<br />
unabänderlich sind. So aber Jemand dieser<br />
Unserer Entscheidung, was Gott verhüte, zu<br />
widersprechen wagen sollte: der sei im Banne.<br />
lateinischer Urtext<br />
Si quis itaque dixerit, <strong>Rom</strong>anum Pontificem habere<br />
tantummodo officium inspectionis vel directionis,<br />
non autem plenam et supremam potestatem<br />
iurisdictionis in universam Ecclesiam, non solum in<br />
rebus, quae ad fidem et mores, sed etiam in iis,<br />
quae ad disciplinam et regimen Ecclesiae per<br />
totum orbem diffusae pertinent; aut eum habere<br />
tantum potiores partes, non vero totam<br />
plenitudinem huius supremae potestatis; aut hanc<br />
eius potestatem non esse ordinariam et<br />
immediatam sive in omnes ac singulas ecclesias,<br />
sive in omnes et singulos pastores et fideles;<br />
anathema sit.<br />
lateinischer Urtext<br />
Itaque Nos traditioni a fidei Christianae exordio<br />
perceptae fideliter inhaerendo, ad Dei Salvatoris<br />
nostri gloriam, religionis Catholicae exaltationem et<br />
Christianorum populorum salutem, sacro<br />
approbante Concilio, docemus et divinitus<br />
revelatum dogma esse definimus: <strong>Rom</strong>anum<br />
Pontificem, cum ex Cathedra loquitur, id est, cum<br />
omnium Christianorum Pastoris et Doctris munere<br />
fungens, pro suprema sua Apostolica auctoritate<br />
doctrinam de fide vel moribus ab universa Ecclesia<br />
tenendam definit, per assistentiam divinam, ipsi in<br />
beato Petro promissam, ea infallibilitate pollere,<br />
qua divinus Redemptor Ecclesiam suam in<br />
definienda doctrina de fide vel moribus instructam<br />
esse voluit; ideoque eiusmodi Ramani Pontifices<br />
definitiones ex sese, non autem ex consensu<br />
Ecclesiae irreformabiles esse. Si quis autem huic<br />
Nostrae definitioni contradicere, quod Deus<br />
avertat, praesumpserit; anathema sit.<br />
10 Urs Küry, Kirchengeschichte und kleine Unterscheidungslehre für den Christkatholischen Unterricht,<br />
Christkatholischer Schriftenverlag, Allschwil, 1968, Seite 34;<br />
11 lat. = der ewige Hirte<br />
12 zitiert nach: Schulte, Friedrich Johann <strong>von</strong>: "der Altkatholizismus", Giessen 1887, S. 5 und 7 (deutsch) und S.<br />
12 f. (lateinisch)
Viele Bischöfe und Erzbischöfe hatten gegen diese neuen Dogmen<br />
angekämpft. So hatte u.v.a. der damalige Kölner Erzbischof Melchers<br />
erklärt: „...Ich kann der beantragten Definition der Unfehlbarkeit des<br />
Papstes aus verschiedenen Gründen nicht zustimmen...Bisher war es<br />
aber in der Kirche Gottes niemals Sitte, noch wurde es für Recht<br />
gehalten, neue dogmatische Definitionen zu schaffen ohne einmütige –<br />
mindestens moralische – Übereinstimmung (Konsens) aller im Konzil<br />
Sitz habenden Bischöfe. 13 “ Doch wie alle protestierenden Bischöfe<br />
beugte er sich schließlich dem päpstlichen Diktat und unternahm<br />
zugleich Maßnahmen gegen diejenigen Laien und Geistlichen, die nicht<br />
bereit waren, diese Dogmen zu akzeptieren. Diese wurden umgehend<br />
exkommuniziert, was sie z.B. <strong>von</strong> den Sakramenten ausschloß; die<br />
Priester verloren ihre Pfarrstellen usw.! Bei den Laien handelte es sich<br />
häufig um führende Wissenschaftler, Staatsrechtler, Unternehmer,<br />
ehemalige Abgeordnete des Paulskirchenparlaments <strong>von</strong> 1848 etc.,<br />
weshalb die spätere Alt-Katholische Kirche oft polemisch als<br />
„Professoren- oder Honoratiorenkirche“ bezeichnet wurde. 1870<br />
„entstanden“ überall im deutschsprachigen Raum Not -<br />
Kirchengemeinden derjenigen katholischen Christen, welche die neuen<br />
Glaubenssätze (Dogmen) <strong>von</strong> der Unfehlbarkeit des Papstes und<br />
seinem Jurisdiktionsprimat aus ihrem Gewissen heraus nicht annehmen<br />
konnten, sondern beim „alten“ Glauben blieben. Aus der Berufung auf<br />
den „alten“ katholischen Glauben vor den Papstdogmen erwuchs der<br />
allgemein übliche Name „Alt-Katholiken“. Es wäre daher auch falsch <strong>von</strong><br />
einer „Gründung“ zu sprechen. Der alt-katholische Bischof Joachim<br />
Vobbe führte dazu im Jahre 2005 aus: „...Unser Bistum ist eine<br />
ungewollte Sache...Weder Joseph Hubert Reinkens 14 , noch Friedrich <strong>von</strong><br />
Schulte 15 , noch auch irgend ein Kongreß konnte und wollte 1873 einfach<br />
eine neue Kirche gründen...Wohl ist im Jahre 1873 durch die Wahl eines<br />
Bischofs durch ein katholisches Kirchenvolk und durch seine Weihe ein<br />
Bistum entstanden, das es vorher so nicht gab. Aber ich füge auch gleich<br />
hinzu: Es ist ein ungewolltes Bistum..." 16 !<br />
Die Alt-Katholiken berufen sich bei ihrer Verteidigung der „alten“ Kirche<br />
u.a. auf einen Lehrsatz des französischen Kirchenvaters Vinzenz <strong>von</strong><br />
Lerin aus dem Jahre 434: „...Ebenso muß man in der katholischen<br />
Kirche selber sehr dafür Sorge tragen, daß wir das festhalten, was<br />
überall und immer, was <strong>von</strong> Allen geglaubt worden ist...“ 17 ! Nach<br />
13 nach Wolfgang Krahl, Ökumenischer Katholizismus, Alt-Katholische Orientierungspunkte und Texte aus zwei<br />
Jahrtausenden, St. Cyprian, Bonn, 1970, Seite 127;<br />
14 erster alt-katholischer Bischof in deutschland (...)<br />
15 bekannter katholischer Kirchenrechtler und einer der „Gründungsväter“ des deutschen Alt-Katholizismus (...)<br />
16 Joachim Vobbe, Predigt des Bischos in „Jürgen Wenige....., seite 59<br />
17 zitiert nach: Des heil. Vincenz <strong>von</strong> Lerin Commonitorium, übersetzt <strong>von</strong> Ukrich Uhl, Kempten, <strong>Verlag</strong> der<br />
Jos. Kösel´schen Buchhandlung, 1870
Auffassung der Alt-Katholiken können Entscheidungen in<br />
Glaubensfragen ausschließlich <strong>von</strong> einem wirklichen ökumenischen<br />
Konzil, also unter Beteiligung aller christlichen Kirchen getroffen werden.<br />
Sie erkennen daher auch nur die ersten 7 ökumenischen Konzile der<br />
ungeteilten Kirche an; hierbei sind sie sich im Grundsatz einig mit den<br />
orthodoxen und anglikanischen Kirchen.<br />
In kritischer Auseinandersetzung mit den historischen Zeugnissen der<br />
frühen Christenheit entwickelten die Väter der alt-katholischen<br />
Bewegung eine bischöflich-synodale Kirchenverfassung, die das<br />
historische Bischofs- und Priesteramt auf allen Ebenen kombiniert mit<br />
demokratischen Elementen.<br />
Von Anfang an wurde das Gespräch mit anderen Kirchen gesucht. Diese<br />
Gespräche führten<br />
im Jahre 1889 zur Gründung der Utrechter Union,<br />
im Jahre 1931 zu voller Kirchengemeinschaft mit den<br />
anglikanischen Kirchen und<br />
1985 zu einer Vereinbarung mit der Evangelischen Kirche in<br />
Deutschland (EKD) über eine gegenseitige Einladung zur<br />
Teilnahme an der Feier des Herrenmahles (Eucharistiefeier).<br />
Für die Geistlichen gibt es keine Verpflichtung zur Ehelosigkeit. Die<br />
meisten Geistlichen, auch der Bischof, sind verheiratet und haben<br />
Kinder. Seit 1994 sind Frauen zu allen ordinierten Ämtern zugelassen.<br />
Die erste Weihe <strong>von</strong> Priesterinnen fand am Pfingstmontag 1996 statt.<br />
Das Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland zählt etwa<br />
15.000 Mitglieder (und eine nicht gezählte Anhängerschaft) und ist eine<br />
Körperschaft öffentlichen Rechts.<br />
Für die Ausbildung <strong>von</strong> Theologiestudierenden gibt es an der Universität<br />
Bonn ein Alt-Katholisches Seminar und als Einrichtung des Bistums das<br />
Bischöfliche Seminar "Johanneum".<br />
In der Utrechter Union (UU) haben sich verschiedene selbständige<br />
katholische Kirchen in Europa zusammengeschlossen. Am 24.<br />
September 1889 trafen die Bischöfe der alt-katholischen Kirchen der<br />
Niederlande, Deutschlands und der Schweiz in Utrecht zusammen, um<br />
dem bis dahin gewachsenen Band der Einheit gemeinsam Ausdruck und<br />
Form zu geben. An diesem Tag veröffentlichten sie die Utrechter<br />
Erklärung und legten damit die Grundlage für das gemeinsame<br />
Bekenntnis der Utrechter Union.
