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Mittelenglisch - Umweltberatung Kammeltal

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Inhaltsangabe<br />

1 Einleitung.........................................................................................................................S. 2<br />

2 Vokal Dehnung und Kürzung im frühen <strong>Mittelenglisch</strong> (Nikolaus Ritt, 1994) ...................S. 2-6<br />

3 Der Status der spätmittelenglischen Schreibung als früher Beweis für die<br />

englische Vokalverschiebung (Robert P. Stockwell, 2006 ) ............................................S. 7-10<br />

4 Die Geschichte der finalen Vokale im Englischen (Donka Minkova, 1991)......................S. 10-11<br />

5 Französische Lehnwörter und die mittelenglische Senkung des [e]<br />

vor nicht-prävokalischem [r] (Jerzy Welna, 1999)...........................................................S. 12-14<br />

6 Resümee.........................................................................................................................S. 14<br />

7 Literaturverzeichnis..........................................................................................................S. 15<br />

1


1 Einleitung<br />

Die klassischen Lehrwerke, die die Lautlehre des <strong>Mittelenglisch</strong>en betreffen, stammen meist aus<br />

den 1960er und 1970er Jahren. Besonders hervorzuheben sind dabei das Werk Fernand Mossés<br />

„Handbuch des <strong>Mittelenglisch</strong>en“ (1969) sowie Richard Jordans „Handbuch der mittelenglischen<br />

Grammatik“ (1967). Diese Werke beschäftigen sich mit grundlegenden Gebieten der Lautlehre,<br />

aber auch mit Morphologie, Syntax und anderen Themen. Die Entwicklungen der Lautlehre in den<br />

letzten zwei Dekaden hingegen, beschäftigt sich, wie im Folgenden gezeigt werden soll, mehr und<br />

mehr mit speziellen Bereichen der Lautlehre und bietet weniger zusammenfassende Handbücher<br />

an. Im Einzelnen behandelt diese Arbeit die Themen „Vokal Dehnung und Kürzung im frühen<br />

<strong>Mittelenglisch</strong>“ von Nikolaus Ritt, „Der Status der spätmittelenglischen Schreibung als früher<br />

Beweis für die englische Vokalverschiebung“ von Robert P. Stockwell, „Die Geschichte der finalen<br />

Vokale im Englischen“ von Donka Minkova und „Französische Lehnwörter und die mittelenglische<br />

Senkung des [e] vor nicht-prävokalischem [r]“ von Jerzy Welna.<br />

2 Vokal Dehnung und Kürzung im frühen <strong>Mittelenglisch</strong> (Nikolaus Ritt, 1994)<br />

Ausgangspunkt ist das Werk des Wiener Philologen Karl Luick, in dem er argumentiert, dass<br />

Veränderungen der Vokallänge im späten Altenglischen und frühen <strong>Mittelenglisch</strong> die Ursache für<br />

eine Standardisierung der Quantität von betonten Silben gemäß ihrer prosodischen Umgebung<br />

sind. Ritt versucht nun mit seinem Werk Luicks Erkenntnisse zu validieren. Das Buch versucht<br />

folgende Aufgaben zu erfüllen:<br />

1. theorieneutrale Daten über Vokalkürzungen und Vokaldehnungen zu liefern<br />

2. Faktoren, die hinter solchen Veränderung der Vokallänge stehen, mit Hilfe einer modernen<br />

nicht-linearen phonologischen Theorie, zu identifizieren und zu beschreiben<br />

3. eine Bestätigung von Luicks Erkenntnissen zu liefern, dass die Veränderungen Teil eines<br />

einzigen Hauptprozesses quantitativer Angleichung waren.<br />

Ritts Werk basiert auf einer statistischen Analyse von vier Korpora, in die der Leser im<br />

Anhang Einblick erhalten kann. Die Korpora bestehen aus neuenglischen Wortformen, die mit<br />

ihren etymologischen Entsprechungen verglichen werden.<br />

2


Es gibt wohl bei solch einem langfristigen Vergleich das Risiko, dass der Einfluss historische<br />

Dialekte die Daten verzerren, allerdings wird dieses in Kapitel 1 von Ritt folgendermaßen beurteilt:<br />

„…and there is little reason to believe that dialectic mixture should have oscured the diachronic<br />

effects of phonological constraints on vowel lengthening“ (Ritt 1994: 23).<br />

Er behauptet auch, dass der Grund dafür, dass Luicks Erkenntnisse nicht erfolgreich<br />

weiterentwickelt werden konnten, die Eingeschränktheit der vier Lautgesetze waren, die für eine<br />

Beschreibung der mittelenglischen quantitativen Angleichung postuliert wurden: homorganische<br />

Dehnung, Kürzungen vor Konsonantengruppen, Kürzungen bei dreisilbigen Wörtern und die<br />

Dehnung bei offenen Silben. Laut Ritt haben diese Lautgesetze die Daten, die sie zu beschreiben<br />

versuchen, ersetzt. Es ist somit eher widersprüchlich, dass Ritt seine vier Korpora nun<br />

ausschließlich mit Wörtern bestückt, deren Etyma die strukturellen Kriterien dieser vier<br />

