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168. Körpersignale in menschlicher Interaktion

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3448 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

1. E<strong>in</strong>leitung<br />

2. Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

2.1. Das Kontrastpr<strong>in</strong>zip und die Formkonstanz<br />

2.2. Die Ritualisierung<br />

3. Die äußere Botschaft: optische Signale<br />

3.1. Beziehungsparameter<br />

3.2. Attraktivität und Ersche<strong>in</strong>ungsbild<br />

3.3. Die Emotionen<br />

4. Die äußere Botschaft: akustische Signale<br />

5. Die <strong>in</strong>nere Botschaft<br />

6. Die Funktion von Signalen<br />

6.1. We<strong>in</strong>en als Beispiel<br />

6.2. Brauenheben als Beispiel<br />

6.3. Lachen als Beispiel<br />

6.4. Sprachliche und nicht-sprachliche<br />

Kommunikation<br />

7. Manipulation und Kommunikation<br />

8. Programmierte Bedeutung und programmierte<br />

Wahrnehmung<br />

9. Literatur (<strong>in</strong> Auswahl)<br />

1. E<strong>in</strong>leitung<br />

Stellen Sie sich vor, Sie treffen auf jemanden,<br />

den Sie nicht kennen, zum Beispiel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Zugabteil. Was werden Sie nun tun oder sagen?<br />

Versuchen Sie auf den/die andere(n) e<strong>in</strong>en<br />

guten E<strong>in</strong>druck zu machen? Oft ist es so,<br />

daß Sie nach kurzer Zeit den anderen sympathisch<br />

f<strong>in</strong>den und sich wohl fühlen, oder Sie<br />

lehnen ihn/sie ab und fühlen sich unwohl (obwohl<br />

Sie mit Ihrem Gegenüber eigentlich nur<br />

über das Wetter geredet haben). Es ist zunächst<br />

e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>fach, anzunehmen, daß Sie<br />

bewußt oder unbewußt die nicht-sprachlichen<br />

Signale, die der/die andere „gesendet“<br />

hat, herangezogen haben, um ihn oder sie<br />

e<strong>in</strong>zuschätzen, und daß Sie sich, bewußt oder<br />

unbewußt, der gleichen Mittel bedient haben.<br />

Das führt zu der Frage, auf welchem Weg<br />

Sie diese sehr unterschiedlichen, nichtsprachlichen<br />

Signale entziffert haben. Vor<br />

allem nicht-sprachliche Signale s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

andauernden, kont<strong>in</strong>uierlichen Verhaltensstrom<br />

e<strong>in</strong>gebettet (vgl. Art. 27 § 3.6.) und<br />

müssen deshalb auch erst als Signale erkannt<br />

werden. Deshalb muß die erste Frage bei der<br />

Beschreibung von nicht-sprachlichen Signalen<br />

lauten: Was macht etwas überhaupt zu e<strong>in</strong>em<br />

Signal? Menschen können auch selbständig<br />

neue Signale schaffen, die sie benutzen,<br />

um ihre alltäglichen Kommunikationsprobleme<br />

zu lösen. Die Welt der nichtsprachlichen<br />

Signale ersche<strong>in</strong>t auf den ersten<br />

Blick als ungeordnet und vieldeutig. Da Sie<br />

aber sehr wohl <strong>in</strong> der Lage waren, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Situation wie der e<strong>in</strong>gangs angeführten Entscheidungen<br />

zu treffen, müssen Sie irgende<strong>in</strong>en<br />

„Mechanismus“ benutzt haben, der es Ihnen<br />

erlaubt hat, die Bedeutung der Signale zu<br />

erschließen. Dazu gehört das Erkennen des<br />

Signals und dessen Interpretation, d. h. die<br />

Zuschreibung von Bedeutung. Der eher metaphorische<br />

Begriff „Mechanismus“ umfaßt<br />

deshalb e<strong>in</strong>en Wahrnehmungsapparat und e<strong>in</strong>en<br />

signalverarbeitenden Apparat (vgl.<br />

Art. 131 § 3.).<br />

Die Welt der menschlichen Signale ist demnach<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>deutig, sondern vieldeutig<br />

(vgl. Art. 13 § 2.). Wie waren Sie dann<br />

aber <strong>in</strong> der Lage, sich e<strong>in</strong> so e<strong>in</strong>deutiges Bild<br />

von Ihrem fremden <strong>Interaktion</strong>spartner zu<br />

verschaffen? Die Frage ist also, wie der signalverarbeitende<br />

Apparat konstruiert ist, so<br />

daß er die Aufgaben, die er, wie wir wissen,<br />

lösen kann, tatsächlich durchführt. Dazu bieten<br />

sich sehr unterschiedliche Konstruktionsmöglichkeiten<br />

an.<br />

2. Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

Vor die Lösung dieses Vieldeutigkeitsproblems<br />

stellt sich aber noch e<strong>in</strong> weiteres. Die<br />

Frage ist zu klären, ob e<strong>in</strong> Signal von sich<br />

aus Bedeutung besitzt (vgl. Art. 3), oder ob<br />

erst der Empfänger dem Signal die Bedeutung<br />

zuschreibt. Hofstadter (1980) geht davon<br />

aus, daß e<strong>in</strong> gesendetes Signal ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>härente<br />

Bedeutung besitzt, sondern daß das<br />

Signal e<strong>in</strong>em Verarbeitungsmechanismus zugeführt<br />

werden muß, der eigene Information<br />

zum Signal h<strong>in</strong>zufügt, bevor es Bedeutung erlangt<br />

(zu dieser Position e<strong>in</strong>es radikalen<br />

Pragmatizismus vgl. Art. 4 § 4.3.). In der Tat<br />

ist die Auffassung, daß der Empfänger durch<br />

se<strong>in</strong> Verstehen oder Nicht-Verstehen die Signalproduktion<br />

diktiert, weit verbreitet (Eibl-<br />

Eibesfeldt 1984).<br />

Damit bieten sich zur Lösung des Vieldeutigkeitsproblems<br />

zwei sehr unterschiedliche<br />

Wege an. Es könnte se<strong>in</strong>, daß alle Signale<br />

und deren Bedeutungen im Laufe der Individualentwicklung<br />

erlernt werden (LaBarre<br />

1947). In dieser Auffassung bestimmt der<br />

Kontext, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> Signal auftritt, dessen<br />

Bedeutung, d. h. die Interpretation des Signals<br />

erfolgt aufgrund e<strong>in</strong>er Reihe von weiteren<br />

Signalen, die parallel gesendet werden.


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

Dies würde die weitreichende Vielfalt der Signale<br />

erklären. Es könnte aber auch se<strong>in</strong>, daß<br />

jedes Signal e<strong>in</strong>e genetisch programmierte<br />

Bedeutung besitzt, die von Sender und Empfänger<br />

geteilt wird (Morris 1967). In der Regel<br />

spricht man dabei von sogenannten<br />

Schlüsselreizen, die, wenn sie auf e<strong>in</strong>en angeborenen<br />

auslösenden Mechanismus (AAM)<br />

treffen, bestimmte Handlungen auslösen (Lorenz<br />

1978). Dies trifft, wie wir noch sehen<br />

werden, auf e<strong>in</strong>e Reihe von Signalen zu. Dabei<br />

kann man von folgendem ausgehen: je<br />

wichtiger e<strong>in</strong> Signal für das Überleben des Individuums<br />

ist, desto starrer ist se<strong>in</strong> Ablauf<br />

und se<strong>in</strong>e Struktur (Dawk<strong>in</strong>s 1976).<br />

Signalverarbeitende Systeme unterliegen<br />

den Mechanismen der Evolution (vgl. Art. 18<br />

und Art. 85 § 6.) und müßten damit auch e<strong>in</strong>em<br />

Optimalitätspr<strong>in</strong>zip folgen. Dabei s<strong>in</strong>d<br />

Kosten und Nutzen der Konstruktion e<strong>in</strong>es<br />

signalverarbeitenden Apparates <strong>in</strong> Abhängigkeit<br />

von se<strong>in</strong>em Leistungsvermögen zu berücksichtigen.<br />

Der Nutzen e<strong>in</strong>er starren Reiz-<br />

Antwort-Verschränkung würde <strong>in</strong> der Sicherheit<br />

der Übertragung liegen. Die Kosten dieser<br />

Lösung nehmen jedoch mit zunehmender<br />

Komplexität von sozialen Situationen und e<strong>in</strong>er<br />

sich schnell ändernden sozialen und ökologischen<br />

Umwelt zu. Dies geschieht deshalb,<br />

weil immer mehr Signale abgespeichert und<br />

angelegt werden müssen; der Speicherplatzbedarf<br />

erhöht sich und verteuert diese Lösung.<br />

E<strong>in</strong> durch Lernvorgänge frei programmierbares<br />

Signalsystem hat zwar ke<strong>in</strong>e Speicherplatzkosten,<br />

benötigt aber Rechenzeit<br />

und ist aufwendig zu konstruieren. E<strong>in</strong> frei<br />

verfügbares Lernsystem, das lediglich e<strong>in</strong>en<br />

festgelegten Algorithmus besitzt, besticht<br />

durch se<strong>in</strong>e hohe Flexibilität und se<strong>in</strong>e Anpassungsfähigkeit<br />

an die unterschiedlichsten<br />

Situationen (vgl. Art. 128). E<strong>in</strong> Nachteil ist,<br />

daß e<strong>in</strong> solches System auf gewisse Art und<br />

Weise nur probabilistisch funktionieren kann,<br />

da es manchmal, wenn Situationen zu komplex<br />

werden, auf Schätzungen angewiesen ist.<br />

Es wird also ungenau.<br />

Deshalb ist anzunehmen, daß es auf e<strong>in</strong>em<br />

Kont<strong>in</strong>uum mit zunehmender sozialer Komplexität<br />

e<strong>in</strong>en Punkt gibt, an dem der wachsende<br />

Speicherplatzbedarf für festgelegte<br />

Reiz-Antwort-Verschränkungen teurer wird<br />

als e<strong>in</strong> Lernsystem. Umgekehrt muß es e<strong>in</strong>en<br />

Punkt geben, an dem e<strong>in</strong> festgelegtes Reiz-<br />

Antwort-System billiger ist als e<strong>in</strong> komplexes<br />

Lernsystem (vgl. Art. 16). Ab diesem Punkt<br />

3449<br />

lohnt es sich also, e<strong>in</strong> sozusagen frei programmierbares<br />

Signalsystem zu entwickeln.<br />

Für das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es solchen frei<br />

programmierbaren Systems beim Menschen<br />

spricht die Vielfalt und die Unterschiedlichkeit<br />

der Signale, die sich <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

Kulturen f<strong>in</strong>den lassen. Wir müssen also zum<strong>in</strong>dest<br />

e<strong>in</strong> Lernsystem voraussetzen, das es<br />

zuläßt, daß bestimmte Signale an e<strong>in</strong>en bestimmten<br />

Kontext durch Lernvorgänge gebunden<br />

werden.<br />

Doch auch e<strong>in</strong> frei programmierbares Signalsystem<br />

unterliegt Beschränkungen, denn<br />

die Art und Weise, wie wir Information verarbeiten,<br />

ist ebenso im Laufe der Evolution<br />

entstanden. Dabei hat sich die Informationsverarbeitung<br />

an die Lösung von Problemen<br />

des Alltags angepaßt und zu erfolgreichen<br />

angeborenen Problemlösungsstrategien geführt<br />

(Barkow 1989). Als begrenzende Faktoren<br />

gelten hier die vorhandenen biologischen<br />

Systembed<strong>in</strong>gungen, die sich aus evolutionstheoretischen<br />

Grundannahmen, wie den<br />

Pr<strong>in</strong>zipien der natürlichen und der sexuellen<br />

Selektion, ableiten lassen. Erfolgreich programmierbare<br />

Signalsysteme s<strong>in</strong>d demnach<br />

Ergebnis und Ausdruck „angepaßten Denkens“.<br />

Beide Auffassungen benötigen aber letztlich<br />

den Kontext e<strong>in</strong>es Signals, um se<strong>in</strong>e Bedeutung<br />

zu erfassen. Diese Notwendigkeit<br />

br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> neues Problem mit sich: auch der<br />

Kontext muß def<strong>in</strong>iert werden. Es stellt sich<br />

die weitere Frage, ob es e<strong>in</strong> gelerntes oder e<strong>in</strong><br />

angeborenes Verständnis für den Kontext<br />

gibt. Damit wird die Situation unerträglich,<br />

denn sp<strong>in</strong>nt man diesen Gedanken weiter,<br />

dann wird klar, daß man nicht nur Regeln<br />

braucht, um den Kontext zu def<strong>in</strong>ieren, sondern<br />

auch Regeln, um die Regeln, die den<br />

Kontext def<strong>in</strong>ieren, zu def<strong>in</strong>ieren. Bevor der<br />

Empfänger e<strong>in</strong>e Bedeutung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Signal<br />

erkennen kann, muß er Regeln besitzen, die<br />

festlegen, welche Bedeutung im Signal steckt,<br />

und Regeln, die die Regeln def<strong>in</strong>ieren. Über<br />

diesen Ansatz gerät man also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en unendlichen<br />

Regreß oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Hierarchie von Regeln,<br />

die uns eigentlich daran h<strong>in</strong>dern müßte,<br />

irgende<strong>in</strong>e Bedeutung e<strong>in</strong>es Signals zu erschließen<br />

(Palermo 1983, Hofstadter 1980).<br />

Wir wissen aber aus Erfahrungen wie der,<br />

die wir <strong>in</strong> unserem e<strong>in</strong>leitenden Beispiel gemacht<br />

haben, daß wir die unterschiedlichsten<br />

Signale verstehen können. Wie erklärt sich<br />

das?<br />

Unsere Intelligenz ist nicht körperlos, sondern<br />

direkt an die (physischen) <strong>in</strong>formations-


3450 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

verarbeitenden Strukturen des Gehirns gebunden,<br />

die im Laufe e<strong>in</strong>es langen Evolutionsprozesses<br />

enstanden s<strong>in</strong>d. Mit solchen<br />

Strukturen ausgerüstete Individuen haben im<br />

Laufe der Zeit möglicherweise reproduktive<br />

Vorteile über Nicht-Besitzer von solchen<br />

Strukturen erlangt. Pr<strong>in</strong>zipiell ist diese Aussage<br />

sicher richtig. Wir müssen uns jedoch gewärtig<br />

se<strong>in</strong>, daß nicht alle vorhandenen Verhaltensweisen<br />

und Signale auch e<strong>in</strong>en Vorteil<br />

erbracht haben alles, was wir sagen können,<br />

ist deshalb nur, daß es Signale gibt, deren<br />

Träger zum<strong>in</strong>dest ke<strong>in</strong>en reproduktiven<br />

Nachteil <strong>in</strong> der Evolution erlitten haben.<br />

Nicht jedes Signal ist deshalb auch e<strong>in</strong>e direkte<br />

Passung auf evolutive Zwänge. Entgegen<br />

der Auffassung der klassischen Ethologie<br />

(vgl. T<strong>in</strong>bergen 1952) müssen jedoch nicht<br />

notwendigerweise sowohl Sender als auch<br />

Empfänger vom Signal profitieren. Es reicht<br />

aus, wenn nur der Sender e<strong>in</strong>en Vorteil hat<br />

(Dawk<strong>in</strong>s und Krebs 1978). Nach dieser Def<strong>in</strong>ition<br />

entsteht Kommunikation aus der<br />

Tendenz der Individuen, auf ihre Umgebung<br />

so zu reagieren, daß es ihnen zum Vorteil gereicht.<br />

Andere Individuen können dann anschließend<br />

von der Evolution daraufh<strong>in</strong> selektiert<br />

werden, daß sie Signale benutzen, die<br />

die Tendenz zur Reaktion der Empfänger<br />

ausnutzen.<br />

Doch auch damit ist unser Problem noch<br />

nicht ganz gelöst wie kommt nun unser<br />

Gehirn mit dieser Aufgabe zurecht? Gehen<br />

wir e<strong>in</strong>mal davon aus, daß wir es, wie e<strong>in</strong>gangs<br />

schon angedeutet, mit verschiedenen<br />

Ebenen und Arten der Informationsübertragung<br />

zu tun haben.<br />

E<strong>in</strong>e Art der Informationsübertragung besteht<br />

aus statischen Signalen, die Information<br />

über ihren Träger enthalten und die an das<br />

morphologische Ersche<strong>in</strong>ungsbild des Menschen<br />

gebunden s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong>e zweite Art besteht aus dynamischen<br />

Signalen. Jedes Verhalten ist Bewegung (im<br />

strengsten S<strong>in</strong>n dieser Def<strong>in</strong>ition gilt das<br />

auch für Sprache, die letztendlich durch Bewegung<br />

erzeugt wird). Das schließt auch Zustände<br />

mit e<strong>in</strong>. So wird zum Beispiel der Zustand<br />

Sitzen durch die Bewegungen H<strong>in</strong>setzen<br />

und Aufstehen e<strong>in</strong>gerahmt. In e<strong>in</strong>em<br />

kont<strong>in</strong>uierlich ablaufenden Verhaltensstrom<br />

muß es demnach Punkte geben, an denen der<br />

<strong>in</strong>formationsverarbeitende Apparat erkennt,<br />

daß genau zu diesem Zeitpunkt für ihn wichtige<br />

Informationen vorliegen, die für die Planung<br />

des eigenen Verhaltens relevant se<strong>in</strong><br />

könnten. Bis zu diesem Punkt haben wir den<br />

Begriff „Signal“ benutzt, ohne ihn zu def<strong>in</strong>ieren.<br />

Dies ist absichtlich geschehen.<br />

Denn wir müssen davon ausgehen, daß e<strong>in</strong><br />

Individuum Regeln besitzt, mit denen es e<strong>in</strong><br />

Signal als solches erkennt. E<strong>in</strong>e Signaldef<strong>in</strong>ition<br />

ohne Kenntnis dieser Regeln ist deshalb<br />

überflüssig.<br />

E<strong>in</strong>e ganz andere Ebene ist der Übergang<br />

vom Signal des Produzenten zum Zeichen.<br />

E<strong>in</strong> Zeichen entsteht erst, wenn das Signal im<br />

Empfänger Bedeutung erlangt (Posner 1986).<br />

Der Prozeß, <strong>in</strong> dem jemand aus dem Auftreten<br />

e<strong>in</strong>es Verhaltens bei e<strong>in</strong>em anderen Organismus<br />

e<strong>in</strong>en Schluß zieht, ist die eigentliche<br />

<strong>in</strong>teressante Frage bei der Untersuchung von<br />

Signalen. Hofstadter (1980) beschreibt für<br />

diesen Prozeß folgende Ebenen: den Signalrahmen,<br />

der die Information „Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Signal, dekodiere mich, falls du kannst“ enthält.<br />

Sobald dieser Prozeß im Empfänger<br />

stattgefunden hat, wird die Aufmerksamkeit<br />

auf die äußere Botschaft verlagert. Die<br />

äußere Botschaft enthält, wie ich zeigen<br />

werde, sozusagen die Entzifferungsanleitung<br />

für das Signal. Nach Hofstadter (1980) wäre<br />

es aber nutzlos, Instruktionen darüber zu<br />

senden, wie die äußere Botschaft selbst zu<br />

entziffern sei. Die Entzifferungsanleitung<br />

wäre dann e<strong>in</strong> Teil der <strong>in</strong>neren Botschaft,<br />

also der Bedeutung des Signals selbst. Die <strong>in</strong>nere<br />

Botschaft kann erst entschlüsselt werden,<br />

wenn der Dekodierungsmechanismus<br />

bekannt ist. Aus diesem Grund ist die äußere<br />

Botschaft notwendigerweise e<strong>in</strong>e Folge von<br />

Triggersignalen, d. h. Signalen, deren Bedeutung<br />

bekannt se<strong>in</strong> muß. Damit Signale von<br />

e<strong>in</strong>em Empfänger überhaupt verstanden und<br />

<strong>in</strong>terpretiert werden können, muß e<strong>in</strong> Satz<br />

von allgeme<strong>in</strong> verständlichen Signalen vorhanden<br />

und damit auch angeboren se<strong>in</strong>. Um<br />

Signalverständnis zu ermöglichen, muß also<br />

e<strong>in</strong>e Grundausstattung an Signalen angeboren<br />

se<strong>in</strong>, da sonst <strong>in</strong> jedem Falle e<strong>in</strong> <strong>in</strong>f<strong>in</strong>iter<br />

Regreß stattf<strong>in</strong>det. Darüber h<strong>in</strong>aus können<br />

aber auch Lernmechanismen vorhanden se<strong>in</strong>,<br />

die es erlauben, aus e<strong>in</strong>em beliebigen Signal<br />

e<strong>in</strong> Triggersignal zu machen.<br />

Die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>es Signals<br />

sollen e<strong>in</strong>e bestimmte Bewegung, prosodische<br />

Kennzeichen, Körperhaltung oder auch das<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsbild e<strong>in</strong>er Person als Signal<br />

kenntlich machen und aus dem kont<strong>in</strong>uierlichen<br />

Verhaltensstrom herausheben. Nur<br />

wenn der Sender sich an Regeln hält, wie er<br />

immer wieder wichtige Information <strong>in</strong> gleicher<br />

Art und Weise verpackt, kann ihn der<br />

Empfänger verstehen (vgl. Art. 128 § 7.1.).