Zu gleicher Zeit wurde ein Abkommen aufgestellt über den amtlichen<br />
Verkehr der Bischöfe und der <strong>von</strong> ihnen geleiteten und repräsentierten<br />
Kirchen. Darin wird festgelegt, daß die Kirchen in voller kirchlicher<br />
Gemeinschaft miteinander stehen auf Grund ihrer Annahme der<br />
Utrechter Erklärung.<br />
Um diese Gemeinschaft <strong>von</strong> nationalen Kirchen aufrechterhalten zu<br />
können, kommen die Bischöfe regelmäßig als »Internationale<br />
Bischofskonferenz« (IBK) zusammen. Diese Bischofskonferenz ist<br />
zuständig, in Übereinstimmung mit den angeschlossenen Kirchen alle<br />
Angelegenheiten der Lehre und des Lebens der Kirchen zu behandeln,<br />
sowie für die Beziehungen zu anderen Kirchen, ohne sich dabei in die<br />
Jurisdiktion der einzelnen Kirchen einzumischen.<br />
Heute gehören die nachfolgenden Kirchen zur Utrechter Union:<br />
Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland<br />
Oud-Katholieke Kerk van Nederland 18 (Alt-Katholische Kirche der<br />
Niederlande 19 )<br />
Christkatholische Kirche der Schweiz 20<br />
Altkatholische Kirche Österreichs 21<br />
Starokatolická Církev v CR (Alt-Katholische Kirche in der<br />
Tschechischen Republik) 22<br />
(Polnisch-Katholische Kirche) 23<br />
Kroatische Katholische Kirche<br />
unter der Jurisdiktionen der IBK stehen bzw. standen:<br />
Diaspora Cattolica Cristiana in Italia (Christkatholische<br />
Diaspora in Italien) 24<br />
Eglise Vieille-catholique (Union d'Utrecht), France 25<br />
Alt-Katholische Kirche in Skandinavien (Schweden und<br />
Dänemark)<br />
Mit der früheren Mitgliedskirche „Alt-Katholische Kirche der<br />
Mariawiten“ in Polen 26 besteht zurzeit wieder Kontakt. Dies<br />
gilt auch für alt-katholische Gemeinden in einigen<br />
Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens.<br />
18 weitere Informationen zu dieser Kirche unter http://...<br />
19 der staatskirchenrechtlich Name der Kirche lautet bis zjm heutigen Tage „Römisch-Katholische Kirche der altbischöflichen<br />
Klerisei“; eine andere gängige Bezeichnung lautet „Kirche <strong>von</strong> Utrecht“;<br />
20 weitere Informationen zu dieser Kirche unter http://...<br />
21 weitere Informationen zu dieser Kirche unter http://...<br />
22 weitere Informationen zu dieser Kirche unter http://... (Radio Prag)<br />
23 weitere Informationen zu dieser Kirche unter http://...<br />
24 weitere Informationen unter http://...<br />
25 weitere Informationen unter http://...<br />
26 weitere Informationen zu dieser Kirche unter http://...Deutsch
Die über Jahrzehnte zur Utrechter Union gehörige Polish<br />
National Catholic Church (PNCC) 27 in den USA und Kanada<br />
hatte denjenigen alt-katholischen und anglikanischen<br />
Kirchen, welche die Frauenordination eingeführt haben, die<br />
Sakramentsgemeinschaft aufgekündigt und gehört daher<br />
nicht mehr zur Utrechter Union.<br />
Die Bischofskonferenz steht seit einigen Jahren in Kontakt<br />
mit der ‚Old Catholic Church of British Columbia’ (Zentrum:<br />
Vancouver/Kanada), die um Aufnahme in die Utrechter Union<br />
ersucht hat. Während dieser Zeit wurden gemäß den<br />
Richtlinien der IBK umfangreiche Abklärungen getroffen. Da<br />
die Bischofskonferenz einerseits der Meinung ist, dass eine<br />
positive Entwicklung möglich ist, andererseits im Bezug auf<br />
Theologie und Weihen weiterer Klärungsbedarf besteht,<br />
wurde beschlossen, der Old Catholic Church of British<br />
Columbia für einen Zeitraum <strong>von</strong> sechs Jahren einen an<br />
Bedingungen geknüpften Status in der IBK zu gewähren, der<br />
es beiden Seiten ermöglicht, einander besser kennen zu<br />
lernen. Durch die Weihe eines eigenen Bischofs durch einen<br />
Vaganten-Bischof wurde das Übereinkommen ad absurdum<br />
geführt.<br />
Da immer wieder Anfragen <strong>von</strong> sogenannten<br />
„altkatholischen“ Gruppierungen aus den USA eingehen, hat<br />
die IBK einen umfassenden Bericht über diese Gruppen<br />
veranlasst. Der an der Sitzung vorliegende Bericht hat<br />
allerdings weitere Fragen über die Art und die Größe dieser<br />
Gruppen aufgeworfen, die weiterer Abklärungen bedürfen.<br />
Dabei ist Dr. Tom Ferguson <strong>von</strong> der Episcopal Church in den<br />
USA eine große Hilfe. Weiter befasste sich die IBK auch mit<br />
der Gemeinde in Toronto, die sich <strong>von</strong> der PNCC getrennt<br />
hat. Sie wurde <strong>von</strong> Monsignore B. Maan besucht, der einen<br />
umfassenden Bericht vorlegte. Die Situation ist sehr<br />
unerfreulich, da die Gemeinde und einzelne Personen immer<br />
wieder <strong>von</strong> der PNCC gerichtlich verfolgt werden. Es wurde<br />
beschlossen, die Gemeinde als alt-katholische Gemeinde,<br />
die zur Utrechter Union gehört, anzuerkennen. Ein Bischof<br />
der IBK wird als zuständiger Delegat ernannt, die<br />
bischöflichen Aufgaben wird aber ein Bischof der Episcopal<br />
Church vor Ort übernehmen. Allerdings wird die IBK keine<br />
finanziellen oder rechtlichen Verpflichtungen für die<br />
Gemeinde übernehmen. Dies wurde der Gemeinde bereits<br />
27 weitere Informationen zu dieser Kirche unter http://...
im letzten Jahr so mitgeteilt und an der diesjährigen Sitzung<br />
aufgrund des Berichtes noch einmal bestätigt 28 .<br />
Schon während der Anfangsphase der alt-katholischen Bewegung wird<br />
nicht nur der Protest gegen die neuen Papstdogmen hervorgehoben,<br />
sondern auch die Unzufriedenheit über die vorhandenen<br />
Kirchenspaltungen. Der zweite Alt-Katholikenkongreß in Köln z. B.<br />
beschließt am 21. September 1872:<br />
Der Kongreß wiederholt den in den Münchener Programmen <strong>von</strong><br />
Pfingsten und vom September 1871 enthaltenen Ausdruck der<br />
Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der jetzt getrennten christlichen<br />
Glaubensgenossenschaften. Er spricht den Wunsch aus, daß die<br />
Theologen aller Konfessionen diesem Punkte ihre Aufmerksamkeit<br />
zuwenden mögen, und ernennt eine Kommission, welcher der Auftrag<br />
erteilt wird:<br />
1. sich mit den bereits bestehenden oder sich bildenden<br />
Vereinen zur Hebung der kirchlichen Spaltung in Beziehung<br />
zu setzen;<br />
2. wissenschaftliche Untersuchungen über die vorhandenen<br />
Differenzen und die Möglichkeit ihrer Beseitigung anzustellen<br />
und zu veranlassen und die Veröffentlichung der Ergebnisse<br />
dieser Untersuchungen in wissenschaftlichen Werken und<br />
Zeitschriften zu erleichtern;<br />
3. durch populäre Schriften und Aufsätze die Kenntnis der<br />
Lehren, Einrichtungen und Zustände der getrennten Kirchen<br />
und Konfessionen, die richtige Würdigung der vorhandenen<br />
Einigungs- und Differenzpunkte zu fördern und überhaupt<br />
das Verständnis und Interesse für die wünschenswerte<br />
Verständigung in weiteren Kreisen zu wecken und zu<br />
erhalten.<br />
Unter Federführung des seinerzeitigen bekanntesten katholischen<br />
Theologen und Historikers Ignaz v. Döllinger 29 fanden ab 1874 die<br />
28 nach Christen heute, Ausgabe August 2005<br />
29 Döllinger hatte u.a. nachgewiesen, daß die Schenkungsurkunden, auf deren Basis der päpstliche Kirchenstaat<br />
gegründet war, Fälschungen späterer Jahrhunderte waren; seine Hauptwerke sind: Der Papst und das Concil.<br />
Von Janus. Eine weiter ausgeführte und mit dem Quellennachweis versehene Neubearbeitung der in der<br />
