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Lobbying Regulierung im europäischen Vergleich - Marco Althaus

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TRANSPARENZ<br />

<strong>Lobbying</strong>-<strong>Regulierung</strong> <strong>im</strong><br />

<strong>europäischen</strong> <strong>Vergleich</strong><br />

Eine kurze Evaluation rechtlicher Rahmenbedingungen<br />

V O N M A C I E J D R O Z D<br />

Warsaw School of Economics, Warschau<br />

Übersetzung: Dr. <strong>Marco</strong> <strong>Althaus</strong>, DIPA Berlin<br />

D<br />

er schlechte Ruf des <strong>Lobbying</strong> wird nicht besser. Eine Reihe jüngerer Skandale in<br />

Brüssel, Berlin und Warschau, in denen häufig Politiker mit Verbindung zur<br />

traditionell politisch umtriebigen Energiebranche verwickelt waren, hat eine<br />

neue Welle der Kritik an verborgenen Lobbymissionen ausgelöst.<br />

Gefangen <strong>im</strong> Scheinwerferlicht der Medien, waren die Gesetzgeber gezwungen, darauf<br />

Antworten zu finden – und sie zeigten dabei auch keine Zurückhaltung.<br />

Im März 2006 hat der amerikanische Senat als Reaktion auf den Fall Abramoff erstmals<br />

seit mehr als einem Jahrzehnt wieder weitreichende Beschränkungen des <strong>Lobbying</strong>s<br />

beschlossen.<br />

In Litauen, Georgien und zuletzt Polen haben undurchsichtige Verbindungen zwischen<br />

privatem und öffentlichem Establishment, das Erbe der postkommunistischen<br />

Übergangsphase, zu strikten <strong>Lobbying</strong>-Gesetzentwürfen geführt.<br />

Gesetzgeberische Initiativen in Deutschland und bei der Europäischen Kommission,<br />

forciert durch die Fürsprache von NGOs wie Transparency International oder der Alliance<br />

for <strong>Lobbying</strong> and Ethics Regulation, zeigen die regulatorische Tendenz in<br />

Richtung eines harten Durchgreifens be<strong>im</strong> <strong>Lobbying</strong>. Und ebenso zeigen es die aufkommenden<br />

Debatten in zahlreichen anderen <strong>europäischen</strong> Ländern.<br />

Allerdings sind <strong>Lobbying</strong>-Gesetze in der Vergangenheit meist politische Schaukästen<br />

gewesen: Sie versprachen Transparenz, änderten aber wenig. Das liegt meist daran, dass<br />

Lobby-Gesetze auf einer falschen Prämisse fußen, die Interessenvertretung entweder<br />

bestraft oder unterschätzt.<br />

Dieser Artikel bemüht sich, ein opt<strong>im</strong>ales regulatorisches Modell zu finden; er erklärt<br />

die Begründung für Lobby-<strong>Regulierung</strong>, kategorisiert alternative Gesetzgebungsoptionen<br />

und evaluiert sie <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong> mit bestehenden <strong>europäischen</strong> Richtlinien.<br />

Dieser Artikel gliedert sich nach fünf Hauptthesen, die zu Beginn jedes Kapitels wiederholt<br />

werden.<br />

78 Zeitschrift des DIPA Berlin


1. Die Begründung für Lobby-<strong>Regulierung</strong><br />

<strong>Lobbying</strong> trägt zu besserer Gesetzgebung bei, muss aber unter öffentliche Aufsicht<br />

gestellt werden, um das Informationsrecht der Bürger durchzusetzen.<br />

<strong>Lobbying</strong> ist der legit<strong>im</strong>e Prozess der Beeinflussung öffentlicher Entscheidungsträger<br />

in Gesetzgebungsprozessen. Doch aus Sicht der Öffentlichkeit umfasst es auch zweifelhafte<br />