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

3451<br />

Dazu stehen e<strong>in</strong>e Reihe von Möglichkeiten<br />

zur Verfügung, die wir an zwei Beispielen,<br />

dem sogenannten „schnellen Brauenheben“<br />

und dem lauten Lachen, verdeutlichen werden.<br />

Triggersignale s<strong>in</strong>d jedoch ke<strong>in</strong>e „auslösenden<br />

Reize“ im biologischen S<strong>in</strong>n, sondern<br />

es handelt sich dabei um re<strong>in</strong>e Dekodieranweisungen.<br />

Im Gegensatz zu Auslösern, die<br />

wie Schlüssel bestimmte Verhaltensweisen <strong>in</strong><br />

Gang setzen, s<strong>in</strong>d Triggersignale all diejenigen<br />

Signale, deren Verständnis von allen Mitgliedern<br />

e<strong>in</strong>er Population geteilt wird. Auslöser<br />

gehören damit <strong>in</strong> die allgeme<strong>in</strong>e Klasse<br />

der Triggersignale. Durch paralleles Senden<br />

von beliebigen Signalen und Triggersignalen<br />

legen letztere e<strong>in</strong>e bestimmte Interpretation<br />

des Signals nahe.<br />

Grundpr<strong>in</strong>zip der Erzeugung e<strong>in</strong>es Signals<br />

ist dessen Hervorhebung aus dem allgeme<strong>in</strong>en<br />

Verhaltensstrom: auf e<strong>in</strong>e schnelle<br />

Bewegung folgt Stillhalten und dann langsames<br />

Zurückkehren <strong>in</strong> die Ausgangsposition.<br />

Diese typische Bewegungskonfiguration kennzeichnet<br />

die meisten Signale. Dies gilt im <strong>in</strong>terkulturellen<br />

Vergleich für das Lächeln<br />

(Woijtenek 1992) ebenso wie für das Drohen<br />

durch Erheben der Faust (Cranach u. a.<br />

1982) oder für das schnelle Brauenheben.<br />

Leonard u. a. (1991) zeigten am Lächeln,<br />

daß durch Muskelbewegungen erzeugte spezifische<br />

Änderungen der Informationsdichte,<br />

im S<strong>in</strong>ne von Shannon und Weaver (1949), <strong>in</strong><br />

immer gleicher Weise für die Dekodierung<br />

von Bewegungsmerkmalen als Informationsträgern<br />

vorliegen. Die Autoren digitalisierten<br />

Videobilder und bildeten dann die Differenzen<br />

aus jeweils zwei aufe<strong>in</strong>anderfolgenden<br />

Bildern. Hat sich nichts bewegt, s<strong>in</strong>d alle<br />

Bildpunkte schwarz, kommt Bewegung vor,<br />

f<strong>in</strong>det man auch helle Bildpunkte. Das Ausmaß<br />

an Bewegung läßt sich dann aus der Anzahl<br />

der hellen Bildpunkte ablesen. E<strong>in</strong> von<br />

Beobachtern als freundlich beurteiltes Lächeln<br />

zeichnet sich durch e<strong>in</strong>en schnellen Anstieg<br />

von Änderungen, e<strong>in</strong>e Plateauphase, an<br />

der sich nichts ändert, und e<strong>in</strong> langsames Abkl<strong>in</strong>gen<br />

der Änderungen aus.<br />

Beim schnellen Brauenheben handelt es<br />

sich um e<strong>in</strong>e rasche Kontraktion der Muskeln<br />

des Musculus frontalis. Erstmals beschrieben<br />

wurde dieses Signal als Augengruß von Eibl-<br />

Eibesfeldt (1968). Bei unseren bisherigen<br />

Analysen (Grammer u. a. 1988) haben wir<br />

255 Filmsequenzen von Filmen aus drei Kulturen<br />

bearbeitet, <strong>in</strong> denen die Augenbrauenbewegungen<br />

klar erkennbar s<strong>in</strong>d. Bei den<br />

drei Kulturen handelt es sich um die Yanomami,<br />

die Eipo und die Trobriander. Die Yanomami<br />

leben am Oberlauf des Or<strong>in</strong>oko <strong>in</strong><br />

Venezuela als Jäger, Sammler und Pflanzer<br />

im tropischen Regenwald, wo sie kreisförmige<br />

Dörfer bauen, die aus e<strong>in</strong>fachen Pultdachhütten<br />

bestehen. Die Eipo s<strong>in</strong>d Bewohner<br />

des Hochlands von West-Neugu<strong>in</strong>ea, ihre<br />

Dörfer bestehen aus kle<strong>in</strong>en Familienhäusern.<br />

Die Trobriander leben auf Korallen<strong>in</strong>seln<br />

östlich der Südspitze Neugu<strong>in</strong>eas und<br />

s<strong>in</strong>d Yams-anbauende Pflanzer. Nach der<br />

Methode des Facial Action Cod<strong>in</strong>g System<br />

(FACS) von Ekman und Friesen (1978) wurden<br />

die Filmsequenzen ausgewertet.<br />

2.1. Das Kontrastpr<strong>in</strong>zip und<br />

die Formkonstanz<br />

Für alle drei untersuchten Kulturen läßt sich<br />

die typische Bewegungskonfiguration nachweisen.<br />

Die Sender der drei Kulturen unterscheiden<br />

sich nicht im schnellen Anstieg, der<br />

etwa 0.1 Sekunden dauert. Danach wird die<br />

Kontraktion über etwa 0.4 Sekunden aufrechterhalten<br />

und kl<strong>in</strong>gt dann <strong>in</strong> 0.12 Sekunden<br />

ab. Es handelt sich also um e<strong>in</strong>en schnellen<br />

Anstieg, längere Unbeweglichkeit und<br />

langsames Abkl<strong>in</strong>gen. Zwischen den Kulturen<br />

f<strong>in</strong>den wir nur im Anhalten der Kontraktion signifikante<br />

Unterschiede. Für die Gesamtdauer<br />

des mimischen Signals schnelles Brauenheben<br />

s<strong>in</strong>d die Ergebnisse <strong>in</strong> Abb. <strong>168.</strong>1 dargestellt.<br />

Die typische Bewegungskonfiguration ist<br />

<strong>in</strong> allen drei Kulturen dieselbe. Der zeitliche<br />

Ablauf im Mikrobereich kann aber bereits<br />

zwischen unterschiedlichen Funktionen desselben<br />

Signals trennen.<br />

In e<strong>in</strong>igen Fällen wurden die Augenbrauen<br />

länger als 1 Sekunde angehoben. Methodisch<br />

kann man diese dünne Zone des fließenden<br />

Übergangs zum lang angehaltenen Brauenheben<br />

(„Frage-Gesicht“) exakt festlegen. Denn<br />

die Form des langandauernden Brauenhebens<br />

unterscheidet sich wesentlich vom kurzen:<br />

der Anstieg der Kontraktion beg<strong>in</strong>nt nur<br />

langsam und die Kontraktion des Musculus<br />

corrugator supercilii (das Frage-Gesicht) verschw<strong>in</strong>det<br />

nicht.<br />

Zusätzlich zur typischen Bewegungskonfiguration<br />

kann e<strong>in</strong> Signalrahmen auch durch<br />

Kontrastbetonung erzeugt werden, wie es bereits<br />

von Darw<strong>in</strong> (1872) beschrieben wurde.<br />

Kontrastbetonung wird auch beim schnellen<br />

Brauenheben e<strong>in</strong>gesetzt. In den meisten Fällen<br />

hat das Gesicht der reagierenden Person<br />

zunächst e<strong>in</strong>en abwartenden oder gar ablehnenden<br />

Ausdruck (Kontraktion des Musculus<br />

corrugator supercilii). Die Kontraktion


3452 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

Abb. <strong>168.</strong>1: Der Kontext des schnellen Brauenhebens (dritte Kopfstellung): Abwärtsbewegungen werden mit<br />

e<strong>in</strong>er schnellen Aufwärtsbewegung kontrastiert. Die dabei ablaufenden Bewegungen der Gesichtsmuskeln<br />

s<strong>in</strong>d mit Hilfe des FACS (von Ekman und Friesen 1978) notiert (aus Grammer u. a. 1988; Fotos von I. Eibl-<br />

Eibesfeldt).<br />

dieses Muskels dehnt die Gesichtsoberfläche<br />

<strong>in</strong> die dem Heben der Brauen entgegengesetzte<br />

Richtung, und e<strong>in</strong>e typische Falte zwischen<br />

den Augen entsteht. In Abb. <strong>168.</strong>2 ist<br />

an e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>zelbeispiel gezeigt, wie das<br />

schnelle Brauenheben <strong>in</strong> typischer Weise mit<br />

anderen Aktionse<strong>in</strong>heiten verknüpft ist. Die<br />

jeweils unter der Zeitleiste vom Computer<br />

angegebenen Kontraktionen der e<strong>in</strong>zelnen<br />

Muskeln zeigen ebenfalls e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches<br />

Muster, das wir <strong>in</strong> allen drei Kulturen f<strong>in</strong>den<br />

konnten und das deshalb vermutlich ebenfalls<br />

ubiquitäre Verbreitung hat. Man erkennt<br />

<strong>in</strong> diesem Beispiel, daß die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Flirtsituation reagierende Frau zunächst den<br />

Gesichtsausdruck der Ablehnung (Aktionse<strong>in</strong>heit<br />

4, 2. Zeile von oben) aufweist. Die<br />

Kontraktion des Muskels, der die Augenbrauen<br />

<strong>in</strong> der typischen Weise zusammen und<br />

nach unten zieht, flaut ab, kurz bevor die<br />

Kontraktion des brauenhebenden Stirnmuskels<br />

(Aktionse<strong>in</strong>heit 1 + 2) beg<strong>in</strong>nt. Bis auf<br />

sehr seltene Ausnahmen haben wir stets dieses<br />

Muster der alternierenden Kontraktionen<br />

des Musculus corrugator supercilii und des<br />

Musculus frontalis gefunden.<br />

Kontrasterzeugung ist also e<strong>in</strong>es der Mittel,<br />

die e<strong>in</strong> Signal als solches deutlich machten. An<br />

diesem Beispiel wird jedoch noch e<strong>in</strong> anderes<br />

Pr<strong>in</strong>zip deutlich. Nicht nur das Vorhandense<strong>in</strong>


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

3453<br />

Abb. <strong>168.</strong>2: Der zeitliche Verlauf des schnellen Brauenhebens (nach Grammer u. a. 1988).<br />

von bestimmten Bewegungen, sondern auch<br />

deren Abwesenheit trägt zur Signal<strong>in</strong>terpretation<br />

bei. Der Vordergrund des Signals (d. h.<br />

se<strong>in</strong>e Bewegungsformen) und se<strong>in</strong> H<strong>in</strong>tergrund<br />

(d. h. das Fehlen von Bewegungen) machen<br />

zusammen die Bedeutung aus.<br />

Am gleichen Beispiel lassen sich weitere<br />

Merkmale der Formkonstanz verdeutlichen.


3454 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

Wie bereits erwähnt, verläuft die Kontraktion<br />

der Musculi zygomatici (Aktionse<strong>in</strong>heit<br />

12 im FACS) häufig parallel zur Kontraktion<br />

des Stirnmuskels; typischerweise überdauert<br />

das Lächeln dabei das ja nur sehr kurze Anheben<br />

der Augenbrauen. Auch die Pars orbitalis<br />

des Musculus orbicularis oculi (Aktionse<strong>in</strong>heit<br />

6), derjenige Teil des um die Augenhöhle<br />

führenden R<strong>in</strong>gmuskels, dessen Kontraktion<br />

e<strong>in</strong> deutliches Anheben der Wangen<br />

(erkenntlich am Entstehen der „Krähenfüßchen“)<br />

bewirkt, ist häufig beteiligt. Diese<br />

Muskelaktion gehört zum „echten“ Lächeln;<br />

ohne sie wirkt e<strong>in</strong> Lächeln trotz angehobener<br />

Mundw<strong>in</strong>kel „aufgesetzt“, künstlich (Ekman<br />

1986; siehe unten).<br />

Die Mikroanalyse der Zeitstruktur der<br />

Kontraktionen der Partes laterales et mediales<br />

des Musculus frontalis läßt also erkennen,<br />

daß es sich hier um e<strong>in</strong> kulturunabhängiges,<br />

formkonstantes mimisches Signal handelt.<br />

Anstieg, Halten und Abflauen der Kontraktion<br />

s<strong>in</strong>d ebenso uniform wie die E<strong>in</strong>bettung<br />

des Signals <strong>in</strong> andere Muskelkontraktionen.<br />

Für die Dekodierung e<strong>in</strong>es Signals muß<br />

der Signalempfänger mit se<strong>in</strong>em Wahrnehmungssystem<br />

den kont<strong>in</strong>uierlichen Verhaltensstrom<br />

des Senders zunächst nach typischen<br />

Bewegungskonfigurationen, die auch<br />

durch Kontraste erzeugt werden können,<br />

durchsuchen. Daran kann er e<strong>in</strong> Signal erkennen<br />

aber es noch nicht <strong>in</strong>terpretieren.<br />

2.2. Die Ritualisierung<br />

Kontrastpr<strong>in</strong>zip und Formkonstanz s<strong>in</strong>d die<br />

Voraussetzungen für den Vorgang der Ritualisierung.<br />

Die Ritualisierung e<strong>in</strong>er beliebigen<br />

Körperbewegung könnte e<strong>in</strong>en ganzen Satz<br />

von Triggersignalen zur Verfügung stellen.<br />

Ursprünglich def<strong>in</strong>ierte Huxley (1966) diesen<br />

Vorgang als die adaptive Formalisierung (im<br />

biologischen S<strong>in</strong>ne) oder als die Kanalisation<br />

von emotional motiviertem Verhalten unter<br />

dem Druck der Selektion. In diesem Prozeß<br />

sollte e<strong>in</strong> Signal verdeutlicht werden und als<br />

effektiver Auslöser von Verhalten beim Signalempfänger<br />

dienen. Als Nebeneffekt sollte<br />

Ritualisierung dazu führen, daß Lebewesen<br />

der gleichen Art sich nicht gegenseitig angreifen,<br />

also daß <strong>in</strong>traspezifische Beschädigung<br />

vermieden wird. Die Funktion der ritualisierten<br />

Signale sollte dann die Herstellung e<strong>in</strong>er<br />

B<strong>in</strong>dung im sexuellen oder sozialen Bereich<br />

se<strong>in</strong>. Im Tierreich, wie auch beim Menschen,<br />

s<strong>in</strong>d nun solche phylogenetisch ritualisierten<br />

Signale oft angeboren und arbeiten nach dem<br />

Abb. <strong>168.</strong>3: Auslöser beim Menschen (nach Reynolds<br />

1982).<br />

Auslöserpr<strong>in</strong>zip (Eibl-Eibesfeldt 1984; vgl.<br />

Art. 25 § 2.2.).<br />

Die Ritualisierung von Signalen auf dem<br />

phylogenetischen Weg hatte den Nebeneffekt,<br />

daß neben Formkonstanz und Kontrastbetonung<br />

Regeln zur Erzeugung e<strong>in</strong>es Signals aus<br />

e<strong>in</strong>er beliebigen Bewegung phylogenetisch<br />

verankert wurden. Mit Hilfe dieser Regeln<br />

lassen sich nun aus beliebigen Bewegungen<br />

neue Signale formen (vgl. Abb. <strong>168.</strong>3).<br />

Die Def<strong>in</strong>itionen dieser Regeln wurden zunächst<br />

von Morris (1966) aufgestellt und<br />

dann von Eibl-Eibesfeldt (1975) erweitert.<br />

Im e<strong>in</strong>zelnen können sich bei der Ritualisierung<br />

folgende Veränderungen vollziehen<br />

(Eibl-Eibesfeldt 1975):<br />

(1) Das Verhalten kann e<strong>in</strong>en Funktionswechsel<br />

erfahren.<br />

(2) Die ritualisierte Bewegung kann sich<br />

von ihrer ursprünglichen Motivation<br />

völlig lösen und eigene motivierende<br />

Mechanismen entwickeln.<br />

(3) Die beteiligten Bewegungen werden<br />

nach Frequenz und Amplitude oft übertrieben,<br />

zugleich aber auch vere<strong>in</strong>facht,<br />

<strong>in</strong>dem e<strong>in</strong>zelne Komponenten ausfallen,<br />

während andere betont werden („Vere<strong>in</strong>fachung<br />

und Übertreibung“); dabei


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

kommt es häufig zu „rhythmischen Wiederholungen“.<br />

(4) Die Schwellenwerte für auslösende Reize<br />

ändern sich oft derart, daß die höher ritualisierte<br />

Verhaltensweise im allgeme<strong>in</strong>en<br />

auch leichter auszulösen ist.<br />

(5) Bewegungen „frieren“ häufig zu Stellungen<br />

„e<strong>in</strong>“.<br />

(6) Es ändern sich die Orientierungskomponenten.<br />

Normalerweise wird e<strong>in</strong> Signal<br />

direkt auf den Empfänger ausgerichtet.<br />

Ritualisierte Signale s<strong>in</strong>d aber oft vom<br />

Empfänger weg orientiert sie zeigen<br />

sozusagen <strong>in</strong>s Leere.<br />

(7) E<strong>in</strong>e zuvor <strong>in</strong> ihrer Intensität nach<br />

Trieb- und Reizstärke variable Verhaltensweise<br />

kann dah<strong>in</strong>gehend verändert<br />

werden, daß sie stereotyp <strong>in</strong> stets gleichbleibender<br />

Intensität (Frequenz und<br />

Amplitude) abläuft („typische Intensität“).<br />

(8) Variable Bewegungsfolgen können zu<br />

starren, vere<strong>in</strong>fachten zusammengefaßt<br />

werden („typische Bewegungskonfiguration“).<br />

(9) Hand <strong>in</strong> Hand mit diesen Veränderungen<br />

entwickeln sich oft besonders auffällige<br />

körperliche Strukturen.<br />

Obwohl es sich hier um recht klare und empirisch<br />

umsetzbare Regeln handelt, gibt es<br />

kaum Untersuchungen von nicht-sprachli-<br />

3455<br />

chen Signalen beim Menschen <strong>in</strong> diesem Bereich.<br />

Grammer und Eibl-Eibesfeldt (1989)<br />

versuchten am Beispiel des lauten Lachens<br />

die Mechanismen der Ritualisierung aufzudecken.<br />

Die Hypothese dieser Untersuchung<br />

war, daß <strong>in</strong> potentiell gefährlichen Situationen<br />

die Informationsübertragung deutlicher<br />

ausfallen müßte als <strong>in</strong> ungefährlichen Situationen,<br />

d. h. daß das Ausmaß der Ritualisierung<br />

<strong>in</strong> ersteren größer werden müßte.<br />

Der Kontext der Untersuchung waren gemischt-geschlechtliche<br />

Dyaden von Personen,<br />

die e<strong>in</strong>ander nie zuvor gesehen hatten <strong>in</strong><br />

solchen Situationen ist die Gefahr e<strong>in</strong>es Gesichtsverlustes<br />

besonders hoch, vor allem,<br />

wenn e<strong>in</strong>er der Beteiligten beg<strong>in</strong>nt, am anderen<br />

Interesse zu entwickeln, also Werbeverhalten<br />

zeigt.<br />

Lachen folgt den Grundbed<strong>in</strong>gungen,<br />

denn es ist e<strong>in</strong> formkonstantes Signal, das<br />

aus e<strong>in</strong>er Kontraktion des Musculus zygomaticus<br />

major besteht und von Lautäußerungen<br />

begleitet wird.<br />

Betrachtet man den Frequenzverlauf des<br />

lauten Lachens, dann fällt auf, daß es <strong>in</strong> m<strong>in</strong>destens<br />

drei Phasen zerfällt: die erste Phase<br />

ist e<strong>in</strong>e Atmungsphase; sie ist von e<strong>in</strong>er Lachphase<br />

gefolgt, <strong>in</strong> der Luft <strong>in</strong> kurzen Abständen<br />

etwa 3 mal ausgestoßen wird; die dritte<br />

Phase ist dann wiederum e<strong>in</strong>e Atmungsphase.<br />

Alle drei Phasen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrem Zeitverlauf<br />

konstant und zeigen ke<strong>in</strong>e Geschlechtsunter-<br />

Abb. <strong>168.</strong>4: Frequenzverlauf des Lachens (nach Prov<strong>in</strong>e 1991).


