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James Cook und die Entdeckung der Südsee - Spektrum CP

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Der tahitianische Priester<br />

Tupaia, <strong>der</strong> mit <strong>Cook</strong> reist,<br />

zeichnet <strong>die</strong>ses Bild, das<br />

vermutlich den Botaniker<br />

Joseph Banks zeigt, dem ein<br />

Maori einen Hummer<br />

schenkt.<br />

1777 fertigt John Webber<br />

<strong>die</strong>ses Gemälde von <strong>der</strong><br />

19-jährigen Prinzessin<br />

Poedua an, <strong>der</strong> Tochter<br />

des Königs Orio von<br />

Ulietea.<br />

BRITISH LIBRARY, LONDON<br />

Wunsch nach Babys mit <strong>der</strong> heiligen Aura <strong>der</strong><br />

erstgeborenen Kin<strong>der</strong> junger Mädchen. Als Folge<br />

<strong>der</strong> sexuellen Beziehungen breiten sich tödliche<br />

Geschlechtskrankheiten aus. <strong>Cook</strong> versucht <strong>die</strong><br />

Kontakte gelegentlich zu unterbinden. Wenn er<br />

fürchtet, dass sich <strong>die</strong> Matrosenpest »mit <strong>der</strong> Zeit<br />

über alle Eilande <strong>der</strong> <strong>Südsee</strong> ausbreiten könnte,<br />

zur ewigen Schande <strong>der</strong>er, <strong>die</strong> sie zuerst hierhergebracht«,<br />

will er aber auch seinen Ruf retten.<br />

Als <strong>die</strong> polynesischen Inseln in den Jahrzehnten<br />

nach <strong>Cook</strong>s Besuch zu beliebten Anlaufhäfen<br />

werden, grassieren neben Geschlechtskrankheiten<br />

auch Grippe, Tuberkulose, Pocken, Masern<br />

<strong>und</strong> Keuchhusten. Der Alkoholismus breitet sich<br />

aus, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Inselbewohner bekämpfen sich untereinan<strong>der</strong><br />

mit westlichen Waffen. Die Folgen<br />

sind katastrophal: 1774 schätzt <strong>Cook</strong> <strong>die</strong> Bevölkerung<br />

Tahitis noch auf 204 000 Menschen. Knapp<br />

100 Jahre später erfasst eine französische Volkszählung<br />

nur noch 7169 Insulaner.<br />

Die Europäer bedroht auf ihrer Expedition in<br />

Neuseeland <strong>der</strong> Hunger: »Wir sahen uns im Stande,<br />

jede Art von Fe<strong>der</strong>vieh zu verzehren«, hält<br />

Banks fest: »Hunger ist gewiss eine exzellente<br />

Soße.« Die Mannschaft entdeckt aber auch, dass<br />

sich <strong>der</strong> Speiseplan <strong>der</strong> Eingeborenen nicht auf<br />

NATIONAL MARITIME MUSEUM, GREENWICH, LONDON<br />

Vögel, Fisch <strong>und</strong> Gemüse beschränkt – son<strong>der</strong>n<br />

auch Menschen einschließt. Das bringt den Maori<br />

bei den Menschen in Europa den Stempel <strong>der</strong><br />

»rohen Barbaren« ein.<br />

<strong>Cook</strong> betrachtet den Kannibalismus jedoch<br />

sachlich: »Sie essen ihre Feinde, <strong>die</strong> sie im Kampf<br />

getötet ... Dies scheint mir aus <strong>der</strong> Tradition zu erwachsen<br />

<strong>und</strong> mitnichten aus einer Veranlagung<br />

zur Grausamkeit.« <strong>Cook</strong> hat Recht: Zu seiner Zeit<br />

verspeisen <strong>die</strong> Maori nur ihre Feinde – um sie zu<br />

entehren <strong>und</strong> ihren Geist <strong>und</strong> ihre Kraft in sich<br />

aufzunehmen. Der Kannibalismus ist im Schöpfungsmythos<br />

<strong>der</strong> Maori rituell verankert.<br />

»Warra! Warra! Wai« – Geht fort!<br />

Der deutsche Georg Forster wird den Kannibalismus<br />

mit einem Hinweis auf <strong>die</strong> spanischen Eroberer<br />

in Südamerika relativieren: »Was ist <strong>der</strong><br />

Neu-Seelän<strong>der</strong>, <strong>der</strong> seinen Feind im Kriege umbringt<br />

<strong>und</strong> frisst, gegen den Europäer, <strong>der</strong>, zum<br />

Zeitvertreib, einer Mutter ihren Säugling mit kaltem<br />

Blut, von <strong>der</strong> Brust reißen <strong>und</strong> seinen H<strong>und</strong>en<br />

vorwerfen kann?«<br />

Als <strong>die</strong> »Endeavour« 1770 Australien erreicht,<br />

ist den Englän<strong>der</strong>n sofort klar, dass <strong>die</strong> Küstenbewohner<br />

an<strong>der</strong>s sind als alle, <strong>die</strong> sie bisher getroffen<br />

haben. Joseph Banks berichtet, dass eine<br />

Gruppe von Fischern am Strand »kaum <strong>die</strong> Augen<br />

von ihrem Tun wandten« <strong>und</strong> eine alte Frau »zum<br />

Schiff hinübersah, aber we<strong>der</strong> Überraschung<br />

noch Besorgnis erkennen ließ«.<br />

Als sich <strong>die</strong> Ru<strong>der</strong>boote dem Land nähern, fliehen<br />

<strong>die</strong> Eingeborenen. Nur zwei Krieger harren<br />

aus: »Warra! Warra! Wai!«, rufen sie. »Geht fort!«<br />

<strong>Cook</strong> wirft Nägel <strong>und</strong> Tand als Geschenke an Land.<br />

Die Aborigines schleu<strong>der</strong>n ihm Steine <strong>und</strong> Speere<br />

entgegen. <strong>Cook</strong> feuert mit kleiner Munition <strong>und</strong><br />

trifft einen <strong>der</strong> Männer. Schließlich ziehen sich<br />

<strong>die</strong> Eingeborenen zurück.<br />

»Alles, was sie zu begehren scheinen, war, dass<br />

wir wie<strong>der</strong> verschwinden«, berichtet <strong>Cook</strong> in seinem<br />

Tagebuch: »Von dem, was ich über <strong>die</strong> Eingeborenen<br />

gesagt habe, könnten sie einigen als <strong>die</strong><br />

erbärmlichsten Menschen <strong>der</strong> Erde erscheinen:<br />

Aber in Wirklichkeit sind sie viel glücklicher als<br />

wir Europäer; indem ihnen <strong>die</strong> überflüssigen, in<br />

Europa aber so notwendigen Bequemlichkeiten<br />

völlig fremd sind, sind sie glücklich, nichts von ihnen<br />

zu wissen.«<br />

Bevor <strong>die</strong> Fremden Australien verlassen, nehmen<br />

sie <strong>die</strong> Ostküste formell für <strong>die</strong> britische Krone<br />

in Besitz. Die Briten richten 1788 im heutigen<br />

Sydney eine Strafkolonie ein. Für <strong>die</strong> Australier<br />

unserer Zeit ist <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> <strong>der</strong> Urahn <strong>der</strong> britischen<br />

Landnahme; für <strong>die</strong> Aborigines begann<br />

mit ihm ihre Enteignung.<br />

epoc.de 31

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