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Falsche Voraussetzungen Stufenmodell bedarf ethischer Überprüfung

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B R I E F E<br />

handle sich einstweilen nur<br />

um Forschung, und dass das<br />

Ziel der Anwendung noch<br />

weit entfernt sei. Dennoch<br />

verkennt die ZEKO nicht,<br />

dass mit dem Wort „Forschung“<br />

auch die verfassungsrechtlich<br />

garantierte Forschungsfreiheit<br />

zumindest als<br />

unterstützendes Argument für<br />

das Unternehmen Forschungsklonen<br />

beansprucht wird –<br />

welcher Anspruch allerdings<br />

wegfällt, sobald jemals eine<br />

Therapie über das Versuchsstadium<br />

hinaus etabliert ist.<br />

Denn eine der Forschungsfreiheit<br />

analoge „Therapiefreiheit“<br />

kennt unsere Verfassung<br />

nicht. Zur Erleichterung der<br />

Konsensbildung über den Umgang<br />

mit menschlichen Blastozysten<br />

verdeutlicht die ZEKO<br />

noch einmal die wichtige Unterscheidung<br />

des menschlichen<br />

Lebens (human life) von<br />

einem menschlichen Wesen<br />

(human being) und schlägt ein<br />

<strong>Stufenmodell</strong> mit abnehmender<br />

moralischer Problematik<br />

vor, in dem ein Klonen sozusagen<br />

deeskalierend „verortet“<br />

werden könnte.Auch in Moral<br />

und Recht werde abgestuft, also<br />

Schlimmes schlimm und<br />

weniger Schlimmes weniger<br />

schlimm bestraft, zum Beispiel<br />

bei Mord,Totschlag und fahrlässiger<br />

Tötung. Dabei verkennt<br />

die ZEKO allerdings,<br />

dass die Abstufung solcher<br />

Strafdrohungen die Rechtswidrigkeit<br />

des Tötens nicht<br />

aufhebt, geschweige denn billigt.<br />

Das von der ZEKO vorgeschlagene<br />

<strong>Stufenmodell</strong><br />

zielt aber gerade auf konsentierte<br />

Billigung und nicht etwa<br />

auf abgestufte Bestrafung.<br />

Nun geht die ZEKO von der<br />

Einsicht aus, keinesfalls „die<br />

fundamentalen Differenzen<br />

zum ontologischen, moralischen<br />

und rechtlichen Status<br />

des ungeborenen, insbesondere<br />

des frühesten menschlichen<br />

Lebens . . . auflösen zu können“.Aber<br />

wer diese Differenzen<br />

stehen lässt, darf dann<br />

nicht davor zurückschrecken,<br />

die Statusannahmen über<br />

menschliche Frühformen aufzudecken,<br />

die das von der<br />

ZEKO vorgeschlagene <strong>Stufenmodell</strong><br />

jeweils stillschweigend<br />

voraussetzt. Die Handlungsweise<br />

oder die Grundannahmen<br />

der Akteure werden<br />

ethisch klar zu benennen sein:<br />

Sichhinwegsetzen über das<br />

Tötungsverbot oder die Unterstellung<br />

von stufenweisem<br />

Entstehen des Menschseins<br />

oder gar die Zuerkennung des<br />

Menschseins in Abhängigkeit<br />

von den verfolgten Zwecken.<br />

Wenn die ZEKO fordert, unsere<br />

plurale Gesellschaft müsse<br />

„sich immer wieder über ihre<br />

kulturellen Grundlagen<br />

verständigen“, dann <strong>bedarf</strong> ihr<br />

<strong>Stufenmodell</strong> aus diesen<br />

Gründen dringend weiter vertieften<br />

ethischen Nachdenkens.Vor<br />

solch konsequentem<br />

Nachdenken mag man sich<br />

scheuen. Es ist aber zwingend,<br />

um der Absicht der ZEKO zu<br />

entsprechen, „die Güterabwägung<br />

zwischen den moralisch<br />

problematischen Aspekten<br />

und dem möglichen Nutzen<br />

der Technologie transparenter<br />

zu machen“ – vorausgesetzt es<br />

ist damit die ethische Transparenz<br />

gemeint.<br />

Prof. (em.) Dr. med. Hans-Bernhard<br />

Wuermeling, Institut für Rechtsmedizin<br />

der Universität Erlangen-Nürnberg,<br />

Fichtestraße 5, 91054 Erlangen<br />

Protestkundgebung<br />

Zu dem Beitrag „Protestkundgebung<br />

in Berlin: Ausnahmezustand im Gesundheitswesen“<br />

von Timo Blöß und<br />

Sabine Rieser in Heft 13/2006:<br />

Die Kanzlerin muss<br />

eingreifen<br />

Zehntausende Ärzte gehen<br />