3456 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

5.0<br />

4.5<br />

4.0<br />

3.5<br />

Z 3.0<br />

S 2.5<br />

C<br />

O 2.0<br />

R 1.5<br />

E<br />

S 1.0<br />

0.5<br />

0.0<br />

-0.5<br />

-1.0<br />

5.0<br />

4.5<br />

8 7 6 5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8<br />

4.0<br />

3.5<br />

Z 3.0<br />

S 2.5<br />

C<br />

O 2.0<br />

RES 1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

0.0<br />

-0.5<br />

-1.0<br />

8 7 6 5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8<br />

BEWEGUNGSSEQUENZEN BEIM LACHEN: FRAUEN<br />

5.0<br />

4.5<br />

4.0<br />

3.5<br />

Z 3.0<br />

S 2.5<br />

C<br />

O 2.0<br />

RES 1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

0.0<br />

-0.5<br />

-1.0<br />

5.0<br />

4.5<br />

4.0<br />

3.5<br />

Z 3.0<br />

S 2.5<br />

C<br />

O 2.0<br />

RES 1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

0.0<br />

-0.5<br />

-1.0<br />

8 7 6 5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8<br />

BEWEGUNGSSEQUENZEN BEIM LACHEN: FRAUEN<br />

8 7 6 5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8<br />

Abb. <strong>168.</strong>5: Der Bewegungsverlauf beim Lachen<br />

(nach Grammer und Eibl-Eibesfeldt 1989).<br />

schiede. Es ist jedoch <strong>in</strong>teressant, daß <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Episode des Lachens nicht unbed<strong>in</strong>gt alle<br />

drei Phasen vorkommen müssen. In manchen<br />

Episoden ist oft nur die erste Phase vorhanden,<br />

<strong>in</strong> anderen kann diese Phase wegfallen.<br />

Wird <strong>in</strong>tensiver gelacht, dann werden die drei<br />

Phasen zyklisch wiederholt. Man f<strong>in</strong>det wiederum<br />

ke<strong>in</strong>e Unterschiede im Verlauf und <strong>in</strong><br />

der Dauer der e<strong>in</strong>zelnen Phasen.<br />

Prov<strong>in</strong>e und Young (1991) konnten diese<br />

Stereotypien an Hand von sonographischen<br />

Analysen bestätigen. Lachen ist stereotyp <strong>in</strong><br />

Bezug auf bestimmte Merkmale <strong>in</strong> der Lachtonstruktur,<br />

der Lachdauer, den e<strong>in</strong>zelnen<br />

„ha“ (75 ms), dem Intervall zwischen den e<strong>in</strong>zelnen<br />

„ha“ (210218 ms) und e<strong>in</strong>em Decrescendo,<br />

das den charakteristischen Ton des<br />

Lachens ausmacht. Lachtöne und Intervalle<br />

haben ausreichende zeitliche Symmetrie und<br />

Regularität, um den Umkehr-Test zu bestehen.<br />

Tonaufnahmen von Lachen kl<strong>in</strong>gen wie<br />

Lachen, auch wenn man sie rückwärts abspielt<br />

(vgl. Abb. <strong>168.</strong>4).<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus lassen sich im Lachen alle<br />

oben angegebenen Bed<strong>in</strong>gungen der Ritualisierung<br />

wiederf<strong>in</strong>den. Lachen wird rhythmisch<br />

wiederholt, und es zeigt e<strong>in</strong>e typische<br />

Intensität, d. h. es ändert se<strong>in</strong>e Intensität<br />

nicht mit zunehmender Häufigkeit. Ebenso<br />

ist das Lachen <strong>in</strong> typische Bewegungskonfigurationen<br />

e<strong>in</strong>gebettet. Illustrierende Handbewegungen<br />

und Kopfbewegungen ersche<strong>in</strong>en<br />

<strong>in</strong> immer denselben Sequenzen (vgl.<br />

Abb. <strong>168.</strong>5).<br />

Auch e<strong>in</strong>e Umorientierung des Signals erfolgt<br />

der Partner wird nicht an- (und damit<br />

aus-)gelacht, sondern man dreht se<strong>in</strong>en Kopf<br />

beim Lachen vom Partner weg. Das Hauptergebnis<br />

f<strong>in</strong>det man jedoch <strong>in</strong> der mit zunehmendem<br />

Interesse der Frau zunehmenden<br />

Formkonstanz je höher ihr (am Ende des<br />

Versuches erfragtes) Interesse am Mann ist,<br />

um so stereotyper wird ihr Lachen. Als Ergebnis<br />

dieser Analysen kann Lachen als ritualisiertes<br />

„Display“ bezeichnet werden.<br />

Man f<strong>in</strong>det so tatsächlich Regeln der Ritualisierung<br />

<strong>in</strong>nerhalb des menschlichen nichtsprachlichen<br />

Verhaltens (e<strong>in</strong> weiteres Beispiel<br />

liefert die Untersuchung zum Handschlenkern<br />

<strong>in</strong> Posner 2002).<br />

3. Die äußere Botschaft: optische<br />

Signale<br />

Die äußere Botschaft besteht aus e<strong>in</strong>er Reihe<br />

von Triggersignalen, die Information darüber<br />

enthalten, wie e<strong>in</strong> bestimmtes Signal entschlüsselt<br />

werden soll. Voraussetzung für diesen<br />

Prozeß s<strong>in</strong>d, wie bereits erwähnt, genetisch<br />

festgelegte Voranpassungen <strong>in</strong> der<br />

Wahrnehmung des Empfängers.


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

3.1. Beziehungsparameter<br />

E<strong>in</strong>e erste mögliche Informationsquelle ist<br />

natürlich die Frage: Wer ist me<strong>in</strong> <strong>Interaktion</strong>spartner,<br />

und welche Beziehung hat er zu<br />

mir und habe ich zu ihm? Mit der Beantwortung<br />

dieser Frage wird dann auch festgelegt,<br />

wie bestimmte Signale zu <strong>in</strong>terpretieren s<strong>in</strong>d,<br />

wobei wir der E<strong>in</strong>fachheit halber annehmen,<br />

daß Beziehungen <strong>in</strong> zwei Grunddimensionen<br />

variieren: freundlich/fe<strong>in</strong>dlich und dom<strong>in</strong>ant/<br />

submissiv. Dabei spielt jedoch nicht nur der<br />

tatsächliche Stand der Beziehung e<strong>in</strong>e Rolle,<br />

sondern auch der Wunschzustand, d. h. die<br />

Richtung, <strong>in</strong> der die Beziehung verändert<br />

werden soll (Grammer 1988, 1989).<br />

3.1.1. Das Alter<br />

Als Triggersignale für die Ableitung von<br />

Alter liegen zunächst Körpergröße, Körperform<br />

und die relativen Körperproportionen<br />

vor. Die Bedeutung der relativen Proportionen<br />

wird vor allem am K<strong>in</strong>dchenschema<br />

deutlich. Lorenz (1943) wies darauf h<strong>in</strong>, daß<br />

wir auf bestimmte k<strong>in</strong>dliche Signale mit Betreuungshandlungen<br />

reagieren. Säugl<strong>in</strong>ge haben<br />

im Verhältnis zum Rumpf relativ kurze<br />

Extremitäten und e<strong>in</strong>en großen Kopf mit relativ<br />

großen Augen. Hückstedt (1965) ließ<br />

männliche und weibliche Versuchspersonen<br />

verschiedener Altersgruppen verschiedene<br />

schematisierte Zeichnungen mit K<strong>in</strong>derköpfen<br />

bewerten, bei denen sie Stirnwölbung<br />

und Oberkopflänge variierte. Die Hirnschädelbetonung<br />

wurde von Mädchen im Alter<br />

von 1013 und von 1821 Jahre alten Män-<br />

Abb. <strong>168.</strong>6: Das K<strong>in</strong>dchenschema (nach Hückstedt<br />

1965).<br />

3457<br />

nern bevorzugt. Frauen bevorzugten jedoch<br />

die supranormale Attrappe mit übertriebenem<br />

Oberkopf. Das K<strong>in</strong>dchenschema ist also<br />

e<strong>in</strong> Triggersignal, das aussagt: „Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

K<strong>in</strong>d“ und angeborenermaßen Betreuung auslöst<br />

(Eibl-Eibesfeldt 1984; vgl. Abb. <strong>168.</strong>6).<br />

Die Wirkung des K<strong>in</strong>dchenschemas ist<br />

aber stark geschlechtsspezifisch. Frauen reagieren<br />

darauf stärker (Friedlund und Loftis<br />

1990). Der Grund dafür könnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er größeren<br />

Verantwortlichkeit der Frauen für elterliche<br />

Fürsorge liegen (Trivers 1972).<br />

3.1.2. Männlich/weiblich<br />

Ob der <strong>Interaktion</strong>spartner männlich oder<br />

weiblich ist, wird <strong>in</strong> der Regel aus der Körperform<br />

abgeleitet, die als Prototyp im S<strong>in</strong>ne<br />

von Rosch (1977) im Gehirn gespeichert ist.<br />

Für die Wahrnehmung solcher Schemata<br />

sche<strong>in</strong>t es sogar angeborene Strukturen zu<br />

geben (Skrizpek 1981, 1982). Bis zur Pubertät<br />

bevorzugen Jungen und Mädchen Attrappen<br />

des eigenen Geschlechts dann aber solche<br />

des anderen Geschlechts. Variiert man das<br />

Verhältnis der Schulterbreite zu Taille und<br />

Hüften <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Experiment systematisch,<br />

dann kann man feststellen, daß das Verhältnis<br />

dieser Parameter zue<strong>in</strong>ander für die E<strong>in</strong>schätzung<br />

e<strong>in</strong>er Figur als männlich oder weiblich<br />

verantwortlich ist (Horvath 1979, 1981).<br />

Dabei wird bei Männern der Vergleich von<br />

Schulterbreite zu Taille (Schulter<strong>in</strong>dex) und bei<br />

Frauen der Vergleich von Taille zu Hüftumfang<br />

(Kurven<strong>in</strong>dex) als Entscheidungskriterium<br />

herangezogen (vgl. Abb. <strong>168.</strong>7).<br />

Wenn Schulterbreite nun „Männlichkeit“<br />

signalisiert, könnte sie auch e<strong>in</strong> Triggersignal<br />

für mögliche Dom<strong>in</strong>anz oder Dom<strong>in</strong>anzstreben<br />

se<strong>in</strong> dafür liegen jedoch ke<strong>in</strong>e empirischen<br />

Belege vor. Nach Christiansen u. a.<br />

(1989) korreliert Schulterbreite jedoch signifikant<br />

mit der Maskul<strong>in</strong>itätsskala des Freiburger<br />

Persönlichkeits<strong>in</strong>ventars. In dieser Untersuchung<br />

korreliert die männliche Geschlechtsrollen-Identifikation<br />

positiv vor<br />

allem mit e<strong>in</strong>em großen massigen Ersche<strong>in</strong>ungsbild.<br />

Für die Geschlechtererkennung spielt auch<br />

das Gesicht e<strong>in</strong>e Rolle. E<strong>in</strong> Gesicht ist <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>e Verteilung von räumlichen Abständen.<br />

Solche Verteilungen lassen sich auch<br />

mathematisch bearbeiten. Filtert man alle<br />

kurzen Abstände heraus, dann bekommt e<strong>in</strong><br />

Gesicht Konfigurationscharakter. Sergent<br />

(1986; vgl. Abb. <strong>168.</strong>8) zeigte, daß bei solchen<br />

tiefpaßgefilterten Gesichtern die Geschlechtszugehörigkeit<br />

besonders schnell erkannt


3458 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

Abb. <strong>168.</strong>7: Horvath-Schemata verdeutlichen geschlechtsspezifische Körperformen (nach Horvath 1979 und<br />

1981).<br />

Abb. <strong>168.</strong>8: Tiefpaßgefilterte Gesichter verdeutlichen geschlechtsspezifische Gesichtsformen (nach Grammer<br />

1993).<br />

wird. Die hochfrequenten E<strong>in</strong>zelmerkmale<br />

enthalten demnach die Information über die<br />

Persönlichkeit, die niederfrequenten Merkmale<br />

enthalten prototypische Information<br />

über das Geschlecht.<br />

Die Wahrnehmung von männlich/weiblich<br />

beschränkt sich nicht auf Formunterschiede,<br />

sondern es wird auch Bewegungs<strong>in</strong>formation<br />

herangezogen. Johansson (1973, 1976) befestigte<br />

kle<strong>in</strong>e Lichtpunkte an den Gelenken<br />

von Personen und filmte sie dann im Dunkeln.<br />

Die so entstandenen Filme zeigten sich<br />

bewegende Lichtpunkte, ohne daß die Person<br />

zu erkennen ist. Mit dieser Methode kann<br />

man Leute beim Gehen filmen. Cutt<strong>in</strong>g und<br />

Proffitt (1981) haben gezeigt, daß aus dieser<br />

re<strong>in</strong>en Bewegungs<strong>in</strong>formation auch das Geschlecht<br />

der sich bewegenden Person abgele-


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

sen werden kann. Dieses Ergebnis wurde von<br />

Berry u. a. (1991) mit e<strong>in</strong>er Tiefpaßfilterung<br />

von Videoaufnahmen bestätigt.<br />

Insgesamt sche<strong>in</strong>t die Qualität von Bewegungssignalen<br />

e<strong>in</strong>en wesentlichen E<strong>in</strong>fluß auf<br />

die Dekodierung von Signalen zu besitzen.<br />

Grammer u. a. (1997) zeigen zum Beispiel mit<br />

Hilfe digitaler Filmanalysen, daß Frauen <strong>in</strong><br />

Gegenwart von Männern spezifische Veränderungen<br />

<strong>in</strong> ihren Bewegungsabläufen aufweisen,<br />

die auch vom Zyklusstand abhängig<br />

s<strong>in</strong>d. Zum Zeitpunkt der maximalen Empfängniswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

werden die Bewegungen<br />

langsamer und zeigen e<strong>in</strong>en höheren<br />

Informationsgehalt.<br />

Die Geschlechtererkennung ist demnach<br />

über mehrere parallel ablaufende Wahrnehmungsprozesse<br />

gut abgesichert und stellt damit<br />

vielleicht den wichtigsten Bereich der<br />

Triggersignale dar.<br />

3.1.3. Dom<strong>in</strong>ant/submissiv und<br />

freundlich/fe<strong>in</strong>dlich<br />

Die Feststellung, ob e<strong>in</strong> Gegenüber nun vielleicht<br />

dom<strong>in</strong>ant über mich se<strong>in</strong> könnte, oder<br />

ob es mir unterlegen ist, beruht ebenfalls auf<br />

e<strong>in</strong>fachen Triggersignalen. In der Tat können<br />

bereits 47jährige K<strong>in</strong>der den Ausgang von<br />

Konflikten auf der Basis von Veränderungen<br />

im Gesichtsausdruck entscheiden (Keat<strong>in</strong>g<br />

und Bai 1986), erzählt man ihnen e<strong>in</strong>e Geschichte<br />

der Art: „Schau dir diese beiden<br />

Leute an. Sie gehen zusammen auf e<strong>in</strong>e<br />

Reise. Welche der beiden Personen könnte<br />

der Reiseführer se<strong>in</strong> und den anderen sagen,<br />

was sie zu tun haben?“. Oder: „Schau dir<br />

diese beiden Leute an, sie wollen e<strong>in</strong> Auto<br />

kaufen. Der e<strong>in</strong>e will e<strong>in</strong> grünes, der andere<br />

will e<strong>in</strong> gelbes Auto haben. Sie streiten deshalb.<br />

Welcher der beiden, glaubst du, zw<strong>in</strong>gt<br />

den anderen dazu nachzugeben?“ Zeigt man<br />

ihnen dazu Bilder, die die unterschiedlichsten<br />

Gesichtsausdrücke zeigen, dann wählen die<br />

K<strong>in</strong>der folgendermaßen aus: Der Gew<strong>in</strong>ner<br />

hat nach Me<strong>in</strong>ung der K<strong>in</strong>der nach unten gezogene<br />

Augenbrauen, er lächelt nicht und hat<br />

den Mund leicht angespannt. Interessant ist<br />

vor allem auch, daß die Relationen der Gesichtsteile<br />

zue<strong>in</strong>ander ebenfalls <strong>in</strong> Betracht<br />

gezogen werden. Breite Gesichter mit großem<br />

Kiefer und zurückgesetztem Haaransatz werden<br />

von den K<strong>in</strong>dern konstant als Gew<strong>in</strong>nergesichter<br />

bezeichnet. K<strong>in</strong>der sche<strong>in</strong>en aus<br />

Gesichtern, wenn sie ke<strong>in</strong>e weitere Information<br />

haben, recht genau den Ausgang e<strong>in</strong>es<br />

Streites vorhersagen zu können.<br />

3459<br />

Ziv<strong>in</strong> (1977) beschreibt e<strong>in</strong> Signal, das<br />

Plus-Gesicht, das direkt diesen morphologischen<br />

Unterschieden entspricht. Dabei wird<br />

das Gesicht gehoben, der Unterkiefer tritt<br />

prom<strong>in</strong>ent hervor. Die Brauen s<strong>in</strong>d gehoben,<br />

und der Blick ist direkt auf den Partner ausgerichtet.<br />

Der Oberkörper ist gestreckt und<br />

der Hals aufrecht. Durch diese Komb<strong>in</strong>ation<br />

wird vor allem der morphologische Unterschied<br />

betont (vgl. Abb. <strong>168.</strong>9).<br />

Keat<strong>in</strong>g u. a. (1981) zeigten ähnliche Bilder<br />

auch Erwachsenen aus 6 Kulturen und<br />

fragten, wer nun möglicherweise der dom<strong>in</strong>antere<br />

von zweien sei. Es ergab sich, daß<br />

dann Gesichter mit dünnen Lippen, hohem<br />

Haaransatz (Glatze), relativ großem Unterkiefer<br />

und breitem Gesicht <strong>in</strong>terkulturell als<br />

dom<strong>in</strong>ant bezeichnet werden. Guthrie (1976)<br />

stellte dazu die Hypothese auf, daß Glatzenbildung<br />

<strong>in</strong> der Evolution entstanden sei, um<br />

den Altersstatus anzuzeigen wobei „alt<br />

se<strong>in</strong>“ und „überlebt haben“ auf optimalen<br />

Lebensstrategien beruhe.<br />

Interessant ist aber hier die ansche<strong>in</strong>end<br />

universelle Zuordnung von geschlechtsspezifischen<br />

somatischen Unterschieden, wobei<br />

weiblich als submissiv und männlich als dom<strong>in</strong>ant<br />

<strong>in</strong>terpretiert wird.<br />

Mueller und Mazur (1997) haben festgestellt,<br />

daß die Ausprägung des K<strong>in</strong>nes hauptsächlich<br />

von männlichen Geschlechtshormonen<br />

bestimmt wird, und daß breite K<strong>in</strong>ne tatsächlich<br />

sozialen Erfolg vorhersagen können.<br />

Aus der K<strong>in</strong>nbreite von Kadetten der amerikanischen<br />

Militärakademie West-Po<strong>in</strong>t läßt<br />

sich deren späterer Erfolg <strong>in</strong> der militärischen<br />

Hierarchie vorhersagen. In weiteren Arbeiten<br />

zeigen Mazur u. a. (1994), daß neben sozialem<br />

auch sexueller Erfolg an die K<strong>in</strong>nbreite<br />

geknüpft ist.<br />

Ist nun e<strong>in</strong> dom<strong>in</strong>antes Gesicht aber auch<br />

attraktiv? E<strong>in</strong> dom<strong>in</strong>anter <strong>Interaktion</strong>spartner<br />

könnte ja auch automatisch attraktiv<br />

se<strong>in</strong>, da er <strong>in</strong> der Lage ist, e<strong>in</strong>em zu helfen<br />

und Zugang zu bestimmten Ressourcen zu<br />

verschaffen.<br />

3.2. Attraktivität und Ersche<strong>in</strong>ungsbild<br />

Etwa 68 Sekunden genügen e<strong>in</strong>er Person,<br />

um relevante Information aus dem äußeren<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsbild e<strong>in</strong>er anderen Person abzuklären<br />

