Morphologische Schreibungen I - Dr. Said Sahel
Morphologische Schreibungen I - Dr. Said Sahel
Morphologische Schreibungen I - Dr. Said Sahel
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Grammatische Aspekte der Orthografie<br />
<strong>Morphologische</strong> <strong>Schreibungen</strong>
vs. , vs. , vs. <br />
vs. , vs. , vs. <br />
vs. , vs. <br />
vs. , vs. <br />
vs. , vs.
<strong>Morphologische</strong>s Prinzip/Konstantschreibungen:<br />
• Die Konstantschreibung bezieht sich nicht auf einzelne Wortformen,<br />
sondern erfolgt unter Berücksichtigung des gesamten Flexionsparadigmas,<br />
in dem ein Morphem vorkommt.<br />
• Der Sinn dieses Prinzips ist darin zu sehen, dass die Graphie eines<br />
Morphems auch bei geringen Variationen in der lautlichen Form visuell<br />
konstant bleibt, um dem Leser eine schnelle Zuordnung einer Wortform zu<br />
einem Lexem zu ermöglichen.<br />
• Hierbei werden Redundanzen des phonographischen Prinzips in Kauf<br />
genommen.<br />
• Aus phonographischer Perspektive gibt es keinen Grund, die Wortformen<br />
mit Doppel-s zu schreiben oder<br />
mit Doppel-m
• Diese <strong>Schreibungen</strong> führen allerdings nicht zu Fehllesungen, sie sind<br />
bezogen auf die vorliegende Wortform nur überflüssig.<br />
• Die Grenze des morphologischen Prinzips liegt genau dort, wo es zu<br />
gravierenden Fehllesungen führen könnte.<br />
• Die Wortform wird nicht mit Doppel-m geschrieben - -,<br />
• Die Wortform wird nicht mit Doppel-m geschrieben - -,<br />
obwohl dies den morphologischen Zusammenhang mit besser<br />
verdeutlichen würde. Dies würde aber zu Fehllesungen führen.
• Der Terminus Stammprinzip - ist irritierend, da sich die Schreibung nicht<br />
nach der Form des Stamms richtet, sondern nach einer bestimmten<br />
mehrsilbigen Form, der Referenzform.<br />
• Außerdem sind nicht nur Wortstämme betroffen, sondern auch<br />
Wortbildungs- und Flexionsmorpheme:<br />
→ <br />
→ <br />
→ <br />
→ <br />
(links von dem Pfeil stehen die morphologisch fundierenden und rechts<br />
davon die fundierten Formen)
Bereiche des morphologischen Prinzips<br />
• Die Konstantschreibung hat entweder damit zu tun,<br />
dass bei der Flexion und Derivation lautliche Variationen an einem<br />
Morphem auftreten, oder<br />
dass in bestimmten Fällen die Silbengrenze markiert wird, um Lesefehler<br />
zu vermeiden.<br />
• In der schriftlichen Wortform soll um den Preis geringfügiger<br />
Abweichungen vom phonographischen Prinzip von diesen Variationen<br />
abstrahiert werden.<br />
• Die lautlichen Variationen betreffen entweder:<br />
den konsonantischen Endrand des Morphems oder<br />
seinen vokalischen Kern.
Konstantschreibung des konsonantischen Endrandes<br />
Entstimmung von Konsonanten im Silbenendrand ("Auslautverhärtung")<br />
• Im Silbenendrand kommen im Deutschen nur stimmlose Konsonanten vor.<br />
• In manchen zweisilbigen Formen werden diese Konsonanten stimmhaft,<br />
wenn sie in den Anfangsrand der folgenden Silbe "rutschen". Betroffen<br />
sind hier die Plosive /p k t/ und /s/. Verschriftet wird die stimmhafte Form:<br />
, → <br />
→
Spirantisierung<br />
• Der velare Verschlusslaut am Silbenendrand /k/ wird in manchen<br />
deutschen Sprachgebieten spirantisiert /C x X/ (als Frikativ gesprochen),<br />
während er in einer zweisilbigen Form am Anfangsrand der zweiten Silbe<br />
als stimmhafter velarer Verschlusslaut erscheint /g/. Verschriftet wird die<br />
stimmhafte Form.<br />
→ → /ve:.nɪç/<br />
→ → /flu:χ.tsɔɪç/<br />
→ → /re:ç.nət/<br />
(fundierende Form → fundierte Form)
Gelenkschreibung (Schärfung)<br />
• Ein einzelner Konsonant im Endrand eines Grundmorphems kann im<br />
Rahmen der Flexion (Deklination/Konjugation) oder Derivation zu einem<br />
Silbengelenk werden. Verschriftet wird die Gelenkform.<br />
→ <br />
→ , <br />
→ <br />
(fundierende Form → fundierte Form)
Stammflexion<br />
• Die Konstantschreibung des konsonantischen Endrandes ergibt sich aus<br />
der Stammflexion:<br />
• Durch das Anhängen von Suffixen an den Stamm kann es zu solchen<br />
Veränderungen in der Silbenstruktur kommen, dass ein Konsonant aus<br />
dem Endrand des Stamms in den Anfangsrand der Silbe rutscht, die das<br />
Suffix enthält. Diese Verschiebung (Resilbifizierung) tritt dann auf, wenn es<br />
sich um vokalisch anlautende Suffixe handelt:<br />
→ → <br />
→ → <br />
(fundierende Form → fundierte Form)
• Der Grund für diese Verschiebung ist das phonologische Prinzip der<br />
Onsetmaximierung:<br />
• Bilde zuerst den größtmöglichen Silbenanlaut, dann bilde den<br />
Silbenauslaut.<br />
• OderTreten zwischen zwei Silbenkernen mehrere Konsonanten auf, so<br />
werden alle Konsonanten, die zusammen einen harmonischen<br />
Anfangsrand bilden, zur zweiten Silbe gezählt.<br />
• Aufgrund der Silbenbaugesetze des Deutschen können stimmhafte<br />
Konsonanten im Silbenendrand nicht vorkommen. Daher die<br />
Auslautverhärtung und die Spirantisierung.<br />
• Der dritte Fall entsteht dadurch, dass ein Konsonant, der zwischen zwei<br />
Vokalen, von denen der erste kurz ist und in einer betonten Silbe steht, zu<br />
einem Silbengelenk wird.