Formen der Beziehungen zum Staat. Dazu gehören die Ausübung von Druck, Parteispenden<br />

oder gehe<strong>im</strong>e Treffen <strong>im</strong> Hinterz<strong>im</strong>mer. Dass solche Stereotypen ungenau und<br />

überflüssig sind, liegt insbesondere für die Leser dieser Zeitschrift auf der Hand.<br />

Aus argumentatorischen Gründen möchte ich hier jedoch drei wichtige Funktionen<br />

des <strong>Lobbying</strong>s wiederholen, die in Theorie und Praxis häufig genannt werden. Erstens<br />

ermöglicht es unterschiedlichen Interessengruppen, ihre Sichtweisen in öffentliche Entscheidungsprozesse<br />

einzubringen; damit steht es für Pluralismus und demokratische<br />

Teilhabe. Zweitens verringert es die Distanz zwischen dem Durchschnittsbürger und den<br />

Amtsträgern, indem es eine aktive Zivilgesellschaft fördert. Drittens stellen Lobbyisten<br />

unverzichtbares Expertenwissen für unterschiedlichste Themengebiete zur Verfügung.<br />

Insgesamt trägt <strong>Lobbying</strong> zu besserer Gesetzgebung bei und bietet hilfreiche Kanäle für<br />

die partizipative Demokratie.<br />

Wenn es so ein Segen für das Gemeinwohl ist, warum regulieren die Parlamente dann<br />

das <strong>Lobbying</strong>? Die wissenschaftliche Forschung führt zu den folgenden Motiven, die sehr<br />

an die Public-Choice-Theorie erinnern:<br />

“Ein Grund liegt darin, dass <strong>Regulierung</strong> auf Drängen interessenpolitischer Entrepreneure<br />

angenommen wird, die ihren organisationsinternen Monopolstatus als<br />

‚offizielle’ Sprecher gegenüber dem Staat sichern […] Ein anderer ist, dass Lobby-<br />

Gesetze Übungen in symbolischer Politik sind, durch die Parlamente nach Episoden<br />

der Korruption so tun können, als täten sie etwas, während sie wenig ändern.<br />

[…] Eine dritte Möglichkeit ist, dass die <strong>Regulierung</strong> tatsächlich aus den Gründen<br />

angenommen werden, die von ihren Fürsprechern angeführt werden – nämlich<br />

öffentliche Aufsicht zu vergrößern und korrupte Praktiken zu verringern. ” 3<br />

Allerdings ist diese Klassifikation nicht vollständig und eher spekulativ. Eine Alternative<br />

soll hier vorgeschlagen werden, die die Gründe für <strong>Lobbying</strong>-Gesetze in vier distinkte<br />

Gruppen einteilt: (1) Transparenz; (2) Zivilgesellschaft; (3) Zugang zum Gesetzgebungsprozess;<br />

und (4) Korruption. Die erste betont das Bedürfnis, <strong>Lobbying</strong> unter öffentliche<br />

Beaufsichtung zu stellen; die zweite will unterschiedliche Interessengruppen stärker am<br />

Entscheidungsprozess beteiligen; die dritte die Augenhöhe be<strong>im</strong> <strong>Lobbying</strong> zwischen<br />

privaten Interessen und Public-Interest-Gruppen angleichen. Die Letzte erfordert Lobbyregulierung,<br />

um illegale Einflussnahmen und Betrug unter Strafe zu stellen.<br />

3 D. Lowery, V. Gray. 1997. „How some rules just don’t matter: The regulation of lobbyists“,<br />

Public Choice 91: p. 145.<br />

79


Nun haben wir die Begründung für <strong>Lobbying</strong>-Gesetze diskutiert. Wie kann der Gesetzgeber<br />

nun <strong>Lobbying</strong> regulieren?<br />

2. Lobby-<strong>Regulierung</strong> à la Carte<br />

Rechtliche Lobby-<strong>Regulierung</strong> ist wie ein Fünf-Gänge-Menü: Der Gesetzgeber<br />

kann sich aus einem großen Maßnahmenmenü frei bedienen, je nach der angestrebten<br />