(Halla 1980). Frauen betrachten das<br />

Gesicht des Mannes, Männer dagegen mehr<br />

die Figur der Frau. Diese schnellen E<strong>in</strong>schätzungsprozesse<br />

führen letztlich auch zu dem,<br />

was wir als „Attraktivitätsbeurteilungen“ bezeichnen.<br />

Obwohl dieser Begriff auf den er-


3460 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

Abb. <strong>168.</strong>9: Dom<strong>in</strong>anz versus Submissivität im Gesicht: Die Abbildung zeigt e<strong>in</strong> als dom<strong>in</strong>ant (l<strong>in</strong>ks) e<strong>in</strong>zuschätzendes<br />

und e<strong>in</strong> als submissiv (rechts) e<strong>in</strong>zuschätzendes Gesicht. Beide Gesichter g<strong>in</strong>gen durch Computermanipulationen<br />

aus dem Standardgesicht <strong>in</strong> der Mitte hervor (nach Keat<strong>in</strong>g u. a. 1981).<br />

sten Blick sehr heterogen ersche<strong>in</strong>t, stimmen<br />

Personen <strong>in</strong> der Beurteilung anderer Personen<br />

sehr hoch übere<strong>in</strong> (Henss 1988, 1991). In<br />

solchen Beurteilungen wird „attraktiv“ mit<br />

„sexy“ gleichgesetzt. Es ist jedoch unklar,<br />

welche Informationen exakt zur Beurteilung<br />

herangezogen werden.<br />

Rensch (1963) zeigte se<strong>in</strong>en Versuchspersonen<br />

unterschiedliche Gesichtsattrappen,<br />

um festzustellen, was als „anziehend“ bezeichnet<br />

wird. Jugendmerkmale wie Schlankheit,<br />

Fettlosigkeit des Gesichts, Bartlosigkeit<br />

und weibliche Stupsnase werden als attraktiv<br />

bewertet. E<strong>in</strong>en ähnlichen Ansatz verfolgte<br />

Cunn<strong>in</strong>gham (1986), der Gesichter von<br />

Frauen metrisch vermaß und dann deren Attraktivität<br />

beurteilen ließ. Nach dieser Arbeit<br />

werden Zeichen der Reife (hohe, breite Wangenknochen)<br />

vermischt mit k<strong>in</strong>dlichen Zügen<br />

(große Augen und hohe Stirn) als attraktiv<br />

bewertet.<br />

Attraktivitätsbeurteilungen sollten e<strong>in</strong>en<br />

biologischen S<strong>in</strong>n ergeben. Die proximate Erklärung<br />

ist bekannt (vgl. § 6.). Attraktive Personen<br />

haben im täglichen Leben viele Vorteile<br />

und werden als Heirats- und Sexualpartner<br />

geschätzt (Grammer 1993). E<strong>in</strong>en ultimaten<br />

S<strong>in</strong>n <strong>in</strong> breiten Wangenknochen zu suchen ist<br />

jedoch e<strong>in</strong> müßiges Unterfangen. Wenn Attraktivitätsbeurteilungen<br />

e<strong>in</strong>e Rolle auf ultimater<br />

Ebene spielen, dann muß e<strong>in</strong>e attraktiv<br />

bewertete Person e<strong>in</strong>en höheren Fortpflanzungserfolg<br />

vorweisen können. Jugendlichkeit<br />

könnte demnach e<strong>in</strong>e hohen reproduktiven<br />

Wert signalisieren.<br />

Dieser Ansatz führt auf e<strong>in</strong>e ganz andere<br />

Ebene, die verschiedene Erklärungspr<strong>in</strong>zipien<br />

verknüpft. Viele kognitive Prozesse arbeiten<br />

mit Prototypen (Rosch 1977; vgl. Art. 105<br />

§ 9.), die idealisierte Mittelwerte e<strong>in</strong>er Population<br />

darstellen. Man kann deshalb davon<br />

ausgehen, daß jeder Mensch über e<strong>in</strong>en Prototyp<br />

des attraktiven Gesichtes verfügt.<br />

Andererseits ist der Mittelwert e<strong>in</strong>er Population<br />

auch weniger durch seltene Gene gefährdet.<br />

Seltene Gene können zwar Vorteile<br />

erbr<strong>in</strong>gen, Mutationen geraten aber häufig<br />

eher zum Nachteil ihres Trägers. Der Mittelwert<br />

wäre demnach attraktiv, weil er e<strong>in</strong> hohes,<br />

ungefährdetes genetisches Potential besitzt,<br />

das Vorteile <strong>in</strong> der Fortpflanzung erbr<strong>in</strong>gen<br />

kann (Symons 1979).<br />

Solche Prototypen lassen sich sehr leicht<br />

durch Aufe<strong>in</strong>anderlegen von Photos verschiedener<br />

Personen des gleichen Geschlechts erzeugen<br />

(Galton 1883). Dabei zeigt es sich,


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

daß der so erzeugte Prototyp immer „attraktiver“<br />

als das e<strong>in</strong>zelne Gesicht ist (Langlois<br />

und Roggman 1990).<br />

Im Gegensatz zu metrischen Analysen ist<br />

dieser Effekt weitgehend replizierbar. Grammer<br />

(1993) zeigte, daß dies für Frauengesichter,<br />

aber nicht für Männergesichter gilt. Die<br />

Extremwerte der kantigen Gesichtsform bei<br />

Männern verschw<strong>in</strong>den, wenn man photographische<br />

Durchschnitte aus Männergesichtern<br />

bildet. Entgegen den oben zitierten Ergebnissen<br />

spielt das K<strong>in</strong>dchenschema ke<strong>in</strong>e<br />

Rolle <strong>in</strong> der Attraktivitätsbeurteilung. Die<br />

kantige Gesichtsform der Männer wird als<br />

attraktiv empfunden sie läßt sich auch<br />

(siehe oben) an sozialen Erfolg b<strong>in</strong>den. Diskutiert<br />

wird dabei e<strong>in</strong> sogenanntes Handicap-<br />

Pr<strong>in</strong>zip (Zahavi und Zahavi 1997). Männliche<br />

Geschlechtshormone tragen zur Breite<br />

des K<strong>in</strong>nes bei, diese Hormone haben aber<br />

auch e<strong>in</strong>e negative Auswirkung auf das Immunsystem<br />

(Fölstad u. a. 1992). Breite K<strong>in</strong>ne<br />

lassen demnach e<strong>in</strong>en Rückschluß auf die<br />

Qualität des Immunsystems zu und signalisieren<br />

damit dessen Güte.<br />

Ebenso deutlich wird, daß manche E<strong>in</strong>zelgesichter<br />

immer noch attraktiver als das<br />

3461<br />

Durchschnittsgesicht s<strong>in</strong>d. Der Prototypisierungseffekt<br />

verschw<strong>in</strong>det ebenfalls, verwendet<br />

man Fotomodelle.<br />

Die Symmetrie e<strong>in</strong>es Gesichtes spielt<br />

ebenso e<strong>in</strong>e herausragende Rolle. Grammer<br />

und Thornhill (1994) schlagen vor, daß bilaterale<br />

Symmetrie genetische Heterozygotie<br />

und damit auch Parasitenresistenz anzeigen<br />

kann. Dies ist deshalb der Fall, weil es Parasiten<br />

schwer fällt, sich an ständig wechselnde<br />

physiologische Umgebungen anzupassen, die<br />

bei heterozygoten Individuen häufiger zu erwarten<br />

s<strong>in</strong>d. Grammer (1993) zeigte, daß<br />

prototypische Gesichter symmetrischer s<strong>in</strong>d<br />

als Normalgesichter und daß es e<strong>in</strong>en direkten<br />

Zusammenhang zwischen Attraktivitätsbeurteilung<br />

und Gesichtssymmetrie gibt. Je<br />

symmetrischer e<strong>in</strong> Gesicht ist, als um so attraktiver<br />

wird es beurteilt (vgl. Abb. <strong>168.</strong>10).<br />

Interessanterweise entsprechen diese Gesichter<br />

dem sogenannten attraktiven Normgesicht<br />

(Riedl 1989). Um dieses Normgesicht zu<br />

ermitteln, wurden Personen beiderlei Geschlechts<br />

gebeten, auf e<strong>in</strong>em Fahndungs-<br />

Computer Abbildungen von Gesichtern zu<br />

erstellen, die sie als besonders attraktiv empfanden.<br />

Das Normgesicht setzt sich aus den<br />

Abb. <strong>168.</strong>10: Gesichtssymmetrie (nach Grammer und Thornhill 1994).


3462 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

Abb. <strong>168.</strong>11: Gesichtsprototypen, hergestellt durch Überlagerung von 16 Bildern männlicher bzw. weiblicher<br />

Mitteleuropäer auf dem Computer.


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

Abb. <strong>168.</strong>12: Normgesichter (nach Riedl 1989):<br />

Während das normierte weibliche Idealgesicht<br />

(l<strong>in</strong>ks oben) sich deutlich vom normierten weiblichen<br />

Realgesicht (rechts oben) unterscheidet, gleichen<br />

sich das männliche Ideal- und Realgesicht<br />

(l<strong>in</strong>ks bzw. rechts unten).<br />

am häufigsten gewählten Merkmalen zusammen<br />

(vgl. Abb. <strong>168.</strong>11 und <strong>168.</strong>12).<br />

E<strong>in</strong> weiterer Punkt, der zur Attraktivität<br />

beitragen könnte, ist die Darstellung und die<br />

Betonung der sekundären Geschlechtsmerkmale.<br />

Alexander (1971) oder auch Low u. a.<br />

(1987) nehmen an, daß sich Brüste und H<strong>in</strong>tern<br />

im Kontext der Partnersuche zu Signalen<br />

entwickelt haben. Für diese Entwicklung soll<br />

der Wettbewerb der Frauen untere<strong>in</strong>ander<br />

um hochrangige Männer, die <strong>in</strong> der Lage<br />

s<strong>in</strong>d, Nachwuchs ausreichend zu versorgen,<br />

ausschlaggebend gewesen se<strong>in</strong>. Diese Art der<br />

Argumentation wird aber sehr problematisch,<br />

da die Größe der Brust nicht <strong>in</strong> direktem Zusammenhang<br />

steht mit den biologischen Fähigkeiten<br />

der Frau, Nachwuchs aufzuziehen;<br />

d. h. Brustvolumen und Laktation müssen<br />

nicht korrelieren. Es besteht aber die Möglichkeit,<br />

daß dadurch e<strong>in</strong> kritischer Fettgehalt<br />

des weiblichen Körpers angezeigt wird (Gallup<br />

1982, Frisch 1975), der <strong>in</strong> direktem Zusammenhang<br />

mit der Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>er<br />

Ovulation steht, und daß damit die Reproduktionsfähigkeit<br />

der Frau und deren Ernährungsstatus<br />

signalisiert wird. In der Tat<br />

gibt es e<strong>in</strong>en kritischen Fettgehalt, der für<br />

den E<strong>in</strong>tritt e<strong>in</strong>er Frau <strong>in</strong> den reproduktionsfähigen<br />

Zustand verantwortlich ist.<br />

3463<br />

Es bleibt aber die Frage, weshalb diese<br />

Fettanlagerungen spezifisch an bestimmten<br />

Orten geschehen. Hier könnte wie bei den<br />

Gesichtern wiederum die Symmetrie e<strong>in</strong>e<br />

Rolle spielen. Bilateral aufgebaute Körperanhänge<br />

eignen sich äußerst gut dazu, Symmetrie<br />

zu demonstrieren. In der Tat geht auch<br />

die Laktationsfähigkeit mit Brustsymmetrie<br />

e<strong>in</strong>her (Neifert u. a. 1985).<br />

Attraktivitätsbewertungen werden deshalb<br />

nicht nur auf der Basis des aktuellen Gesundheitszustands,<br />

sondern auch auf der Grundlage<br />

der genetischen Ausstattung ihrer Träger<br />

durchgeführt. Bei Frauen sche<strong>in</strong>en solche Bewertungen<br />

eher auf geschlechtsspezifische<br />

Prototypen h<strong>in</strong> zu geschehen, bei Männern<br />

eher auf Extremmerkmale (Grammer 1993).<br />

Durchschnittlichkeit sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e genetische<br />

Heterozygotie zu signalisieren, Extremmerkmale<br />

deuten auf Vorteile im <strong>in</strong>ter<strong>in</strong>dividuellen<br />

Wettbewerb h<strong>in</strong>, dem Männer stärker als<br />

Frauen ausgesetzt s<strong>in</strong>d. Die Bewertungsdimension<br />

„Gesundheit“ ist <strong>in</strong> allen Kulturen<br />

zu f<strong>in</strong>den und vor allem an solche Faktoren<br />

gebunden, die den aktuellen Gesundheitszustand<br />

und damit die Fortpflanzungsqualitäten<br />

e<strong>in</strong>es möglichen Partners reflektieren.<br />

Re<strong>in</strong>e Haut, hoher Körpertonus, glänzende<br />

Haare, flüssiger und lebendiger Bewegungsablauf<br />

s<strong>in</strong>d diejenigen Parameter, die <strong>in</strong>terkulturell<br />

als attraktiv bezeichnet werden<br />

(Symons 1979).<br />

Attraktivitätsbeurteilungen s<strong>in</strong>d vor allem<br />

<strong>in</strong> der Partnerwahl von Bedeutung. Männer<br />

stellen bei ihrer Wahl die physische Attraktivität<br />

der Frau mit an die erste Stelle.<br />

Für Frauen spielt die körperliche Attraktivität<br />

des Mannes e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Rolle. Frauen<br />

sche<strong>in</strong>en eher Wert auf den Status des Mannes<br />

zu legen (Buss 1989) und variieren deshalb<br />

ihre Ansprüche an die körperliche Ersche<strong>in</strong>ung<br />

des Mannes. Dies gilt übrigens für<br />

alle 37 von Buss untersuchten Kulturen.<br />

Zeitgeschmack und Moden können unsere<br />

Entscheidung, was nun direkt als attraktiv<br />

bezeichnet wird, jedoch wesentlich bee<strong>in</strong>flussen.<br />

Polhemus (1988) geht davon aus, daß die<br />

Attraktivitätsvorstellungen sich mit der Zeit<br />

und zwischen den Kulturen wandeln. Obwohl<br />

es offensichtlich sche<strong>in</strong>t, daß e<strong>in</strong> Eskimo<br />

e<strong>in</strong>en anderen Attraktivitätsbegriff besitzt<br />

als e<strong>in</strong> Mitteleuropäer, gibt es dazu ke<strong>in</strong>e<br />

empirischen Untersuchungen, sondern lediglich<br />

anekdotische ethnographische Beschreibungen.<br />

V<strong>in</strong>e (1989) führt die kulturelle Wandelbarkeit<br />

des Attraktivitätsbegriffes auf kulturelle<br />

Abgrenzungsphänomene und biologi-


3464 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

sche Anpassungsprozesse an bestimmte Umwelten<br />

zurück. Die Tatsache, daß für Attraktivitätse<strong>in</strong>schätzungen<br />

Prototypen vorliegen,<br />

spricht für diese Annahme. Der jeweilige<br />

Durchschnitt e<strong>in</strong>er Population ist damit der<br />

Schönheitsbegriff, den alle Mitglieder dieser<br />

Population teilen. Falls der Attraktivitätsbegriff<br />

so wandelbar ist, wie angenommen wird,<br />

dann ist dieser Begriff e<strong>in</strong> Beispiel für Gen-<br />

Kultur-Koevolution (vgl. Art. 27 § 2.). Denn<br />

letztlich muß sich auch e<strong>in</strong>e kulturell geformte<br />

Attraktivitätsbeurteilung <strong>in</strong> der Partnerwahl,<br />

und damit auch im Reproduktionserfolg,<br />

niederschlagen. Demnach wäre die<br />

Art und Weise, wie Schönheitsideale kognitiv<br />

konstruiert werden, durch biologische Systemzwänge<br />

bestimmt, ihr Inhalt aber nicht.<br />

Der Inhalt e<strong>in</strong>es Schönheitsideals wird durch<br />

das bestimmt, was der e<strong>in</strong>zelne erfahren hat.<br />

Diese Tatsache erlaubt es e<strong>in</strong>erseits, sehr unterschiedliche<br />

Ideale zu erzeugen, andererseits<br />

aber auch, Ideale <strong>in</strong> anderen Kulturen<br />

zu verstehen und als schön zu empf<strong>in</strong>den.<br />

Damit wird gewährleistet, daß das Partnerideal<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Population Geltung<br />

erlangt.<br />

Die Wirksamkeit der auf diesem Weg def<strong>in</strong>ierten<br />

Triggersignale bleibt auch über zeitliche<br />

und gesellschaftliche Veränderungen h<strong>in</strong>weg<br />

stabil. K<strong>in</strong>sey u. a. (1953) stellten fest,<br />

daß es e<strong>in</strong>e enorme Anzahl von Magaz<strong>in</strong>en<br />

gibt, die spärlich bekleidete oder ganz nackte<br />

Frauen darstellen. Die Zielgruppe solcher<br />

Darstellungen s<strong>in</strong>d heterosexuelle Männer.<br />

(Die Zielgruppe für die Darstellung nackter<br />

Männer s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel homosexuelle<br />

Männer und ke<strong>in</strong>e Frauen.) Stauffer und<br />

Frost (1976) untersuchten die Reaktionen<br />

von 50 männlichen und 50 weiblichen Studenten<br />

im Alter von 1923 Jahren auf Bilder<br />

<strong>in</strong> den Magaz<strong>in</strong>en Playboy (nackte Frauen)<br />

und Playgirl (nackte Männer). 88% der Männer<br />

und 46% der Frauen gaben an, daß das<br />

Centerfold (Ausklappmädchen bzw. Ausklappjunge)<br />

und die Bildergeschichten mit<br />

unbekleideten Figuren sie <strong>in</strong>teressierten. Ke<strong>in</strong><br />

Mann bewertete das „Ausklappmädchen“ als<br />

von ger<strong>in</strong>gem Interesse, während 14% der<br />

Frauen nackte Männer ablehnten. Auf e<strong>in</strong>er<br />

10-Punkte Skala, auf der angegeben werden<br />

mußte, wie stark sie von dem Bild sexuell erregt<br />

würden, antworteten 74% der Frauen<br />

auf der unteren Hälfte und 75% der Männer<br />

auf der oberen Hälfte der Skala.<br />

Obwohl <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Studien gezeigt wird,<br />

daß Männer und Frauen <strong>in</strong> gleicher Weise<br />

auf erotische Stimuli ansprechen (Heiman<br />

1975), so sche<strong>in</strong>en sie das aber aus ganz verschiedenen<br />

Gründen zu tun. Money und Erhardt<br />

(1972) nehmen an, daß e<strong>in</strong>e nackt dargestellte<br />

Frau für e<strong>in</strong>en Mann e<strong>in</strong> Sexobjekt<br />

ist, er stellt sich vor, daß sie aus dem Bild<br />

tritt, und er mit ihr kopuliert. E<strong>in</strong>e Frau wird<br />

von dem gleichen Bild erregt, weil sie sich <strong>in</strong><br />

ihrer Vorstellung mit dem Sexobjekt selbst<br />

identifiziert. Die Darstellung von Nacktheit<br />

und damit die der sexuellen Auslöser ist also<br />

eher Frauensache. Der Wunsch von Männern,<br />

sich weibliche Genitalien anzuschauen,<br />

vor allem solche, die sie zuvor noch nie gesehen<br />

haben, ist e<strong>in</strong> Teil des motivationalen Prozesses,<br />

der die männlichen Reproduktionsmöglichkeiten<br />

maximiert.<br />

Andererseits gibt es ke<strong>in</strong>en entsprechenden<br />

biologischen Nutzen daraus, daß Frauen den<br />

Wunsch besitzen sollten, sich männliche Genitalien<br />

anzuschauen, da die Selektion e<strong>in</strong>e<br />

solche Motivation nicht gefördert hätte.<br />

Wenn Frauen von der Darstellung männlicher<br />

Sexualität erregt würden, dann würden<br />

Männer versuchen, mit genitalem Präsentieren<br />

Frauen zu erregen. Würden Frauen darauf<br />

mit Erregung antworten, würde e<strong>in</strong>e solche<br />

Erregung Zufallspaarungen Vorschub leisten<br />

und damit den weiblichen Fortpflanzungserfolg<br />

gefährden (Symons 1979).<br />

In den Massenmedien werden auf Grund<br />

der universellen Wirksamkeit Körperformen<br />

mit hohem Kurven<strong>in</strong>dex zum Verkauf von<br />

Produkten und zur Auflagesteigerung e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Mit der Zeit werden dann die jeweiligen<br />

Triggersignale (gemessen an den Verkaufszahlen)<br />

optimiert. Analysiert man den Kurven<strong>in</strong>dex<br />

(Brustumfang/Taille und Hüftumfang/Taille)<br />

der sogenannten „Ausklappmädchen“<br />

e<strong>in</strong>es der bekanntesten Vertreters der<br />

Männermagaz<strong>in</strong>e, dann läßt sich zwischen<br />

1979 und 1991 e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierlicher Trend zu<br />

höheren Indices feststellen (vgl. Abb. <strong>168.</strong>13).<br />

Die Ausklappmädchen wurden also kurvenreicher<br />

(Grammer 1993).<br />

Die Betonung solcher Körperstrukturen<br />

wird tatsächlich als Signal e<strong>in</strong>gesetzt; besonders<br />

deutlich wird das bei von Moore (1985)<br />

<strong>in</strong> Diskotheken beobachteten Frauen am Beispiel<br />

des „Paradierens“: die Frau geht mit erhöhtem<br />

Körpertonus aufrecht durch den<br />

Raum, schwenkt die Hüften, zieht den Bauch<br />

e<strong>in</strong> und drückt den Rücken durch, so daß<br />

Brüste und H<strong>in</strong>tern betont werden. In Moores<br />

Untersuchungen korrelierte das Zeigen<br />

dieser Verhaltensweisen tatsächlich mit der<br />

Anzahl der Annäherungen von Männern an<br />

die beobachteten Frauen.