Allgemeinen Augsburger Zeitung erschienenen Artikel: Das Concil und die Civiltà. Leipzig 1869.<br />
Unveränderter Nachdruck Minerva GmbH, Frankfurt 1968 Das Papsttum.<br />
Neubearbeitung <strong>von</strong> Janus, im Auftrag des inzwischen heimgegangenen Verfassers <strong>von</strong> J. Friedrich, München<br />
1892 Briefe und Erklärungen über die vatikanischen Dekrete, München 1890 Römische Briefe vom Konzil. Von<br />
Quirinus (Pseudonym), München 1870 Akademische Vorträge, 3. Bde., Nördlingen 1888 Über die<br />
Wiedervereinigung der christlichen Kirchen. Sieben Vorträge, gehalten in München im Jahre 1872, Nördlingen<br />
1888 Kleinere Schriften, Stuttgart 1890 Die Papst-Fabeln des Mittelalters. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte,<br />
München 1863; Neuauflage Phaidon Akademische <strong>Verlag</strong>sgesellschaft, Essen 1991 Ignaz <strong>von</strong> Döllinger,
Bonner Unionskonferenzen statt: multilaterale theologische Gespräche<br />
unter Teilnahme <strong>von</strong> namhaften orthodoxen, anglikanischen und<br />
protestantischen Theologen. Schon hier zeichnete sich ab, daß<br />
insbesondere das Gespräch mit der Orthodoxie mühevoll und langwierig<br />
sein würde.<br />
Die Gespräche mit den anderen Kirchen wurden fortgesetzt und führten<br />
zu unterschiedlichen Ergebnissen.<br />
Mit der Anglikanischen Kirchengemeinschaft führten sie im Jahre 1931<br />
zum „Bonn Agreement“ und damit zu voller Kirchengemeinschaft.<br />
Das Gespräch mit den orthodoxen Kirchen wurde zwar mehrmals<br />
unterbrochen, führte aber schließlich in den letzten Jahrzehnten zu<br />
verschiedenen Konvergenzerklärungen, nicht aber zu einer größeren<br />
Gemeinschaft. Problematisch ist vor allem die in den westeuropäischen<br />
Bistümern der Utrechter Union erfolgte Zulassung <strong>von</strong> Frauen zum<br />
dreifachen kirchlichen Amt. Aber auch die guten Beziehungen zur<br />
anglikanischen Kirchengemeinschaft und die Ergebnisse der Gespräche<br />
mit verschiedenen reformatorischen Kirchen, besonders auf lokaler<br />
Ebene, erschweren den Dialog mit den Ostkirchen.<br />
Der Dialog mit den Kirchen der Reformation spielt sich besonders auf<br />
lokaler Ebene ab und führt dort zu sehr unterschiedlichen und mitunter<br />
umstrittenen Ergebnissen. Im Allgemeinen kann beobachtet werden, daß<br />
das Verhältnis herzlich und freundschaftlich ist. Die volle Teilnahme <strong>von</strong><br />
reformierten Christen an alt-katholischen Eucharistiefeiern ist zwar nur in<br />
den deutschsprachigen Kirchen mit unterschiedlicher Akzentsetzung<br />
ausdrücklich erlaubt, gehört aber auch in den anderen Kirchen der<br />
Utrechter Union zur gängigen Praxis.<br />
Im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, z. B., erklärte<br />
der seinerzeitige Bischof Josef Brinkhues 1971 in einer Bischöflichen<br />
Verordnung zur Feier der Eucharistie:<br />
Wir haben nicht die »offene« Kommunion. Die Einladung, zum Tisch<br />
des Herrn zu kommen, sollte bei jeder Eucharistiefeier<br />
ausgesprochen werden. Die Einladung wendet sich an alle<br />
anwesenden Gläubigen, die unsern Glauben an die Wirklichkeit und<br />
leibliche Gegenwart des erhöhten Herrn im hl. Sakrament des Altars<br />
mit uns teilen. »Kommt alle, das Mahl ist für euch bereitet«.<br />
Wegbereiter heutiger Theologie,<br />
Hg. <strong>von</strong> J. Finsterhölzl, Salzburg
Die Gespräche mit der römisch-katholischen Kirche dürften wohl trotz<br />
der gegenseitigen Anerkennung der Ämter die schwierigsten sein.<br />
Dennoch werden sie immer wieder neu in Angriff genommen. Sie führten<br />
sogar im Jahre 1974 zur sog. »Pastoralvereinbarung«. In dieser<br />
Vereinbarung wird das gegenseitige Verhältnis auf eine geregelte<br />
Grundlage gestellt und sogar gegenseitige Amtshilfe im sakramentalen<br />
Bereich angeboten. Die Vereinbarung wurde zur endgültigen<br />
Approbation nach <strong>Rom</strong> weitergeleitet, aber dort nie bestätigt. Ende 1999<br />
unterzeichneten der Vorsitzende der römisch-katholischen Deutschen<br />
Bischofskonferenz, Bischof Dr. Karl Lehmann, und der alt - katholische<br />
Bischof Joachim Vobbe eine Vereinbarung für die Übernahme <strong>von</strong><br />
Geistlichen einer der beiden Kirchen in den Dienst der anderen 30 .<br />
Der 2. Alt-Katholiken - Kongreß in Köln im Jahre 1872<br />
Vom 20.-22. September 1872 fand in Köln der zweite Alt-Katholiken-<br />
Kongreß statt, der <strong>von</strong> dem alt-katholischen Zentralkomitee in Köln in<br />
Übereinkunft mit dem Münchener Zentralkomitee einberufen worden<br />
war. An dem Kongreß nahmen 350 alt-katholische Delegierte aus allen<br />
Teilen Deutschlands und 11 alt-katholische Vertreter aus dem Ausland<br />
teil. Der höchste Würdenträger war der katholische Erzbischof <strong>von</strong><br />
Unrecht und Metropole der niederländischen Kirchenprovinz, Heinrich<br />
Loos, der <strong>von</strong> vier holländischen Priestern begleitet war. Unter den alt-<br />
30 nach: Urs Küry: "Die Altkatholische Kirche. Ihre Geschichte, ihre Lehre, ihr Anliegen". Erschienen in der<br />
Reihe "Die Kirchen der Welt", Band III, 3. Auflage 1982, ISBN 3-7715-0190-3, S. 96 f., S. 266 ff. sowie<br />
Internetauftritt der Alt-Katholischen Krche (http://www.alt-katholisch.de/); an weiterführender Literatur über<br />
den Alt-Katholizismus werden empfohlen: Joseph Hubert Reinkens, Hirtenbriefe, nach dessen Tode<br />
herausgegeben <strong>von</strong> der Synodal-Repräsentanz, Bonn 1897, Reprint der Originalausgabe <strong>von</strong> 1897, Hrsg. Von<br />
Bischof und Synodalvertretung 2002, 219 S., Alt-Kath. Bistumsverlag; Johann Friedrich <strong>von</strong> Schulte, Der<br />
Altkatholizismus. Geschichte seiner Entwicklung, inneren Gestaltung und rechtlichen Stellung in Deutschland.<br />
Aus den Akten und anderen authentischen Quellen dargestellt. Giessen 1887. Neudruck Aalen (Scientia <strong>Verlag</strong>)<br />
2002, 683 S., ISBN 3-511-00169-2.; Bericht über die 1874 und 1875 zu Bonn gehaltenen Unions-Conferenzen.<br />
Herausgegeben <strong>von</strong> Heinrich Reusch. Nachdruck der Ausgabe in zwei Bänden <strong>von</strong> 1874 und 1875 mit einer<br />
Einführung <strong>von</strong> Günter Esser. Alt-Kath.Bistumsverlag Bonn 2002, ISBN3-934610-15-3, 163 S.; Wolfgang<br />
Krahl, Ökumenischer Katholizismus. Alt-Katholische Orientierungspunkte und Texte aus zwei Jahrtausenden.<br />
Katholische Parochie der Alt-Katholiken St. Cyprian Bonn. (Selbstverlag), Bonn 1970; Kirche für Christen<br />
heute. Eine Information über die Alt-Katholische Kirche. Hrsg. Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit im<br />
Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland. 227 S. <strong>Verlag</strong> H. Hoffmann GmbH, Berlin 1994, ISBN<br />
3-87344-001-6; Hans-Jürgen van der Minde,<br />
- -<strong>Verlag</strong> GmbH & Co., München 1994, ISBN 3-<br />
466-20382-1; Angela Berlis, Frauen im كProze der Kirchwerdung. Eine historisch-theologische Studie zur<br />
Anfangsphase des deutschen Altkatholizismus (1850-1890), (Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte, hg.<br />
<strong>von</strong> Christoph Weber, Bd. 6), Frankfurt/M. 1998, ISBN 3-631-337528-2; Matthias Ring, "...dass auch wir<br />
mitschuldig geworden sind". Alt-Katholische Hirtenbriefe und Bischofsworte im Dritten Reich. 100 S. Alt-<br />
Katholischer Bistumsverlag Bonn 2002; Joachim Vobbe, Brot aus dem Steintal. Bischofsbriefe. Bonn 2005,<br />
ISBN 3-934610-63-3, 544 S.