Stringenz seiner <strong>Regulierung</strong>sabsicht.<br />

Indirekte<br />

<strong>Regulierung</strong><br />

Direkte<br />

<strong>Regulierung</strong><br />

Allgemeine<br />

Regeln zu<br />

Ethik und<br />

Korruption<br />

Litauen<br />

F<br />

D<br />

GB<br />

PL<br />

USA<br />

Einzelne<br />

Lobby-<br />

Gesetze<br />

Selbstverpflichtungen,<br />

Codes<br />

of Conduct<br />

Allgemein hat der Gesetzgeber drei regulatorische Praxismodelle4 zur Hand: Sie können<br />

allgemeine Regeln zu Ethik und Korruption fassen, Lobbyisten zur Adaption von<br />

Verhaltenskodizes veranlassen, individuelle Lobbygesetze verabschieden oder eine Kombination<br />

dieser drei genannten Modelle darstellen. Abbildung 1 (oben) zeigt ansatzweise,<br />

wo welcher „<strong>Regulierung</strong>smix“ in Kraft ist.<br />

Der Fokus soll nun auf einen Lobbygesetzen und ihren rechtlichen Bedingungen liegen.<br />

Diese Gesetze bestehen normalerweise aus fünf Komponenten, die sich nach spezifischen<br />

rechtlichen Fragestellungen und geforderter Stringenz unterscheiden.<br />

Am Anfang stehen Definitionen, wer als Lobbyist und als lobbyierter Amtsträger begriffen<br />

wird. Die Definition eines Lobbyisten kann verstanden werden als ein Kontinuum,<br />

dass sich in sechs Ordnungssegmente unterteilt: (1) Bezahlte Lobbytätigkeit für die wirtschaftlichen<br />

Interessen eines Arbeitgebers; (2) Bezahlte oder unbezahlte Lobbytätigkeit<br />

für die wirtschaftlichen Interessen eines Arbeitgebers; (3) Bezahltes <strong>Lobbying</strong> für Honorar<br />

und Kostenerstattung; (4) <strong>Lobbying</strong> nur für Honorar; (5) <strong>Lobbying</strong> für Honorar oder<br />

Kostenerstattung; und (6) <strong>Lobbying</strong> für irgendeine Gruppe ohne spezifische Bedingungen.<br />

In der gleichen Weise können die Amtsträger als <strong>Lobbying</strong>-Adressaten in drei allgemeine<br />

Gruppen aufgeteilt werden: (1) direktes <strong>Lobbying</strong> von Parlamentariern außerhalb von<br />

4 K. Jasiecki, U. Kurczewska, M. Molęda-Zdziech. 2000. „Lobbing. Sztuka skutecznego<br />

wywierania wpływu”, p. 82.<br />

80 Zeitschrift des DIPA Berlin


Ausschusssitzungen; (2) <strong>Lobbying</strong> von Parlamentariern unter jeglichen Bedingungen und<br />

(3) <strong>Lobbying</strong> von Parlamentariern, ihren Mitarbeitern, Mitgliedern von Behörden und<br />

Gremien der Exekutive. 5<br />

Das zweite Hauptelement der Lobby-<strong>Regulierung</strong> hat mit den Beschränkungen der Tätigkeit<br />

von Lobbyisten und lobbyierten Amtsträgern zu tun. Lobbyisten werden üblicherweise<br />

verpflichtet, sich zu registrieren und ihre Aktivitäten zu melden. Wie viele Informationen<br />

bei der Registrierung gemeldet werden müssen, ist sehr unterschiedlich; dazu<br />

können Kontaktdaten, ein allgemeines Wirtschaftsprofil, etablierte Kontakte, organisatorische<br />

Details oder Finanzinformationen gehören. In gleicher Weise unterscheiden sich<br />

die regelmäßigen Meldepflichten zu Klienten, Kontakten, Ausgaben, spezifische Lobbytätigkeiten,<br />