Lautgesetze erfüllen. Das quantitative Verhalten von Vokalen in anderen möglicherweise<br />

relevanten Umgebungen wird in der Datenbank nicht dargestellt, womit folglich eine Reihe von<br />

Hypothesen nicht gestestet werden kann. Dieses Fehlen ist von großer Bedeutung: Ritts<br />

Beschreibung der mittelenglischen quantitativen Angleichung impliziert einige Voraussagen<br />

bezüglich der Wahrscheinlichkeit von Dehnungen in betonten einsilbigen Wörtern mit einem VC<br />

Reim, die Datenbank liefert allerdings keine Beweise für das historische Verhalten dieser<br />

phonologischen Klasse.<br />

Trotz dieser und anderer statistischer Probleme, liefert Ritts neue Betrachtung des<br />

Ausgangsmaterials einige wichtige Ergebnisse. Am bemerkenswertesten ist seine Beobachtung,<br />

dass der traditionelle Fall für das Ausrufen der Kürzung bei dreisilbigen Wörtern (TRISH) fast<br />

ausschließlich auf neuenglischen Formen wie chicken und bosom beruhen, wo vom kurzen Vokal,<br />

ohne unabhängige Begründung, angenommen wird, dass er analog dreisilbiger flektierter Formen<br />

wie cicenu und bosome angepasst wurde. Die extreme Knappheit nicht-flektierter dreisilbiger<br />

Wörter im frühen <strong>Mittelenglisch</strong> zugrunde gelegt, beschreibt Ritt TRISH als ein „sound change<br />

without inputs“ (Ritt 1994: 104).<br />

Ritt behauptet, dass alle großen spät-altenglischen und früh-mittelenglischen<br />

Veränderungen bezüglich der Vokallänge, Erscheinungen eines einzelnen historischen Prozesses<br />

der <strong>Mittelenglisch</strong>en Quantitativen Angleichung (MEQA) waren, kontrolliert von einem<br />

„porbabilistischem Gesetz“:<br />

Die Wahrscheinlichkeit einer Vokaldehnung war proportional zu<br />

1. dem Grade der Betonung<br />

2. der „Backness“ (horizontale Stellung der Zunge)<br />

3


3. der „coda sonority“ (Stimmhaft, stimmlos)<br />

und umgekehrt proportional zu<br />

1. der vertikalen Stellung der Zunge<br />

2. des Silbengewichts<br />

3. dem gesamten Gewicht der schwachen Silben.<br />

Es handelt sich also um einen vereinheitlichten Bericht über alle quantitativen<br />

Veränderungen, die englische betonte Vokale während der mittelenglischen Periode betreffen 1 . Im<br />

Einzelnen behandelt er das Open Syllable Lengthening (OSL) (Dehnung in offenen Silben), das<br />

Homorganic Lengthening (Dehnung vor homorganen Konsonantengruppen) sowie wie zwei<br />

Formen von Kürzungen, nämlich die Trisyllabic Shortening (TRISH) (Kürzung bei dreisilbigen<br />

Wörtern) und die Shortening before Consonant Clusters (SHOCC) (Kürzung vor<br />

Konsonantengruppen).<br />

2.1 Open Syllable Lengthening (OSL)<br />

Der traditioneller Standpunkt war, dass a, e, o (Vokale mit hoher Zungenposition) in offenen<br />

akzentuierten Silben bei zweisilbigen Wörtern zu /a:/, /ε:/ und /:/ gedehnt wurden (im 13.<br />

Jahrhundert). Er kritisiert nun, dass a, e, o als Entitäten gesehen wurden und der Prozess als<br />

uniform und einfach dargestellt wurde, anstatt auf ein komplexes Zusammenspiel verschiedener<br />

Faktoren zu verweisen. Bei der Artikulation kann der Sprecher zwar variieren, aber nicht in großem<br />

Maße, da sonst sein Gegenüber nicht mehr das gleiche Bezeichnete erkennt.<br />

Als Beispiel nennt er bede. Bei falscher Aussprach (Zunge wird nicht weit genug /zu weit<br />

gehoben) könnte badde (bad) / bidde (beg, command) entstehen. Das Wort hätte somit einen<br />

Bedeutungswandel erfahren. Somit musste das [e] in bede genug Merkmale besitzen, um sich von<br />

anderen Vokalen zu unterscheiden. Spätere Sprecher, nach dem 13. Jahrhundert, würden dann<br />

bei der Verwendung des Wortes, um richtig verstanden zu werden, auf ein anderes<br />

artikulatorisches Merkmal als ihre Vorfahren, nämlich auf die Länge, besonderen Wert legen. Dies<br />

sei der Grund für die Dehnung des Vokals. Das Konzept des Lautwandels sei nach Ritt nun<br />

folgendes:<br />

Zu einem Zeitpunkt, sprechen eine Gruppe von Leuten bestimmte Wörter auf eine bestimmte<br />

1 aus: http://journals.cambridge.org (10.01.2007)<br />

Cambridge Studies in Linguistics: supplementary volume. Cambridge: Cambridge University Press, 1994.<br />

4


Weise aus, wohingegen andere Menschen zu einer anderen Zeit ähnliche Wörter verwenden um<br />