katholischen Delegierten befanden sich 22 katholische Professoren,<br />
da<strong>von</strong> 10 Theologieprofessoren, an der Spitze Stiftspropst D Dr. <strong>von</strong><br />
Döllinger.<br />
Auch andere romunabhängige katholische Kirchen waren diesmal stark<br />
vertreten: Die Anglikanisch-Katholische Kirche durch drei Bischöfe und<br />
22 Priester, unter ihnen 4 Theologieprofessoren; die Russisch-<br />
Orthodoxe Kirche durch den Rektor der Geistlichen Akademie in<br />
Petersburg (heute Leningrad), Oberpriester Janyschew, 2 weitere<br />
Priester und den russischen General Kirejew, Ehrenmitglied der<br />
Geistlichen Akademie in. Ferner waren 22 protestantische Geistliche als<br />
Gäste anwesend.<br />
In einer lateinischen Grußadresse überbrachte der Lordbischof <strong>von</strong><br />
Lincoln, Wordsworth, die Glücks- und Segenswünsche der<br />
"Anglikanischen Kirche und aller mit ihr in Gemeinschaft stehenden und<br />
über den ganzen Erdkreis verbreiteten Kirchen", “vere veteres erant<br />
Catholici“, deren Mitglieder <strong>von</strong> jeher „wahre Alt-Katholiken waren“. Und<br />
der anglikanische Bischof <strong>von</strong> Maryland, Wittingham, übergab eine<br />
Solidaritätserklärung der amerikanischen Bischofskonferenz. Hier wurde<br />
der Grundstein gelegt für die volle Union beider Kirchen, die auf Grund<br />
des gemeinsamen alten katholischen Glaubens 1931 offiziell<br />
abgeschlossen wurde. Auch der Rektor der Petersburger Geistlichen<br />
Akademie sprach seine große Genugtuung über die alt-katholische<br />
Haltung aus: „Ich fühle mit gedrungen, der Versammlung meine<br />
herzliche Freude und meinen Dank dafür auszusprechen, daß man<br />
erklärt hat, auf die sieben ersten Konzilien zurückgehen zu wollen, in<br />
welchen der Standpunkt der ungeteilten katholischen Kirche, welchen<br />
die russische und die ganze orientalische Kirche teilt, seinen Ausdruck<br />
gefunden hat.“ Die durch die vatikanischen Papstdogmen in die<br />
Isolierung gedrängten Alt-Katholiken waren somit nicht nur in die<br />
kirchliche Gemeinschaft des alten katholischen Metropolitanstuhles <strong>von</strong><br />
Utrecht aufgenommen worden, sondern hatten auch die Unterstützung<br />
der in aller Welt verbreiteten Kirchen des Anglikanismus und der<br />
Orthodoxie erhalten, die wie sie am alten katholischen Glauben seit<br />
Jahrhunderten festgehalten hatten. Der Kongreß beschloß daher, eine<br />
Kommission für die Wiedervereinigung der Kirchen einzusetzen und<br />
wählte 10 katholisch-theologische Universitätsprofessoren zu deren<br />
Mitgliedern, die ihrerseits Stiftpropst <strong>von</strong> Döllinger zum Vorsitzenden<br />
wählten. In ihrem Auftrag berief dann Döllinger 1874 und 1875 die<br />
berühmten Bonner Unionskonferenzen ein, an denen sich neben den<br />
führenden alt-katholischen Theologen über 20 orthodoxe und über 60<br />
anglikanische Bischöfe und Theologen beteiligten und weitgehende<br />
Übereinstimmung erzielten.
Der wichtigste Verhandlungsgegenstand des Kongresses war nun die<br />
Schaffung eines eigenen katholischen Bistums, die sich als nötig erwies.<br />
Es wurde einstimmig eine sogenannte ,,Bischofs-Kommission" gewählt<br />
(Vorsitzender Prof. v. Schulte), die als Zentral-Organ für Deutschland<br />
sämtliche organisatorischen Vollmachten erhielt, bis eine regelmäßige<br />
bischöfliche Jurisdiktion errichtet war. Insbesondere oblag der Bischofs-<br />
Kommission die Vorbereitung der Bischofswahl (durchgeführt 4. 6. 1873<br />
in Köln), Bischofsweihe (geschehen 11. 8. 1873 in Rotterdam), der<br />
staatlichen Anerkennung als katholischer Bischof (erfolgt in Preußen,<br />
Baden und Hessen) und der Ausarbeitung einer Kirchenverfassung<br />
(angenommen vom 3. Kongreß in Konstanz 1873 und durch die 1.<br />
Synode ratifiziert) 31 .<br />
Die Wahl des ersten alt-katholischen Bischofs im Jahre 1873 in<br />
Köln<br />
Die Alt-Katholiken-Kongresse 1871 in München, 1872 in Köln und 1873<br />
in Konstanz mit jeweils rund 300 Delegierten wurden zum Ausdruck<br />
eines synodalen Aufbruchs und wirksamen Protests gegenüber dem<br />
römischen Zentralismus.<br />
»Im Bewußtsein unserer religiösen Pflichten halten wir fest an dem alten<br />
katholischen Glauben, wie er in Schrift und Tradition bezeugt ist, sowie<br />
am alten katholischen Cultus« hieß es 1871 in München. »Wir<br />
betrachten uns deshalb als vollberechtigte Glieder der katholischen<br />
Kirche und lassen uns weder aus der Kirchengemeinschaft noch aus<br />
dem durch diese Gemeinschaft uns erwachsenden kirchlichen und<br />
bürgerlichen Rechten verdrängen.« Konsequent beschlossen die<br />
Delegierten, »an allen Orten, wo sich das Bedürfnis einstellt und die<br />
Personen vorhanden sind, ...eine regelmäßige Seelsorge herzustellen«.<br />
Das war schon kurz darauf in Bayern, Baden, Hessen-Darmstadt,<br />
Preußen und vereinzelt auch in anderen Ländern der Fall. In Kirchen, die<br />
dem Staat gehörten oder <strong>von</strong> protestantischen Gemeinden zur<br />
Verfügung gestellt wurden, fanden die ersten Gottesdienste statt.<br />
Unermüdlich zogen Professoren wie Huber, Friedrich, Reinkens, Knoodt<br />
und Michelis durch die Lande, um Vorträge zu halten. Der Kölner<br />
Kongreß 1872 hatte sich deshalb vor allem mit Fragen »betreffend die<br />
Organisation der Seelsorge« befaßt, unter denen ein wichtiger Schritt die<br />
Einrichtung eines siebenköpfigen Komitees zur »Vorbereitung der<br />
Bischofswahl« und zur Erarbeitung eines »Statuts für die Gemeinde-<br />
Organisation« war.<br />
31 Nach: Die Verhandlungen des zweiten Altkatholiken-Kongresses zu Köln, Offizielle Ausgabe, Köln und Leipzig. 1872.
Nachdem das »Bischofskomitee« in einigen »provisorischen<br />
Bestimmungen« eine Wahlordnung und eine Verfahrensweise bis zur<br />
Einberufung einer ersten Synode entworfen hatte, ging es darum, einen<br />
Bischof zu finden, der bereit sein würde, die Weihe des Gewählten<br />
vorzunehmen. Dieser fand sich in der Person des Erzbischofs <strong>von</strong><br />
Utrecht, dessen Bistum seit 1723 aufgrund eines kirchenrechtlichen<br />
Konflikts im Bruch mit <strong>Rom</strong> lebte. Am frühen Abend des 3. Juni 1873<br />
konnten sich schließlich in der Rathauskapelle in Köln 21 Priester und 56<br />
Gemeindedelegierte versammeln, um die vorgelegten Bestimmungen<br />
anzunehmen. 69 der 77 Wahlberechtigten sprachen sich am<br />
darauffolgenden Tag bei der Wahl, die mit einer Meßfeier eröffnet wurde,<br />
durch Abgabe ihrer Stimme für den Breslauer Theologieprofessor<br />
Joseph Hubert Reinkens aus. Dieser erklärte »nach längerem<br />
Widerstreben«, wie das Protokoll vermerkt, die Annahme seiner Wahl<br />
und verpflichtete sich, sein Amt unter Beachtung der in den<br />
»provisorischen Bestimmungen« enthaltenen kirchlichen Ordnung<br />
auszuüben. Auch die Versammelten legten ein Gelöbnis ab, wobei sie<br />
auf Wunsch des Gewählten -- auch dies ist im Protokoll ausdrücklich<br />
vermerkt -- ihm statt »Gehorsam« »Liebe« versprachen. Dem wartenden<br />
Kirchenvolk wurde anschließend im Beisein aller Versammelten das<br />
Wahlergebnis mitgeteilt, gemeinsam dann das Te Deum angestimmt.<br />
Danach fanden die Wahlen <strong>von</strong> vier Geistlichen und fünf Laien für die<br />
Synodalrepräsentanz statt, der zusammen mit dem Bischof die Leitung<br />
des neu gegründeten »Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in<br />
Deutschland« übertragen wurde. Als erste und dringlichste Aufgaben<br />
hatte die Synodalrepräsentanz nun für die staatliche Anerkennung des<br />
Bischofs und die Fertigstellung der "Synodal- und Gemeindeordnung" zu<br />
sorgen, die vom Konstanzer Kongreß im September 1873 beschlossen<br />
und <strong>von</strong> der ersten Ordentlichen Synode 1874 in Kraft gesetzt werden<br />
sollte.<br />
Weil der schwer erkrankte Utrechter Erzbischof Loos am 4. Juni 1873<br />
