KONZEPTION BETREUTES WOHNEN - Suchtberatung Freiburg
KONZEPTION BETREUTES WOHNEN - Suchtberatung Freiburg
KONZEPTION BETREUTES WOHNEN - Suchtberatung Freiburg
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K O N Z E P T I O N<br />
B E T R E U T E S<br />
W O H N E N<br />
Oberau 23<br />
79102 <strong>Freiburg</strong>
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INHALT<br />
1. TRÄGER<br />
2. SUCHT- UND THERAPIEVERSTÄNDNIS<br />
3. BESCHREIBUNG DER EINRICHTUNG<br />
3.1. Räumliche Ausstattung<br />
3.2. Personelle Besetzung<br />
3.3. Finanzierung<br />
4. ZIELE DES BETREUTEN <strong>WOHNEN</strong>S<br />
4.1. Zielgruppe<br />
4.2. Indikationskriterien<br />
5. VERLAUF DES BETREUTEN <strong>WOHNEN</strong>S<br />
5.1. Vorbereitung<br />
5.2. Betreutes Wohnen<br />
5.3. Beendigung des Betreuten Wohnens<br />
6. UMGANG MIT RÜCKFALL/KRISENINTERVENTION<br />
6.1. Rückfall mit Suchtmitteln<br />
7. DOKUMENTATION UND QUALITÄTSSICHERUNG
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1. TRÄGER<br />
Das Betreute Wohnen ist eine Einrichtung der AGJ, Fachverband für Prävention und<br />
Rehabilitation in der Erzdiözese <strong>Freiburg</strong> e.V. (AGJ). Dieser Fachverband bietet<br />
einen Verbund von ambulanten, teilstationären und stationären Einrichtungen der<br />
Suchtkrankenhilfe. Die AGJ ist als katholischer Fachverband Mitglied im Diözesan-<br />
Caritasverband der Erzdiözese <strong>Freiburg</strong> e.V. und Mitglied der Caritas Suchthilfe<br />
(CaSu) – Bundesverband der Suchthilfeeinrichtungen im Deutschen Caritasverband.<br />
2. SUCHT- UND THERAPIEVERSTÄNDNIS<br />
Abhängigkeit ist eine komplexe Erkrankung, die von vielfältigen schädigenden<br />
Auswirkungen auf die körperliche, psychosoziale und geistige Entwicklung begleitet<br />
ist. Sie ist gekennzeichnet durch das zeitweilige oder andauernde Unvermögen die<br />
Einnahme einer Substanz zu kontrollieren.<br />
Bei der Genese und Entwicklung süchtigen Verhaltens sind sehr unterschiedliche<br />
komplexe und sich wechselseitig bedingende Faktoren und Prozesse anzunehmen.<br />
Entstehung und Verlauf des jeweiligen Suchtverhaltens werden beeinflusst von der<br />
individuellen Persönlichkeitsentwicklung und Erlebnisverarbeitung eines Menschen<br />
sowie von der Wirkung, die mit einem Suchtmittel beabsichtigt und erreicht wird<br />
(z.B. Anerkennung, Ausgleich fehlenden Selbstwertes, Angstbewältigung, Betäubung,<br />
Konfliktbewältigung usw.).<br />
Das Suchtverhalten wird gleichzeitig in hohem Maße geprägt von psychosozialen<br />
Gegebenheiten, Werten- und Beziehungssystemen und Konsumgewohnheiten, in<br />
denen sich der gefährdete oder bereits abhängig gewordene Mensch bewegt und lebt.<br />
Den missbräuchlichen Konsum von Suchtmitteln verstehen wir auf diesem Hintergrund<br />
als Versuch, die eigenen Probleme zu bewältigen oder zumindest mit ihnen im<br />
individuellen Lebensalltag zurechtzukommen. Allerdings wird im Laufe der fortschreitenden<br />
Entwicklung dieser misslingende Lösungsversuch selbst zum Problem,<br />
der weitere individuelle und soziale Konflikte und Schädigungen mit sich bringen<br />
kann.