ähnliche Bedeutungen auszudrücken, diese aber anders aussprechen.<br />

Ritt kommt also zu spezifischeren Interpretationen von „Lautwandel“. Einerseits beschreibt<br />

der Lautwandel die bloße Tatsache, dass das jüngere artikulatorische Ziel als ein funktionales<br />

Äquivalent betrachtet werden kann und somit der zeitliche Nachfolger des älteren ist. Andererseits<br />

steht der Lautwandel für alle Faktoren, die eine funktionale Korrespondenz zwischen den beiden<br />

Elementen schaffen. Die OSL ist also ein Sammelbegriff für eine große Menge von<br />

zusammenhängenden Ereignissen und somit hält Ritter das OSL aufgrund des hohen<br />

Abstraktionsgrades für keinen geeigneten Startpunkt für eine theorieneutrale Untersuchung.<br />

Nach der Dekonstruktion des OSL Begriffs versucht er im Anschluss daran den OSL<br />

Begriff zu rekonstruieren. Die Elemente des Korpus sind phonologisch kategorisiert nach der<br />

Vokalqualität, dem Konsonant der dem Vokal folgt, sowie der Silbe die dem Vokal folgt. Weitere<br />

Parameter sind die Wortklasse und der etymologische Ursprung.<br />

Seine Untersuchungen kommen zu nachfolgend beschriebenen Ergebnissen.<br />

2.2 Untersuchungsergebnisse Ritts bezüglich der OSL<br />

Der Einfluss der zweiten Silbe auf eine mögliche Dehnung ist dann vorahnden, wenn es sich um<br />

eine sogenannte instabile Silbe handelt. Darunter versteht man Wörter die im Neuenglischen<br />

immer noch zweisilbig sind, das heißt die ihre finale Silbe nicht durch Prozesse wie den Ausfall des<br />

Schwas verloren haben. Die Wahrscheinlichkeit einer Vokaldehnung ist nun also bei Wörtern mit<br />

instabilen Silben höher als bei Wörtern mit stabilen Silben. Im Appendix I werden unter anderem<br />

folgende Beispiele aufgeführt:<br />

Wörter mit instabiler Silbe und Vokaldehnung sind beispielsweise mittelenglisch aken<br />

(neuenglisch ache), ape, baken (bake), bere (bear), cake, game. Andere Beispiele, die sozusagen<br />

Ausnahmen der Regel bilden, sind einerseits Wörter mit instabilen Silben, deren Vokal nicht<br />

gedehnt wurde. Dies trifft u.a. für beke (beck), kasta (cast), cracke (crack), drope (drop), geten (get)<br />

und cnoka (knock) zu. Andererseits aber Wörter mit stabilen Silben, die trotzdem eine<br />

Vokaldehnung erfahren haben, wie z.B. bacon, basin, bever (beaver), efen (even), favor (favour)<br />

und label. Die Untersuchungen Ritts zeigen eine Häufigkeit von 94% bei unstabilen Silben für eine<br />

Vokaldehnung, bei stabilen Silben beträgt sie lediglich 18%.<br />

5


Eine weitere Einflussgröße ist das Gewicht der finalen Silbe. Wörter mit leichten Silben, also Silben<br />

die auf einen kurzen Vokal enden, wurden häufiger gedehnt als solche mit schweren Silben (24%<br />

der Wörter mit leichten Silben gegenüber 8% derer mit schweren Silben erfuhren eine<br />

Vokaldehnung).<br />

Ein entscheidender Faktor bezüglich der Dehnung oder Nicht-Dehnung scheint also die<br />

Struktur der zweiten Silbe eines Wortes zu sein. Doch gibt es neben der Struktur auch noch<br />

andere beachtenswerte Parameter wie etwa den Einfluss der Vokalqualität. So wurden tiefe Vokale<br />

eher gedehnt als nicht-tiefe. Ebenso wurden Hinterzungenvokale bei den Dehnungsprozessen<br />

gegenüber Vorderzungenvokalen präferiert. Neben der Vokalqualität spielen auch Konsonanten<br />

am Ende der ersten Silbe offensichtlich eine entscheidende Rolle, denn vor einzelnen<br />

Konsonanten erfolgte eher eine Dehnung als vor Konsonantengruppen [Anmerkung: ein spezieller<br />

Verweis auf homorgane Konsonantengruppen ist an dieser Stelle nicht zu finden].<br />

Bezüglich der Konsonantenqualität kam Ritt allerdings zu keinen aussagefähigen Ergebnissen.<br />

2.3 Homorganic Lengthening (HOL)<br />

Hier erörtert Ritt die Frage, ob OSL and HOL als eine einzige, große Quantitätsveränderung<br />

gesehen werden kann, oder ob es unterschiedliche Phänomene sind.<br />

HOL wird definiert als die Dehnung von Vokalen vor homorganen Konsonantenpärchen,<br />

wobei der erste ein Liquid oder Nasal ist (/r/, /l/, /n/, /m/, /ŋ/) und der zweite ein stimmhafter Stop,<br />

der ungefähr am gleichen Artikulationsort liegt wie der erste Konsonant. Bei /r/ als erstem<br />