verstorben war, konnte die Weihe <strong>von</strong> Bischof Reinkens erst am 11.<br />
August 1873 in Rotterdam erfolgen. Bischof Hermann Heykamp <strong>von</strong><br />
Deventer erklärte sich bereit, sie zu erteilen. Zusammen mit Reinkens<br />
wurde auch der neu gewählte Bischof <strong>von</strong> Haarlem, Caspar Johann<br />
Rinkel, konsekriert. Ein Protokoll bezeugt die Vornahme der<br />
Weihehandlung »in feierlicher Weise gemäß dem im römischen<br />
Pontificale enthaltenen Ritus«. Den aus Deutschland angereisten Alt-<br />
Katholiken war es vor allem wichtig, ihren Bischof durch diesen Akt als<br />
eingereiht in die Nachfolger der Apostel zu wissen. und sie sprachen
dafür Bischof Heykamp und der alt-katholischen Kirche der Niederlande<br />
Anerkennung und Dank aus.<br />
Am 7. Oktober 1873 fand im Sitzungssaal des preußischen<br />
Kultusministeriums in Berlin die Vereidigung des ersten alt-katholischen<br />
Bischofs statt. Dabei wurde ihm auch eine Urkunde überreicht, die ihn<br />
aufgrund seiner Wahl und Weihe als katholischen Bischof anerkennt und<br />
die Behörden des Landes auffordert, ihm die entsprechende<br />
Unterstützung zukommen zu lassen. Ebenso erhielt Bischof Reinkens in<br />
den darauffolgenden Monaten des gleichen Jahres auch die<br />
Anerkennung Badens und Hessens. Sogenannte Alt-Katholiken-Gesetze<br />
regelten das Nähere. Charakteristisch ist der Artikel 1 des badischen<br />
»Gesetz[es] vom 15. Juni 1874, die Rechtsverhältnisse der Alt-<br />
Katholiken betreffend«: »Alle bezüglich der römisch-katholischen Kirche<br />
des Landes erlassenen Staatsgesetze finden auch Anwendung auf<br />
denjenigen Theil der Katholiken, welcher den vaticanischen<br />
Constitutionen vom 18. Juli 1870, insbesondere den Lehrsätzen <strong>von</strong> der<br />
"höchsten ordentlichen und unmittelbaren Jurisdiction und <strong>von</strong> dem<br />
unfehlbaren Lehramte" des römischen Papstes die Anerkennung<br />
verweigert. Dieselben (die sogenannten Alt-Katholiken) erleiden keinen<br />
Verlust der ihnen als Katholiken zustehenden Rechte ...« 32 .<br />
Die Geschichte der Kölner Alt – Katholiken und ihrer Pfarrei<br />
Entscheidende Schritte in Richtung auf die "Gründung" einer altkatholischen<br />
Gemeinschaft wurden hier in Köln getan, wenn auch das<br />
Zentrum in Bonn lag. Allein schon begründet durch das Gewicht der<br />
dortigen theologischen Fakultät. Aber auch aus Köln nahmen zahlreiche<br />
Bürger an der wichtigen Konferenz in Königswinter am 14. August 1870<br />
teil, schlossen sich im folgenden Jahr als Kirchenoppositionelle dieser<br />
Glaubensbewegung an und im "KöIner Lokalverein der Alt-Katholiken"<br />
zusammen. Soziologisch, könnte man sagen, verlor die Kölner römische<br />
Kirche auf einen Schlag den größten Teil des Großbürgertums, soweit es<br />
katholisch war, sowie breite Schichten des Bildungsbürgertums.<br />
In diesem Streit ging es <strong>Rom</strong> <strong>von</strong> den innerkirchlichen und theologischen<br />
Fragen einmal abgesehen um einen Kampf gegen Liberalismus und<br />
Fortschrittsglauben; in diesen modernen Geistesströmungen befürchtete<br />
<strong>Rom</strong>, besonders französische und italienische Ultramontane, wie die<br />
streng auf <strong>Rom</strong> ausgerichteten Gläubigen genannt wurden, eine<br />
Aushöhlung des christlichen Glaubens<br />
32 http://www.alt-katholisch.de/info/schrift/position/14.htm
Insofern fiel die Organisation der alt-katholischen Kirche und die<br />
Bischofswahl <strong>von</strong> Joseph Hubert Reinkens auch zeitlich in die große<br />
weltanschauliche Auseinandersetzung zwischen der katholischen Kirche<br />
und dem preußischen Staat, also in den kirchenpolitischen Streit, der als<br />
"Kulturkampf" bezeichnet wurde. Ich nenne als Stichworte aus dem<br />
römisch-katholischen Raum: Einerseits Benachteiligung der katholischen<br />
Staatsbürger im preußischen Staatsdienst, in den Universitätskarrieren,<br />
andererseits Minderwertigkeitsgefühle der Katholiken, Bildungsdefzite in<br />
der katholischen Bevölkerung. Auch diese Tatbestände sind ursächlich<br />
mit der Entstehung späteren alt-katholischen Kirche verbunden.<br />
Dieser Kulturkampf "tobte" - so wird man die Auseinandersetzungen<br />
schon nennen müssen - nicht nur auf der staatlichen sondern auch auf<br />
der kommunalpolitischen Ebene; hier nenne ich die<br />
Stadtverordnetenversammlung <strong>von</strong> Köln, in der Angelegenheiten der altkatholischen<br />
Gemeinde Köln beraten und ausgefochten wurden<br />
zwischen den ,,gut"- katholischen Stadträten, also den Mitgliedern der<br />
Zentrumspartei, und den Liberalen, <strong>von</strong> denen fast alle soweit sie<br />
katholisch waren, weniger ,"gut" - katholisch, also alt-katholisch waren.<br />
Mit der staatlichen Anerkennung erhielt die alt-katholische Kirche die<br />
rechtliche Grundlage zur Errichtung <strong>von</strong> Gemeinden und damit auch zur<br />
Einrichtung einer eigenständigen Seelsorge.<br />
Mit diesem äußeren Ablauf habe ich nicht die großen Aufregungen und<br />
Aufgeregtheiten beschrieben, die weite Kreise der Kölner Bevölkerung.<br />
soweit sie römisch-katholisch war, in den 70erer Jahren bewegte. Die<br />
Konfessionsgrenzen, ja –gräben, waren damals sehr viel tiefer als wir<br />
Heutigen überhaupt nachempfinden können; sie waren über<br />
theologische Prinzipien und religiöse Bedürfnisse hinaus auch Ausdruck<br />
kulturpolitischer und weltanschaulicher Gegensätze und formierten die<br />
römisch - katholische Bevölkerung zu einem festen Block gegen die<br />
vermeintlichen Gefahren moderner Geisteströmungen<br />
Aber ich darf zur Entlastung Kölns und seiner römisch - katholischen<br />
Bevölkerung doch sagen, daß die Auseinandersetzungen in den anderen<br />
Pfarreien Krefeld und Essen (nicht so in Bonn) kaum weniger heftig<br />
verliefen. Erst mit den achtziger Jahren ebbten die Konfessionskämpfe<br />
ab. Das geht einerseits auf die Einstellung des Kulturkampfes zurück.<br />
war aber auch ein Verdienst des ruhigen und besonnenen Pfarrers der<br />
alt-katholischen Pfarre, Dr. Wilhelm Tangermann, der sich auch in<br />
Kreisen römisch - katholischer Kölner ein Ansehen erwarb. Das<br />
wachsende Verständnis, oder sagen wir besser, die allmählich
eginnende Toleranz, war aber auch ein Ausdruck der Geisteshaltung<br />
der Jahrhundertwende, in der die ultramontanen Katholiken erste<br />
Versuche unternahmen ihr "Gettobewußtsein" zu überwinden.<br />
Das Verhältnis der alt-katholischen Gemeinde zur evangelischen Kirche<br />
war und ist immer enger gewesen, auch in Köln. wie wir auch hier und<br />
heute sehen. 125 Jahre nach der Wahl <strong>von</strong> Joseph Hubert Reinkens<br />
zum ersten Bischof. Die Bischofswahl und die Entwicklung der altkatholischen<br />
Gemeinde haben das kulturelle und politische Leben im<br />
Köln der siebziger und achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts tief<br />
geprägt 33 .<br />
Aus dem Leben der alt – katholischen Gemeinde in Köln<br />
Über die Situation <strong>von</strong> Alt-Katholiken in Köln berichtet <strong>von</strong> Zeit zu Zeit<br />
auch die Kölner Presse:<br />
„Du lebst ja in wilder Ehe", mußte sich Antoinette Deister vor einiger Zeit<br />
<strong>von</strong> ihrem (römisch-katholischen) Heimatpastor sagen lassen, der <strong>von</strong><br />
ihrer (alt-katholischen) Trauung erfahren hatte, Für seine nicht<br />
sonderlich taktvolle Ermahnung hatte er sich die Feier zum 80.<br />
Geburtstag <strong>von</strong> Antoinettes Großmutter ausgesucht, die die Welt nicht<br />
mehr verstand: „Bei deiner Hochzeit stand doch ein richtiger Pfarrer am<br />
Altar."<br />
Solche Erlebnisse sind für Dr. Antoinette und Dr. Arno Deister, beide<br />
Assistenzärzte - sie am städtischen Krankenhaus Merheim, er an der<br />
Uni-Nervenklinik - nichts Ungewöhnliches. Als Arno acht oder neun<br />
Jahre alt war, also im Kommunionkind-Alter, geriet seine in einem<br />