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

3465<br />

Abb. <strong>168.</strong>13: Kurven<strong>in</strong>dices von Titel- und Ausklappmädchen aus e<strong>in</strong>em sogenannten Männermagaz<strong>in</strong>, das<br />

1972 zum erstenmal <strong>in</strong> Deutschland erschien: Der obere Kurven<strong>in</strong>dex (Brustumfang/Taille) und der untere<br />

Kurven<strong>in</strong>dex (Hüftumfang/Taille) haben zwischen 1979 und 1991 kont<strong>in</strong>uierlich zugenommen, bis e<strong>in</strong> Maximalwert<br />

erreicht war, mit dem die Optimierung abgeschlossen wurde.<br />

Diese Art von Triggersignalen erlaubt es,<br />

relativ schnell sehr wichtige Entscheidungen<br />

und Vorhersagen zu treffen. In erster L<strong>in</strong>ie<br />

dienen sie jedoch dazu, andere Signale und<br />

deren Bedeutung zu erschließen: sie bilden<br />

den Dekodierungsrahmen von Bedeutungen<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er <strong>Interaktion</strong>.<br />

Solche Beurteilungen s<strong>in</strong>d aber nicht konstant,<br />

sondern ändern sich mit der Stimmung,<br />

<strong>in</strong> der sich die Versuchsperson bef<strong>in</strong>det.<br />

Forgas (1992) zeigt, daß e<strong>in</strong>e traurig gestimmte<br />

Person nach e<strong>in</strong>em globalen E<strong>in</strong>druck,<br />

den die andere Person auf sie macht,<br />

entscheidet. Glückliche Leute dagegen vergleichen<br />

die E<strong>in</strong>zelmerkmale der Personen,<br />

die sie als Partner wählen. Traurige Personen<br />

entscheiden sich deshalb auch schneller, da<br />

sie nur nach selektiver, spezifischer Information<br />

suchen. Glückliche Personen kommen<br />

aber <strong>in</strong> der Regel auch zu besseren Beurteilungen.<br />

Emotionen spielen demnach mit e<strong>in</strong>e<br />

Hauptrolle bei Beurteilungen anderer Personen.<br />

3.3. Die Emotionen<br />

Den Ausdruck von Emotionen im nichtsprachlichen<br />

Verhalten kann man ebenfalls <strong>in</strong><br />

die Reihe der Triggersignale aufnehmen.<br />

Bei <strong>in</strong>terkulturellen Untersuchungen des<br />

Gesichtsausdrucks fanden Ekman und Friesen<br />

(1978) <strong>in</strong>sgesamt sechs <strong>in</strong> allen Kulturen<br />

gleiche Grundemotionen: Überraschung,<br />

Angst, Freude, Trauer, Ekel, Ärger zeichnen<br />

sich durch bestimmte, konstante Komb<strong>in</strong>ationen<br />

von Gesichtsmuskelkontraktionen aus.<br />

E<strong>in</strong>en wesentlichen Schritt zum Nachweis<br />

biologischer Programme für verschiedene mimische<br />

Ausdrucksmuster brachte die von<br />

Eibl-Eibesfeldt (1977) vorgenommene und<br />

ausgewertete filmische Dokumentation e<strong>in</strong>iger<br />

K<strong>in</strong>der, die durch Störungen während der<br />

Fötalzeit von Geburt an weder sehen noch<br />

hören konnten. Obwohl diese Säugl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong><br />

ewiger Nacht und Stille leben, bilden sich Mimik<br />

und andere Verhaltensweisen der sozialen<br />

Kommunikation bei ihnen <strong>in</strong> derselben<br />

Weise aus wie bei sehenden und hörenden<br />

K<strong>in</strong>dern.<br />

In Abb. <strong>168.</strong>14 ist e<strong>in</strong> taubbl<strong>in</strong>d geborenes<br />

Mädchen zu sehen, dessen mimische Verhaltensweisen<br />

besonders ausführlich dokumentiert<br />

wurden. Lächeln und Freude s<strong>in</strong>d ganz<br />

e<strong>in</strong>deutig zu erkennen, obwohl dieses Mädchen<br />

ja niemals das lächelnde Gesicht se<strong>in</strong>er<br />

Mutter oder e<strong>in</strong>er anderen Person hat wahr-


3466 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

Abb. <strong>168.</strong>14: Taubbl<strong>in</strong>des Mädchen: Lächeln und Freude (l<strong>in</strong>ks oben), Trauer (rechts oben) und Wut (unten).


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

nehmen können. Bestimmte Emotionen wie<br />

Freude und Trauer führen zu e<strong>in</strong>er ganz spezifischen<br />

muskulären Antwort im mimischen<br />

System des Gesichtes und erzeugen dann den<br />

jeweiligen typischen Ausdruck, ohne daß es<br />

der Modifikation durch vorherige Erfahrung<br />

bedarf.<br />

Interessant an diesen Grundemotionen ist,<br />

daß sie e<strong>in</strong>e automatisierte Wirkung auf den<br />

Betrachter besitzen. Zeigt man Personen Bilder<br />

von Grundemotionen, oder läßt man die<br />

Personen diese Grundemotionen nachspielen,<br />

dann stellt sich bei ihnen der gleiche physiologische<br />

Zustand e<strong>in</strong>, der auch die echten<br />

Grundemotionen begleitet (Ekman u. a.<br />

1983). Über diesen Automatismus leiten<br />

Grundemotionen die entsprechenden Interpretationen<br />

von anderen nicht-sprachlichen<br />

Signalen wiederum dadurch, daß sie e<strong>in</strong>e Dekodierung<br />

im Rahmen der betreffenden<br />

Emotion nahelegen.<br />

Emotionen selbst s<strong>in</strong>d nun auch an den<br />

prosodischen Signalen <strong>in</strong> der Stimme des<br />

Empfängers zu erkennen. Die Tonhöhe der<br />

Stimme ändert sich, falls Emotionen auftreten:<br />

sie wird höher bei Angst oder Ärger, und<br />

sie fällt, wenn die Person traurig ist (Ekman<br />

u. a. 1976).<br />

Auch der Atemrhythmus folgt dem emotionalen<br />

Empf<strong>in</strong>den. Im Atemrhythmus und<br />

<strong>in</strong> der Atemtiefe lassen sich die sechs Grundemotionen<br />

ebenfalls nachweisen (Block u. a.<br />

1991).<br />

Emotionssignale liefern demnach e<strong>in</strong>e Botschaft<br />

über den physiologischen Zustand des<br />

Senders.<br />

Der ganze Vorgang wird jedoch dadurch<br />

kompliziert, daß Emotionen <strong>in</strong> der Regel selten<br />

als „re<strong>in</strong>e“ Emotionen vorliegen, sondern<br />

durchmischt werden. Die Gesamtsituation ist<br />

also wesentlich komplexer als hier dargestellt.<br />

4. Die äußere Botschaft: akustische<br />

Signale<br />

Folgt man den Def<strong>in</strong>itionen von Posner<br />

(1986), dann läßt sich sprachbezogenes Verhalten<br />

nach se<strong>in</strong>en Funktionen <strong>in</strong> vier<br />

Grundkomponenten unterteilen.<br />

Die verbale Komponente besteht aus den<br />

Wortformen und der grammatischen Struktur<br />

des Ausdrucks.<br />

E<strong>in</strong>e prosodische Komponente umfaßt die<br />

Intonation, und im Falle geschriebener Sprache<br />

die Interpunktion, die es dem Empfänger<br />

erlaubt, konventionalisierte Satztypen zu erkennen.<br />

Parasprachliche Aspekte betreffen<br />

3467<br />

die Lautung wie zum Beispiel die personenspezifische<br />

Stimmqualität oder die emotionale<br />

Stimmung des Sprechers. Letztlich, und<br />

um Sprache als Zeichen zu verstehen, müssen<br />

auch die außersprachlichen Komponenten<br />

der Körperhaltungen und Körperbewegungen<br />

dazu kommen (dies zur Ergänzung der <strong>in</strong><br />

Art. 131 § 3.1.2. postulierten Verstehensstufen).<br />

Außersprachliche, parasprachliche und<br />

prosodische Elemente werden dann unter<br />

dem Begriff „nonverbal“ zusammengefaßt,<br />

nicht-sprachliche Phänomene umfassen lediglich<br />

außersprachliche und parasprachliche<br />

Phänomene.<br />

Zur physikalischen Beschreibung der akustischen<br />

Phänomene bieten sich nach Argyle<br />

(1982) folgende Eigenheiten von Lautäußerungen<br />

an:<br />

(1) die Sprechdauer und Sprechgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

(2) die Amplitude (Lautstärke)<br />

(3) F 0 , die Grundfrequenz, die als Tonhöhe<br />

wahrgenommen wird, und der Tonhöhenbereich<br />

(4) das Spektrum der Frequenz und die Amplitude,<br />

was als Stimmqualität wahrgenommen<br />

wird (wie robust, hohl oder<br />

schrill)<br />

(5) der Tonhöhenverlauf, d. h. die Frequenzänderung<br />

über die Zeit (Scherer<br />

1982)<br />

E<strong>in</strong>ige dieser Parameter signalisieren dem<br />

Empfänger den emotionalen Zustand des<br />

Sprechers. Sedlácek und Sychra (1963, 1969)<br />

ließen 23 verschiedene Schauspieler<strong>in</strong>nen den<br />

Satz „Tozuzmám ustlané“ (‘Das Bett ist<br />

schon gerichtet’) aus dem „Tagebuch e<strong>in</strong>es<br />

Verschollenen“ von Leos Janaček verschieden<br />

<strong>in</strong>terpretieren. Diese Rezitationsbeispiele<br />

wurden Bewertern aus den verschiedensten<br />

Kulturen vorgespielt. Es zeigte sich, daß der<br />

emotionale Gehalt der Aussage unabhängig<br />

vom sprachlichen Inhalt kommuniziert wird.<br />

Tonhöhe, Ton<strong>in</strong>tensität und Klangspektrum<br />

zeichnen <strong>in</strong> spezifischer Weise unterschiedliche<br />

Emotionen aus. Freudige Emotionen<br />

weisen e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung von höherer Stimmlage<br />

und belebtem melodischen Verlauf auf,<br />

für Trauer ist der monotone abs<strong>in</strong>kende Melodienverlauf<br />

charakteristisch.<br />

Scherer (1986) wies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Literaturübersicht<br />

nach, daß sich fünf Emotionen<br />

durch spezifische Charakteristika ausweisen:<br />

Freude, Depression, Angst, Furcht und Wut.<br />

Es zeigte sich aber auch, daß es sich dabei um<br />

e<strong>in</strong>e sehr komplexe Mischung der verschie-


3468 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

densten Parameter handelt. Hohe Tonhöhen<br />

zum Beispiel treten bei Freude, Angst, Furcht<br />

und Wut auf.<br />

Der Tonhöhenverlauf ermöglicht dabei die<br />

fe<strong>in</strong>sten Unterscheidungsmöglichkeiten (Frick<br />

1985):<br />

Glück: sanfte Konturen<br />

Ärger: plötzliche Anstiege der Tonhöhe<br />

Überraschung: zunehmende Tonhöhe<br />

Verachtung: Abfall am Satzende<br />

Koketterie: sanftes Ansteigen auf der letzten<br />

Silbe<br />

Frage: Ansteigen am Ende e<strong>in</strong>er Aussage<br />

Die Veränderungen des Tonhöhenverlaufs<br />

<strong>in</strong> Zusammenhang mit der Enkodierung<br />

grammatischer Strukturen, wie zum Beispiel<br />

Fragen, zeigen, daß sich prosodische und<br />

parasprachliche Signale überlappen können.<br />

Ähnliche Verhältnisse f<strong>in</strong>den wir bei<br />

Sprechpausen. Lalleje (1971) sowie Lalleje<br />

und Cook (1973) zeigten, daß Personen, die<br />

viele gefüllte Sprechpausen (d. h. e<strong>in</strong>e<br />

Sprechpause mit „hm“ oder „äh“) machen,<br />

als ängstlich oder gelangweilt bezeichnet werden.<br />

Personen, die viele ungefüllte Pausen<br />

machen, werden als ängstlich, ärgerlich oder<br />

verachtend bewertet.<br />

Parasprachliche Signale eignen sich auch<br />

dazu, Beziehungsparameter zu übermitteln.<br />

So kann Dom<strong>in</strong>anz durch e<strong>in</strong>e laute tiefe<br />

Stimme, e<strong>in</strong> breites Frequenzspektrum und<br />

langsames Sprechen mitgeteilt werden. Submissivität<br />

dagegen ist durch e<strong>in</strong>e hohe<br />

Stimmlage mit ger<strong>in</strong>ger Resonanz und e<strong>in</strong>em<br />

Anheben der Tonhöhe am Satzende gekennzeichnet<br />

(Frick 1985).<br />

Parasprachliche Signale geben auch Information<br />

über die Persönlichkeit des Sprechers;<br />

Alter, Geschlecht und sogar Extravertiertheit<br />

und Introvertiertheit s<strong>in</strong>d an parasprachlichen<br />

Parametern erkennbar (Add<strong>in</strong>gton<br />

1968, Scherer 1978).<br />

Es gibt zudem prosodische Merkmale, die<br />

dem K<strong>in</strong>dchenschema entsprechen. Montepare<br />

und Zebrowitz-McArthur (1987) fanden,<br />

daß Stimmen von Erwachsenen, die<br />

K<strong>in</strong>derstimmen sehr ähnlich klangen, übere<strong>in</strong>stimmend<br />

als „k<strong>in</strong>dlich“ bezeichnet wurden.<br />

Personen mit solchen Stimmen werden<br />

als weniger dom<strong>in</strong>ant, emotional wärmer und<br />

weniger abweisend beurteilt.<br />

Angehobene Tonhöhe bei Männern und<br />

Unterdrückung von Sprechpausen bei<br />

Frauen werden von Beobachtern als Extrovertiertheit<br />

<strong>in</strong>terpretiert (Scherer 1978). Die<br />

Tonhöhe hat dabei zwei Effekte: Wird der<br />

Ton angehoben, wird die Person als extravertiert,<br />

aber auch als gespannt und nervös beschrieben.<br />

Es könnte se<strong>in</strong>, daß angehobene<br />

Tonhöhe e<strong>in</strong> Signal für emotionale Erregung<br />

ist, die dann als Persönlichkeitszug generalisiert<br />

wird (Scherer 1979).<br />

Wie solche Prototypisierungseffekte entstehen,<br />

ist weitgehend unbekannt. Die Effekte<br />

haben aber weitreichende Konsequenzen,<br />

denn es ist zum Beispiel möglich, <strong>in</strong> den<br />

ersten 1015 Sekunden e<strong>in</strong>er <strong>Interaktion</strong> aus<br />

der Sprache genaue Schlüsse auf die soziale<br />

Herkunft des Sprechers zu ziehen (Harms<br />

1961).<br />

5. Die <strong>in</strong>nere Botschaft<br />

Wozu dient nun e<strong>in</strong> solch komplexes System<br />

von Signalen, Triggersignalen und Bedeutungen?<br />

Im Grunde wäre es doch e<strong>in</strong>facher, nur<br />

wenige, e<strong>in</strong>fache Signale mit festgelegten Bedeutungen<br />

zu benutzen. Das würde die Kommunikation<br />

wesentlich vere<strong>in</strong>fachen und<br />

Mißverständnisse vermeiden.<br />

Der Mensch hat durch se<strong>in</strong>e Fähigkeit,<br />

komplexe soziale Strukturen zu entwickeln,<br />

e<strong>in</strong>en wesentlichen Selektionsvorteil erreicht.<br />

Komplexe soziale Strukturen s<strong>in</strong>d nicht mit<br />

e<strong>in</strong>fachen <strong>in</strong>flexiblen Signalsystemen aufrechtzuerhalten<br />

und zu steuern, vor allem<br />

dann nicht, wenn es <strong>in</strong> <strong>Interaktion</strong>en nicht<br />

nur darum geht, e<strong>in</strong>fache Information zu<br />

übertragen, sondern auch darum, Beziehungen<br />

aufzubauen, zu steuern und letztlich auch<br />

zu ändern. In <strong>Interaktion</strong>en stehen also auch<br />

Beziehungen auf dem Spiel: soziale Probleme<br />

tauchen auf.<br />

Die meisten <strong>Interaktion</strong>en, <strong>in</strong> denen nichtsprachliche<br />

Signale e<strong>in</strong>gesetzt werden, können<br />

damit als Versuch betrachtet werden, e<strong>in</strong><br />

„soziales Problem“ zu lösen. Es geht darum,<br />

e<strong>in</strong> anderes Individuum dah<strong>in</strong> zu br<strong>in</strong>gen, die<br />

Zielvorstellungen des jeweiligen Handelnden<br />

zu akzeptieren, wobei die verfolgten Ziele<br />

letztlich auch den E<strong>in</strong>satz von bestimmten Signalen<br />

aus ganz bestimmten Bereichen def<strong>in</strong>ieren.<br />

An dieser Stelle kommt dann auch<br />

wieder der Reproduktionserfolg zum Tragen.<br />

Das Ziel e<strong>in</strong>er <strong>Interaktion</strong> und der damit verbundene<br />

potentielle Reproduktionserfolg von<br />

Sender und Empfänger bestimmt die Form<br />

des Signals. Zum Beispiel werden, wenn das<br />

Ziel der Werbung um e<strong>in</strong>en Partner vorliegt,<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Signale auftreten, deren Bedeutung<br />

Partnerqualitäten betrifft. Nach Trivers<br />

(1972) werden Frauen <strong>in</strong> solchen Situationen<br />

deshalb Gesundheit und Reproduk-


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

3469<br />

Abb. <strong>168.</strong>15: Das Präsentieren der Achseln.<br />

tionsfähigkeit, Männer h<strong>in</strong>gegen ihren Status,<br />

und damit die Fähigkeit, Nachwuchs zu<br />

versorgen, signalisieren. Die „<strong>in</strong>nere Botschaft“<br />

e<strong>in</strong>es Signals ist also zunächst an e<strong>in</strong><br />

direktes Ziel gebunden. Mit Hilfe dieser Annahme<br />

könnten wir nun versuchen, die „<strong>in</strong>nere<br />

Botschaft“ e<strong>in</strong>iger Signale zu erschließen.<br />

E<strong>in</strong> nicht besonders bekanntes nichtsprachliches<br />

Signal ist das „Axilla-Präsentieren“.<br />

Bei dieser Körperhaltung werden die<br />

Hände im Nacken verschränkt, wobei die<br />

Oberarme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e waagrechte Stellung kommen<br />

und die Achselhöhlen freigelegt werden.<br />

Diese Körperhaltung wird, wenn sie von e<strong>in</strong>er<br />

Frau e<strong>in</strong>genommen wird, von Goffmann<br />

(1979: 31) als „convey<strong>in</strong>g a sense of one’s<br />

body be<strong>in</strong>g a delicate and precious th<strong>in</strong>g“ <strong>in</strong>terpretiert.<br />

Damit würde dieses Signal dem<br />

Werbeverhalten und den sexuellen Signalen<br />

zugeordnet. Das Signal als solches würde<br />

Körperformen zur Schau stellen, die mit dem<br />

Reproduktionserfolg zu tun haben (vgl.<br />

Abb. <strong>168.</strong>15).<br />

Die Interpretation des Signals sieht ganz<br />

anders aus, sobald e<strong>in</strong> Mann dieselbe Stellung<br />

e<strong>in</strong>nimmt. Scheflen (1972) <strong>in</strong>terpretiert<br />

dieselbe Haltung, diesmal von e<strong>in</strong>em Mann<br />

e<strong>in</strong>genommen, als charakteristisches Signal<br />

der Dom<strong>in</strong>anz.<br />

Die Bedeutungen „sexuelles Interesse“ und<br />

„Dom<strong>in</strong>anz“ wurden von Grammer (1990)<br />

beide <strong>in</strong> gemischtgeschlechtlichen Dyaden<br />

nachgewiesen. Interessanterweise können<br />

Frauen jedoch beide Bedeutungen benutzen:<br />

sie zeigen dieses Signal, wenn sie völlig un<strong>in</strong>teressiert<br />

an e<strong>in</strong>em Mann s<strong>in</strong>d (solange er sie<br />

nicht anschaut), und ebenso im anderen Extremfall,<br />

wenn sie hohes Interesse an e<strong>in</strong>em<br />

Mann haben. Es wäre jetzt zu überprüfen,<br />

welche Triggersignale welche Bedeutung hervorrufen.<br />

Sicherlich spielen dabei Geschlecht,<br />

Alter und Reproduktionsstatus des <strong>Interaktion</strong>spartners<br />

die wichtige Rolle.<br />

Die <strong>in</strong>nere Botschaft, oder die Bedeutung<br />

von Signalen, ist also direkt an den wichtigsten<br />

Begriff der biologischen Betrachtung<br />

von Signalen gebunden, den der Funktion.<br />

6. Die Funktion von Signalen<br />

In der Verhaltensforschung haben sich e<strong>in</strong>e<br />

Reihe von Bed<strong>in</strong>gungen herausgeschält, an<br />

Hand derer die Funktion e<strong>in</strong>es Verhaltens erschlossen<br />

werden kann (H<strong>in</strong>de 1975). Die<br />

proximate Funktion e<strong>in</strong>es Verhaltens liegt<br />

meist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em direkten Effekt auf e<strong>in</strong>en <strong>Interaktion</strong>spartner.<br />

Die ultimate Funktion e<strong>in</strong>es<br />

Verhaltens betrifft dessen evolutiven<br />

S<strong>in</strong>n, d. h. den Vorteil, den es se<strong>in</strong>en Trägern<br />

erbracht haben könnte.<br />

Proximate Funktionen können bestimmt<br />

werden durch:<br />

(1) Evidenz aus dem Kontext<br />

In unseren bisherigen Ausführungen haben<br />

wir den „Kontext“ als ungeeignet für den<br />

Schluß auf die Bedeutung e<strong>in</strong>es Signals erachtet.<br />

Deshalb sollte dieser Punkt durch die<br />

Forderung nach der konstanten An- oder Abwesenheit<br />

von bestimmten Triggersignalen<br />

ersetzt werden. Wenn nun e<strong>in</strong> Signal immer<br />

mit bestimmten Triggersignalen gepaart vorkommt,<br />

dann kann man davon ausgehen,<br />

daß die vorhandenen Triggersignale die<br />

Funktion des beobachteten Verhaltens be-


3470 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

stimmen, zum Beispiel das Zeigen von Dom<strong>in</strong>anz<br />

oder sexuelles Präsentieren. Kennt man<br />

die Bedeutung der Triggersignale nicht, dann<br />

muß die Funktion durch<br />

(2) Evidenz aus den Konsequenzen<br />

erschlossen werden. In diesem Falle heißt<br />

dies, daß e<strong>in</strong> Signal immer wieder den gleichen<br />

Effekt bei der Zielperson hervorrufen<br />

sollte (vgl. den Kommutationstest <strong>in</strong> der von<br />

Hjelmslev und Prieto entwickelten Form;<br />

siehe Art. 4 § 4.1.).<br />

Diese beiden Bed<strong>in</strong>gungen lassen sich nun<br />

auch auf die Untersuchung der Triggersignale<br />

selbst anwenden.<br />

6.1. We<strong>in</strong>en als Beispiel<br />

Es kommt <strong>in</strong> Konflikten zwischen K<strong>in</strong>dern<br />

öfter vor, daß e<strong>in</strong>es der K<strong>in</strong>der we<strong>in</strong>t. Wir<br />

beobachteten, daß <strong>in</strong> 35 von 36 Fällen, <strong>in</strong> denen<br />

e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d we<strong>in</strong>te, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d die Partei des<br />

we<strong>in</strong>enden K<strong>in</strong>des ergriff (Grammer 1988).<br />

Es half ihm dann gegen die anderen K<strong>in</strong>der.<br />

Also kann man davon ausgehen, daß das we<strong>in</strong>ende<br />

K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> jedem Fall, unabhängig vom<br />