Konsonanten, kann der zweite auch ein stimmhafter Frikativ oder Nasal sein. Schematisch<br />

dargestellt gilt also:<br />

Vokal + ld, rd, mb, nd, ng, rl, rn, rð, rs = Vokaldehnung<br />

Allgemein geht man zwar davon aus, dass die HOL etwa 400 Jahre vor der OSL stattfand (in<br />

Manuskripten wurden entsprechende Vokale oftmals mit einem diakritischen Zeichen versehen,<br />

dass Dehnung bedeutete), dennoch seien die erwähnten diakritischen Zeichen laut Ritt nicht<br />

zwingend als Zeichen dafür zu deuten, dass die beiden Prozess zu unterschiedlichen Zeiten<br />

stattfanden (denn OSL konnte als bekannt gegolten haben, das heißt der Leser wusste, dass der<br />

entsprechende Vokal gedehnt werden musste. HOL wurde zwar speziell markiert, dies schließt<br />

6


sich aber nach Meinung Ritts nicht gegenseitig aus). Ganz im Gegenteil behauptet er, dass alle<br />

Dehnungen der Vokale des <strong>Mittelenglisch</strong>en als ein Teil eines gemeinsamen Prozesses der<br />

mittelenglischen Vokaldehnung gesehen werden können.<br />

2.4 Kürzungen und Resümee der Theorie Ritts<br />

Ritt versucht auch die beiden Formen von Kürzungen, nämlich Kürzungen bei dreisilbigen Wörtern<br />

(TRISH) und Kürzungen vor Konsonantengruppen (SHOCC), in eine allgemeine Tendenz des<br />

<strong>Mittelenglisch</strong>en, der frühmittelenglischen Qunatitätsanpassung, zu bringen.<br />

Seine Theorie auf den Punkt gebracht, behauptet er, dass „was Dehnungen ermöglicht, verhindert<br />

Kürzungen und anders herum“ (Ritt 1994: 95).<br />

Im letzten Kapitel seines Buches versucht er folgende Frage zu klären: wenn die<br />

Bedingungen für Dehnungen und Kürzungen universell (bezüglich physiologischer<br />

Regelmäßigkeiten) in Zeit und Raum sind, warum treten dann die daraus folgernden Änderungen<br />

in der Sprache nur sporadisch auf (also vor allem vom Übergang vom Altenglischen zum<br />

<strong>Mittelenglisch</strong>en)? Er stellt auch die Frage, warum es zu keiner komplementären Verteilung bei der<br />

Vokalquantität geführt hat.<br />

Laute sind nicht nur Gesetzmäßigkeiten unterworfen, die ihre Aussprechbarkeit oder ihre<br />

einfache Rezeption betreffen, sie fungieren auch als Träger unterschiedlicher Bedeutung und als<br />

Bausteine aus denen Morpheme bestehen. Sie müssen also im Rahmen der Phonetik und<br />

Phonologie, aber auch der Morphologie betrachtet werden. Somit seien wie die von ihm<br />

aufgestellte Formeln immer unvollständig, da sie den eben erwähnten Bereich der Morphologie<br />

nicht berücksichtigen. Insgesamt seien alle bisher produzierten Ergebnisse eher allgemein und<br />

meist spekulativ, so Ritt abschließend.<br />

7


3 Der Status der spätmittelenglischen Schreibung als früher Beweis für<br />

die englische Vokalverschiebung (Robert P. Stockwell, 2006 )<br />

Stockwells Untersuchungen konzentrieren sich auf eine möglicherweise vorhandene frühe<br />

Vokalverschiebung, die vor der gemeinhin bekannten, nämlich der Great Vowel Shift (GVS),<br />

stattgefunden haben soll. Als Problemstellung gibt er aus, dass die englische Vokalverschiebung<br />

zwei Aspekten zugrunde liegt. Einerseits die Diphtongbildung, nämlich des [i:] zu [ai] und des [u:]<br />

zu [au], und andererseits der sogenannten Vowel Space Rotation, im Zuge derer, tiefe Vokale zu<br />

mittleren oder hohen Vokalen angehoben werden. Stockwell datiert den Ersatz der funktionalen<br />

Vokallänge durch die erwähnten Diphtonge ins späte 13. Jahrhundert oder ins frühe 14.<br />

Jahrhundert, also rund 100 Jahre vor der Großen Vokalverschiebung im 15. Jahrhundert. Der<br />

Beweis für diese „Hypothese der frühen Vokalverschiebung“ sei allerdings für zwei<br />

widersprüchliche Interpretationen offen.<br />

Die erste angeführte Interpretation besagt, dass die Vokalverschiebung vor 1400 bis 1450<br />

begann, beweisbar durch Schreibungen. Desweiteren basiert sie auf der diphtongalen<br />

Form des Graphems sowie auf der Annahme, dass den damaligen Schreibern die Phonetik des<br />

ersten Segments des Diphtongs befremdlich vorkam. Die zweite Interpretationsmöglichkeit jedoch<br />

führt an, dass das Graphem, das die Reflexe des altenglischen /i:/ repräsentiert,<br />

anders zu deuten ist, also gerade nicht die Hypothese der frühen Vokalverschiebung unterstützt.<br />

Hierbei bezieht sie sich auf die Schreibungen im Südwesten, welche nicht in Einklang mit der<br />