Kommunikationstechniken oder Positionen. Schließlich gibt es Gesetze, die von<br />

Lobbyisten die Unterzeichnung eines Verhaltenskodexes bei der Registrierung verlangen. 6<br />

Dritter Bestandteil jedes Lobbygesetzes sind Regelungen über die Aufsichtsbehörden<br />

und ihre Komptenzen. Die Verantwortung wird übertragen auf parlamentarische Ethik-<br />

Ausschüsse, spezielle Registerbeamte und<br />

Kommissare, Behörden oder unabhängige Gremien.<br />

Die Verantwortung für den Gesetzesvollzug reicht<br />

von der Verwaltung des Registrierungsverfahrens<br />

über die Überprüfung der Erfassung und Meldungen,<br />

den Betrieb einer öffentlich zugänglichen Datenbank,<br />

Information und Öffentlichkeitsarbeit zu Lobbyfragen<br />

bis zu Ermittlungen bei Beschwerden und die Bestrafung<br />

von Übeltätern.<br />

Viertens enthalten die Lobbygesetze Sanktionen.<br />

Diese reichen vom schlichten Entzug eines<br />

Hausausweises für das Parlament über mehr oder<br />

weniger hohe Bußgelder bis hin zum Strafrecht.<br />

Schließlich beinhalten einige Gesetze<br />

Sonderregeln zu einkommensbezogenen Meldepflichten,<br />

zu Geschenken, Reisen, Wahlkampfspenden<br />

oder den beruflichen Wechsel auf die private Seite<br />

(„revolving doors“).<br />

Abbildung 2 verschafft einen Überblick über diese<br />

fünf Bausteine von Lobbygesetzen. In diesem Rahmen soll eine vergleichende Evaluation<br />

existierender Richtlinien in Deutschland, Polen und bei den <strong>europäischen</strong> Institutionen<br />

vorgenommen werden.<br />

5 Hamm, Keith, Weber, Andrew R., and Anderson, R. Bruce. 1994. “The Impact of <strong>Lobbying</strong><br />

Laws and Their Enforcement: A Contrasting View.” Social Science Quarterly 75: p. 379.<br />

6 Cf. Toronto Computer Leasing Inquiry, 2003. “Lobbyist Registration. Comparative Overview”,<br />

vol. 1.<br />

81


Definition<br />

Aufsicht<br />

Beschränkungen<br />

Sanktionen<br />

Sonderregeln<br />

Was ist<br />

<strong>Lobbying</strong>?<br />

Wer wird als<br />

Lobbyist<br />

und wer als<br />

Amtsträger<br />

verstanden?<br />

Was müssen<br />

Lobbyisten<br />

tun?<br />

Was müssen<br />

die Amtsträger<br />

tun?<br />

Wer ist für<br />

den Vollzug<br />

der Regeln<br />

verantwortlich?<br />

Was gehört<br />

zu dieser<br />

Verantwortung?<br />

Wie werden<br />

Verstöße<br />

geahndet?<br />

Welche<br />

anderen<br />

Regeln<br />

gibt es?<br />

Was<br />

besagen<br />

sie?<br />

3. Die Anwendung der Lobby-<strong>Regulierung</strong><br />

Die meist durch Skandale ausgelösten Lobby-Regeln bei den <strong>europäischen</strong> Institutionen,<br />

in Deutschland und Polen zeigen starke Ähnlichkeiten.<br />

Obwohl sie ähnlich ausgestaltet sind, entspringen die <strong>europäischen</strong> Regelwerke sehr<br />

unterschiedlichen nationalen Kontexten.<br />

Deutschlands parlamentarisches Lobbyistenregister stammt aus den 1970-er Jahren<br />

und spiegelt eine korporatistische <strong>Lobbying</strong>kultur wider, denn es ist auf organisierte<br />

Interessengruppen beschränkt.<br />

Das polnische Lobbyistengesetz ist ein Echo auf die andauernde politische Transformation<br />

des Landes und erinnert seine Kritiker eher an ein missratenes Anti-Korruptions-<br />

