Die Organola von Walcker als ... - Walcker Orgelbau
Die Organola von Walcker als ... - Walcker Orgelbau
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Über ein amerikanisches Modell notierte die „Deutsche Instrumentenbau<br />
- Zeitung" 44):<br />
Se lbstspie le nde P fe i fe n o r g e l n für das Haus sind eine<br />
Neuheit auf dem Gebiete des <strong>Orgelbau</strong>es, die TOD den reichen<br />
Amerikanern jetzt viel gekauft wird. Von der Aeolian Company<br />
werden solche selbstspielende Orgeln hergestellt; es sind prächtige<br />
Instrumente, die ihrem Besitzer einen hohen musikalischen Genuß<br />
verschaffen, aber sie sind auch sehr teuer. Wer etwas vom Orgelspiel<br />
versteht, lernt die Register und die mechanischen Hilfsmittel leicht<br />
handhaben und ist imstande, die schönsten Wirkungen zu erzielen. Für<br />
diejenigen über, die keine Kenntnisse der Technik des Orgelspiels<br />
haben, bieten solche Instrumente nur ein beschränktes Gebiet der<br />
Brauchbarkeit. Immerhin kann es <strong>als</strong> gewiß gelten, daß die<br />
selbstspielende Orgel in den Kreisen der reichen Musikliebhaber einen<br />
sicheren Absatz finden wird.<br />
Für die <strong>Organola</strong> traf dies ebenfalls zu. Man kann keinesfalls<br />
behaupten, daß die Orgelspielapparate ausschließlich mit<br />
großer Begeisterung aufgenommen wurden. Außer den<br />
begeisterten Pressemeldungen, die <strong>von</strong> <strong>Walcker</strong> für<br />
Werbezwecke gerne nachgedruckt wurden 45», waren<br />
besonders in kirchlichen Kreisen kritische Stimmen laut<br />
geworden. Bereits 1903, noch bevor die <strong>Walcker</strong> - Patente<br />
erteilt waren, wurde „die neue Erfindung" in den<br />
„Badischen Pfarrvereinsblättern" strikt abgelehnt. Man<br />
fürchtete die Verdrängung der „freien, lebendigen, persönlichen<br />
Kräfte" im Gottesdienst durch Automaten. Albert<br />
Schweizer, der die <strong>Organola</strong> wohl in Mühlhausen kennengelernt<br />
hatte und die Begeisterung über den Wunderapparat in<br />
der Presse verfolgt haben dürfte, äußerte sich geradezu zynisch:<br />
„Das <strong>Organola</strong>" gar ist der Sündenfall unseres modernen<br />
<strong>Orgelbau</strong>s. Wann werden in der Öffentlichkeit genug Stimmen<br />
laut werden, die das Anbringen eines solchen Apparates zum<br />
Mechanisch - Spielen <strong>als</strong> das, was es ist: <strong>als</strong> eine Beleidigung<br />
der Orgelkunst hinstellen! Für mich hat das <strong>Organola</strong> nur eine<br />
soziale Bedeutung: daß man in Zukunft Krüppel und<br />
Kriegsinvaliden mit Organistenplätzen versorgen kann.<br />
Welche Geschmacksverirrung liegt aber schon darin, daß<br />
unser <strong>Orgelbau</strong> uns solche nichtssagende Dinge wie Echowerke<br />
und <strong>Organola</strong> zu offerieren wagt! "w<br />
Solange die Grammophonplatte für anspruchsvolle Ohren<br />
noch kein zufriedenstellendes Hörerlebnis bot, hatten andere<br />
Techniken der Musikwiedergabe immer noch eine Zukunft,<br />
zumindest bei wohlhabenden Musikfreunden. Ab<br />
1908 bot die „Weite Philharmie - Orgel" den Freunden reproduzierter<br />
Orgelmusik den technischen Fortschritt, der<br />
mit dem „Weite - Mignon" - System seit 1904 für die Klaviermusik<br />
bereits erreicht war. Auch die Firma Popper &<br />
Co. in Leipzig baute Reproduktionsorgeln mit der Bezeichnung<br />
„Eroica". 47»<br />
<strong>Die</strong> Frage, wer nun zuerst die Orgel dieser technischen Entwicklung<br />
anpaßte, wird noch zu untersuchen sein. Erstaunen<br />
muß, daß diese Technik nicht bereits früher für die Orgel<br />
genutzt wurde: schließlich läßt sich gerade bei diesem Instrument<br />
die eingespielte Musik mit weit weniger an technischem<br />
Aufwand reproduzieren, da die komplizierte Betonungsapparatur<br />
entfällt.<br />
<strong>Die</strong> verschiedenen Orgelspielapparate des frühen 20. Jahrhunderts<br />
unterscheiden sich nicht nur in ihrem technischen<br />
Standard, sie haben auch völlig verschiedene Aufgaben: <strong>Die</strong><br />
Reproduktionsorgel hatte den verwöhnten Hörer mit orginalgetreu<br />
wiedergegebener, <strong>von</strong> anderen produzierter Musik<br />
zu erfreuen, ohne auf Manipulationen oder Interpretationen<br />
eines Organisten angewiesen zu sein: die <strong>Organola</strong> jedoch<br />
bedurfte gerade dieser Hilfen, was dem Wunsch nach<br />
künstlerischer Selbstentfaltung entgegenkam und eben nicht<br />
den passiven, hörenden Musikfreund, sondern, gerade in einer<br />