Hypothese zu bringen sind. Stockwell nennt einige Beispiele von Schreibungen, die die Hypothese<br />

der frühen Vokalverschiebung unterstützen.<br />

ae. abidan me.: ne.: abide<br />

beorht bright<br />

lif life<br />

meahte/mihte might<br />

hwit white<br />

Abb. 1: Beweise für die frühe Vokalverschiebung (eigene Abbildung)<br />

Solche mittelenglischen Schreibungen (vgl. Abb. 1), die eine frühe Diphtongierung des<br />

etymologischen /i:/ beweisen, wurden aber ignoriert. Der Grund hierfür lag in der Behauptung Eric<br />

Dobsons, dass man die abweichenden Schreibungen für das mittelenglische /i:/ als<br />

8


Beweis für die frühe Diphtongierung des /i:/ im Standard English außer Acht lassen sollte. Dobson<br />

begründet seine Behauptung wie folgt:<br />

In modernen Dialekten der West Midlands wird mittelenglisch gemeinhin als [ai] phonetisch<br />

realisiert, deshalb muss die Entwicklung in den West Midlands altenglisch /eg/ > /ig/ > me. /i:/<br />

gewesen sein. Diese Entwicklung ist aber für Dialekte in und um London sowie für die East<br />

Midlands , welche ja zum Standard English geführt haben, unmöglich, denn die Manifestationen<br />

des Graphems verschmelzen nie mit dem etymologischen /i:/ in diesen Gebieten<br />

des noch nicht vollständig entwickelten Standard English.<br />

Dobson behauptet korrekter Weise, so Stockwell, dass die [i:] Vokalverschiebung nicht<br />

über [ei] sondern eher über [əi] und [ʌi] ging. Sein Hauptargument für diese Feststellung war, dass<br />

wenn die Verschiebung über [ei] gegangen wäre, ein Verschmelzen mit <br />

unausweichlich gewesen wäre. Diese Verschmelzung trat nach Dobsons Wissen nur in den West<br />

Midlands und im Süden auf, nicht aber in den East Midlands oder London, und somit kann man<br />

wann immer geschrieben wird, es als Beweis für eine Hypothese der frühen<br />

Vokalverschiebung in diesen Dialekten erachten. Da mittelenglisch nun also nie<br />

mit dem etymologischen /i:/ in den East Midlands und London verschmilzt, muss man auf andere<br />

Schreibungen betrachten, die eine frühe Diphtongierung nahe legen. Der Beweis für eine frühe<br />

Vokalverschiebung ergibt sich aus dem Graphem und der Tatsache, dass<br />

Bestandteile davon häufig in spätmittelenglischen Wörtern des etymologischen /i:/ Typs auftreten.<br />

Auch sind Reverse Spellings im Spätmittelenglischen verbreitet, zum Beispiel <br />

Schreibungen für Wörter wie high und height. Will man die Begründung dafür finden, ohne die<br />

Frühe Vokalverschiebung (FVV) zu berücksichtigen, dann müsste man eine totale Dediphtongierung<br />

(die zu [i:] führen würde) annehmen – eine retrograde Entwicklung, die sehr<br />

unwahrscheinlich ist, wenn man bedenkt dass die phonologischen Entitäten in Kürze sowieso<br />

diphtongiert werden würden.<br />

Eine weitere Interpretationsmöglichkeit der Schreibungen ist diese als<br />

Reverse Spellings für das etymologische /i:/ zu betrachten. Gillis Kristensson argumentiert, dass<br />

Schreibungen für das ME /i:/ lediglich Back Spellings sind, die den Wandel von<br />

altenglischem /e:/ + antevokalischem ʒ zu ME /i:/ widerspiegeln. Es galt also sozusagen, dass<br />

Schreibungen [i:] repräsentieren; die Regel wurde erweitert, so dass alle [i:] mit<br />

zumindest geschrieben werden konnten. Hierbei gilt allerdings die Annahme, dass die<br />

Kraft einer „Analogie der Schreibung“ größer ist als die Kraft von „phonetischen Ähnlichkeiten“.<br />

Gegen solch eine Annahme lässt sich sagen, so Stockwell, dass dann aber auch ein Austausch in<br />

9


die entgegengesetzte Richtung hätten stattfinden müssen, nämlich für die etymologische<br />

Schreibung , das scheint es aber nicht zu geben.<br />

Als deutlichster Beweis für die FVV gilt Gjertrud Stenbrendens Fund von 17 Beispielen in<br />

einem Manuskript (Hand B spelling system in MS Oxford, Bodleian Library, Additional E.6.), in dem<br />

die Schreibungen für das etymologische [i:] in folgenden Wörtern auftreten (die Sprache<br />

des Manuskripts gehört wahrscheinlich nach Gloucestershire):<br />

abide, betide, life, side, wife, wise. Acht davon befanden sich in reimenden Positionen. Die<br />

Umkehrung davon ( für ) tritt kein einziges mal auf.<br />

Nichtsdestotrotz ist das Fazit des Artikels, dass es nur ein Gebiet (Gloucestershire) gibt für<br />

das die FVV, auf Basis der Konvergenz zwischen mittelenglisch Schreibungen<br />

und PDE folk speech, haltbar ist. Natürlich gibt es noch andere Schreibungen, die man zwischen<br />