Gesetz. Dagegen veranlasste die große Zahl der Interessenvertreter in Brüssel das Europäische<br />

Parlament zu seinen <strong>Lobbying</strong>regeln. Die Europäische Kommission hat noch keine<br />

regulatorischen Mechanismen eingeführt, heißt jedoch <strong>im</strong> Allgemeinen jede Form demokratischer<br />

Beteiligung willkommen, einschließlich des <strong>Lobbying</strong>s.<br />

Das Ergebnis sind Unterschiede <strong>im</strong> rechtlichen Status. Sowohl das Europäische Parlament<br />

7 als auch Deutschland 8 haben ihre Regelwerke in Anhängen zu den parlamentarischen<br />

Geschäftsordnungen untergebracht, womit ihre Ziele auf ihre Mitglieder reduziert<br />

werden, während die polnischen Regeln 9 als Gesetz verabschiedet wurden, damit landesweit<br />

verbindlich und für Legislative wie Exekutive gültig sind.<br />

7 „Geschäftsordnung IX. Interessensgruppen be<strong>im</strong> Europäischen Parlament“, available online at<br />

http://www.eu.int/<br />

8 „Anlage 2. Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages“, available online at<br />

http://www.bundestag.de/<br />

9 „Ustawa z dn. 7 lipca 2005 r. o działalności lobbingowej w procesie stanowienia prawa (Dz. U.<br />

z 2005 r., nr 169, poz. 1414)<br />

82 Zeitschrift des DIPA Berlin


Was die rechtliche Definition des <strong>Lobbying</strong>s angeht, sticht die be<strong>im</strong> Europäischen<br />

Parlament angelegte <strong>Regulierung</strong> als besonders stringent hervor. Sie identifiziert Lobbyisten<br />

als Vertreter jedweder Interessengruppe, ohne Berücksichtigung der Fragen nach<br />

Bezahlung oder finanzieller Interessen. Dagegen sind die Regeln in Polen und Deutschland<br />

deutlich enger gefasst. Tatsächlich betrifft Polens Lobbyistengesetz nur so genannte<br />

professionelle Lobbyisten, die für Dritte und für Honorar arbeiten. In Deutschland sind,<br />

wie gesagt, nur Vertreter von Verbänden gehalten, sich zu registrieren. Es gibt keine<br />

Registrierungspflicht, aber es wird erwartet und bietet den Vorteil, eher als betroffener<br />

Verband zu Stellungnahmen und Anhörungen geladen zu werden.<br />

Jedoch findet man nur wenige<br />

Unterschiede, wenn man die<br />

Verpflichtungen der Lobbyisten<br />

unter die Lupe n<strong>im</strong>mt. Alle<br />

Regelwerke halten Lobbyisten zur<br />

Registrierung an, womit die Angabe<br />

von Basisinformationen wie etwa<br />

Kontaktdaten oder Branchenprofilen<br />

verbunden sind. Selbst die Europäische<br />

Kommission, die keine<br />

rechtlich verbindlichen Regeln<br />

kennt, ermuntert Interessenvertreter,<br />

sich öffentlich listen zu lassen.<br />

Interessanterweise beziehen sich diese Regeln – bis auf das polnische Gesetz – bisher<br />

überwiegend auf Lobbyisten, während die lobbyierten Amtsträger außerhalb des Blickfelds<br />

bleiben. Dabei geht es nicht so sehr um meldepflichtige Nebentätigkeiten der Politiker,<br />

sondern um den alltäglichen Kontakt zu Lobbyisten. In Polen wird von Entscheidungsträgern<br />

verlangt, jeden Kontakt mit Lobbyisten zu melden, eine ziemlich mühevolle<br />

Angelegenheit.<br />

In Berlin and Brüssel gehören die Aufsichtsbehörden zum regulären Personal des Parlaments.<br />