Konstantschreibung des vokalischen Kerns<br />
• Die Konstantschreibung im Bereich der Umlaute geht nicht auf<br />
Verschiebungen in der Silbenstruktur bei der Stammflexion zurück, sondern<br />
auf die Wurzelflexion.<br />
• Visuell verdeutlicht werden soll der Zusammenhang zwischen einer<br />
unmarkierten Form (Grundform) eines Wortes und davon abgeleiteten<br />
Formen.<br />
→ <br />
→ <br />
(fundierende Form → fundierte Form)<br />
• In beiden Fällen ist aus rein phonographischer Perspektive eine andere<br />
Schreibung möglich:<br />
vs. <br />
vs.
• Damit würde aber der visuelle Zusammenhang zwischen der flektierten<br />
bzw. derivierten Form und der Grundform verloren gehen. Also werden<br />
die Basisbuchstaben beibehalten und mit einem Diakritikum, dem Trema,<br />
markiert.<br />
• Es handelt sich hier also um das Problem, dass für ein Phonem /ɛ/ zwei<br />
• Es handelt sich hier also um das Problem, dass für ein Phonem /ɛ/ zwei<br />
Grapheme zur Verfügung stehen: und ; ebenso für den Diphthong<br />
/ɔɪ/: und .<br />
• Bei anderen Umlauten ( und ) tritt diese ambige Phonem-<br />
Graphem-Korrespondenz nicht auf: Die entsprechenden Phoneme werden<br />
durch genau ein Graphem repräsentiert.
Markierung der Silbengrenze<br />
Silbentrennendes h<br />
• Folgt auf einen vokalisch endenden Wortstamm ein vokalisch anlautendes<br />
Flexionsmorphem, so könnte in der geschriebenen Form die Fehllesung<br />
entstehen, dass das resultierende Wort nicht zwei Silbenkerne hat, sondern<br />
nur einen (geschrieben als Doppelvokal oder Diphthong).<br />
<br />
• Daher wird zwischen den Vokal der ersten und den der zweiten Silbe in der<br />
graphemischen Form ein eingefügt, das keine lautliche Entsprechung hat,<br />
sondern nur die Funktion hat anzuzeigen, dass das Wort zweisilbig ist.<br />
/ge:.ən/ → <br />
• Zur Konstanthaltung der graphemischen Form des Grundmorphems wird es<br />
auch dort beibehalten, wo es nicht diese Funktion hat.<br />
→ , <br />
(fundierende Form → fundierte Form)
Ermittlung der Referenzform<br />
• Durch dieses Verfahren soll die Form ermittelt werden, nach der sich die<br />
<strong>Schreibungen</strong> für flektierte und derivierte Formen eines Wortes richten.<br />
• Das morphemische Prinzip erstreckt sich zunächst nur auf einzelne<br />
Morpheme. Wörter, die aus mehreren Morphemen bestehen, müssen daher<br />
in morphemische Bestandteile zerlegt werden:<br />
→ geh # weg<br />
→ lieb # lich<br />
→ be # lieb # ig<br />
• Es erstreckt sich nur auf solche Morpheme, an die Suffixe (Wortbildungs- oder<br />
Flexionsmorpheme) angehängt werden können, so dass mindestens<br />
zweisilbige Wortformen entstehen.<br />
→ geh # en<br />
→ Weg # e<br />
→ lieb # en<br />
→ (belieb)ig # e<br />
(fundierente Form → fundierende Form)
• In den Fällen der Entstimmung/Auslautverhärtung, der Spirantisierung, der<br />
Gelenkschreibung und des silbentrennenden h besteht die Referenzform immer<br />
aus dem fraglichen Morphem und einem damit verbundenen vokalisch<br />
anlautenden Suffix:<br />
lieb # en → → /li:p/<br />
grantig # er → → /gran.tɪç/<br />
komm # en → → /kɔmst/<br />
geh # en → → /ge:/<br />
(fundierende Form → fundierte Form)<br />
• Bei den Umlauten ist die Referenzform immer die unmarkierte Grundform:<br />
– bei Verben der Infinitiv:<br />
→ <br />
bei Substantiven der Singular:<br />
→ <br />
– bei Adjektiven das nicht erweiterte Positiv (Grundstufe):<br />
→ <br />
(fundierende Form → fundierte Form)