ME Manuskripten und PDE folk speech vergleichen kann, aber eine viel versprechende Richtung<br />

hat sich nach Meinung Stockwells zerschlagen.<br />

4 Die Geschichte der finalen Vokale im Englischen (Donka Minkova, 1991)<br />

Donka Minkova rückt in ihrem Buch erstmals die Vokale in unbetonten Silben in den Mittelpunkt<br />

der phonologischer Untersuchungen. Sie begründet dies damit, dass die Reduktion unbetonter<br />

Vokal zu Schwa und der danach folgende Verlust des selben, profundere Auswirkungen auf die<br />

Phonologie, Prosodie und Grammatik der Sprache hatte als irgendeine einzelne qualitative oder<br />

quantitative Veränderung von betonten Vokalen. Das Buch ist ein Versuch traditionelle<br />

philologische Aufzeichnungen und Erfahrungen von der Art und Weise sowie der Bedeutung des<br />

Verlusts des Schwa zusammen zu führen und diese wiederum im Hinblick auf das gesamte<br />

Sprachsystem, zu untersuchen.<br />

Die ersten drei Kapitel des Buchs beschäftigen sich mit der Datengrundlage: den Gründen<br />

und Ursachen dafür, dass unbetonte Vokale in finaler Position verringert wurden und schließlich<br />

ganz verschwanden, den Methoden und Quellen, die man in diesem Kontext verwenden kann und<br />

Möglichkeiten zur Klassifikation und Interpretation der verschiedenen Typen von schriftlichen<br />

Beweisen. Sie unterscheidet dabei auch poetischen von nicht-poetischem Schwa-Verlust,<br />

10


graphische von abgeleiteten Beweisen, Verlust von nicht-morphemischen und wurzelfinalen<br />

Schwa-Verlust von Schwa als Flexionsendung.<br />

Kapitel 4 erörtert Fragen bezüglich des synchronen Zustands des Schwas im<br />

<strong>Mittelenglisch</strong>en. Eine Untersuchung des Beweises für eine phonemische Identifizierung des<br />

unbetonten Vokals in finaler Position legt den Schluss nahe, dass das Schwa immer schon ein Teil<br />

des Phoneminventars des Englischen war. Im frühen <strong>Mittelenglisch</strong> gab es eine Übereinstimmung<br />

zwischen der lexikalischen Repräsentation von Schwa und seiner tatsächlichen Realisierung. Am<br />

Ende der mittelenglischen Periode ist das Schwa als ein Segment in absolut finaler Position nicht<br />

mehr akzeptiert.<br />

Kapitel 5 behandelt die Thematik der morphologischen Korrelate der Veränderung. Im<br />

<strong>Mittelenglisch</strong>en kann man 18 verschiedene grammatische Funktionen mit dem durch <br />

Schreibung repräsentiertem Morphem in Verbindung bringen. Dies legt eine fehlende<br />

morphologische Unterscheidbarkeit nahe, die ein Hauptfaktor in der Rolle des Schwa-Verlusts bei<br />

Nomen und Verben, in denen Schwa meist als Flexionsparadigma auftritt, spielt. Dieses Kapitel<br />

bietet eine detaillierte Hierarchisierung der einzelnen Faktoren sowie deren potentielle Bedeutung<br />

beim Schwa-Verlust für jede Wortklasse.<br />

Kapitel 6 und 7 führen Beispiele aus der metrischen Phonologie an, die zum Verlust des<br />

Schwas beigetragen haben. Da der Verlust des Schwas sich über einen Zeitraum von 300 Jahren<br />

erstreckt, ist es unmöglich eine klare und systematische Vorstellung davon zu erlangen, was alles<br />

Gegenstand des Prozesses der Tilgung in seiner Hochzeit (1250 – 1300) war. Betrachtet man<br />

jedoch die frühen Vorgänge der Tilgung und die der späten Bewahrung des Schwas, so ergibt sich<br />

ein klareres Muster.<br />

Im frühen <strong>Mittelenglisch</strong> beruht der Verlust des Schwas zumeist mit Blick auf die metrische<br />

Struktur. Im späten <strong>Mittelenglisch</strong> wird das Schwa ausschließlich in schwachen Deklinationen von<br />

etymologisch einsilbigen Adjektiven bewahrt. Der Grund dafür ist weder funktional noch segmental:<br />

die Bewahrung hängt mit der metrischen Struktur und der damit verbundenen Konstruktionen<br />

zusammen und kann als Beispiel des Prinzips der Eurythmie gesehen werden. Beide Kapitel<br />

betrachten den Verlust des Schwas aus einem neuen Blickwinkel, nämlich der Perspektive der<br />

prosodischen Organisation der Sprache.<br />

11


5 Französische Lehnwörter und die mittelenglische Senkung des [e] vor nicht<br />

prävokalischem [r] (Jerzy Welna, 1999)<br />

Wie der Titel Welnas Aufsatzes, den er im Rahmen der „Third International Conference on Middle<br />