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Somit unterstellen wir den Betroffenen eine - wenn auch auf ein untaugliches<br />
(Sucht-) Mittel setzende - Heilungsabsicht, die auch im weiteren Krankheitsverlauf<br />
vorhanden ist und im therapeutischen Prozess nutzbar gemacht werden kann.<br />
Gemeinsam mit den Klienten(innen) werden sowohl individuelle Aspekte der Suchtgefährdung<br />
und -erkrankung analysiert als auch die jeweilige Umwelt- und Beziehungsstruktur<br />
erfasst und das Ineinanderwirken dieser Faktoren thematisiert.<br />
Durch dieses individuelle und differenzierte Vorgehen lassen sich die jeweiligen<br />
Veränderungsnotwendigkeiten einer Person und ihres Umfeldes erarbeiten. Dabei<br />
setzen wir insbesondere auf die Aktivierung der vorhandenen Ressourcen und die<br />
Entwicklung zufrieden stellender Lebensgestaltungsmöglichkeiten. Wir streben ein<br />
frühzeitiges Einbeziehen des sozialen Umfeldes an, damit das in der Therapie Erarbeitete<br />
regelmäßig in der Alltagsrealität der Klienten/-innen erprobt und integriert<br />
werden kann.<br />
Als Caritaseinrichtung begegnen wir unseren Klienten/-innen auch auf der Basis der<br />
christlichen Nächstenliebe. Die Entwicklung einer Suchterkrankung wird häufig von<br />
einer fehlenden Sinndimension begleitet. Wir beziehen daher neben den fachlichen<br />
Elementen auch die religiöse Dimension mit ein.<br />
3. BESCHREIBUNG DER EINRICHTUNG<br />
Das Betreute Wohnen dient im Anschluss an eine stationäre Entwöhnungsbehandlung<br />
der Stabilisierung des Therapieerfolges (Suchtmittelfreiheit und berufliche und<br />
soziale Wiedereingliederung). Notwendige Bestandteile sind die Überlassung eines<br />
Wohnplatzes sowie Beratung und Betreuung. Der Wohnraum wird in der Regel in<br />
Form von Einzelzimmern unter Mitbenutzung von Küche und Sanitärräumen<br />
angeboten. Die Beratung bedeutet Fortsetzung und Weiterführung des therapeutischen<br />
Prozesses, die Betreuung vielfältige Unterstützung zur Alltagsbewältigung.<br />
Das Betreute Wohnen befindet sich im gleichen Haus wie die PSB, in zentraler Lage<br />
in der Stadt <strong>Freiburg</strong> (ca. 211 000 Einwohner). Hilfesuchende aus der Stadt <strong>Freiburg</strong><br />
sowie aus den umliegenden Landkreisen werden bevorzugt aufgenommen.
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3.1. Räumliche Ausstattung<br />
Das Betreute Wohnen befindet .sich im gleichen Haus wie die Psychosoziale<br />
Beratungsstelle. Die Wohngemeinschaft bietet 11 Plätze, die auf zwei<br />
abgeschlossene Wohnungen verteilt sind. Die Zimmer und jeweils ein<br />
Aufenthaltsraum sind möbliert, die Küchen sind funktionsfähig ausgestattet. Im<br />
Speicher und im Keller gibt es Abstellmöglichkeiten. Im Keller befindet sich zusätzlich<br />
eine Waschküche mit Waschmaschine und Wäschetrockner.<br />
Die Einzel- und Gruppengespräche werden in den Räumen der PSB durchgeführt.<br />
3.2. Personelle Besetzung<br />
Die Arbeit im Betreuten Wohnen ist in das Team der Psychosozialen<br />
Beratungsstelle, die sich im gleichen Haus befindet, eingebunden. Eine der<br />
Personalstellen ist über das Betreute Wohnen finanziert Zwei PSB-Mitarbeiter leiten<br />
die Gruppe. Im Einzelgespräch sind die WG-Bewohner auf alle Mitarbeiter der PSB<br />
verteilt. Diese Verteilung hat den Vorteil, dass beim Auszug ein Wechsel in die<br />
Beratungsstelle nicht mit einem Wechsel der Bezugsperson verbunden sein muss.<br />
Die Einzelgespräche sind weiterhin beim selben Mitarbeiter/-in möglich, und die<br />
Angebote der Beratungsstelle konnten schon während des Betreuten Wohnens<br />
kennen gelernt werden.<br />
3.3. Finanzierung<br />
Das Betreute Wohnen wird finanziert für Suchtkranke gemäß den Richtlinien des<br />
Landeswohlfahrtsverbandes Baden über die Förderung betreuter Wohnangebote für<br />
erwachsene behinderte Menschen durch eine monatliche Betreuungspauschale und<br />
zusätzlich durch eine einmalige Nachsorgepauschale durch den Kostenträger der<br />
stationären Vorbehandlung.<br />
Die Bewohner/-innen finanzieren ihren Lebensunterhalt durch ihr individuelles Einkommen<br />
und bezahlen für den Wohnraum ein monatliches Nutzungsentgelt.
