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Ross, A. (2008, 1. März). Powerpoint ... - Marcoalthaus.de

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<strong>Powerpoint</strong>-Präsentationen<br />

Folienschlacht mit Zischgeräusch<br />

von Alexan<strong>de</strong>r <strong>Ross</strong><br />

0<strong>1.</strong>03.<strong>2008</strong><br />

Haben Sie <strong>Powerpoint</strong> – o<strong>de</strong>r etwas zu sagen? Wenn es nach <strong>de</strong>m US-amerikanischen Wissenschaftler<br />

Clifford Stoll geht, ist das Präsentationsprogramm von Microsoft „die Wahl <strong>de</strong>r Feiglinge“. Warum <strong>de</strong>r<br />

Redner über <strong>de</strong>n Präsentationserfolg entschei<strong>de</strong>t und nicht die Charts<br />

Wer sich auf rasch<br />

wechseln<strong>de</strong> Bildchen<br />

o<strong>de</strong>r akustische Effekte<br />

verlässt, min<strong>de</strong>rt die<br />

eigene<br />

Überzeugungskraft.<br />

Illustration: Oliver Sperl<br />

Clifford Stoll ist<br />

ein ruhiger Mensch.<br />

Doch wenn es um<br />

<strong>Powerpoint</strong> geht,<br />

wird <strong>de</strong>r 58-jährige US-Wissenschaftler rabiat: „Sie<br />

kennen <strong>Powerpoint</strong> nicht? Dann stellen Sie sich einen<br />

langweiligen Diavortrag vor und <strong>de</strong>nken sich einen<br />

Haufen be<strong>de</strong>utungsloser akustischer und optischer<br />

Effekte dazu.<br />

„<strong>Powerpoint</strong> ist <strong>de</strong>r Feind je<strong>de</strong>s guten Vortrags“,<br />

wettert <strong>de</strong>r Amerikaner über das Microsoft–Produkt.<br />

Das 1988 zur bildlichen Unterstützung von Vorträgen<br />

auf <strong>de</strong>n Markt gebrachte Computerprogramm<br />

benutzen heute pro Tag schätzungsweise 400<br />

Millionen Menschen weltweit. Astronom Stoll,<br />

Miterfin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Arpanets, <strong>de</strong>m Vorläufer <strong>de</strong>s Internets,<br />

lei<strong>de</strong>t wie inzwischen so viele unter <strong>de</strong>m<br />

gedankenlosen Technikeinsatz bei Präsentationen.<br />

Gera<strong>de</strong> Unternehmensberater gelten als<br />

beson<strong>de</strong>res abhängig – wie viele Consultants wären<br />

schlichtweg aufgeschmissen, wenn man ihnen <strong>de</strong>n<br />

Computer und <strong>de</strong>n Beamer wegnehmen und sie<br />

auffor<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>, mit eigenen Worten ihre Gedanken<br />

vorzutragen? Häufig überreichen sie Zuhörern Kopien<br />

ihrer mit <strong>Powerpoint</strong> erstellten Folien schon im Voraus.<br />

Während <strong>de</strong>r Präsentation überfliegt das Publikum<br />

allenfalls die Texte – aber kaum einer achtet mehr auf<br />

die Worte <strong>de</strong>s Vortragen<strong>de</strong>n. Für Clifford Stoll steht<br />

daher fest: „<strong>Powerpoint</strong> ist die Wahl <strong>de</strong>r Feiglinge“.<br />

Feiglinge <strong>de</strong>shalb, weil sich die <strong>Powerpoint</strong>-Jünger<br />

hinter einem Haufen von Folien verstecken anstatt zu<br />

überlegen: Was ist das Ziel meines Vortrags? Was ist<br />

meine Botschaft? Und wie baue ich meine Re<strong>de</strong> auf,<br />

um diese eingängig zu vermitteln? Und so werfen die<br />

meisten Präsentatoren sich und ihr Publikum mit<br />

<strong>Powerpoint</strong> zurück in die Zeiten <strong>de</strong>r<br />

„Betonpädagogik“ und <strong>de</strong>s einfallslosen<br />

Frontalunterrichts für Erwachsene. Auch elegante<br />

Überblendungen, zischend auftauchen<strong>de</strong> Buchstaben<br />

o<strong>de</strong>r Strichmännchen können über diesen Missstand<br />

nicht hinwegtäuschen.<br />

Wie sehr die Worte zählen und nicht die bunten<br />

Folien, das erfuhr etwa die US-Regierung vor <strong>de</strong>m<br />

Irak-Krieg. Der damalige Außenminister Colin Powell<br />

hatte sich bestens vorbereitet: Seine Multimedia-<br />

Präsentation über irakische Bunker und<br />

Massenvernichtungswaffen war technisch perfekt,<br />

doch danach waren im Rest <strong>de</strong>r Welt die Zweifel an<br />

<strong>de</strong>r US-Strategie nicht kleiner, son<strong>de</strong>rn noch größer<br />

gewor<strong>de</strong>n.<br />

Was einmal eine Hilfe zur Kommunikation sein<br />

sollte, wird immer mehr zum Hin<strong>de</strong>rnis<br />

Den Grund dafür kennen Rhetorik-Profis gut: Wer<br />

sich auf rasch wechseln<strong>de</strong> Bildchen o<strong>de</strong>r akustische<br />