kleinen Weinort zwischen Mainz und Worms wohnende (römischkatholische)<br />
Großtante in arge Bedrängnis. Wann ihr Großneffe denn<br />
endlich zum Tisch des Herrn geführt werde, wollten ihre Nachbarn<br />
wissen. Pro forma - um nicht offenbaren zu müssen, daß Arno einer<br />
anderen Kirche angehört - besorgte sie ein schönes<br />
Kommuniongeschenk, obwohl sie genau wußte, daß alt-katholische Kinder<br />
erst mit zwölf oder dreizehn Weißen Sonntag feiern.<br />
Der Computer beim Landesamt für Besoldung und Versorgung ist es<br />
schuld, daß die Kirchensteuer des Alt-Katholiken Deister oft<br />
versehentlich in die Kassen der großen römischen Kirche fließt. Auf der<br />
Gehaltsabrechnung ist unter Konfession ,,rk" statt ,,ak" vermerkt. ,,Die<br />
33 Grußwort des Vertreters des Rates der Stadt Köln Dietmar CiesIa-Baier. MdR in „...“
sind eben auch nicht unfehlbar", tröstet sich der angehende Neurologe<br />
und Psychiater.<br />
Wenn den jungen Arzt heute Patienten oder Kollegen fragen, ob er<br />
katholisch sei, und die Zeit nicht für ein tiefergehendes Gespräch reicht,<br />
sagt er manchmal der „Einfachheit halber ja. Es ist ja nicht gelogen". Als<br />
Mitglied einer Minderheiten-Kirche müsse man viel häufiger begründen,<br />
warum man dieser Religionsgemeinschaft angehört, Daß jemand auf<br />
Anhieb etwas mit seiner Konfession anzufangen weiß, passiert ihm<br />
selten:<br />
„Höchstens bei Leuten, die zufällig irgendwann mal in der Schule ein<br />
Referat über das Erste Vatikanische Konzil schreiben mußten." Oft<br />
spürt er, wenn das Gespräch auf religiöse Fragen kommt, Vorbehalte.<br />
,,Viele denken, das ist so ein obskurer Kreis um den abtrünnigen<br />
Erzbischof Lefebvre."<br />
Über den Namen seiner Kirche war Deister , „noch nie besonders<br />
glücklich, weil des so konservativ klingt". Die Schweizer Glaubensbrüder<br />
nennen sich ,,christ-katholisch": ,,Das trifft den Nagel auf den Kopf,"<br />
Deister zeigt einen Aufkleber mit einem Wortspiel, das aus der Not eine<br />
Tugend zu machen versucht: „alt(ernativ)-katholisch".<br />
Für seinen Vater, pensionierter Jurist, früher Dozent an einer Fachschule<br />
für Betriebswirtschaft und ,,<strong>von</strong> Hause aus" römischer Katholik, stellte<br />
sich die alt-katholische Kirche vor gut drei Jahrzehnten als Alternative<br />
dar. Er konvertierte, ebenso wie Arnos Mutter, die vorher evangelisch<br />
war und heute als Mitglied der alt-katholischen Synodalvertretung zur<br />
Kirchenleitung gehört, Bis heute habe sein Vater, erzählt Arno Deister,<br />
,,eine extreme Abneigung gegen alles, was den Ruch des Absoluten und<br />
einzig Wahren hat". Auch er selbst findet den Anspruch einer Kirche,<br />
,,den einzigen Weg zum Heil zu besitzen, anmaßend".<br />
Seine Frau, Absolventin der <strong>von</strong> Schwestern geleiteten Irmgardisschule.<br />
geht es ähnlich, „Sie ist römisch-katholisch, denkt aber alt-katholisch."<br />
Daß sie auch in religiöser Hinsicht auf gleicher WeIlenlänge liegen,<br />
merkten die beiden, kurz nachdem sie sich vor fünf Jahren als<br />
Aushilfspfleger beim Nachtdienst im Wesselinger Krankenhaus<br />
kennengelernt hatten. Da bedurfte es keiner langen Debatten, daß man<br />
alt-katholisch heiraten wollte, und alt-katholisch soll auch das Baby<br />
getauft werden, das Antoinette Deister im März er<br />
wartet.
Ab und zu begleitet sie ihren Mann, der beim Gottesdienst als Lektor<br />
mitwirkt, in die Auferstehungskirche. Zur Kommunion ist sie, obwohl <strong>von</strong><br />
alt-katholischer Seite keine Einwände bestehen, bisher nicht gegangen:<br />
,,Da müßte ich mich noch stärker damit identifizieren."<br />
,,Wenn man bedenkt, daß manche Leute wegen der extremen<br />
Diasporasituation fünfzig und mehr Kilometer Anfahrt in Kauf nehmen“,<br />
sinniert Arno Deister, „ist der Gottesdienstbesuch nicht schlecht." Eine<br />
volle Kirche sei für einen Alt-Katholiken ein „phänomenales ErIebnis".<br />
Ein paarmal im Jahr braucht er eine „geistige Frischzellenkur" - Treffen<br />
mit Glaubensbrüdern und -schwestern in größerer Zahl zum Austausch<br />
und zur gegenseitigen Bestärkung. Durch sein früheres Engagement in<br />
der Jugendarbeit der Kölner Gemeinde kennt Deister viele, doch die sind<br />
,,in alle Winde verweht“. Deswegen gibt es auch kaum rein altkatholische<br />
Ehen.<br />
,,Wir wollen und sollen aber nicht versuchen, Großkirche zu spielen",<br />
meint Deister, obwohl er - vor allem früher gelegentlich seine römischkatholischen<br />
Freunde um Aktivitäten wie Zeltlager oder Sternsingen<br />
beneidet hat: ,,Bei uns muß mangels Masse vieles entfallen." Doch das<br />
verschmerzt er gern, wenn er das ,,römische Gängelband' vor Augen<br />
hat. ,,Ich lasse mir nicht gern das Denken verbieten."<br />
Immer wieder erlebt der junge Mediziner bei diagnostischen<br />
Gesprächen mit (kirchlich gebundenen) Frauen. daß in ihrer<br />
Lebensgeschichte unverarbeitete Schuldkomplexe ,,hochkommen", oft<br />
im Zusammenhang mit Fragen der Sexualität. etwa einer ungewollten<br />
Schwangerschaft. Oder es plagen sie Zweifel, ob sie trotz päpstlichen<br />
Verbots die Pille nehmen dürfen.<br />
,,An der Stelle wird mir dann wieder bewußt", erzählt er in einem<br />
Sprechzimmer der Poliklinik, ,,was Lehrautorität bedeutet." Auch der altkatholische<br />
Bischof Brinkhues habe eine eher negative Stellungnahme<br />
zur Empfängnisverhütung abgegeben. ,,Aber das ist seine<br />
Privatmeinung, die ich akzeptieren kann oder nicht. Mir wird keine<br />
Meinung vorgekaut. 34 "<br />
Kölner Alt – Katholiken und Kirchengebäude<br />
Als Notgemeinschaft entstanden verfügten die Kölner Alt-Katholiken<br />
selbstverständlich über keine eigenen Kirchengebäude. Der „Kampf“ um<br />
ein eigenes Gotteshaus ist eine Geschichte unerfüllter Hoffnungen und<br />
34 Aus: Von <strong>Rom</strong> nicht gegängelt – Alt-Katholiken in „Im Schatten der Großen, Glaubensgemeinschaften in<br />
Köln, eine Serie <strong>von</strong> Harald Biskup, Kostenloser Sonderdruck des Kölner Stadt-Anzeiger, o. J.“;
gerichtlicher Auseinandersetzungen. Sie endeten erst mit der<br />
Einweihung einer eigenen Pfarrkirche im Jahre 1907.<br />
Mit der „Gründung“ der Kölner Gemeinde am 2. Februar 1872, begannen<br />
die Auseinandersetzungen mit den römisch-katholischen Gemeinden,<br />
besonders weil den Alt-Katholiken die Benutzung oder Mitbenutzung<br />
katholischer Kirchengebäude zugesprochen wurde,<br />
Einem ersten Antrag der Alt-Katholiken an die Stadtgemeinde zur<br />
Überlassung eines Kirchenraumes konnte die Stadtverwaltung nicht<br />
entsprechen, da sie nur über zwei Kapellen verfügte, an denen aber eine<br />
große Anzahl <strong>von</strong> Stiftungen für (römisch-)katholische Zwecke hing.<br />
Die Rathauskapelle<br />
Schließlich stimmte die Stadtverordnetenversammlung der Überlassung<br />
der Ratskapelle in unmittelbarer Nähe des Rathauses zu. Die<br />
Einweihung fand am 20. September 1872 durch den alt-katholischen<br />
Pfarrer Dr. Tangermann statt und zwar anläßlich der Tagung des zweiten<br />
Alt - Katholikenkongresses in Köln. Hier wurde auch der Antrag auf Wahl<br />
eines eigenen Bischofs angenommen. Die Wahl fand ein Jahr später in<br />
St. Pantaleon statt. Aber die Wählerversammlung hatte sich einen Tag<br />
vorher in der Ratskapelle gebildet 35 .<br />
St. Pantaleon<br />
Inmitten eines erhaltenen Kloster- Bezirks erhebt sich die ehemalige<br />
Benediktinerabtei Sankt Pantaleon aus dem 10. Jahrhundert mit<br />
kaiserlichem Westwerk. Sie ist dem ostkirchlichen Heiligen P a n t a l e o<br />
n (Allerbarmer) geweiht, der als Arzt um 300 den Märtyrertod erlitt. Sein<br />
Name führt in den ostkirchlichen Raum nach Byzanz, dem heutigen<br />
Istanbul. Seinen besonderen kaiserlichen Glanz erhält St. Pantaleon in<br />
der Ottonischen Zeit durch Erzbischof B r u n o, Otto I., Otto II., aber<br />