Stand des Konflikts, Hilfe bekommt. We<strong>in</strong>en<br />

ist also e<strong>in</strong> starkes, Betreuung auslösendes Signal.<br />

Es hat e<strong>in</strong>en emotionalen H<strong>in</strong>tergrund,<br />

und se<strong>in</strong>e Signalwirkung ist festgelegt. Sagi<br />

und Hoffmann (1976) nehmen an, daß We<strong>in</strong>en,<br />

welches nach Eibl-Eibesfeldt (1979)<br />

stark aggressionshemmend wirkt, Empathie<br />

<strong>in</strong>duziert. Sie wiesen nämlich bei e<strong>in</strong>en Tag<br />

alten K<strong>in</strong>dern nach, daß diese auf e<strong>in</strong>en<br />

Säugl<strong>in</strong>gsschrei mit We<strong>in</strong>en reagierten, was<br />

auf angeborene Mechanismen schließen läßt.<br />

Nach Landreth (1941) gibt es unter 35<br />

Jahre alten K<strong>in</strong>dern ke<strong>in</strong>e altersabhängigen<br />

Häufigkeiten des We<strong>in</strong>ens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe.<br />

In 75% aller von ihr beobachteten Fälle waren<br />

Konflikte mit e<strong>in</strong>em anderen K<strong>in</strong>d der<br />

auslösende Faktor, seltener waren zufällige<br />

Verletzungen bzw. Frustration durch Objekte<br />

im Spiel (etwas funktionierte nicht), und erst<br />

an letzter Stelle stand Unsicherheit. Mädchen<br />

we<strong>in</strong>en zwar öfter <strong>in</strong> Konflikten als Jungen,<br />

es gibt aber e<strong>in</strong>e starke <strong>in</strong>dividuelle Variation;<br />

manche K<strong>in</strong>der we<strong>in</strong>en nie. Die Antworten<br />

auf We<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d stark selektiv: ihre Anzahl<br />

hängt von der Häufigkeit ab, mit der das<br />

K<strong>in</strong>d we<strong>in</strong>t. We<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d oft, erhält es<br />

zwar viele Antworten, es wird aber nicht jedes<br />

We<strong>in</strong>en beantwortet. We<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d dagegen<br />

selten, dann erhält es auf fast jedes We<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong>e Antwort. Antworten bestehen im Beruhigen<br />

und im Gewähren von Hilfe; das K<strong>in</strong>d,<br />

das das We<strong>in</strong>en ausgelöst hat, wird gerügt<br />

oder bestraft. Es gilt aber auch, daß K<strong>in</strong>der,<br />

die viel we<strong>in</strong>en, dann für ihr We<strong>in</strong>en verspottet<br />

werden.<br />

Nach Vaughn und Waters (1980) ist unprovoziertes<br />

Ärgern und Necken der Hauptauslöser<br />

für We<strong>in</strong>en. Nur We<strong>in</strong>en verändert<br />

oder beendet das Angriffsverhalten des Angreifers,<br />

We<strong>in</strong>en ruft also Hilfe herbei und<br />

manipuliert den Angreifer.<br />

Dies ist möglich, weil We<strong>in</strong>en unsere Aufmerksamkeit<br />

erregt. Wir blicken <strong>in</strong> die Richtung,<br />

aus welcher die Lautäußerungen kommen,<br />

nehmen an, daß jemand <strong>in</strong> Schwierigkeiten<br />

ist, fühlen uns irgendwie irritiert und<br />

versuchen zu helfen. Das We<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des<br />

löst <strong>in</strong> fast jedem Fall Betreuung aus. In<br />

westlichen Kulturen reagieren 5080% der<br />

Mütter mit Annähern, Reden, Aufnehmen,<br />

Halten (Bell und A<strong>in</strong>sworth 1972, Bernal<br />

1972). Konner (1972) stellt fest, daß Buschmannfrauen<br />

das We<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des im ersten<br />

Lebensjahr nie ignorieren, und Schiefenhövel<br />

(1984) berichtet, daß das We<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>es<br />

K<strong>in</strong>des bei den Eipo unmittelbare Reaktionen<br />

der Mutter und anderer Personen auslöst.<br />

Ähnliche Beobachtungen über hilfeauslösende<br />

Signale machte G<strong>in</strong>sburg (1977 und<br />

1980) für das „Sich-kle<strong>in</strong>er-Machen“ bei der<br />

Beobachtung von Konflikten auf e<strong>in</strong>em<br />

Schulhof. Dem dort äußerst rüden Angriffsverhalten:<br />

Schlagen, Boxen, Anspr<strong>in</strong>gen,<br />

Schwitzkasten, Stoßen, Ziehen und Treten<br />

setzen die K<strong>in</strong>der spezifische Mittel entgegen.<br />

Wegrennen ist ke<strong>in</strong> effektives Mittel, um e<strong>in</strong>en<br />

Angriff zu beenden, denn es löst Jagen<br />

aus. Die Aggressionen werden aber gestoppt<br />

durch Kopf-Senken, Schultern-Senken, Knien<br />

mit Blickvermeidung, bewegungslos auf dem<br />

Rücken Liegen mit ausgestreckten Extremitäten<br />

und passives H<strong>in</strong>geben (d. h. der Aggressor<br />

könnte den anderen bewegen, wie er<br />

wollte). Beim Knien kommt oft auch e<strong>in</strong>e<br />

Übersprungshandlung vor: die K<strong>in</strong>der b<strong>in</strong>den<br />

dann ihre Schuhe zu. Das könnte auch<br />

e<strong>in</strong> Appell an den Aggressor se<strong>in</strong>: „Greif<br />

nicht e<strong>in</strong>en gehandicapten Gegner an!“ Auch<br />

e<strong>in</strong>e andere Interpretation liegt nahe: „Wenn<br />

me<strong>in</strong> Schuh nicht offen gewesen wäre, hätt’<br />

ich dich verprügelt“, also Gesicht-Wahren.<br />

All diese Verhaltensweisen haben e<strong>in</strong>en signifikanten<br />

Effekt auf die Beendigung des Angriffs.<br />

Hörte der Angreifer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen<br />

Fall nicht auf, dann griff meist e<strong>in</strong> drittes<br />

K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> und half dem unterlegenen.<br />

6.2. Brauenheben als Beispiel<br />

Das schnelle Brauenheben ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturell<br />

formkonstantes Signal. Grammer u. a.<br />

(1988) zeigten zudem, daß es <strong>in</strong> konstante


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

Muster mit anderen Gesichtsmuskelbewegungen<br />

e<strong>in</strong>geht. Der Beweis dafür ist die zeitliche<br />

Beziehung von Starts und Stops von anderen<br />

Gesichtsmuskelbewegungen relativ<br />

zum Brauenheben. Kurz bevor das Brauenheben<br />

beg<strong>in</strong>nt, werden die meisten anderen<br />

Gesichtsmuskelbewegungen beendet. Zusammen<br />

mit dem Brauenheben beg<strong>in</strong>nen viele andere<br />

Bewegungen, und während des Brauenhebens<br />

beg<strong>in</strong>nen ke<strong>in</strong>e neuen Bewegungen.<br />

Betrachtet man aber die verschiedenen anderen<br />

Gesichtsmuskelbewegungen, so f<strong>in</strong>det<br />

man mit Ausnahme der Kontraktion des<br />

Musculus zygomaticus major ke<strong>in</strong>e konstanten,<br />

<strong>in</strong> allen Kulturen vorkommenden Komb<strong>in</strong>ationen.<br />

Deshalb kann man hier zunächst<br />

e<strong>in</strong>mal von e<strong>in</strong>er Grundfunktion des Brauenhebens<br />

als „Ausrufezeichen“ und Markierung<br />

von anderen Muskelbewegungen ausgehen.<br />

Eibl-Eibesfeldt (1984) schreibt dem<br />

Brauenheben unter anderem die Bedeutung<br />

des Ausdrucks freudiger Überraschung zu.<br />

Moore (1985) beschreibt es als „Flirtsignal“<br />

mit Aufforderungscharakter.<br />

Betrachtet man die parallel gesendeten<br />

Triggersignale Alter und Geschlecht <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Kulturen (denen der Yanomami,<br />

der Eipo und der Trobriander; siehe oben<br />

§ 2.), dann zeigt sich Überraschendes: Männer<br />

senden dieses Signal <strong>in</strong> allen drei untersuchten<br />

Kulturen. Mit Ausnahme e<strong>in</strong>er Kultur,<br />

nämlich der der Trobriand<strong>in</strong>sulaner, s<strong>in</strong>d<br />

Männer jedoch selten Empfänger. Männer<br />

richten dieses Signal <strong>in</strong> allen Kulturen häufig<br />

an Frauen. In allen drei Kulturen senden<br />

Frauen das Signal selten an Männer, sondern<br />

meist an Frauen. Aber auch K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d Sender.<br />

Sie senden das Signal <strong>in</strong> zwei Kulturen<br />

am häufigsten an Männer. Nur bei den Eipo<br />

ist der häufigste Empfänger e<strong>in</strong>es von e<strong>in</strong>em<br />

K<strong>in</strong>d gesendeten Signals e<strong>in</strong>e Frau.<br />

Bei e<strong>in</strong>er Interpretation als Flirtsignal<br />

müßten Männer auf Trobriand am häufigsten<br />

mit Männern flirten, bei den Eipo und<br />

den Yanomami Frauen mit Frauen.<br />

Aus diesem Beispiel wird ersichtlich, daß<br />

tatsächlich die Triggersignale die Bedeutung<br />

bestimmen. E<strong>in</strong> Signal alle<strong>in</strong> kann se<strong>in</strong>e Bedeutung<br />

ändern erst das Ausrufezeichen <strong>in</strong><br />

Komb<strong>in</strong>ation mit sexuellen Signalen könnte<br />

Aufforderungscharakter bekommen.<br />

Die Interpretation und damit die Zuschreibung<br />

von Bedeutung liegt also beim Empfänger.<br />

Interessanterweise entsteht dadurch e<strong>in</strong>e<br />

gewisse Ambiguität beim Senden von Signalen.<br />

Der Empfänger kann sich nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />

sicher se<strong>in</strong>, daß die Bedeutung, die der<br />

3471<br />

Sender <strong>in</strong> das Signal legt, auch die ist, die er<br />

dekodiert hat. War es nun e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Ausrufezeichen,<br />

oder war es e<strong>in</strong>e Aufforderung?<br />

In dieser Zweideutigkeit liegt die hohe Wirksamkeit<br />

nicht-sprachlicher Signale begründet.<br />

Sie s<strong>in</strong>d unverb<strong>in</strong>dlich und erlauben es,<br />

andere Personen und deren Verhaltenstendenzen<br />

auszutesten, ohne e<strong>in</strong>e <strong>Interaktion</strong>sverpflichtung<br />

e<strong>in</strong>zugehen. Dies ist auch ihr<br />

pr<strong>in</strong>zipieller Vorteil gegenüber dem E<strong>in</strong>satz<br />

von Sprache.<br />

6.3. Lachen als Beispiel<br />

Für das Lächeln und das laute Lachen werden<br />

e<strong>in</strong>e Reihe von Funktionen diskutiert.<br />

Van Hooff (1972) beschreibt das Lächeln als<br />

e<strong>in</strong>es der ältesten Verhaltensmuster der Primaten,<br />

und nach ihm hat es zum<strong>in</strong>dest zwei<br />

mögliche Wurzeln. Zuerst f<strong>in</strong>det sich das<br />

„vocalized bared-teeth display“, bei dem Lippen<br />

und Mundw<strong>in</strong>kel zurückgezogen s<strong>in</strong>d<br />

und der Mund geöffnet ist. Das Signal<br />

kommt meistens dann vor, wenn die Tiere bedroht<br />

werden. Es entwickelt sich dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

generelles Signal der Frustration und der Erregung,<br />

es wird „display“. Bis zum Menschen<br />

verbreitert sich die Bedeutung, und das „vocalized<br />

bared-teeth display“ wird allmählich<br />

zum Signal der Submission und Freundlichkeit<br />

zum Lächeln.<br />

Doch nimmt man an, daß das laute Lachen<br />

se<strong>in</strong>e Wurzeln im sogenannten „relaxed<br />

open mouth display“ hat, e<strong>in</strong>em weit verbreiteten<br />

Muster, das von fast allen Primaten<br />

während des Spiels gezeigt, und auch dort<br />

von typischen Lautäußerungen begleitet<br />

wird. Damit wird es zum metakommunikativen<br />

Signal, das mitteilt: „Beachte, das was ich<br />

tue, ist Spiel“.<br />

Beim Menschen werden dann beide Muster<br />

gemischt und Lächeln und Lachen verwirklichen<br />

zwei Extremfälle e<strong>in</strong>es Kont<strong>in</strong>uums<br />

zwischen aversivem und freundlichem<br />

Verhalten, wobei <strong>in</strong> beiden Fällen die metakommunikative<br />

Mitteilung ,Spiel‘ h<strong>in</strong>zutritt.<br />

Eibl-Eibesfeldt (1984) schreibt dem von<br />

ihm als aggressiv bewerteten lauten Lachen<br />

e<strong>in</strong>e b<strong>in</strong>dende Funktion zu: das „Hassen“<br />

(englisch: „mobb<strong>in</strong>g“); es verb<strong>in</strong>det die, die<br />

zusammen über e<strong>in</strong>en Dritten lachen.<br />

Grammer und Eibl-Eibesfeldt (1989)<br />

konnten nachweisen, daß all diese Funktionen<br />

beim Lachen vorliegen und daß die<br />

jeweilige Bedeutung erst durch die Anwesenheit<br />

bestimmter Triggersignale entsteht (vgl.<br />

Abb. <strong>168.</strong>16).


3472 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

Abb. <strong>168.</strong>16: Funktionen des Lachens.<br />

Diese Triggersignale s<strong>in</strong>d zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der<br />

Körperhaltung, die die/der Lachende e<strong>in</strong>nimmt,<br />

zu f<strong>in</strong>den. Die Präsentation der Körperl<strong>in</strong>ie<br />

durch die Frau bei hohem Interesse<br />

kann als sexuelles Signal bezeichnet werden.<br />

Lachen hätte hier demnach e<strong>in</strong>en sexuellen<br />

Aufforderungscharakter. Parallel gesendete<br />

offene Körperhaltungen werden von Männern<br />

und (vor allem) von Frauen e<strong>in</strong>genommen,<br />

die hohes Interesse am jeweiligen Partner<br />

haben. Offene Körperhaltungen verraten<br />

demnach als Triggersignale allgeme<strong>in</strong>es Interesse.<br />

Geschlossene Körperhaltungen dagegen<br />

zeigen Ablehnung an. Die Signalfunktion des<br />

Lachens wird jedoch durch die metakommunikative<br />

Funktion, die es e<strong>in</strong>nehmen kann,<br />

kompliziert, <strong>in</strong>dem es die parallel ablaufenden<br />

Handlungen als Spielmodus def<strong>in</strong>iert<br />

(vgl. Abb. <strong>168.</strong>17).<br />

Lachen signalisiert dann im e<strong>in</strong>en Fall herablassende<br />

Dom<strong>in</strong>anz oder Unsicherheit, im<br />

anderen Fall (vor allem <strong>in</strong> gemischtgeschlechtlichen<br />

Dyaden, und dann im Spielmodus)<br />

sexuelle Herausforderung. Damit erleichtert<br />

Lachen auch die Kommunikation <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er potentiell gefährlichen Situation.<br />

6.4. Sprachliche und nicht-sprachliche<br />

Kommunikation<br />

Besonders <strong>in</strong>teressant ist das Verhältnis der<br />

verbalen Komponente zu den übrigen Komponenten<br />

(vgl. Art. 13 § 2.). Mehrabian (zusammengefaßt<br />

<strong>in</strong> Mehrabian 1972) untersuchte,<br />

welche Wirkung visuelles Verhalten<br />

(vor allem der Gesichtsausdruck), vokales<br />

Verhalten (<strong>in</strong> diesem Fall Stimmklang und<br />

Stimmqualität) und verbales Verhalten auf<br />

die Beurteilung von Personen haben. In den<br />

Untersuchungen von Rollenspielen wurde jeweils<br />

e<strong>in</strong>e positive oder e<strong>in</strong>e negative E<strong>in</strong>stellung<br />

zu e<strong>in</strong>er anderen Person dargestellt. Dabei<br />

wurden auch diskrepante Komb<strong>in</strong>ationen,<br />

zum Beispiel positive verbale Darstellung<br />

komb<strong>in</strong>iert mit negativer visueller Darstellung,<br />

untersucht. Aus dieser Arbeit entstand<br />

die generelle Aussage, daß Beobachter<br />

den nicht-sprachlichen Kanälen e<strong>in</strong> größeres<br />

Gewicht geben als dem verbalen Kanal. Obwohl<br />

dies generell gilt, wird dieser Unterschied<br />

bei <strong>in</strong>konsistenten oder diskrepanten<br />

Mitteilungen noch verstärkt. Wendet man regressionsstatistische<br />

Analysen an, dann f<strong>in</strong>det<br />

man, daß sich die Wirkung e<strong>in</strong>er Botschaft<br />

zu etwa 55% aus visuellen Signalen, hier der<br />

Mimik, zu 38% aus der vokalen und lediglich<br />

zu 7% aus der verbalen Mitteilung zusammensetzt.<br />

Siddiqi u. a. (1973) haben diese Angaben<br />

weitgehend repliziert. In e<strong>in</strong>em Übersichtsartikel<br />

zeigen Posner u. a. (1976), daß<br />

die visuelle Information <strong>in</strong> den verschiedensten<br />

Reaktionsaufgaben über k<strong>in</strong>ästhetische<br />

oder akustische Information dom<strong>in</strong>iert.


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

3473<br />

Abb. <strong>168.</strong>17: Körperhaltungen beim Lachen: Die Bedeutung des Lachens wird durch Körperhaltungen modifiziert.<br />

Das Bild oben zeigt die am häufigsten vorkommenden Haltungen. Das Bild <strong>in</strong> der Mitte zeigt die<br />

Konfigurationen, die entstehen, wenn beide Personen hohes Interesse ane<strong>in</strong>ander zeigen (weibliche Figur<br />

l<strong>in</strong>ks: sexuelle Präsentation; männliche Figur rechts: Dom<strong>in</strong>anz). Bei ger<strong>in</strong>gem Interesse nehmen die Personen<br />

die unten dargestellten Körperhaltungen e<strong>in</strong> (weibliche Figur: Dom<strong>in</strong>anz; männliche Figur: Aversion).