Zeit des Erfindertaumels, den aktiven, technisch interessierten<br />
Musiker und Musikliebhaber ansprechen konnte. Gleich<br />
welcher der gegensätzlichen zeitgenössischen Meinungen wir<br />
uns anschließen mögen, wir sollten uns tunlichst davor hüten,<br />
über den „Fortschritt" <strong>von</strong> gestern vorschnell zu lächeln.<br />
Der Fortschritt <strong>von</strong> heute zeigt deutlich Parallelen:<br />
„Pianocorder" oder gar „Pianocorder - Orgel" und<br />
„Mikrobandprogrammierung" weisen in die gleiche Richtung:<br />
Zusatzscheinwerferbatterien oder Armaturenkonsolen<br />
moderner Autos und auch so manche Knöpfe unserer<br />
Stereo - Anlagen, erfreuen heute den Besitzer oft ebenso,<br />
wie dam<strong>als</strong> „Zentr<strong>als</strong>tellwerks - Spieltische" so manchen<br />
Organisten. Ob später wohl noch jemand in der Lage sein<br />
wird auch über den „Fortschritt" unseres „Atomzeitalters"<br />
zu lächeln?<br />
<strong>Die</strong> <strong>Orgelbau</strong>firma <strong>Walcker</strong><br />
Als Eberhard Friedrich <strong>Walcker</strong> (geb. am 3.7.1794 in Cannstatt,<br />
gest. am 2.10.1872 in Ludwigsburg) um 1820 mit 26<br />
Jahren in Ludwigsburg eine eigene <strong>Orgelbau</strong>werkstatt gründete,<br />
steckte er voller Ideen. Eine Begegnung mit dem umstrittenenen<br />
Organisten und <strong>Orgelbau</strong>theoretiker „Abbe<br />
Vogler" (Georg Joseph Vogler, 1749 - 1814) in der Cannstatter<br />
Werkstatt seines Vaters und Lehrmeisters Johann<br />
Eberhard <strong>Walcker</strong> (geb. am 15.4.1756 in Cannstatt, gest.<br />
am 17.7.1843 in Stuttgart), hatte den dam<strong>als</strong> erst 13jährigen<br />
„Fritz" mit Voglers Idee <strong>von</strong> der „Simplifikationsorgel"<br />
bekannt gemacht und völlig in den Bann neuer <strong>Orgelbau</strong>ideen<br />
gezogen. <strong>Die</strong>ses Erlebnis zeigte nachhaltige Wirkung.<br />
„Bessere Einsichten der neueren Zeit" ließen Eberhard<br />
Friedrich <strong>Walcker</strong> <strong>als</strong> <strong>Orgelbau</strong>er zum Überwinder der Barockorgel<br />
und zum Pionier einer neuen, klassizistisch orientierten<br />
Orgelkonzeption werden. <strong>Die</strong> geglückte Vollendung<br />
der großen Frankfurter Paulskirchenorgel im Jahre 1833<br />
machten den zuvor außerhalb seiner Heimat kaum bekannten<br />
Meister zu einem der führenden <strong>Orgelbau</strong>er Europas noch<br />
während des zweiten Viertels des 19. Jahrhunderts. Sein Ruf<br />
<strong>als</strong> hervorragender <strong>Orgelbau</strong>er brachten E.F. <strong>Walcker</strong><br />
bedeutende Aufträge ein. Noch während der Arbeit an der<br />
Frankfurter Orgel mußten in Ludwigsburg neue Arbeitsräume<br />
geschaffen werden. <strong>Die</strong> Vergrößerung <strong>von</strong> Betrieb<br />
und Belegschaft machte neue Arbeits- und Organisationsformen<br />
erforderlich. Das beginnende Industriezeitalter<br />
war nun auch bis in den <strong>Orgelbau</strong> vorgedrungen. In <strong>Walcker</strong>s<br />
„Orgelsaal" war es schließlich erstm<strong>als</strong> möglich, bereits<br />
in der Werkstatt alle Bauteile vollständig zu montieren<br />
und aneinanderzupassen. <strong>Die</strong> Größe des Saales ermöglichte<br />
es, an mehreren Orgeln gleichzeitig zu arbeiten. <strong>Die</strong> neue<br />
Betriebskonzeption führte zur beruflichen Spezialisierung<br />
der Mitarbeiter <strong>als</strong> Pfeifenmacher, Windladenbauer, Monteur<br />
oder Intonateur.<br />
In der technischen Entwicklung der Orgel hat Eberhard<br />
Friedrich <strong>Walcker</strong> wesentliche Akzente gesetzt und epochale<br />
<strong>Orgelbau</strong>technische Entwicklungen eingeleitet: die wichtigste<br />
war die Entwicklung der Kegellade im Jahre 1842. Seit<br />
dieser Zeit gilt <strong>Walcker</strong> <strong>als</strong> der „Erfinder" der Kegellade,<br />
obwohl dies nur bedingt zutrifft. <strong>Walcker</strong> erkannte jedoch,<br />
daß sich eine Registerkanzellenlade nach dem Prinzip der<br />
<strong>von</strong> dem Tübinger <strong>Orgelbau</strong>er Johann Sigmund Hausdörfer<br />
44) aus einem losen Einzelblatt, möglicherweise <strong>von</strong> Oktober 1910<br />
45) siehe Nachdruck aus dem Melodikon - Dulsanell - Heft <strong>von</strong> 1907 S. 33-37 + 40<br />
46) wie Anm. 6) a.a.O. S. 15/16<br />
47) siehe Titelblatt der „Zeitschrift für Instrumentenbau" vom 1. Oktober 1910, abgedruckt<br />
auf S. 43 dieses Journ<strong>als</strong><br />
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