insbesondere jedoch durch die Gemahlin Ottos II.: T h e o p h a n u . Der<br />
hl. Bruno, der Bruder Kaiser Ottos I., ist seinem Wunsch entsprechend in<br />
der Krypta bestattet.<br />
Er bedachte St. Pantaleon - seine Gründung - mit vielen Schenkungen.<br />
Herrschaftlichen Glanz und den Nikolauskult brachte Theophanu, die<br />
Nichte des byzantinischen Kaisers T s i m i s k i s, nach St. Pantaleon,<br />
der Kirche ihres "Heimatheiligen". Sie ließ das wuchtige Westwerk<br />
errichten, im Osten eine weite Apsis anfügen. Im 13. Jahr-hundert wurde<br />
die einschiffige Saalkirche zu einer dreischiffigen Basilika erweitert.<br />
35 Ciesla Baier
Theophanu starb mit 31 Jahren am 15. Juni 991 auf einer<br />
Reichsversammlung in Nimwegen und wurde nach ihrem Wunsch in St.<br />
Pantaleon bestattet. Sie ruht in einem Sarkophag aus weißem,<br />
griechischem Marmor im südlichen Seitenschiff.<br />
So war es selbstverständlich, dass die Mönche über acht Jahrhunderte<br />
hinweg am 15. Juni jeden Jahres eine Gedenkmesse zu Ehren<br />
Theophanus feierten.<br />
Im Verlaufe der hochmittelalterlichen Stadterweiterungen und<br />
Ummauerung Kölns wurde St. Pantaleon dann in des Stadtgebiet<br />
einbezogen. Während des Spätmittelalters tat sich in der Kirche recht<br />
wenig. Andere Klöster in und um Köln wurden erheblich mehr mit<br />
Stiftungen bedacht. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde der<br />
spätgotische Lettner errichtet, welcher heute die Orgel trägt.<br />
Ab 1618 wurde die Kirche in mehreren Bauabschnitten barockisiert.<br />
Da<strong>von</strong> ist heute noch der Orgelprospekt <strong>von</strong> 1652 und die<br />
Chorausstattung nebst Kanzel <strong>von</strong> 1747 erhalten. Baufälligkeit führte<br />
1757 zum Einsturz eines der beiden Seitentürme und danach zur<br />
Erneuerung des Mittelturms und der beiden Seitentürme in verminderter<br />
Größe mit barocken Turmabschlüssen.<br />
Die französische Besetzung Kölns 1794 brachte die Auflösung des<br />
Klosters mit sich. Die Kirche wurde zunächst Pferdestall, in der<br />
Preußenzeit nach 1815 dann evangelische Garnisonskirche. Auf dem<br />
Mittelturm wurde ein optischer Telegraph installiert, der die schnelle<br />
Übermittlung <strong>von</strong> Nachrichten <strong>von</strong> und nach Berlin ermöglichen sollte.<br />
Nachdem diese Einrichtung durch die Entwicklung der elektrischen<br />
Telegraphie nicht mehr benötigt wurde, wurde das Westwerk 1890-92<br />
romanisch restauriert.<br />
Im Jahre 1872 genehmigten die Militärbehörden den Alt-Katholiken die<br />
Mitbenutzung der Garnisonkirche St. Pantaleon. Dies entsprach letztlich<br />
aber nicht den Vorstellungen der alt-katholischen Gemeinde; sie mußte<br />
sich mit anderen Konfessionen den Raum auch hinsichtlich der zeitlichen<br />
Verfügbarkeit teilen. Allerdings fand im Jahre 1873 in St. Pantaleon die<br />
Wahl des ersten alt-katholischen Bischofs statt.<br />
Nach der Entmilitarisierung des Rheinlands tauschte die evangelische<br />
Gemeinde 1922 St. Pantaleon gegen die wenige hundert Meter entfernte<br />
Kartäuserkirche mit ihren Klostergebäuden beim preußischen Staat ein.<br />
St. Pantaleon wurde danach katholische Pfarrkirche.
Der zweite Weltkrieg zerstörte das Dach, Teile der Außenmauern und<br />
einen Großteil der Inneneinrichtung. Wertvollere Teile, wie zum Beispiel<br />
die Schreine, der Hochaltar und der Lettner wurden vorher geschützt<br />
oder ausgelagert. Der Wiederaufbau versuchte weitgehend die<br />
romanische Architektur wiederherzustellen. So wurde das gewölbte<br />
Kirchenschiff wieder durch eine Flachdecke ersetzt. In dem barocken<br />
Orgelgehäuse befindet sich seit 1963 eine neue Orgel.<br />
Im Kranz der zwölf großen romanischen Kirchen Kölns ist St. Pantaleon<br />
nicht nur die älteste, sondern auch diejenige mit der reichsten<br />
Innenausstattung aus Vorkriegszeiten 36 .<br />
Die Minoritenkirche<br />
Biegt man <strong>von</strong> der Brückenstraße links in die Ludwigstraße ein, läuft<br />
man auf die ehemalige Minoritenkirche, die heutige römisch-katholische<br />
Kirche St. Mariä Empfängnis zu.<br />
Vermutlich im gleichen Jahr der Grundsteinlegung für den Kölner Dom,<br />
1248, wurde auch mit dem Bau der Minoritenkirche begonnen, der Ende<br />
des 13. Jahrhunderts vollendet war. Doch während der Dom in allen<br />
Raffinessen der gotischen Architektur schwelgt, ist die Gestaltung der<br />
Minotitenkirche eher eine Mischung aus neuer Gotik, franziskanischem<br />
Armutsideal und Sparsamkeit sowie zisterziensischer Schlichtheit.<br />
Einer der berühmtesten mittelalterlichen Gelehrten, der Franziskaner<br />
Johannes, Duns Scotus liegt hier begraben. Am franziskanischen<br />
Studium Generale in Köln hat er zwar nur kurze Zeit vor seinem frühen<br />
Tod gelehrt, doch geht auf seine Überlegungen u.a. die theologisch<br />
schon immer umstrittene Lehre <strong>von</strong> der Unbefleckten Empfängnis, nach<br />
der Maria frei <strong>von</strong> der Erbsünde geboren wurde, zurück. So wundert es<br />
nicht, dass das Maria Thema sich auch in den kunstvollen Chorfenstern<br />
(Helmut Kaldenhoff 1965/66), dem Westfenster (Entwurf <strong>von</strong> Franz<br />
Pauli, 1961) und im kunstvollen Alfelder Altar wiederfindet.<br />
Die Minoritenkirche in Köln ist aber nicht nur die Grabeskirche des<br />
Gelehrten Duns Scotus sondern inzwischen auch die des Priesters<br />
Adolph Kolping, des „Gesellenvaters“ und Begründers des<br />
Kolpingwerkes.<br />
Im Jahre 2006 erhielt die Kirche ein neues Hauptportal. Die<br />
ursprünglichen Holztüren wurden ersetzt durch ein Bronzeportal mit zwei<br />
36 nach: http://www.pantaleon-koeln.de/Kirchenfuhrer/kirchenfuhrer.html,<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/St._Pantaleon_(K%C3%B6ln) und CIESLA-BAIER
Türen, insgesamt 4,25 Meter hoch und mehr als vier Meter breit.<br />
Gestaltet hat es der Bildhauer Paul Nagel aus Wesseling.<br />
Die linke Seite des Portals ist Duns Scotus gewidmet, der oberhalb der<br />
Tür in der typischen schreibenden Pose des Gelehrten zu sehen ist.<br />
Neben ihm steht die Jungfrau Maria, der die Minoritenkirche „St. Mariä<br />
Empfängnis“ inzwischen geweiht ist.<br />
Auf der rechten Seite des Portals hat der Künstler Themen aus dem<br />
Leben <strong>von</strong> Adolph Kolping aufgegriffen. Oberhalb der Tür ist er als<br />
Gesellenvater zu sehen, der einen Handwerker in dessen Werkstatt<br />
besucht und segnet. An der Seite befindet sich dessen Familie, ein<br />
Hinweis auf die zentrale Rolle, welche die Familie für Adolph Kolping<br />
immer gespielt hat. sich zwölf vergoldete Tauben, als Symbole für die<br />
zwölf Apostel.<br />
Da die <strong>von</strong> der Stadt Köln zur Verfügung gestellte Ratskapelle für die Alt-<br />
Katholische Pfarrei auf Dauer zu klein war, stellte der Gemeindevorstand<br />
bereits im Februar 1873 einen Antrag an die Stadt Köln auf Überlassung<br />
der Minoritenkirche. Den Antrag zog er später zurück, um ihn dann nach<br />
offizieller Erhebung zur Pfarrei 1874 zu wiederholen.<br />
Die Stadt kündigte nach vielen juristischen Beratungen den Vertrag <strong>von</strong><br />
1849 der die Übertragung der Minoritenkirche an den erzbischöflichen<br />
Stuhl und das Metropolitankapitel regelte. Dabei verstieß sie jedoch<br />
gegen die damaligen Vertragsbestimmungen. Die Gerichte bis zum<br />
Reichsgericht wurden bemüht, die Kündigung in allen drei Instanzen als<br />
rechtswidrig verworfen 37 .<br />
St. Gereon<br />
Auf ovalem Grundriss wurde im 4. Jahrhundert ein monumentaler Bau<br />
errichtet. Seine Grundgestalt ist deutlich im Zentralbau der Kirche<br />
erkennbar und sein Mauerwerk ist im heutigen Bau noch erhalten.<br />
Dieser Gründungsbau kann gut rekonstruiert werden. So sind die<br />
Nischen im Erdgeschoss, auch Konchen genannt, je vier im Süden und<br />
vier im Norden, in ihrer ursprünglichen Gestalt weit gehend erhalten. Die<br />