3474 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

Die Kommunikationskanäle sche<strong>in</strong>en damit<br />

unterschiedlicher Gewichtung zu unterliegen.<br />

Vor allem bei <strong>in</strong>konsistenten Botschaften,<br />

<strong>in</strong> denen die verbale Aussage nicht<br />

mit den visuell empfangenen Signalen übere<strong>in</strong>stimmt,<br />

legen die Empfänger mehr Wert<br />

auf den visuellen Kanal (Bugental u. a. 1970).<br />

Auf Grund der universellen Verbreitung<br />

s<strong>in</strong>d diese parasprachlichen und prosodischen<br />

Signale auch als Triggersignale zu bezeichnen,<br />

da <strong>in</strong> vielen Fällen erst ihre Anwesenheit<br />

die Dekodierung des sprachlichen Inhalts<br />

zuläßt. Noller (1984) ließ Ehepaare<br />

durch Äußerung des Satzes „Mir ist es kalt,<br />

dir nicht?“ mit wechselnden prosodischen<br />

und parasprachlichen Signalen drei Mitteilungen<br />

erzeugen: „Bitte, mach die Tür zu“,<br />

„Ist es dir nicht auch kalt?“ und „Bitte<br />

komm, und wärme mich mit de<strong>in</strong>em Körper“.<br />

Unglücklich verheiratete Ehepaare waren<br />

dabei schlechte Dekodierer der Botschaften.<br />

Jede Sprache sche<strong>in</strong>t darüberh<strong>in</strong>aus<br />

Standardmuster des Tonhöhenverlaufs für<br />

bestimmte grammatische Strukturen zu besitzen.<br />

Außersprachliche Phänomene f<strong>in</strong>den wir<br />

<strong>in</strong> Gesten wieder (Argyle 1982, McNeill 1992,<br />

Müller 1998, Schmauser und Noll 1999, Müller<br />

und Posner 2002). Sprachbegleitend f<strong>in</strong>den<br />

wir „Batons“, die bestimmte Aussagen<br />

unterstreichen, ebenso wie Illustratoren, die<br />

Objekte umschreiben oder physische Formen<br />

darstellen. Auch Blickkontakt spielt <strong>in</strong> <strong>Interaktion</strong>en<br />

e<strong>in</strong>e wesentliche sprachbegleitende<br />

Rolle. Kendon (1967) zeigte, daß Personen<br />

am Ende e<strong>in</strong>er Aussage häufiger den Partner<br />

anschauen als am Beg<strong>in</strong>n. Das schnelle<br />

Brauenheben hat, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er kurzen Form, e<strong>in</strong>e<br />

sprachunterstreichende Wirkung. Es kommt<br />

hauptsächlich <strong>in</strong> Zusammenhang mit Adjektiven<br />

vor (Walker und Trimboli 1983).<br />

Nicht-sprachliche Zeichen haben deshalb<br />

<strong>in</strong> <strong>Interaktion</strong>en auch Kontrollfunktionen.<br />

Langes Anschauen am Ende e<strong>in</strong>er sprachlichen<br />

Äußerung sche<strong>in</strong>t vom Partner als<br />

Sprechaufforderung <strong>in</strong>terpretiert zu werden<br />

(Kendon 1967). E<strong>in</strong>e ähnliche Funktion hat<br />

e<strong>in</strong>e abs<strong>in</strong>kende Tonhöhe (Duncan 1972) und<br />

e<strong>in</strong> Zurückführen der Hände und Arme <strong>in</strong><br />

ihre Ausgangsposition. Geschieht dies nicht,<br />

so wird das vom Partner als Zeichen dafür<br />

<strong>in</strong>terpretiert, daß der Sprecher weitersprechen<br />

will.<br />

Das Entschlüsseln von sprachlichen Inhalten<br />

im weitesten S<strong>in</strong>ne ist aus diesen Gründen<br />

von parallel gesendeten nicht-sprachlichen<br />

Signalen abhängig (zur Rolle der relativen<br />

Dauer dieser Signale siehe Posner 1994).<br />

Sprachliche Zeichen <strong>in</strong> <strong>Interaktion</strong>en entstehen<br />

also nur aus dem Zusammenspiel und<br />

der Verschränkung von nicht-sprachlichen<br />

und verbalen Teilen der Botschaft.<br />

7. Manipulation und Kommunikation<br />

Wenn Menschen bei der Entschlüsselung von<br />

Botschaften <strong>in</strong> <strong>Interaktion</strong>en mit anderen<br />

Menschen primär nicht-sprachliche Signale<br />

heranziehen, dann eignen sich diese Signale<br />

auch <strong>in</strong> besonderem Maße zur Manipulation<br />

(vgl. Art. 4 § 1.3.).<br />

Signale stehen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie im Dienst<br />

von Zielen des Senders. Diese Ziele werden<br />

jedoch nicht immer auch von <strong>Interaktion</strong>spartnern<br />

akzeptiert.<br />

Es geht mith<strong>in</strong> auch darum, möglichst zu<br />

vermeiden, daß der Partner „Verhaltensblokkierungen“<br />

schafft, die den Weg zum Ziel<br />

verlegen (Charlesworth 1978, Grammer<br />

1988). Als Verhaltensblockierungen fungieren<br />

all diejenigen Handlungen e<strong>in</strong>er Person oder<br />

die äußeren Umstände, die e<strong>in</strong>e andere davon<br />

abhalten, ihr Ziel zu erreichen. E<strong>in</strong> Handelnder<br />

muß folglich vorausschauend versuchen,<br />

mögliche Verhaltensblockierungen zu erkennen,<br />

und sie bereits im Vorfeld beseitigen.<br />

Das Risiko e<strong>in</strong>er möglichen Ablehnung oder<br />

e<strong>in</strong>er Blockierung gefährdet schließlich nicht<br />

nur das „Gesicht“ des jeweiligen Handelnden,<br />

sondern kann auch dessen bereits getätigte<br />

Investitionen zunichte machen.<br />

Erste Voraussetzung für die Lösung e<strong>in</strong>es<br />

sozialen Problems ist das Vorhandense<strong>in</strong> kognitiver<br />

Strukturen, die es erlauben, Vorhersagen<br />

über mögliche Reaktionen des Partners<br />

zu machen. Solche Strukturen f<strong>in</strong>den wir zunächst<br />

<strong>in</strong> den Konzepten über zwischenmenschliche<br />

Beziehungen und <strong>in</strong> der Bewertung<br />

sozialer Ziele. Beziehungsparameter wie<br />

soziale Distanz (Freundschaft) oder relative<br />

Macht (Dom<strong>in</strong>anz) s<strong>in</strong>d Konzepte, die den<br />

Grad der Nachgiebigkeit beim Gegenüber<br />

voraussagen. Deshalb eignen sie sich <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie dazu, die mögliche Akzeptanz der eigenen<br />

Ziele durch den Partner zu bestimmen.<br />

Große soziale Distanz und große relative<br />

Macht auf der Seite des Handelnden m<strong>in</strong>dern<br />

das Risiko, das Ziel nicht zu erreichen. E<strong>in</strong><br />

weiteres Erfordernis ist die präzise Bewertung<br />

des geplanten Zieles selbst, das entstehendes<br />

Risiko verr<strong>in</strong>gern kann.<br />

Die zweite Voraussetzung ist die Existenz<br />

e<strong>in</strong>es Verhaltensrepertoires, das vorhersag-


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

bare Änderungen im Verhalten des Partners<br />

hervorruft. Dadurch wird e<strong>in</strong> <strong>in</strong>strumenteller<br />

E<strong>in</strong>satz von Verhaltensweisen möglich, mit<br />

deren Hilfe vorhersagbare Verhaltensänderungen<br />

beim Partner hervorgerufen werden<br />

können. Damit ist aber auch der Manipulation<br />

von anderen Personen durch Signale Tür<br />

und Tor geöffnet: sobald e<strong>in</strong> Signal, auch<br />

wenn es nicht <strong>in</strong> den akuten Zielbereich gehört,<br />

e<strong>in</strong>en Vorteil für die Zielerreichung verspricht,<br />

kann es e<strong>in</strong>gesetzt werden. Damit<br />

wird der Vorteil, der aus der Existenz flexibler<br />

Signalsysteme entsteht, deutlich: sie erlauben<br />

die direkte Manipulation von anderen.<br />

Freilich ist dieses System nicht völlig frei<br />

nutzbar. Die Beschränkungen für den E<strong>in</strong>satz<br />

von Verhalten auf <strong>in</strong>strumenteller Ebene liegen<br />

<strong>in</strong> der Wahrnehmung der Zielperson.<br />

Diese tendiert dazu, das Verhalten des Handelnden<br />

als zielgerichtet nämlich auf sich<br />

bezogen und kausal zu <strong>in</strong>terpretieren. Deshalb<br />

werden bei hohem Risiko „Umwege“ im<br />

Verhalten notwendig, die für das Erreichen<br />

des Ziels den Boden bereiten, dabei die Investitionen<br />

anfänglich ger<strong>in</strong>g lassen und zugleich<br />

die Handlungsfähigkeit aufrechterhalten.<br />

Umwege erfordern hohen Zeit- und Kostenaufwand.<br />

Die Länge der Umwege wird<br />

außerdem durch die Zeit, die zum Erreichen<br />

des Ziels zur Verfügung steht, begrenzt. Der<br />

Handelnde wird mith<strong>in</strong> gezwungen, se<strong>in</strong>e Absichten<br />

irgendwann e<strong>in</strong>mal zu offenbaren.<br />

Dadurch entsteht nun e<strong>in</strong> risikobezogenes<br />

E<strong>in</strong>planen von Umwegen, deren System sich<br />

im sequentiellen Ablauf der Handlungsschritte,<br />

die zur Erreichung e<strong>in</strong>es Zieles e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden, ausdrückt (vgl. Art. 113 § 4.4.).<br />

Aus diesen Überlegungen ergeben sich<br />

m<strong>in</strong>destens vier Grundfunktionen der Signalbedeutung:<br />

(1) Demonstration von Dom<strong>in</strong>anz,<br />

(2) Demonstration von Submissivität,<br />

(3) Demonstration von Freundschaft,<br />

(4) Instrumenteller E<strong>in</strong>satz (z. B. Hilferufe<br />

an Dritte oder das Verbergen von Absichten).<br />

Dazu kommen vier Typen von Funktionsbereichen,<br />

<strong>in</strong> denen diese Grundfunktionen<br />

vollzogen werden können (Argyle 1988): der<br />

Ausdruck von Emotionen, die Darstellung<br />

von Haltungen und Werten <strong>in</strong> <strong>Interaktion</strong>en,<br />

die Begleitung und Unterstützung von Sprache<br />

und die Selbstdarstellung.<br />

Wenn zwischenmenschliche Beziehungen<br />

Strukturen der Vorhersagbarkeit von Verhal-<br />

3475<br />

ten s<strong>in</strong>d, dann muß das Zur-Schau-Stellen<br />

von Dom<strong>in</strong>anz auch den Ausgang e<strong>in</strong>es Konfliktes<br />

bee<strong>in</strong>flussen. In Konflikten zwischen<br />

Vorschulk<strong>in</strong>dern kann man aus dem Verhalten<br />

der K<strong>in</strong>der, das sie zeigen, bevor der<br />

Konflikt offensichtlich wird, <strong>in</strong> manchen Fällen<br />

bereits den Sieger vorhersagen. E<strong>in</strong>e dieser<br />

Markierungen ist das „Plus-M<strong>in</strong>us-Gesicht“<br />

(Ziv<strong>in</strong> 1977).<br />

Stellt e<strong>in</strong> an e<strong>in</strong>em Konflikt beteiligtes<br />

K<strong>in</strong>d das Plus-Gesicht zur Schau, so läßt sich<br />

mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit vorhersagen,<br />

daß es den Konflikt gew<strong>in</strong>nen wird. Zeigt e<strong>in</strong>es<br />

der K<strong>in</strong>der h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>us-Gesicht,<br />

wird es sicherlich den Konflikt verlieren (vgl.<br />

Abb. <strong>168.</strong>18).<br />

Genauso wichtig wie Signale der Dom<strong>in</strong>anz<br />

s<strong>in</strong>d solche, die entweder Dom<strong>in</strong>anzverzicht<br />

oder Submission anzeigen. E<strong>in</strong>es der Signale<br />

des Dom<strong>in</strong>anzverzichtes ist das Zeigen<br />

von Ambivalenz, bei der Zuwendung und<br />

Abwendung vom <strong>Interaktion</strong>spartner oszillieren<br />

(Eibl-Eibesfeldt 1984). <strong>Interaktion</strong>en<br />

zwischen Fremden zeigen diese Ambivalenz<br />

aus Blickvermeidung und Blickkontakt besonders<br />

deutlich (vgl. Abb. <strong>168.</strong>19; siehe auch<br />

Abb. <strong>168.</strong>5 zum Bewegungsverlauf beim Lachen).<br />

In der Tat können auch bestimmte submissive<br />

Stellungen tätliche Angriffe blockieren.<br />

Diese Stellungen er<strong>in</strong>nern oft an Darw<strong>in</strong>s<br />

Pr<strong>in</strong>zip der Antithese. Dabei vergrößern aggressiv<br />

gestimmte Tiere ihre Körperumrisse,<br />

während unterlegene Tiere sich kle<strong>in</strong>er machen.<br />

Darw<strong>in</strong> (1872) stellte auch fest, daß Bewegungslosigkeit<br />

oder Totstellen (falls e<strong>in</strong>e<br />

Beute von e<strong>in</strong>em Jäger angegriffen wird) die<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>es weiteren Angriffes<br />

senkt. Submissive Stellungen s<strong>in</strong>d aber nicht<br />

nur e<strong>in</strong> Verbergen aggressionsauslösender<br />

Reize, sondern rufen direkte Aggressionshemmung<br />

hervor. Elemente der submissiven<br />

Stellungen aktivieren neurale Systeme, welche<br />

mit dem neuralen System für Aggression<br />

unvere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d. Aggressionen können auch<br />

durch Signale beschwichtigt werden, welche<br />

nicht oder nicht ursprünglich dem Verhaltens<strong>in</strong>ventar<br />

des agonistischen Systems zugehörig<br />

s<strong>in</strong>d. Sie zeichnen sich im Gegenteil dadurch<br />

aus, daß sie an e<strong>in</strong> Verhaltenssystem<br />

appellieren, welches als unvere<strong>in</strong>bar mit dem<br />

Angriffssystem gilt. Eibl-Eibesfeldt (1970) beschreibt<br />

solche beschwichtigenden Signale.<br />

Neben dem Sich-kle<strong>in</strong>er-Machen, d. h. Kopf-<br />

Senken, wirkt k<strong>in</strong>dliches Verhalten als Auslöser<br />

für Brutpflegeverhalten, auch wenn es <strong>in</strong><br />

Form von Infantilismen von Erwachsenen<br />

e<strong>in</strong>gesetzt wird. Auch als körperliches Merk-


3476 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

Abb. <strong>168.</strong>18: Das Plus-Gesicht: 1. S (l<strong>in</strong>ks; mit Plus-<br />

Gesicht) verbietet V (rechts), weiterh<strong>in</strong> Grimassen zu<br />

schneiden. 2. Da V nicht sofort auf die Schlagandrohung<br />

von S e<strong>in</strong>geht, droht S ihm e<strong>in</strong>en weiteren<br />

Schlag an. 3. Diese Drohung wird sofort ausgeführt,<br />

und V macht sich kle<strong>in</strong>er und schützt sich. 4. Auch<br />

e<strong>in</strong> Gegenangriff von V kann an der Situation nichts<br />

mehr ändern. S ist sich se<strong>in</strong>es Sieges gewiß.<br />

mal wirkt das K<strong>in</strong>dchenschema; außerdem<br />

können sexuelle Signale zur Beschwichtigung<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden (vgl. Art. 27 § 4., Abb.<br />

27.15).<br />

E<strong>in</strong> ähnlicher Effekt wird dem Schräghalten<br />

des Kopfes zugesprochen (Montagner<br />

1978). Damit soll erreicht werden, daß die<br />

drohende Wirkung, die von den Augen ausgeht,<br />

durch Verschiebung <strong>in</strong> die Vertikale<br />

aufgehoben wird. Doch auch bei diesem Verhalten<br />

kommt Bewegungslosigkeit dazu. Der<br />

Körper wird still gehalten, der Kopf wird zudem<br />

gesenkt.<br />

Signale der Submission arbeiten also meist<br />

mit e<strong>in</strong>er W<strong>in</strong>kelkonfiguration als Grundpr<strong>in</strong>zip.<br />

Entweder wird der Kopf schräg gehalten<br />

und gesenkt, oder der Körper selbst<br />

wird abgew<strong>in</strong>kelt. Das Triggersignal <strong>in</strong> diesem<br />

Fall ist e<strong>in</strong>fach das Abw<strong>in</strong>keln aus der<br />

senkrechten Körperl<strong>in</strong>ie (vgl. Abb. <strong>168.</strong>20).<br />

Wenn e<strong>in</strong> Signal nun e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e bestimmte<br />

Bedeutung besitzt, sei sie als Auslöser<br />

oder Triggersignal im Laufe der Evolution<br />

entstanden oder e<strong>in</strong>e eigenständige kulturelle<br />

Entwicklung, dann ist dieses Signal<br />

außerhalb se<strong>in</strong>es normalen Funktionskreises<br />

als e<strong>in</strong>e Art Werkzeug e<strong>in</strong>setzbar.<br />

Besonders deutlich wird dies am Beispiel<br />

des We<strong>in</strong>ens. We<strong>in</strong>en kann nicht nur e<strong>in</strong>fach<br />

Dritte herbeirufen und den Störenfried von<br />

se<strong>in</strong>em weiteren Tun abhalten, es kann auch<br />

helfen, e<strong>in</strong>en Streit zu gew<strong>in</strong>nen, da es doch<br />

quasi als Werkzeug benutzt werden kann.<br />

Se<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satz ist ganz unabhängig von se<strong>in</strong>em<br />

emotionalen H<strong>in</strong>tergrund <strong>in</strong> den unterschiedlichsten<br />

Situationen möglich, wenn es darum<br />

geht, bestimmte Ziele zu erreichen. E<strong>in</strong> so<br />

wirksames Signal bietet sich aber auch dazu<br />

an, ausgebeutet zu werden. Die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> unserer<br />

Gruppe wissen um diese Möglichkeit<br />

und schieben dem e<strong>in</strong>en Riegel vor: Bezeichnungen<br />

wie „Heulsuse“ und Verspottung des<br />

We<strong>in</strong>enden s<strong>in</strong>d nicht selten. Auch der E<strong>in</strong>satz<br />

von Signalen wird also durch Regeln geleitet.<br />

E<strong>in</strong>e andere Art des <strong>in</strong>strumentellen E<strong>in</strong>satzes<br />

von nicht-sprachlichem Verhalten<br />

wurde von Salter dokumentiert (1989; persönliche<br />

Mitteilung). Die Situationen, die<br />

Salter filmte, waren <strong>Interaktion</strong>en von Diskothekbesuchern<br />

mit Türstehern, die ihnen<br />

den E<strong>in</strong>tritt verwehrten (vgl. Abb. <strong>168.</strong>21). In<br />

dieser Situation setzen Frauen Verhaltensweisen<br />

und Triggersignale aus dem Bereich des<br />

Werbeverhaltens e<strong>in</strong>, um den Türsteher zu<br />

überreden. Sexuelle Präsentation und nichtsprachliches<br />

Flirtverhalten s<strong>in</strong>d dabei offensichtlich.<br />

Zunächst zeigen die Frauen sehr


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

3477<br />

Abb. <strong>168.</strong>19: Ambivalenz kommuniziert den Verzicht darauf, den anderen dom<strong>in</strong>ieren zu wollen. Die junge<br />

Inder<strong>in</strong> reagiert auf e<strong>in</strong> Kompliment mit e<strong>in</strong>em ambivalenten Lächeln, bei dem sie die untere Gesichtshälfte<br />

verdeckt und dann den Kopf abdreht (Filmbilder von I. Eibl-Eibesfeldt).


3478 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

Abb. <strong>168.</strong>20: W<strong>in</strong>kelpositionen: Die rechts abgebildete Person bezeugt Unterwerfung durch Abw<strong>in</strong>kelung von<br />

Kopf und Körper aus der Senkrechten (Fotos aus Goffman 1979).<br />

häufig Signale der Submission: sie schauen<br />

den Türsteher nicht direkt an, nähern sich<br />

und ziehen sich wieder zurück. Weibliches<br />

Flirtverhalten mischt <strong>in</strong> der Tat affiliative<br />

und submissive Signale, wozu häufig sexuelle<br />

Attribute (wie Brüste, Körperform u. dgl.) als<br />

Triggersignale e<strong>in</strong>gesetzt werden. Männer dagegen<br />

zeigen freundliche Verhaltensweisen,<br />

gemischt mit denen der Dom<strong>in</strong>anz (Grammer<br />

1989, Salter 1989).<br />

Salter beobachtete wiederholt, daß die<br />

oben erwähnten sexuellen Triggersignale besonders<br />

betont werden. Arm und Handbewegungen<br />

ersche<strong>in</strong>en zusammen mit der Körperorientierung<br />

als regelrechte Präsentationssignale.<br />

Die Bewegungen, die <strong>in</strong> dieser<br />

Situation ausgeführt werden, wie zum Beispiel<br />

über die Haare oder über die Brüste streichen,<br />

s<strong>in</strong>d verlangsamt, werden rhythmisch wiederholt,<br />

und am maximalen Flexionspunkt wird<br />

jeweils e<strong>in</strong>e Pause e<strong>in</strong>gelegt (3.54.5 Sek.), so<br />

daß sie tatsächlich als Signale und nicht als<br />

zufällige Selbstberührungen oder Unsicherheit<br />

gedeutet werden können. Vor allem die<br />

Darstellung der Brüste wird übertrieben: die<br />

Kleider werden vorne glatt gezogen und die<br />

Hände können sogar die Brüste umfassen.<br />

Die Aufmerksamkeit des Mannes wird damit<br />

direkt auf die Triggersignale gelenkt.<br />

Scheflen (1965) spricht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Fall,<br />

<strong>in</strong> dem sexuelle Präsentation außerhalb des<br />

Bereichs Flirt oder Werbung e<strong>in</strong>gesetzt wird,<br />

von „Quasi-Werbeverhalten“. In der Tat handelt<br />

es sich um den E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Werkzeuges,<br />

des sprichwörtlichen „Dietrich“, der das Tor<br />

zur Diskothek öffnen soll (und es hier auch<br />

tat).<br />

Vom <strong>in</strong>strumentellen E<strong>in</strong>satz von nichtsprachlichem<br />

Verhalten zu Täuschungsmanövern<br />

(wenn der <strong>Interaktion</strong>spartner über die<br />

tatsächlichen Ziele des Handelnden entweder<br />

im Unklaren gelassen wird oder wenn ihm<br />

andere als die tatsächlich verfolgten Ziele<br />

vorgespielt werden) ist es nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er<br />

Schritt.<br />

Bei Täuschungsmanövern kennen wir folgende<br />

Grundtypen:<br />

(1) das absichtliche (besser: an Ziele gebundene)<br />

Versorgen mit Falsch<strong>in</strong>formation<br />

und<br />

(2) das Zurückhalten von Information.<br />

Nach Dawk<strong>in</strong>s und Krebs (1978) s<strong>in</strong>d Täuschungsmanöver<br />

Strategien, die sich im <strong>in</strong>ter<strong>in</strong>dividuellen<br />

Wettbewerb auszahlen. Aber


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

3479<br />

Abb. <strong>168.</strong>21: Vor der Diskothek.<br />

Täuschungsmanöver werden dadurch e<strong>in</strong>geschränkt,<br />

daß man <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong> muß, unter<br />