Effekte verlässt, min<strong>de</strong>rt die eigene Überzeugungskraft.<br />

Marco Althaus ist Direktor <strong>de</strong>s Deutschen Instituts für<br />

Public Affairs in Berlin und Experte für Kampagnen in<br />

Politik und Wirtschaft. Er sagt: „Wer mit Charts aus<br />

<strong>Powerpoint</strong> auf die Menschen losgeht, wird in <strong>de</strong>r<br />

Politik nicht mal Landrat.“<br />

Doch in <strong>de</strong>r Wirtschaft scheint es bei vielen<br />

Präsentationen weniger um eigene Gedanken zu<br />

gehen, son<strong>de</strong>rn nur um <strong>de</strong>n Anschein <strong>de</strong>rselben: man<br />

muss gar nicht re<strong>de</strong>n können, solange beim Kun<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Eindruck von Kompetenz aufrechterhalten wird.<br />

Für <strong>de</strong>n Wirtschaftspublizisten Gunnar Sohn besteht<br />

<strong>de</strong>nn auch „das sprachliche und geistige Korsett für<br />

mittelmäßige Manager“ in unseren Tagen in<br />

„<strong>Powerpoint</strong>-Vortrag und Denglisch-Gequassel“.<br />

Sohns klares Fazit vieler computeranimierter<br />

Vorträge: „Es ist wie mit jenen Aben<strong>de</strong>n bei Freun<strong>de</strong>n,<br />

die zwei Kästen mit Dias hervorkramen und über<br />

aufregen<strong>de</strong> Urlaubserlebnisse berichten: Quälen<strong>de</strong><br />

Langeweile und schummriges Licht erzeugen ein<br />

unbezwingbares Bedürfnis zu schlafen.“<br />

Vielleicht wür<strong>de</strong> sich durch <strong>de</strong>n Verzicht auf<br />

<strong>Powerpoint</strong> sogar mitunter Schlimmeres verhin<strong>de</strong>rn<br />

lassen, wie das Beispiel <strong>de</strong>r Raumfähre Columbia<br />

zeigt. Die Rakete brach 2003 beim Wie<strong>de</strong>reintritt in die<br />

Erdatmosphäre auseinan<strong>de</strong>r, sieben Astronauten<br />

starben. Ihr Tod wäre vermeidbar gewesen – wenn die<br />

Nasa-Ingenieure die technischen Probleme in einem<br />

ausformulierten Bericht klar herausgestellt hätten, statt<br />

sie auf Stichworte verkürzt in einer Masse von<br />

<strong>Powerpoint</strong>-Folien untergehen zu lassen.<br />

Davon ist zumin<strong>de</strong>st Edward R. Tufte überzeugt.<br />

Der emeritierte Yale-Professor für Statistik- und<br />

Grafik<strong>de</strong>sign und Experte für Visuelle Kommunikation<br />

fin<strong>de</strong>t Bestätigung im offiziellen Untersuchungsbericht<br />

<strong>de</strong>r Nasa. Denn was einmal eine Hilfe zur<br />

Kommunikation sein sollte, wird immer mehr zum<br />

Hin<strong>de</strong>rnis.<br />

Wer an<strong>de</strong>re führen will, muss re<strong>de</strong>n können<br />

Tufte, <strong>de</strong>r profilierteste <strong>Powerpoint</strong>-Kritiker, ist<br />

überzeugt: „Das Computerprogramm vermin<strong>de</strong>rt die


analytische Qualität <strong>de</strong>r Präsentation”, sagt Tufte, und<br />

fügt hinzu, die Folien schwächten nicht nur <strong>de</strong>n<br />

Wortschatz und die räumliche Vorstellungskraft,<br />

son<strong>de</strong>rn verfälschten zum Beispiel statistische<br />

Ergebnisse durch Verknappung. Wie Tufte an<br />

mehreren Beispielen zeigt, ist es nur ein kleiner Schritt<br />

von <strong>de</strong>r Komplexitätsreduktion zur Verfälschung.<br />

Egal, welcher Gedanke, in <strong>Powerpoint</strong> wird er über<br />

einen Einheits-Kamm geschoren. Der „virtuelle<br />

Kommunismus“ fängt mit <strong>de</strong>n „Bullet Points“ an:<br />

Gedankenschritte und Argumente wer<strong>de</strong>n aufgelistet<br />

und in einer Folienfolge projiziert. Ohne Worte wie<br />

„weil“ o<strong>de</strong>r „<strong>de</strong>shalb“ und die durch sie angezeigten<br />