auf die Straße, nicht ohne<br />

Grund, da ergibt sich die Frage:Wo<br />

bleibt das entscheidende<br />

Wort (Machtwort) unserer<br />

Kanzlerin? Außer in der<br />

Außenpolitik, wo sie Signale<br />

setzte, haben wir erhebliche<br />

Mängel in der Innenpolitik,<br />

besonders im Sozial- und Gesundheitswesen.<br />

Beide befinden<br />

sich zurzeit unter Frau<br />

Ministerin Ulla Schmidt und<br />

ihrem Berater Prof. Lauterbach<br />

im freien Fall. Die große<br />

Koalition erweist sich hier als<br />

unfähig – zum Schaden für<br />

den Freien Beruf des Arztes<br />

und den kranken Menschen.<br />

Ärzte als Berufene werden<br />

nicht gehört und stehen unter<br />

dem Diktat unfähiger Personen.<br />

Die Kanzlerin sollte<br />

schnellstens eingreifen.<br />

Dr. Dr. Franz-Josef Broicher,<br />

Schillerstraße 32, 50858 Köln<br />

Lasst uns öffentlich<br />

sprechen<br />

Lasst uns nicht mit ignoranten<br />

Politikern/Politikerinnen, unredlichen<br />

Kassenverwaltern,<br />

Regressoren und Budgetisten<br />

rechten: Ein Ignorantus ist<br />

durch seine zementierte Borniertheit<br />

stärker als hundert<br />

Weise...Lasst uns nicht mit,<br />

aber über diejenigen öffentlich<br />

sprechen,<br />

– die mit sturer Beharrlichkeit,<br />

denkfauler Bequemlichkeit<br />

und mit erstarrtem ideologischem<br />

Vorurteil Ärztefeindlichkeit<br />

zur politischen Maxime<br />

erheben,<br />

– die Probleme um Gesundheit<br />

und Krankheit allein auf<br />

deren ökonomischen Aspekt<br />

beschränken: Sie verharren in<br />

unergründlicher Beschränktheit.<br />

– die weder Klinik noch Praxis<br />

von innen kennen, geschweige<br />

deren Geist und Wesen verstehen,<br />

aber dennoch darüber urteilen<br />

und zuteilen ...<br />

Lasst uns aber öffentlich sprechen<br />

– von erschöpften, deprimierten<br />

und frustrierten Ärzten in<br />

Klinik und Praxis,<br />

– vom Einsatz bis zum Burnout,<br />

von einem Zehn- bis<br />

Zwölfstundentag, von einer 50-<br />

bis 60-Stunden-Woche, von unbezahlten<br />

Überstunden, von<br />

24- bis 48-Stunden-Diensten,<br />

– beispielhaft von den Kollegen<br />

im Rettungsdienst: mit extremer<br />

Verantwortlichkeit,<br />

sprichwörtlich bei Nacht und<br />

Nebel, bei Eis und Schnee, unter<br />

eigener Lebensgefährdung,<br />

mit Blut und Erbrochenem,<br />

mit Randalierenden in Kneipen,<br />

mit Erschlagenen und Erhängten<br />

...<br />

– von Tausenden von Ärzten,<br />

die still und ernst ihrem Beruf<br />

und ihrer Berufung nachgehen,<br />

nur wünschend, in Ruhe<br />

arbeiten zu können, zwischen<br />

Spardruck und Patientenanspruch,<br />

verfolgt von Budgetisten<br />

und Regressoren, das alltägliche<br />

Geschwätz von Politikern<br />

und Kassenfunktionären<br />

verfluchend,<br />

– von einer Ho(h)norierung,<br />

die nichts mehr mit „honor“<br />

gemein hat; kein Handwerker<br />

würde sich tags, geschweige<br />

denn nachts, für unser Entgelt<br />

aufraffen, kein Anwalt für unseren<br />

Stundensatz eine Akte<br />

auch nur ansehen ...<br />

– über unsere eigenen Schwächen,<br />

unsere berufsbedingte<br />

Beißhemmung, unsere Gruppenegoismen,<br />

unsere erstarrten<br />

hierarchischen Strukturen, unsere<br />

Uneinigkeit, die es unseren<br />

Kontrahenten so leicht macht.<br />

Ich war 25 Jahre „Ost“-Arzt<br />

und bin jetzt 15 Jahre „West“-<br />

Arzt; die DDR-Führung liebte<br />

uns nicht, wohl weil wir als politisch<br />

unzuverlässig galten<br />

und zum selbstständigen Denken<br />

neigten; diffamierende Ignoranz<br />

und Arroganz der gesundheitspolitisch<br />

Verantwortlichen<br />

habe ich aber erst im<br />

„Westen“ kennen gelernt.<br />

Dr. med. Wolfgang Müller,<br />

Carl-August-Allee 14, 99423 Weimar<br />

A 1214 Deutsches Ärzteblatt⏐Jg. 103⏐Heft 18⏐5. Mai 2006

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