beiden westlichen Konchen der Südseite, die während des Krieges<br />
zerstört worden sind, konnten rekonstruiert werden. Die Konchen hatten<br />
drei Fenster, deren Gestalt mehrfach verändert wurde. Auszunehmen<br />
sind die beiden östlichen Konchen, die jeweils nur ein Fenster hatten.<br />
Erkennbar sind im Mauerwerk die Bögen der alten Fensteröffnungen.<br />
37 http://www.willkommeninkoeln.de/fuehrungen/rundgange.htm; http://www.erzbistumkoeln.de/modules/news/news_0167.html?uri=/index.html;<br />
Ciesla Beier
Die vermutlich zweigeschossige Ostapsis ist nicht mehr erhalten. Sie<br />
musste später dem Anbau des Langchores weichen. Die Wandzone<br />
über dem Erdgeschoss des zentralen Raumes, als Tambour bezeichnet,<br />
wurde <strong>von</strong> großen Fenstern durchbrochen, die sich axial über den<br />
Konchen befanden und viel Licht in den Raum hineinließen. An der<br />
Stelle dieser Fenster befindet sich heute die Emporenzone.<br />
Es ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass über der Tambourzone eine<br />
Massivkuppel begann, die den ovalen Raum überwölbte. Außerhalb des<br />
Gebäudes, neben dem Eingang, gab es zwei vier Meter hohe<br />
Wandnischen. Vorgelagert waren ein Narthex (Vorhalle) und ein<br />
Gebäudekomplex mit Atrium (Innenhof).<br />
Aufgrund des Altkatholikengesetzes <strong>von</strong> 1875, das den Mitgebrauch<br />
römisch-katholischer Kirchen regelte, hatte die alt-katholische Gemeinde<br />
eine Mitbenutzung der Gereonskirche beantragt. Der Oberbürgermeister<br />
sprach sich nach vergeblichen Verhandlungen mit der römischkatholischen<br />
Kirchengemeinde dagegen aus. Der Oberpräsident setzte<br />
sich über diese Bedenken hinweg und räumte der alt-katholischen Pfarre<br />
die Mitbenutzung ein. Gegen diese Entscheidung legte der<br />
Kirchenvorstand <strong>von</strong> St. Gereon wiederum Berufung beim Kultusminister<br />
Falk ein; der aber setzte die Ausführung des Oberpräsidialerlasses aus,<br />
da er eine günstige Entscheidung hinsichtlich der Minoritenkirche erwartete.<br />
Eine solche Entscheidung fiel aber nicht.<br />
Nach diesen Erfahrungen hat die alt-katholische Pfarrei keinen weiteren<br />
Antrag auf die Mitbenutzung römisch - katholischer Kirchenräume<br />
gestellt. Sie benutzte weiterhin die Ratskapelle, bis sie mit der<br />
Einweihung der neuen Pfarrkirche in der Jülicher Straße im Jahre 1907<br />
eine neue Wirkungsstätte erhielt 38 .<br />
Die neue Pfarrkirche Christi Auferstehung<br />
1989 war es endlich soweit. Die Auferstehungskirche sollte nach dem<br />
Willen der Kirchengemeinde neu gestaltet werden. Denn immer noch<br />
stand dort nur ein Provisorium zur Verfügung. Die alte Kirche war im<br />
Krieg mit Ausnahme des Glockenturmes und des Pfarrhauses<br />
vollständig zerstört worden. Drei verschiedene Architekten-Modelle<br />
standen dem Gestaltungsbeirat, einem Gremium <strong>von</strong> Fachleuten und<br />
Verwaltungsvertretern, zur Diskussion.<br />
38 http://www.stgereon.de/menu_Site.php?Seite=/Basilika/allgemein/allg_10.html;<br />
http://www.willkommeninkoeln.de/fuehrungen/rundgange.htm; http://www.erzbistumkoeln.de/modules/news/news_0167.html?uri=/index.html;<br />
Ciesla Beier
Gemeinsam war allen drei Varianten die Idee, die historischen Umrisse<br />
der 1907 erbauten Kirche durch eine Stahlkonstruktion nachzuzeichnen.<br />
In eine solche Konstruktion können beliebige Bauformen eingefügt<br />
werden. Die Kirchengemeinde selbst hatte vorgeschlagen, das Gebäude<br />
für mehrere Funktionen auszulegen - eine Kombination <strong>von</strong><br />
Kirchenräumen und weltlicher Nutzung. Gedacht war damals etwa an<br />
die Einrichtung eines Schokoladenmuseums, <strong>von</strong><br />
Studentenappartements, Büros oder eines Einkaufscenters. Das Amt für<br />
Denkmalpflege, das Auflagen gemacht hatte, da der Glockenturn unter<br />
Denkmalschutz steht, begrüßte die Entwürfe 39 .<br />
Und so machte die Auferstehungskirche bald ihrem Namen alle Ehre.<br />
Die ehemaligen Umrisse des l9O6 - O7 errichteten Bauwerks entstanden<br />
als Stahlkonstruktionen neu. Die nun wiederzuerkennenden beiden<br />
Türme das Lang- und das Querschiff der einstigen Kirche sind jedoch<br />
nur noch der Form nach ein Gotteshaus. Der Architekt hatte eine<br />
vollständige Verglasung vorgesehen und mit seinen Plänen das<br />
jahrelange Ringen zwischen altkatholischer Gemeinde und<br />
Stadtkonservator um den Neubau beendet. Hinter der Glasfront<br />
verbergen sich Büros, Galerien und eine Tiefgarage verbergen. Die<br />
eigentliche Kirche befindet sich im Souterrain des neuen alten Bauwerks<br />
und setzte endgültig einen Schlußpunkt unter die provisorische<br />
Unterkunft der Gemeinde 40 .<br />
Feier zum 125jährigen Bistumsjubiläum in Köln im Jahre 1998<br />
Wie bereits oben ausführlich dargestellt wählten am 6. Juni 1873 die<br />
dem alten katholischen Glauben treu gebliebenen Priester und Laien<br />
Deutschlands ihren ersten Bischof in St. Pantaleon in Köln. Der<br />
gebürtige Burtscheider und damalige Breslauer Theologieprofessor Dr.<br />
Joseph Hubert Reinkens wurde fast einstimmig zum ersten Katholischen<br />
Bischof der Alt-Katholiken in Deutschland gewählt und erhielt<br />
anschließend die Anerkennung als katholischer Bischof durch die<br />
Staaten Preußen, Großherzogtum Hessen und Baden. Die<br />
Bischofsweihe empfing er in den Niederlanden, wo schon 1723 das<br />
Erzbistum Utrecht mit seinen Bistümern Haarlem und Deventer <strong>von</strong> <strong>Rom</strong><br />
exkommuniziert worden war.<br />
Im Jahre 1998 durfte also die so oft totgesagte und noch häufiger <strong>von</strong><br />
<strong>Rom</strong> totgewünschte alt-katholische Bewegung auf 125 Jahre ihres<br />
Bistums zurückblicken. 125 Jahre katholischer Glaube in<br />
39 KsTA vom Dienst~, 22. August1989<br />
40 nach Kölner Stadt-Anzeiger Nr. 239, Datum unbekannt, Kopie im Archiv des Verfassers
Gewissensfreiheit und Bindung an die Heilige Schrift und die<br />
apostolische Tradition der Kirche. Da St. Pantaleon inzwischen mit<br />
"Opus-Dei"-Priestern besetzt ist und den Alt-Katholiken gerade im<br />
Erzbistum Köln grundsätzlich keine römisch-katholischen Kirchen zur<br />
Verfügung gestellt werden, war das Bistum dankbar, daß der<br />
evangelische Stadtkirchenverband Köln in der Kartäuserkirche Gastrecht<br />
gewährte.<br />
Dankbar zeigte sich Bischof Joachim Vobbe auch für das Kommen so<br />
vieler Gäste aus Politik und Ökumene. Die Festrede hielt<br />
Ministerpräsident a.D. Dr. h.c. Johannes Rau zum Thema »Was erwartet<br />
der Staat <strong>von</strong> den Kirchen«.<br />
Als weitere besondere Ehrengäste waren anwesend: Staatsminister Dr.<br />
Hoyer (Bundesregierung, FDP), Ministerialdirigent Speck (BMI, CDU),<br />
Herr Cieska-Baier MdR (Stadt Köln, SPD), Metropolit Augoustinos<br />
(ACKiD, Griechisch-Orthodoxe Metropolie), Landessuperintendent<br />
Herrenbrück (Evangelische Kirche Deutschlands), Oberkirchenrat Krech<br />
(Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands), P. Dr. Entrich<br />
OP (römisch-katholische Deutsche Bischofkonferenz), Bishop Gledhill<br />
(für den anglikanischen Erzbischof <strong>von</strong> Canterbury), Bischof Soares<br />
(Kirche <strong>von</strong> Portugal), Pfarrer Amat (Kirche <strong>von</strong> Spanien), Erzbischof Dr.<br />
h.c. Glazemaker (Utrechter Union, Alt-Katholische Kirche der<br />
Niederlande), Bischof Hejbal (Alt-Katholische Kirche in Tschechien) und<br />
viele andere mehr. Zudem waren Mitglieder aus allen Gemeinden des<br />
Bistums gekommen.<br />
Anläßlich dieses Jubiläums hat das alt-katholische Bistum eine<br />
Festschrift unter dem Titel „Bewegung in Kirche – Kirche in Bewegung 41 “<br />
publiziert. Von Pfarrer Pfützner wurde ein neues "Positionspapier" zum<br />
Thema: »Ein Kirchenvolksbegehren wird 125 Jahre alt«<br />
herausgegeben 42 .<br />
41 Genauer Titel<br />
42 Nach http AK