Formobst - Park der Gärten
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Gartenkulturzentrum Nie<strong>der</strong>sachsen<br />
<strong>Formobst</strong><br />
O<br />
<strong>Formobst</strong>bäume verbinden zwei Vorteile miteinan<strong>der</strong>:<br />
Durch ihre Form, ihre Blüte im Frühjahr und die leuchtenden<br />
Früchte im Spätsommer/Herbst sind sie äußerst<br />
dekorativ und liefern außerdem noch wohlschmeckende<br />
Früchte. Schon seit dem späten 16. Jahrhun<strong>der</strong>t ist<br />
in Mitteleuropa die Kunst, <strong>Formobst</strong>bäume zu erziehen,<br />
bekannt. Sie wurden zunächst an Mauern von Schloßparkanlagen<br />
gepflanzt, später gelangten sie aber auch in<br />
die <strong>Gärten</strong> des einfachen Volkes. Im Vor<strong>der</strong>grund stand<br />
damals, dass man durch gezielten Schnitt und durch die<br />
Kultur an schützenden Mauern von wärmebedürftigen<br />
Obstarten wie Pfirsich und Birne o<strong>der</strong> von anspruchsvollen<br />
Apfelsorten auch in rauheren Lagen Früchte in<br />
beson<strong>der</strong>s guter Qualität ernten konnte.<br />
Formen: Der senkrechte Schnurbaum ist ein „einarmiger" Formbaum, bei dem im Gegensatz zum Spindel- o<strong>der</strong> zum<br />
Buschbaum am Mitteltrieb keine seitlichen Tragäste geduldet werden, son<strong>der</strong>n durch Schnitt Fruchtholz erzogen wird.<br />
Solche senkrechten Schnurbäume können nebeneinan<strong>der</strong> an Mauern stehen, gern werden sie aber auch mit einer Rundung<br />
als Torbogen gezogen.<br />
Die U-Form bildet zwei „Arme", die im Abstand von 40 cm senkrecht nach oben gezogen sind.<br />
Bei <strong>der</strong> Doppel-U-Form verzweigt sich <strong>der</strong> Stamm zweimal nebeneinan<strong>der</strong> U-förmig, so daß insgesamt vier senkrechte<br />
Arme im Abstand von jeweils 40 cm zueinan<strong>der</strong> stehen.<br />
Die Verrier-Palmette (o<strong>der</strong> Gabelspalier) bildet ebenfalls zwei „U‘s", allerdings verzweigt sich hier <strong>der</strong> Stamm zunächst<br />
zu einem großen U und setzt sich gleichzeitig fort, um ein weiteres, kleineres U in dessen Mitte zu bilden. Diese Form<br />
sieht zwar sehr ansprechend aus, ist aber schwieriger zu pflegen als die Doppel-U-Form, da meist das innere, kleinere U<br />
stärker wächst und dazu neigt, das äußere, breitere U zu überwachsen und zu unterdrücken.<br />
Die schräge und die waagerechte Palmette besitzen einen<br />
Mitteltrieb, von dem in 40 cm Abstand Seitenarme entspringen,<br />
die bei <strong>der</strong> schrägen Palmette im Winkel von 45° und bei <strong>der</strong><br />
waagerechten Palmette waagerecht (Winkel 90°) gezogen werden.<br />
Um eine Fläche gut auszunutzen, wurden früher häufig<br />
breite Formen im Wechsel gepflanzt und das daraus entstandene<br />
Muster „Crossonet" bezeichnet.<br />
Das Fächerspalier ist die einfachste Form des Spalierobstes,<br />
bei <strong>der</strong> ohne geometrisches Muster Seitenzweige an ein Spalier<br />
geheftet und durch Schnitt so ausgelichtet werden, dass die<br />
Früchte gut belichtet werden. Zum Fächerspalier werden meist<br />
Obstarten gezogen, die Fruchtholzschnitt nicht o<strong>der</strong> nur<br />
schlecht vertragen, wie Pfirsiche o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>es Steinobst.<br />
In Bauerngärten und Schrebergärten waren früher ein- o<strong>der</strong> zweiarmige waagerechte Schnurbäume verbreitet, durch die<br />
die Rän<strong>der</strong> von Gemüse- und Blumenbeeten zum Weg hin abgegrenzt wurden.<br />