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4. ZIELE DES BETREUTEN <strong>WOHNEN</strong>S<br />
Das Betreute Wohnen fördert die Klienten/-innen in ihren Stärken und Fähigkeiten.<br />
Die in der stationären Vorbehandlung erreichten Entwicklungen sollen fortgeführt<br />
und im Alltag erprobt und umgesetzt werden. Damit sollen folgende Ziele erreicht<br />
werden:<br />
Befähigung zum selbständigen Wohnen und zur selbständigen Haushaltsführung<br />
Entwicklung sozialer Kompetenz im Hinblick auf das spätere Wohnumfeld,<br />
Aufbau von sozialen Bezügen (Familie, Freundeskreis, Selbsthilfegruppen)<br />
Gestaltung der Freizeit<br />
Aufnahme und Stabilisierung von Arbeit und Ausbildung<br />
Stabilisierung der Abstinenz<br />
4.1. Zielgruppe<br />
Zielgruppe des Betreuten Wohnens sind Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängige,<br />
die in der Regel eine stationäre Entwöhnungsbehandlung erfolgreich abgeschlossen<br />
haben. Im Einzelfall ist Betreutes Wohnen nach einem qualifizierten<br />
Entzug möglich. In geringer Zahl werden auch Personen mit Doppeldiagnosen (z.B.<br />
Sucht und Psychose oder Sucht und Borderline-Störung) aufgenommen.<br />
Die Belegung ist gemischtgeschlechtlich, Kinder können mit aufgenommen werden.<br />
4.2. Indikationskriterien<br />
Die Rückkehr ins alte Umfeld ist nicht möglich oder aus therapeutischen Gründen<br />
nicht sinnvoll<br />
Zur Stabilisierung der Abstinenz ist ein beschützender Rahmen erforderlich<br />
Erhöhte Intensität in der Betreuung ist notwendig. Dies ist einerseits durch die<br />
hohe Frequenz der Einzel- und Gruppengespräche möglich wie auch durch das<br />
gemeinsame Wohnen mit Mitbetroffenen
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5. VERLAUF DES BETREUTEN <strong>WOHNEN</strong>S<br />
5.1. Vorbereitung<br />
In der Regel bewirbt sich ein zukünftiger Bewohner schriftlich aus der stationären<br />
Entwöhnungsbehandlung. Wenn voraussichtlich zum Entlasszeitpunkt ein Wohnplatz<br />
frei ist, wird er zu einem oder mehreren Kennenlerngesprächen eingeladen. In<br />
den Gesprächen geht es um das Verstehen des bisherigen Lebens- und Suchtverlaufs<br />
und das Nachvollziehen der in der stationären Therapie erreichten Erkenntnisse und<br />
Veränderungen. Im Gespräch sollen Ziele für das Betreute Wohnen beschrieben und<br />
festgelegt werden.<br />
Das entscheidende Gespräch, ob jemand ins Betreute Wohnen aufgenommen wird,<br />
führen in der Regel zwei Mitarbeiter. Danach erfolgt die Antragstellung bei dem<br />
zuständigen kommunalen Leistungsträger, der bei Genehmigung einen Gesamtplan<br />
erstellt. Der zukünftige Bewohner stellt sich in der Hausgruppe vor und lernt seinen<br />
zukünftigen Wohnraum kennen.<br />
5.2. Betreutes Wohnen<br />
Bei Einzug schließen wir mit den Bewohnern einen Vertrag mit zunächst 6-monatiger<br />
Gültigkeit; der Vertrag kann dann um maximal weitere 6 Monate verlängert werden.<br />
Als Wohnraum stehen in der Regel ein möbliertes Einzelzimmer und die Gemeinschaftsräume<br />
zur Verfügung. Der Bewohner hat einen Wohnungs- und Zimmerschlüssel,<br />
kann ohne Einschränkung Besuch empfangen und sich uneingeschränkt<br />
außer Haus bewegen. Für die Gestaltung des Wohnens (Einkauf, Reinigung,<br />
Nahrungszubereitung, gemeinschaftliche Aktivitäten usw.) sind die Bewohner selbst<br />
verantwortlich.<br />
Das Betreute Wohnen findet in der Regel im von uns zur Verfügung gestellten<br />
Wohnraum statt. In Einzelfällen kann es auch als Betreutes Einzelwohnen außerhalb<br />
durchgeführt werden.