English“, die im Jahre 1999 in Dublin (Irland) stattfand, publizierte, verrät, untersucht er<br />

französische Lehnwörter sowie den Senkungsprozess des [e] vor einem nicht prävokalischem [r].<br />

Der Einfluss französischer Lehnwörter, der sich aus der Besetzung bzw. aus dem Kontakt mit den<br />

Normannen ergab, spielte im Mittelalter und danach eine wichtige Rolle. Viele Bezeichnungen für<br />

die die englische Bevölkerung keine eigenen Wörter hatte, wurden mit französischen Lehnwörtern<br />

besetzt. Dies betraf zwar zum Großteil nur die Oberschicht Englands, nichtsdestotrotz beträgt der<br />

Anteil der Lehnwörter am Gesamtwortschatz der englischen Sprache etwa ein Drittel.<br />

Als historischen Beweis für seine These fügt er gleich zu Beginn ein Zitat Rev. Ch. Butlers<br />

an, der, in der von ihm veröffentlichten „Grammar“ aus dem Jahre 1634 schreibt: „We write person<br />

Abb. 2.: <strong>Mittelenglisch</strong>es Vokaltrapez mit<br />

Senkung von [e] zu [a] 2<br />

though we say parson“. Dies weist deutlich darauf hin,<br />

dass es eine Indifferenz zwischen Schreibung und<br />

Lautung gab, die, so die Meinung Welnas, in der<br />

Senkung des kurzen [e] vor einem<br />

wortabschließendem oder präkonsonantischem [r]<br />

begründet liegt.<br />

Diese Entwicklung, die sich auch in Wörtern wie fer ><br />

far und berke > bark zeigt, fand im späten <strong>Mittelenglisch</strong> statt (15. Jahrhundert). Die Entwicklung<br />

des Prozesses der [e]-Senkung begann im Norden jedoch bereits im frühen <strong>Mittelenglisch</strong> und wird<br />

von Welna als ein „natürlicher Prozess im Zusammenhang mit einem folgendem liquiden<br />

Konsonanten [r]“ bezeichnet. Er geht desweiteren allerdings davon aus, dass keine vollständige<br />

Senkung zu [a] sondern lediglich bis zum mittigen Vorderzungenvokal [æ] stattfand. Der<br />

Senkungsvorgang gilt im Sprachgebrauch der unteren Schichten bereits im Jahre 1400 als<br />

abgeschlossen, allerdings schlägt er sich nicht im Schriftgebrauch nieder. Doch, auch wenn die<br />

Aussprache [ar] gemeinhin nicht anerkannt wurde, so finden sie sich doch auch in der Schicht der<br />

Gebildeten wieder, so zum Beispiel bei Shakespeare, der Reime wie „desert : impart“, „convert :<br />

art“ oder „serve : carve“ verwendet. Ferner erkennt Welna, dass die Senkung zu einer Periode<br />

starken französischen Einflusses auf das mittelenglische Vokabular auftritt. Eine Untersuchung des<br />

2 Quelle: Iglesias-Rábade 2003: S. 151 (leicht verändert)<br />

12


Einflusses, den der Senkungsprozess auf französische Lehnwörter hat muss unter nun also unter<br />

anderem die analoge Senkung des [e] vor [r] berücksichtigen. Desweiteren die Hebung von er/ar-<br />

Formen im Altfranzösischen, den Betonungswechsel in französischen Lehnwörtern, sowie die<br />

Tendenz die ursprüngliche Sequenz [er] im späteren Englisch (Frühneuenglisch)<br />

wiederherzustellen.<br />

Die frühesten -Schreibungen bei französischen Lehnwörtern finden sich bereits im 13.<br />

Jahrhundert und somit etwa 150 Jahre nach der normannischen Invasion, die 1066 unter Wilhelm<br />

der Eroberer ihren Anfang nahm. In verschiedenen Werken findet sich das altfranzösische Wort<br />

hermite mit -Schreibung wider. In Laʒamon (13. Jahrhundert): „Sonne Þe armite com<br />

in…“ oder in Cursor Mundi (etwa 1300): „An armyte Þar Þai fand…“ und schließlich auch in<br />

Chaucers Dreame: „…Visite the hevenly armitage.“ In Cursor Mundi, einem etwa 30.000 Zeilen<br />

umfassenden, anonym geschriebenen mittelenglischem Religionsgedicht, finden sich desweiteren<br />

noch desart (ne. desert), garner (ne. granary) und sargiant (ne. sergeant) als Beweise für die -<br />

Schreibung.<br />

Als Beispiele für eine charakteristische Entwicklung bei französischen Lehnwörtern, nennt<br />

Wilna serve (altfranzösisch servir) und certain. Das Erstere entwickelt sich relativ früh zu sarve und<br />

kann als passendes Beispiel für den Senkungsprozess dienen. Beim dreisilbigen Nomen<br />

sarva(u)nt(e) (altfranzösisch servant) hingegen ist die Senkung auf die Stress Shift Rule<br />

zurückzuführen und tritt auch nur relativ spät im 15. Jahrhundert auf. Die -Schreibung von<br />

serve und hält sich bis in das 19. Jahrhundert. Die [a]-Lautung in servant, service und anderen, die<br />

nur möglich ist, weil die Betonung auf [er] liegt, wird allerdings ab dem Ende des 18. Jahrhunderts<br />

als „a mark of lowest vulgarity“ erachtet. Dies ist generell ein äußerst interessanter Prozess: die<br />

artikulatorische sowie die durch fehlendes Wissen hervorgerufene Unfähigkeit bei der Artikulation<br />

französischer Nasale und ähnlichem spielt eine durchaus große Rolle bei der Entwicklung der<br />