In Polen ist de iure das Innenministerium damit betraut, das Lobbyregister zu<br />

führen und Interessenvertreter, die gegen die Regeln verstoßen, mit Bußgeldern bis zu<br />

12.500 Euro zu belegen – eine Sanktion, die in anderen Ländern keine Rolle spielt. Im<br />

Westen wird eher der Zugang zum Parlament verweigert, sollten die Lobbyisten gegen die<br />

Regeln verstoßen.<br />

Keines der diskutierten Regelwerke enthält weitergehende Sonderregeln, denn verschiedene<br />

finden sich oft auch schon in anderen Gesetzen. In Polen lassen sich beispielsweise<br />

17 Rechtsdokumente mit Fragestellungen der <strong>Lobbying</strong>-<strong>Regulierung</strong> verknüpfen,<br />

eingeschlossen die Staatsverfassung, das Ausschreibungs- und Beschaffungsrecht sowie<br />

Gesetze über die allgemeine Verwaltung und das Beamtentum.<br />

83


4. Ergebnisse der <strong>Lobbying</strong>-<strong>Regulierung</strong>sversuche<br />

Keines der hier untersuchten <strong>europäischen</strong> Regelwerke erreicht seine Ziele.<br />

In der Vergangenheit haben viele Wissenschaftler versucht nachzuweisen, dass Lobbyregulierung<br />

nicht den Erwartungen gerecht wird. Die hier untersuchten <strong>europäischen</strong><br />

Beispiele widersprechen dieser Hypothese nicht.<br />

Auf den ersten Blick scheinen das deutsche Regelsystem und seine realen Ergebnisse<br />

den Gegenbeweis zu liefern. Immerhin sind in der „Lobbyliste“ des Deutschen Bundestages<br />

rund 1800 Organisationen aufgelistet, womit ein weites Feld der Lobbytätigkeiten<br />

abgedeckt ist. Dennoch sehen Kritiker <strong>im</strong> deutschen <strong>Regulierung</strong>smodell zu viele rechtliche<br />

Schlupflöcher. Public-Affairs-Agenturen, Auftragslobbyisten, Anwaltskanzleien und<br />

Unternehmensrepräsentanten, die in der deutschen Lobbyszene recht dominant sind,<br />

werden durch diese Regelungen nicht betroffen. Paradoxerweise behindert sie diese<br />

Tatsache in der Ausübung ihres Berufs, denn der Zugang zum Parlament ist beschränkt,<br />

und die Entscheidungsträger ziehen es vor, sich gegenüber unregistrierten Interessenvertretern<br />

auf Distanz zu halten. Zudem widmen sich die Regeln nur dem Parlamentslobbying,<br />

womit die frühzeitige Einflussnahme in den Ministerstäben und Referaten außen vor<br />

bleibt. So wie die Regeln gestaltet sind, gibt es für Lobbyisten auch keine ausreichenden<br />

Anreize, sich freiwillig zu registrieren; damit wird die Grauzone der Interessenrepräsentation<br />

erweitert. Zusammengenommen lassen diese Argumente ein wenig überzeugendes<br />

Bild des regulatorischen Status quo entstehen.<br />

Viel mehr kann man auch nicht über die entsprechenden Regelungen des Europäischen<br />

Parlaments sagen. Interessanterweise wächst hier die Zahl der akkreditierten<br />

Interessenvertreter sehr schnell, obwohl ihnen nur ein Hausausweis als symbolische<br />