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Verbindlich sind folgende Punkte geregelt:<br />
Einhalten der Abstinenz von Suchtstoffen (Alkohol, Medikamenten und illegalen<br />
Drogen)<br />
Die Auseinandersetzung mit der Abhängigkeitserkrankung ist ein regelmäßiger<br />
Bestandteil der Einzel- und Gruppengespräche. Die Entscheidung zur abstinenten<br />
Lebensweise ist ein schwieriger Prozess. Sie wird nicht einmalig getroffen,<br />
sondern unterliegt immer wieder Zweifeln und neuen Entscheidungsfindungen.<br />
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Einzelgespräche<br />
Jeder Bewohner hat in der Regel einmal wöchentlich ein Einzelgespräch mit<br />
einem Mitarbeiter. Das Einzelgespräch hat je nach Situation und Entwicklungsstand<br />
des Bewohners entweder psychotherapeutische Elemente oder dient der<br />
Alltagsbewältigung sowie der Integration (Lebensplanung, berufliche Entwicklung,<br />
Entwicklung von Freizeitinteressen etc.).<br />
<br />
Gruppe<br />
Jeder Bewohner nimmt an der einmal wöchentlich stattfindenden Gruppe teil,<br />
die von zwei Mitarbeitern geleitet wird. Die Gruppe beinhaltet in der Regel ein<br />
gemeinsames Gespräch über die Fortentwicklung des Einzelnen und der Hausgemeinschaft,<br />
kann aber auch in größeren Abständen zu gemeinsamen Aktivitäten<br />
genutzt werden.<br />
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Arbeitsprojekt<br />
Jeder Bewohner, der sich nicht in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis<br />
befindet, nimmt einen halben Tag pro Woche - unter Anleitung eines<br />
Mitarbeiters - am Arbeitsprojekt teil. Inhalte des Arbeitsprojekts sind z.B.<br />
Renovierung und Instandhaltung des Wohnraums. Das gemeinsame Arbeiten<br />
fördert die Integration in die Hausgemeinschaft und die Identifikation mit dem<br />
neuen Wohnumfeld.<br />
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Begleitung im Alltag<br />
Durch die räumliche Nähe von Wohngemeinschaft und Psychosozialer Beratungs-<br />
und Behandlungsstelle sind spontane Begegnungen möglich. Diese viel-
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fältigen Kontakte mit allen Mitarbeitern der PSB sowie den Bewohnern untereinander<br />
dienen der Persönlichkeitsentwicklung und sind Hilfestellungen im<br />
Alltag.<br />
5.3. Beendigung des Betreuten Wohnens<br />
Das Betreute Wohnen endet je nach individueller Vereinbarung, spätestens nach<br />
einem Jahr. Danach stehen dem ehemaligen Bewohner die vielfältigen Angebote der<br />
PSB zur Verfügung.<br />
6. UMGANG MIT RÜCKFALL/KRISENINTERVENTION<br />
Entsprechend unserem Verständnis von Suchterkrankung sehen wir einen Behandlungsverlauf<br />
als dynamischen Prozess. Dazu können Krisen gehören, die bei Bewohnern<br />
zum Rückfall in alte Verhaltens- und Lebenslösungsmuster führen können und<br />
auch zum Rückfall in die Abhängigkeitssymptomatik, d.h. zum erneuten Konsum<br />
von Suchtmitteln.<br />
6.1. Rückfall mit Suchtmitteln<br />
Durch einen Rückfall mit Suchtmitteln wird die Fortsetzung des Betreuten Wohnens<br />
in Frage gestellt. Über die Beendigung oder Fortsetzung des Betreuten Wohnens<br />
wird vom Team individuell entschieden. Bei der Entscheidung sind folgende Punkte<br />
zu beachten:<br />
Zeitpunkt des Rückfalls im Verlauf der Behandlung<br />
Art und Ablauf (einmal oder über Tage rückfällig?)<br />
Haltung des Bewohners zum Rückfall bzw. seine Einordnung<br />
des Rückfalls in den Behandlungsprozess<br />
Art des Offenlegens<br />
Gesamtsituation in der Wohngemeinschaft bzw. im Team
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7. DOKUMENTATION UND QUALITÄTSSICHERUNG<br />
Zur Basisdokumentation wird für jeden Bewohner eine EBIS-Karteikarte angelegt.<br />
Die Verläufe im Betreuten Wohnen werden in individuellen Abschlussberichten<br />
dokumentiert. Die Gesamtsituation der Wohngemeinschaft wird einer statistischen<br />
Auswertung am Jahresende unterzogen. Die Behandlungsverläufe der einzelnen<br />
Bewohner und die Entwicklung im Zusammenleben der Hausgemeinschaft werden in<br />
Fallbesprechungen und Supervision regelmäßig reflektiert.<br />
Die Qualitätssicherung in den Einrichtungen der AGJ erfolgt im Rahmen eines von<br />
der Caritas Suchthilfe (CaSu) – Bundesverband der Suchthilfeeinrichtungen im<br />
Deutschen Caritasverband angestoßenen Qualitätsmanagementprozesses auf der<br />
Basis von DIN EN ISO und EFQM.<br />
Thomas Hodel<br />
Thomas Meder<br />
Juni 2006