Selbstverständlich ist eine Vielzahl weiterer Formen möglich. So wurden in Westeuropa zweiarmige schräge Schnurbäume<br />
O<br />
zur „Belgischen Hecke" kombiniert, o<strong>der</strong> dreidimensionale becher- und kesselförmige Bäume gezogen. Im Rokoko soll<br />
die Formenvielfalt soweit gegangen sein, daß abfällig von übertriebener „Formakrobatik" gesprochen wurde.<br />
Geeignete Obstarten: Abgesehen von den schlingerartig wachsenden Obstarten wie <strong>der</strong> Weinrebe, eignen sich beson<strong>der</strong>s<br />
Apfel und Birne zur Anzucht als <strong>Formobst</strong>. Sie vertragen den starken Schnitt, <strong>der</strong> notwendig ist, die Formen bei <strong>der</strong><br />
Anzucht zu bändigen, und bilden auch an altem Fruchtholz laufend neue Blütenknospen, so dass es sich immer wie<strong>der</strong><br />
regeneriert. Die meisten Apfel- und Birnenbäume sind geeignet. Nur bei Sorten, die sehr schlecht fruchten, und Sorten,
<strong>Formobst</strong><br />
O<br />
die sehr schwachwüchsig sind, ist Vorsicht angeraten. Bei Steinobst<br />
(Kirschen, Pflaumen, Pfirsiche) ist die Fruchtholzbildung<br />
problematischer. Leicht entstehen Kahlstellen an den Ästen, so<br />
dass nur wenige Pflaumensorten mit viel Erfahrung zu <strong>Formobst</strong><br />
gezogen werden können. Für Steinobst wählt man deswegen eher<br />
das Fächerspalier.<br />
Standort: Meist werden <strong>Formobst</strong>bäume an Hauswände gepflanzt.<br />
Nordwände sind wegen mangeln<strong>der</strong> Sonneneinstrahlung<br />
nicht geeignet, Südwände eignen sich beson<strong>der</strong>s für sehr wärmeliebende<br />
Obstarten wie Pfirsiche. Die Ost- und Westseiten sind<br />
beson<strong>der</strong>s für Äpfel und Birnen geeignet.<br />
<strong>Formobst</strong> kann auch an freistehende Gerüste gepflanzt werden,<br />
allerdings müssen diese gut verankert werden, um bei Stürmen vor<br />
<strong>der</strong> Ernte die schweren Bäume stützen zu können.<br />
Schnitt: Eine Beson<strong>der</strong>heit bei <strong>der</strong> Pflege von Spalierobst ist <strong>der</strong><br />
Fruchtholzschnitt. An<strong>der</strong>s als bei an<strong>der</strong>en Obstbäumen, bei denen<br />
in <strong>der</strong> Regel nur ausgelichtet wird, müssen, um die Form zu<br />
erhalten und Früchte in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Tragäste zu erzielen, stärkerwachsende<br />
Seitentriebe gekürzt werden. Wenn diese Triebe etwa<br />
20 cm lang sind (ab Juni), werden sie auf fünf bis sechs Blätter<br />
pinziert (eingekürzt). Die oberen ein bis drei Knospen treiben<br />
dann aus, an den unteren können sich Blütenknospen bilden.<br />
<strong>Formobst</strong>bäume können in gut sortierten Baumschulen und Gartencentern<br />
bezogen werden. Wichtig ist neben <strong>der</strong> einwandfreien<br />
Pflanzenqualität eine fachkundige Beratung über Frosthärte,<br />
Standortansprüche und Pflege <strong>der</strong> Pflanzen.<br />
Anzuchtformen<br />
senkrechter<br />
Schnurbaum<br />
U-Form Doppel-U-Form Gaucher Palmette<br />
(nach Freriks 1998)<br />
Verrier Palmette schräge Palmette waagerechte Palmette<br />
(als „Crossonet“ gepflanzt)<br />
Fächerspalier<br />
Kombination zweiarmiger schräger Schnurbäume (belgische Hecke)<br />
Anzucht <strong>der</strong> Pflanzen durch:<br />
zweiarmiger waagerechter<br />
Schnurbaum<br />
Kombination<br />
einarmiger waagerechter Schnurbäume<br />
schräger<br />
einarmiger Schnurbaum<br />
Quelle: Beltz, H.: Formgehölze – Anzucht und Pflege. Parey Buchverlag Berlin 1999