Zusammenhänge fallen Fakten leicht unter <strong>de</strong>n Tisch.<br />

Doch wer mit seinen Worten überzeugen will, kann<br />

sich das nicht leisten. Die rhetorische Verbesserung ist<br />

längst nicht mehr nur eine Sache für Vorstän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />

Geschäftsführer, <strong>de</strong>nn die Hierarchien wer<strong>de</strong>n flacher.<br />

Dem einzelnen Mitarbeiter kommt heute häufig die<br />

Verantwortung für einen Arbeitsbereich zu, <strong>de</strong>r bis vor<br />

einiger Zeit noch von einem Abteilungsleiter betreut<br />

wur<strong>de</strong>. Und immer mehr Projekte wer<strong>de</strong>n mit an<strong>de</strong>ren<br />

Firmen o<strong>de</strong>r Dienstleistern bewältigt.<br />

Hier müsssen Konzepte, Zwischenergebnisse und<br />

<strong>de</strong>r eigene Standpunkt souverän vertreten wer<strong>de</strong>n.<br />

Damit gilt: Wer sich im Unternehmen o<strong>de</strong>r beim<br />

Kun<strong>de</strong>n Gehör verschaffen will, <strong>de</strong>r muss nicht bunter<br />

und lauter, son<strong>de</strong>rn besser re<strong>de</strong>n können als an<strong>de</strong>re.<br />

Die Rhetorik und Präsentationsfähigkeit eines<br />

Jobkandidaten ist damit häufig ein unausgesprochenes<br />

Kriterium für Chefs: Wer an<strong>de</strong>re führen will, muss<br />

re<strong>de</strong>n können. Der Vorstand eines bekannten<br />

Maschinenbaukonzerns bringt es auf <strong>de</strong>n Punkt:<br />

„Wenn man mit Worten schon nicht die Menschen<br />

überzeugen kann, die täglich mit einem<br />

zusammenarbeiten – wie will man es dann beim<br />

Kun<strong>de</strong>n schaffen?“<br />

Die furchtbaren Fünf<br />

Der Überflieger hechelt min<strong>de</strong>stens zehn Folien pro<br />

Minute durch, weil er insgesamt 129 Folien hat. Die<br />

Psychofolter für das Publikum ist die Nummerierung<br />

<strong>de</strong>r Folien mit Gesamtanzahl: 64 von 129, 65 von 129...<br />

Der Vorleser hat <strong>de</strong>utlich weniger Folien – dafür sind<br />

sie randvoll in kleiner Schrift und mit Grafiken<br />

überla<strong>de</strong>n. Weil sein Publikum nichts erkennen kann,<br />

muss er alles vorlesen: staubtrockene Zahlen und<br />

Fakten. Der geistige Phantomschmerz wirkt noch<br />

tagelang nach.<br />

Der Im-Bild-Steher ver<strong>de</strong>ckt die Projektion, weil er<br />

dauernd hin und her läuft zwischen Beamer und<br />

Leinwand und vor <strong>de</strong>n Zuhörern auf und ab. Könner<br />

verbin<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>s zu einem eleganten Ausdruckstanz –<br />

vorwärts, seitwärts, Drehung, Sprung, Verbeugung.<br />

Der Autist steht zwar ruhig, re<strong>de</strong>t jedoch kaum. Falls<br />

doch, dann leise. Aber nicht zum Publikum, son<strong>de</strong>rn<br />

zur Folie, zur Wand o<strong>de</strong>r zu sich selbst. Ermahnungen<br />

und Bitten lauter vorzutragen, sind zwecklos.<br />

Der Komman<strong>de</strong>ur hat Befehlsempfänger für<br />

Folienproduktion und PC-Bedienung. Machtvoller<br />

Ignorant, kennt <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r Präsentation nicht und<br />

überspielt es mit halblaut gebellten Anweisungen:<br />

„Nein, noch mal kurz zurück“ – „Jetzt nächste Folie!“.<br />

Link zum<br />

Artikel: http://www.han<strong>de</strong>lsblatt.com/unternehmen/karriere/folienschla<br />

cht-mit-zischgeraeusch;1398058

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