Luxburg, Frühjahr 541 - Fantasiewelten
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Ein Projekt von <strong>Fantasiewelten</strong><br />
„Nimm das und mach dich auf den Weg! Schnell!“<br />
Der Rotgewandte hielt der jungen Frau, die stolz und aufrecht vor ihm stand, mit zitternden Händen<br />
ein Pergament entgegen. Seine gebückte Haltung ließ einen alten, kranken Mann vermuten, aber das<br />
war nur das von ihm selbst gewählte Bild, um seine Feinde und Freunde zu täuschen. Sie wusste es<br />
besser.<br />
Eigentlich verachtete sie ihr Gegenüber aus ganzem Herzen, aber momentan war sie ihm ausgeliefert –<br />
leider! Man hatte ihr entsprechende Befehle erteilt, und Befehle waren das Gesetz. Es gab keinen<br />
Widerspruch. Nur bedingungsloses Ausführen aller Anweisungen führte zum Ziel, so lautete ihr Credo,<br />
dem sie mit jeder Faser ihres Daseins folgte. Ungehorsam war ihr genauso zuwider wie Schwäche.<br />
Die blonde Frau verbeugte sich knapp vor dem Zauberer und verließ die Höhle mit ihrem<br />
bereitgestellten Gepäck. Endlich konnte sie wieder raus aus diesem verfluchten Wald mit all seinen<br />
grotesken Gestalten, die einem bizarren Märchen entsprungen zu sein schienen. Man sah allerdings in<br />
letzter Zeit nicht mehr viele dieser Wesen des Waldes, seit das Wolfsgeheul in den Bergen anders<br />
klang.<br />
Der Ton hatte sich verändert.<br />
Natürlich war sie mit dieser Entdeckung zu Dra Zacharias gegangen, aber der alte Mann hasste sie und<br />
hatte ihre Besorgnis abgetan, als sei sie ein kleines, ängstliches Kind. Oh, wie vermisste sie die Zeit, als<br />
sein Vorgänger noch hier gewesen war! Sie und er waren sich mehr als sympathisch gewesen. Aber<br />
dann war er spurlos verschollen.<br />
Ob das Pergament in ihrem Gepäck darüber Aufklärung geben konnte? Sie würde es prüfen, bevor sie<br />
den Brief übergab, natürlich ohne das Siegelwachs zu beschädigen oder die magischen Runen<br />
auszulösen, welche der Zirkel meistens benutzte. Ganz so, wie sie es gelernt hatte!<br />
Ein selbstsicheres Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie sich daran machte den Wald zu verlassen.<br />
Als ihr eine der stinkenden Wachen in den Weg trat, verpasste sie ihm einen Schlag mitten in sein<br />
Gesicht und stieß ihn beiseite. Der Mann stank genauso nach Alkohol wie der Rest der Bande hinter<br />
ihm, der sich um einige Flaschen billigen Weins stritt. Als er erkannte, WEN er da versucht hatte<br />
aufzuhalten, kniete er demütig nieder und stammelte Entschuldigungen.<br />
Sie beachtete ihn nicht weiter, aber in ihr brodelte der Zorn. Befehle. War es so schwierig Befehle<br />
einzuhalten? Konnte dieser dumme <strong>Luxburg</strong>er Abschaum nicht wenigstens ein Mindestmaß an<br />
Disziplin an den Tag legen?<br />
Die junge Frau erreichte den Waldrand und trat hinaus. Ein leises Rascheln hinter ihr ließ sie nervös<br />
die Machete von ihrem Rücken reißen. Mit scharfen Augen beobachtete sie die Büsche, aus denen der<br />
Laut gekommen war. Verfolgte sie jemand oder etwas? Minuten vergingen, in denen ihr durch lange<br />
Jahre in der Wildnis geschärfter Instinkt ganz darauf ausgerichtet war, die mögliche Gefahrenquelle zu<br />
entdecken. Doch es war nichts zu sehen, und so entschied sie sich schließlich weiterzugehen.<br />
Bald tauchte die kleine Siedlung vor ihr auf, deren Anblick sie sehr erfreute. Sie würde in einem Haus<br />
schlafen und ein Bad nehmen! Endlich war sie weg von dieser widerwärtigen Bande von <strong>Luxburg</strong>er<br />
Wegelagerern, die einerseits vor ihr krochen, aber andererseits im Suff von ihrer Schönheit angezogen<br />
wurden wie Hyänen von Aas und dafür mit Schmerzen und Schlägen bedacht wurden.<br />
Sie pfiff vergnügt ein altes wallonisches Lied vor sich hin, während sie sich den ersten Gebäuden<br />
näherte. Den finstere Schatten, der ihr seit dem Wald folgte, bemerkte sie nicht. Er blieb vorsichtig<br />
außerhalb der Sichtweite, seit er sich durch ein Geräusch beinahe verraten hatte. Noch hatte sich der<br />
junge Mann aus Lothringen nicht an diese neue Art der Fortbewegung gewöhnt. Anfangs dachte er, es<br />
wäre ihm unmöglich Geräusche zu machen, doch er wurde schnell eines besseren belehrt.<br />
Warum schickte der Rote Meister auch ausgerechnet ihn aus? Er war der Jüngste in ihrer Gruppe und<br />
hatte die wenigste Erfahrung. Aber es half nichts. Wenn der Meister befahl, musste man gehorchen.<br />
Und so richtete er seine müden, von den langen Studien gemarterten Augen wieder auf sein Ziel, das<br />
sich der Siedlung näherte.<br />
Er mochte die seltsame Frau nicht. Sie war nicht weich und freundlich wie seine Mutter. Sie war streng,<br />
abweisend und brüllte Befehle. Ein herrisches Weib.<br />
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