Belohnung für die Eintragung in die Liste angeboten wird. Im EU-Kontext bedeutet das<br />

aber, dass die Lobbyregeln eben nicht die Vermehrung der Interessengruppen in Brüssel<br />

verlangsamt haben. Die Überfüllung schwächt sich nicht ab, <strong>im</strong> Gegenteil – und damit ist<br />

der <strong>Regulierung</strong>sversuch eigentlich gescheitert. Das Problem würde aber auch nicht<br />

gelöst, würde man den Lobbyisten mit verschärfter <strong>Regulierung</strong> das Leben schwerer<br />

machen. Wahrscheinlich würde mehr <strong>Lobbying</strong> außerhalb ohne jede Beaufsichtigung<br />

stattfinden.<br />

Die Lektionen, die man in Brüssel und Berlin lernen kann, lassen Polens Aussichten<br />

auf eine erfolgreiche Durchleuchtung des <strong>Lobbying</strong>s nicht rosig erscheinen. Denn die<br />

rechtliche Definition, wer als Lobbyist verstanden wird, umfasst wichtige Akteure nicht –<br />

beispielsweise die Vertreter von Gewerkschaften, Berufsverbänden oder NGOs. Außerdem<br />

ignorieren die Regeln das <strong>Lobbying</strong>, die auf die Präsidialkanzlei und anderen <strong>im</strong> polnischen<br />

Gesetzgebungsprozess wichtige Institutionen zielt. Wie bei den anderen Beispielen<br />

gibt es wenig, was die Registrierung mit echten Anreizen verbindet, abgesehen vom<br />

Dauerzugang zu Parlaments- und Regierungsgebäuden. Zudem macht das polnische<br />

Lobbygesetz keine detaillierten Aussagen darüber, wie parlamentarisches <strong>Lobbying</strong><br />

84 Zeitschrift des DIPA Berlin


gestaltet werden soll, womit die Antworten auf eine schon heute hitzige Diskussion auf<br />

die Zukunft verschoben werden.<br />

Wenn die existierenden Regelwerke überhaupt Meriten haben, dann nur die Tatsache,<br />

dass der Gesetzgeber zumindest versucht hat, ein komplexes und kontroverses Themenfeld<br />

zu regulieren – auch wenn die Bemühungen deutlich verbessert werden müssen.<br />

5. Empfehlungen<br />

Idealerweise sollten die Gesetzgeber ein umfassendes <strong>Lobbying</strong>-Gesetz verabschieden,<br />

nach dem Lobbyisten sich registrieren müssen und Amtsträger auf<br />

rechtlich relevante Weise die Einflussversuche durch <strong>Lobbying</strong> dokumentieren<br />

müssen.<br />

Angesichts des regulativen Versagens könnte man die legit<strong>im</strong>e Frage stellen, ob Lobbyregulierung<br />

überhaupt ein sinnvolles Unterfangen ist. Dass es eines sein kann, soll die<br />

folgende Skizze einer möglichen Alternative für die bisher nutzlosen Regeln zeigen.<br />

Kurz gesagt muss angemessene <strong>Regulierung</strong> das Gleichgewicht zwischen Transparenz<br />

und Belastung für die politischen Akteure treffen und halten. Das bedeutet, je mehr<br />

Information von Lobbyisten abverlangt wird, desto schwieriger wird es auch, detaillierte<br />

Formulare auszufüllen und die umfangreichen Datenmengen zu verwalten.<br />

Ein brauchbarer Weg, dieses Gleichgewicht zu finden, wäre, Details laufender Lobbyaktivitäten<br />

den nationalen Gesetzentwürfen beizufügen, nämlich dort, wo der Gesetzestext<br />

durch andere Anhänge wie zum Beispiel Begründung oder erwartete Kosten und<br />

Einnahmen ergänzt wird. Wer einen Gesetzentwurf anfertigt, sei es ein Ministerialbeamter<br />

oder ein Parlamentarier, müsste kurz angeben, durch wen er kontaktiert wurde, vom<br />

wem der Lobbyist geschickt wurde und wie argumentiert wurde. Diese Information sollte<br />

dann öffentlich zugänglich gemacht werden, vorzugsweise in Datenbanken mit<br />

Suchmöglichkeiten. Um die Meldung intervenierender Lobbyisten zu vereinfachen,<br />

könnte ein generisches Register eingeführt werden, in dem alle bezahlten<br />

Interessenvertreter enthalten sind. Im Gegenzug für ihre Registrierung wird den<br />