Aussprache gerade von französischen Lehnwörtern.<br />

Bei certain hingegen fehlen frühe -Schreibungen; sie treten erst in der Mitte des 15.<br />

Jahrhunderts bei certain und certainty auf. Die [e]-Senkung war allerdings erst dann möglich, als<br />

es zu einem Betonungswechsel bei certain von der letzten auf die erste Silbe kam. Es ergab sich<br />

nun allerdings ein Problem im Zusammenhang mit den verfügbaren Schriftzeichen. Hätte man<br />

certain nun mit geschrieben, also cartain so wäre das nicht mehr als [s], wie es vor<br />

Hinterzungenvokalen üblich war, sondern als [k] gesprochen worden. Eine solche Schreibung hätte<br />

also zu einer anderen Aussprache geführt und konnte somit nicht durchgeführt werden. Das<br />

Graphem hätte sich natürlich in diesem Fall angeboten, wurde allerdings bis ins 15.<br />

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Jahrhundert nicht verwendet. Somit wurde also die gesenkte Aussprache von certain weiterhin<br />

gleich geschrieben.<br />

Eine weitere Gruppe von Wörtern, die sich der [e]-Senkung ausgesetzt sahen, waren<br />

französische Lehnwörter mit einem Suffix, wobei das [e] lang und betont war. Die Länge des<br />

Vokals verhinderte eine Senkung des [e] zu [a]. Die Betonung vieler französischer Lehnwörter<br />

wanderte aber nach vorne und wurde das [e] nicht mehr betont und wurde folglich gekürzt. Eine<br />

Senkung konnte dann allerdings wiederum nicht stattfinden, da sich das [e] in einer unbetonten<br />

Silbe befand. Dennoch lassen sich Beispiele wie cornare (corner), dublar (doubler), palmare<br />

(palmer), robbares (robbers) oder farmar (farmer) finden. Gerade diese Beispiele legen laut Welna<br />

die Hypothese nahe, dass es eine Tendenz zur Senkung des [e] zu [a] vor finalem [r] gegeben hat.<br />

Aufgrund statistischer Untersuchungen des Corpus von Stratmann, kommt Wilna zum<br />

Schluss, dass die Auswirkungen der [e]-Senkung in französischen Lehnwörtern zu meist auf<br />

zweisilbige und dreisilbige Wörter, die das finale –e verloren haben oder auf einen Konsonanten<br />

enden, beschränkt sind.<br />

6 Resümee<br />

Wie an den vorangegangenen Arbeiten der einzelnen Autoren gesehen werden kann, waren die<br />

letzten Jahre der Forschung vor allem davon geprägt, dass verschiedene spezifische Felder der<br />

Lautlehre und Lautentwicklung bearbeitet wurden und zum Teil sogar neue Ansichten bezüglich<br />

etablierter Modelle, wie etwa der Großen Vokalverschiebung, publiziert wurden. Oftmals wurden<br />

aber nach der Veröffentlichung solcher revolutionär anmutender Thesen und Theorien<br />

Gegenmodelle entwickelt, die diese zu widerlegen versuchten. Insgesamt aber kann die Disziplin<br />

der mittelenglischen Lautlehre als ein allzeit offenes Feld bezeichnet werden, in dem zumeist, wie<br />

es Donka Minkova im Vorwort eines ihrer Bücher ausdrückte, “more questions remain than have<br />

been asked or answered“.<br />

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7 Literaturverzeichnis<br />

Bermúdez-Ortero, Ricardo. “Review of Ritt’s Quantity Adjustment”. Cambridge Online Journal of<br />

Linguistics. Cambridge: Cambridge University Press: 1997. 58-64.<br />

Iglesias-Rábade, Luis. Handbook of Middle English: Grammar and Texts. München: LINCOM,<br />

2003.<br />

Minkova, Donka. The History of Final Vowels in English: The Sound of Muting. Berlin: Mouton de<br />

Gruyter, 1991.<br />

Ritt, Nikolaus. Quantity adjustment: Vowel lengthening and shortening in Early Middle English.<br />

Cambridge: Cambridge University Press, 1994.<br />

Stockwell, Robert. “The Status of Late Middle English Spellings as Early Evidence of the<br />

English Vowel Shift“. Studies in English Medieval Language and Literature: The Beginnings of<br />

Standardization. Eds. Jacek Fisiak and Ursula Schaefer. Frankfurt: Peter Lang Verlag, 2006.<br />

175-180.<br />

Welna, Jerzy. “French Loanwords and the Middle English Lowering of [e] before Nonprevocalic [r]”.<br />

Studies in English Medieval Language and Literature: Middle English from Tongue to Text. Eds.<br />

Jacek Fisiak, Peter J. Lucas and Angela M. Lucas. Frankfurt: Peter Lang Verlag, 2002. 23-31.<br />

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