Lobbyisten fairer und transparenter Zugang zu rechtlich relevanten Texten und allen <strong>im</strong><br />

Gesetzgebungsprozess relevanten Hintergrunddokumenten zugesichert. Sollten sie sich<br />

nicht registrieren, sollte ihnen die Einbeziehung in künftige Gesetzesberatungen<br />

verweigert werden.<br />

Schließlich sollte das öffentliche Vertrauen in die lobbyierten Amtsträger die Richtschnur<br />

für den Vollzug der Regeln sein. Das <strong>im</strong>pliziert, dass es keinen Bedarf für eine<br />

spezielle Behörde gibt, die möglicherweise verborgenes <strong>Lobbying</strong> beaufsichtigen soll.<br />

Stattdessen sollte der einzelne Abgeordnete oder Beamte Regelverletzungen melden,<br />

wenn es nötig wird.<br />

Die Bundesstaaten sollten vergleichbare und kompatible <strong>Regulierung</strong>smodelle auf<br />

Länderebene anstreben.<br />

Mit diesem Ansatz könnten ein zufrieden stellendes Transparenzniveau und zugleich<br />

eine Alltagstauglichkeit bei der Belastung durch den „Papierkram“ herbeigeführt werden.<br />

85


Allerdings gibt es keinen Zweifel daran, dass auch dieses Modell, einmal in Kraft gesetzt,<br />

<strong>im</strong>mer wieder einer Feinjustierung bedarf – denn gute Gesetzgebung ist eine evolutionäre<br />

Kunst. <br />

Anmerkungen<br />

Ein großer Teil dieses Artikels beruht auf Interviews mit Praktikern und <strong>Lobbying</strong>experten in Deutschland<br />

und Polen, bei denen sich der Autor bedanken möchte. Zudem wurde folgende Literatur<br />

verwendet:<br />

Ainsworth, Scott. 1996. “The Logic and Rationale of <strong>Lobbying</strong> Regulations.” Congress and the Presidency<br />

23: 1-13.<br />

<strong>Althaus</strong>, <strong>Marco</strong>, Meier, Dominik (ed.). 2004. Politikberatung: Praxis und Grenzen. Münster: LIT-Verlag.<br />

K. Jasiecki, U. Kurczewska, M. Molęda-Zdziech. 2000. Lobbing. Sztuka skutecznego wywierania wpływu.<br />

Warszawa, 2000.<br />

Jauß, Claudia and Lahusen, Christian. 2001. <strong>Lobbying</strong> als Beruf. Interessensgruppen in der Europäischen<br />

Union. Baden-Baden: Nomos Verlag.<br />

Gosselin, Bruno. 2003. Le dictionnaire du lobbying. Paris: 2000.<br />

Hamm, Keith, Weber, Andrew R., and Anderson, R. Bruce. 1994. “The Impact of <strong>Lobbying</strong> Laws and<br />

Their Enforcement: A Contrasting View.” Social Science Quarterly 75: 378-381.<br />

Lowery, David, and Gray, Virginia. 1997. “How Some Rules Just Don’t Matter: The Regulation of<br />

Lobbyists.” Public Choice 91: 139-147.<br />

Rosenthal, Alan. 2001. The Third House. Lobbyists and <strong>Lobbying</strong> in the States. Washington D.C.: CQ Press.<br />

Sebaldt, Martin. 2004. Verbände in der BRD. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Sebaldt, Martin. 2001. Transformation der Verbändedemokratie. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.<br />

Teuber, Jörg. 2001. Interessensverbände und <strong>Lobbying</strong> in der Europäischen Union. Berlin: Verlag Lang.<br />

Thomas, Clive. 1997. “Interest Group Regulation Across the United States: Rationale, Development<br />

and Consequences.” Parliamentary Affairs, p. 500-515.<br />

von Alemann, Ulrich. 1989. Organisierte Interessen in der Bundesrepublik. Opladen: Leske + Budrich.<br />

86 Zeitschrift des DIPA Berlin

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