Umständen die Richtigkeit se<strong>in</strong>er Mitteilung<br />

nachzuweisen, weil der Signalempfänger<br />

versuchen wird, sie zu überprüfen. Die Häufigkeit<br />

von Täuschungen wird nach Dawk<strong>in</strong>s<br />

und Krebs (1978) vor allem aber auch dadurch<br />

e<strong>in</strong>geschränkt, daß sich die angestrebte<br />

Reaktion des Empfängers auch für diesen im<br />

Durchschnitt auszahlen muß. Die Wirksamkeit<br />

von Täuschungsmanövern hängt <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie davon ab, daß sie nicht zu häufig<br />

auftreten (Wallace 1973).<br />

Harper (1992) nimmt an, daß es im Bereich<br />

der Signale e<strong>in</strong>e sogenannte Batessche<br />

Mimikry gibt. Diese Signalmimikry besteht<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie aus dem Senden von qualitativ<br />

<strong>in</strong>korrekter Information, sie wurde <strong>in</strong> der<br />

Evolution ursprünglich für die Vortäuschung<br />

der Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er gefährlichen Art<br />

durch Tiere e<strong>in</strong>er ungefährlichen entwickelt.<br />

Sobald jedoch Täuschung vorkommen<br />

kann, ergibt sich e<strong>in</strong>e Konsequenz: die Empfänger<br />

werden mißtrauisch, und Selektion<br />

auf Mißtrauen tritt e<strong>in</strong>, da derjenige, der die<br />

Täuschung besser entlarven kann, anderen<br />

gegenüber im Vorteil ist.<br />

Falls die Möglichkeit zur Täuschung besteht,<br />

entsteht e<strong>in</strong> kommunikatives Paradoxon<br />

(Grammer u. a. 1997). E<strong>in</strong>erseits müssen<br />

Intentionen <strong>in</strong> der Kommunikation dargestellt<br />

werden, um die eigenen Ziele verwirklichen<br />

zu können, andererseits steigt beim Erkennen<br />

der Intentionen durch den Empfänger<br />

dessen Möglichkeit, Täuschung anzuwenden.<br />

Es sollte also kommuniziert werden,<br />

ohne die eigenen Intentionen zu verraten<br />

(vgl. Art. 4 § 1.4.). Für diese Aufgabe eignen<br />

sich diejenigen Signale am besten, die der kognitiven<br />

Verarbeitung des Empfängers nicht<br />

direkt und bewußt zugänglich s<strong>in</strong>d. Grammer<br />

u. a. (1998) demonstrierten dies am sogenannten<br />

Werbetanz. In e<strong>in</strong>er <strong>Interaktion</strong> mit<br />

ihnen unbekannten Männern schaffen<br />

Frauen durch ihre Bewegungen sogenannte<br />

versteckte hierarchische Muster. Diese Muster<br />

zeichnen sich durch hohe Rhythmizität<br />

und e<strong>in</strong>en hohen Grad an Idiosynkrasie aus.<br />

Von 10 000 beobachteten Mustern konnten<br />

nur wenige mehrfach beobachtet werden.<br />

Entstehen solche Muster, fühlen sich Männer<br />

besser und angenehmer, wissen aber nicht,<br />

auf was dies zurückzuführen ist. Diese Art<br />

der sublim<strong>in</strong>alen Kommunikation führt<br />

dazu, daß Männer bereitwillig Information<br />

über sich preisgeben, aber ohne zu wissen,<br />

daß die Frau Interesse an ihnen hat.<br />

Was kann nun der Empfänger tun, um zu<br />

verh<strong>in</strong>dern, daß er Nachteile aus geglückten<br />

Täuschungen erlebt? Er sollte das Signal


3480 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

ignorieren, wenn er nicht zwischen wahrer<br />

und täuschender Botschaft unterscheiden<br />

kann. Die Formel<br />

m>N/(N+K)<br />

beschreibt die Kosten- und Nutzen-Verhältnisse<br />

<strong>in</strong> Täuschungsmanövern. In dieser Formel<br />

steht m für den proportionalen Anteil an<br />

Täuschungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Population, N steht für<br />

den Nutzen, der normalerweise aus der Antwort<br />

auf das echte Signal gewonnen wird,<br />

und K für die Kosten, die aus der Antwort<br />

auf das mimetische Signal entstehen.<br />

Damit erhalten wir drei Bed<strong>in</strong>gungen für<br />

die Entstehung von Täuschung:<br />

a. Täuschung muß selten se<strong>in</strong>, m sollte also<br />

kle<strong>in</strong> bleiben;<br />

b. Täuschung darf dem Empfänger ke<strong>in</strong>e zu<br />

großen Kosten verursachen, d. h. auch die<br />

Kosten K sollten kle<strong>in</strong> bleiben;<br />

c. das echte Signal, das als Täuschung geschickt<br />

wird, muß sehr wichtig se<strong>in</strong>, der<br />

Nutzen N sollte also hoch se<strong>in</strong>.<br />

Nur unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen kann sich<br />

Täuschung entwickeln und für denjenigen,<br />

der sie e<strong>in</strong>setzt, auszahlen (vgl. Art. 172).<br />

Was kann der Empfänger nun unternehmen?<br />

Ignorieren kann er das Signal nicht immer,<br />

da der potentielle Nutzen aus dem echten<br />

Signal wichtig se<strong>in</strong> könnte. Es bleibt ihm<br />

nur übrig, das Signal selbst abzuwerten. E<strong>in</strong><br />

solches Vorgehen schafft Kosten für den Sender,<br />

der mehr Energie zum Senden aufwenden<br />

muß. Das wird der Sender aber nur so<br />

lange tun, bis die neuen Kosten aus dem Senden<br />

den Gew<strong>in</strong>n aus der falschen Signalgebung<br />

aufheben. E<strong>in</strong>e weitere Möglichkeit, der<br />

Täuschung zu entgehen, ist die, daß die Täuschung<br />

selbst besser diskrim<strong>in</strong>ierende Empfänger<br />

selektiert. Als Resultat erhalten wir e<strong>in</strong>en<br />

generellen Ehrlichkeitsfaktor <strong>in</strong> der<br />

Kommunikation. Den mit hohen Kosten signalisierenden<br />

Sendern stehen eher unbeteiligte<br />

Empfänger gegenüber.<br />

Ebenso e<strong>in</strong>schränkend wirkt die Fähigkeit<br />

des Empfängers, zwischen Lüge und Wahrheit<br />

zu unterscheiden. In e<strong>in</strong>em nicht-sprachlichen<br />

Täuschungsmanöver lassen sich vom<br />

„Lügner“ nicht alle Kanäle so kontrollieren,<br />

daß die Täuschung perfekt wird: Lecks entstehen.<br />

Nach Ekman (1986) werden bei Täuschungsmanövern<br />

eher Gesicht und Sprache<br />

kontrolliert die Zonen, auf die sich der<br />

Hörer konzentriert. Stimme und Körper dagegen<br />

verraten oft noch die Wahrheit, vor<br />

allem wenn es darum geht, Emotionen zu<br />

verbergen.<br />

Dabei spielen vor allem <strong>in</strong> der „Überredung“<br />

die parasprachlichen und prosodischen<br />

Parameter mit e<strong>in</strong>e Hauptrolle. So fanden<br />

zum Beispiel Mehrabian und Williams<br />

(1969), daß Sprecher, die schnell, laut und<br />

mit Betonung sprachen, von Bewertern als<br />

überzeugend beurteilt wurden. Auch die<br />

Glaubwürdigkeit e<strong>in</strong>es Sprechers hängt von<br />

parasprachlichen Parametern ab. Pearce und<br />

Conkl<strong>in</strong> (1971) fanden, daß ernste Stimmen<br />

mit niedriger Tonhöhe und Lautstärke und<br />

mit ger<strong>in</strong>ger Variation <strong>in</strong> diesen Dimensionen<br />

als glaubwürdiger bezeichnet werden als<br />

emotional gefärbte Stimmen. Mehrabian<br />

(1972) zeigte, daß sich Überredungsversuche<br />

durch häufiges Anschauen des Partners, viele<br />

Gesten, häufiges Nicken, erhöhte Gesichtsmuskelaktivität<br />

sowie schnelles, lautes und<br />

promptes Sprechen auszeichnen.<br />

Wenn Täuschungsmanöver ablaufen, kommt<br />

es häufig dazu, daß die Anzahl der Illustratoren,<br />

d. h. der sprachbegleitenden Hand- und Armbewegungen,<br />

abnimmt. Die Abnahme der Illustratoren<br />

kommt dadurch zustande, daß die gefühlsmäßige<br />

Beteiligung bei Täuschungsmanövern<br />

fehlt oder unterdrückt werden muß.<br />

Gewöhnlich illustrieren Leute weniger, wenn<br />

sie nicht engagiert, traurig, gelangweilt oder<br />

e<strong>in</strong>fach un<strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d. Täuschungsmanöver<br />

s<strong>in</strong>d jedoch auch im Gesicht zu erkennen.<br />

Der Zeitverlauf, die Asymmetrie von beg<strong>in</strong>nenden<br />

Bewegungen und das Auftauchen<br />

von bestimmten Gesichtsmuskelbewegungen<br />

an der „falschen“ Stelle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ablaufenden<br />

Unterhaltung können H<strong>in</strong>weise dafür se<strong>in</strong>.<br />

Da willentliche Gesichtsmuskelbewegungen<br />

im Gegensatz zur Darstellung echter Emotionen<br />

direkt vom Großhirn kontrolliert werden,<br />

wird die Kontraktion (bei e<strong>in</strong>em Rechtshänder)<br />

auf der l<strong>in</strong>ken Gesichtshälfte stärker<br />

ausgeprägt se<strong>in</strong>. Tritt e<strong>in</strong>e Gesichtsmuskelkontraktion<br />

also verstärkt auf der l<strong>in</strong>ken<br />

Seite auf, dann ist die Kontraktion höchstwahrsche<strong>in</strong>lich<br />

willentlich, also nicht echt<br />

(Ekman und Friesen 1982). Ebenso spielt die<br />

Dauer, mit der die Emotion auf dem Gesicht<br />

auftritt, e<strong>in</strong>e Rolle. Wenn die Darstellung der<br />

Emotion länger als 5 Sek. dauert, ist sie normalerweise<br />

gespielt. Doch muß sie nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />

e<strong>in</strong> Täuschungsmanöver se<strong>in</strong>, es kann<br />

sich auch um e<strong>in</strong> Sich-lustig-Machen handeln,<br />

e<strong>in</strong> Emblem, <strong>in</strong> dem die Person sich auf<br />

ihre eigene Überraschung bezieht.<br />

Ekman (1986) beschreibt diese Mechanismen<br />

vor allem am Lächeln. Demnach gibt es<br />

e<strong>in</strong>e ganze Reihe unterschiedlicher Formen<br />

des Lächelns. An erster Stelle steht das echte


<strong>168.</strong> <strong>Körpersignale</strong> <strong>in</strong> <strong>menschlicher</strong> <strong>Interaktion</strong><br />

3481<br />

Abb. <strong>168.</strong>22: Marlboro Mann und Palmers-Girl: L<strong>in</strong>ks sieht man e<strong>in</strong> Plus-Gesicht und die Körpermerkmale<br />

der Dom<strong>in</strong>anz, rechts wirken K<strong>in</strong>dchenschema, sexuelle Auslöser und Präsentieren zusammen mit den W<strong>in</strong>kelkonfigurationen<br />

der Submission (Fotos: Marlboro, Palmers).<br />

Lächeln, dabei wird nur der Musculus zygomaticus<br />

major kontrahiert, dazu können die<br />

sogenannten Krähenfüßchen um die Augen<br />

kommen. Walsh und Hewitt (1985) zeigten <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Untersuchung, daß das echte Lächeln<br />

(vor allem im gemischt-geschlechtlichen Kontext)<br />

als e<strong>in</strong> freundliches Signal der Annäherung<br />

und Gesprächsaufforderung verstanden<br />

wird. E<strong>in</strong> verächtliches Lächeln dagegen teilt<br />

mit dem echten Lächeln nur die nach oben<br />

gezogenen Mundw<strong>in</strong>kel und die entstehenden<br />

Grübchen es werden zusätzlich die W<strong>in</strong>kel<br />

der Lippen kontrahiert. Das unechte Lächeln<br />

zeichnet sich durch e<strong>in</strong>en hohen Grad an<br />

Asymmetrie, das Fehlen der Krähenfüßchen<br />

und durch se<strong>in</strong> abruptes Ersche<strong>in</strong>en oder Verschw<strong>in</strong>den<br />

aus.<br />

Derjenige, der versucht, e<strong>in</strong>en anderen zu<br />

täuschen, hat große Chancen, damit unerkannt<br />

durchzukommen, falls zum Beispiel<br />

der Empfänger e<strong>in</strong>en Vorteil von der Lüge<br />

hat. Das reduziert nämlich das Schuldgefühl<br />

des Lügners und br<strong>in</strong>gt den Empfänger dazu,<br />

eventuelle Triggersignale, die e<strong>in</strong>e Lüge anzeigen<br />

würden, zu ignorieren (vgl. Art. 172<br />

§ 4. und Art. 173). Der Lügner hat jedoch<br />

schlechte Chancen, sobald Emotionen <strong>in</strong> die<br />

Lüge verwickelt s<strong>in</strong>d (außer er ist e<strong>in</strong> Schauspieler),<br />

denn vorgespielte Emotionen s<strong>in</strong>d<br />

relativ leicht zu erkennen (Ekman 1986). Täuschungsmanöver<br />

werden auch schwierig, wenn<br />

sich Sender und Empfänger gut kennen.<br />

Perfekte Täuschungen werden uns aber<br />

von der Werbe<strong>in</strong>dustrie vorgespielt. Dort<br />

wird ke<strong>in</strong>e neue Information übertragen <br />

Werbung soll nur gew<strong>in</strong>nen. Die Erhöhung<br />

des Kurven<strong>in</strong>dex im Lauf der Jahre bei den<br />

Ausklappmädchen ist e<strong>in</strong>es der besten Beispiele<br />

dafür. In der Regel setzt die Werbe<strong>in</strong>dustrie<br />

jedoch Triggersignale e<strong>in</strong>, die den<br />

Empfänger dazu zw<strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong> Produkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

bestimmten Art und Weise zu dekodieren.<br />

An Hand der Verkaufszahlen werden die jeweiligen<br />

Triggersignale dann im Laufe der<br />

Zeit optimiert (vgl. Abb. <strong>168.</strong>22).<br />

8. Programmierte Bedeutung und<br />

programmierte Wahrnehmung<br />

Bei der Informationsübertragung durch<br />

nicht-sprachliche Signale werden e<strong>in</strong>e ganze<br />

Reihe von Verhaltenssystemen wirksam. Es<br />

gibt e<strong>in</strong> Signalsystem, das auf e<strong>in</strong>er evolutiv<br />

entstandenen Grundlage basiert. Dieses Signalsystem<br />

benutzt vor allem solche Information,<br />

die den Reproduktionserfolg des Sig-


3482 XV. Ausgewählte Gegenstände der Semiotik<br />

nalsenders sichert und den des Empfängers<br />

nach Möglichkeit nicht schmälert.<br />

In diesem Signalsystem enthalten ist e<strong>in</strong><br />

System, das den Signalrahmen def<strong>in</strong>iert, und<br />

e<strong>in</strong> komplexes System von Triggersignalen,<br />

das die jeweilige Interpretation des Signals<br />

reguliert. Bedeutung von Signalen entsteht<br />

also tatsächlich erst im Empfänger.<br />

E<strong>in</strong> zweites Verhaltenssystem besteht aus<br />

Zwängen, die sich im Laufe der Evolution<br />

entwickelt haben. Dieses System b<strong>in</strong>det bestimmte<br />

Signale an ganz bestimmte Ziele,<br />

zum Beispiel aggressives Verhalten an Konflikte,<br />

Displays und sexuelle Präsentation an<br />

Werbung.<br />

Diese Verhaltenssysteme treffen schließlich<br />

auf e<strong>in</strong> drittes, kognitives System, das versucht,<br />

mögliche Verhaltensblockierungen im<br />

Vorfeld zu erkennen und diese zu vermeiden.<br />

Dieses System benutzt Signale, um ganz spezielle<br />

Ziele zu erreichen und leitet Täuschungsmanöver<br />

mit Hilfe von Signalen e<strong>in</strong>.<br />

Schließlich treffen all diese Systeme auf e<strong>in</strong><br />

regulatives System, das den E<strong>in</strong>satz von Signalen<br />

reguliert und beschränkt.<br />

Die Möglichkeit des <strong>in</strong>strumentellen E<strong>in</strong>satzes<br />

von nicht-sprachlichem Verhalten und<br />

von dadurch nahegelegten Täuschungsmanövern<br />

führt letztlich zw<strong>in</strong>gend zur Entwicklung<br />

von Regeln, die den E<strong>in</strong>satz von nichtsprachlichem<br />

Verhalten begrenzen. Diese<br />

„Display-Regeln“ haben wir bereits unter den<br />

K<strong>in</strong>dergartenk<strong>in</strong>dern angetroffen: Die betreuungsauslösende<br />

Wirkung des We<strong>in</strong>ens<br />

wird von den K<strong>in</strong>dern selbst reglementiert.<br />

Daraus wird ersichtlich, daß es sich bei<br />

nicht-sprachlichen Signalen nicht um e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches<br />

Reiz-Antwort-Wirkungsgefüge handelt,<br />

sondern um e<strong>in</strong> vielschichtiges System,<br />

das die verschiedensten Ebenen benutzt und<br />

deshalb mit relativer Übertragungssicherheit<br />

auch komplexe soziale Situationen bewältigen<br />

kann. Dies wird vor allem daran deutlich,<br />

daß sich Signale wie Werkzeuge e<strong>in</strong>setzen<br />

lassen, die dann analog zum Werkzeuggebrauch<br />

den Wirkungsgrad des vorhandenen<br />

Verhaltensrepertoires erhöhen (vgl. Art. 113<br />

§ 4.4.).<br />

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169. Multimediale Kommunikation<br />

1. Problemaufriß: Motive und Ausgangsfragen<br />

2. Begriff: Medium und Kommunikation<br />

3. Analyse: Empirie und Methodologie<br />

4. Theorie: Kode-Verhältnisse und <strong>in</strong>termediale<br />

Relationen<br />

5. Praxis: Anwendungsbereiche und Entwicklungsperspektiven<br />

6. Aktuelle Entwicklungen: Medienkultur und<br />

Medienökologie im Wandel<br />

7. Ausblick<br />

8. Literatur (<strong>in</strong> Auswahl)<br />

1. Problemaufriß: Motive und<br />

Ausgangsfragen<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n des 21. Jahrhunderts ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong><br />

semiotischem Zusammenhang das Thema<br />

„Multimediale Kommunikation“ <strong>in</strong> mehreren<br />

H<strong>in</strong>sichten von besonderem Interesse: a)<br />

es ist e<strong>in</strong> aktuelles und kontroverses Thema<br />

<strong>in</strong> der öffentlichen Diskussion; b) es ist e<strong>in</strong><br />

zukunftsweisendes Thema, dessen Auswirkungen<br />

unseren Alltag und unsere kommunikativen<br />

Gepflogenheiten <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />

bereits tiefgreifend verändert haben und<br />

weiter verändern werden; c) es ist e<strong>in</strong><br />

facettenreiches Thema, dessen Vielfalt <strong>in</strong> damit<br />

erschlossenen Anwendungsfeldern unerschöpflich<br />

ersche<strong>in</strong>t. Es ist zudem e<strong>in</strong> <strong>in</strong>novatives<br />

Thema, dessen Entwicklung noch unübersichtlich<br />

ist und das sich diszipl<strong>in</strong>systematischer<br />

Rubrizierung zu entziehen sche<strong>in</strong>t.<br />

Es ist damit genu<strong>in</strong>e Aufgabe e<strong>in</strong>er Angewandten<br />

Semiotik, die sich zugleich auf die<br />

zeichen-, kommunikations- und kulturtheoretische<br />

Reflexion ihrer Verfahren und ihres<br />

Gegenstandes bes<strong>in</strong>nt. Bereits Anfang der<br />

1990er Jahre wurde e<strong>in</strong> „Umbruch <strong>in</strong> der Medienlandschaft“<br />

(Ross und Wilke 1991) konstatiert,<br />

dessen Konsequenzen sich erst jetzt<br />

allmählich abzuzeichnen beg<strong>in</strong>nen (Hess-Lüttich,<br />

Holly und Püschel 1996). Dies gilt verschärft<br />

für e<strong>in</strong>e Semiotik der multimedialen<br />

Kommunikation, die noch ke<strong>in</strong>e Forschungsgeschichte<br />

hat, deren Gegenstand sich aufgrund<br />

technischer Fortschritte ständig wandelt<br />

und die <strong>in</strong>tensiver Begleitforschung bedürfte<br />

angesichts der durch sie aufgeworfenen<br />

offenen Fragen (vgl. Art. 14 und Art.<br />

159).<br />

Aus semiotischer Sicht gehören dazu<br />

schon die term<strong>in</strong>ologisch ungesicherten Konzepte<br />

des ‘Mediums’, des ‘Kanals’, des<br />

‘Kodes’ (vgl. dazu die Art. 517), die Fragen,<br />

ob Multimedialität Kodevielfalt impliziert<br />

oder nicht; ob es medien<strong>in</strong>variante oder kanal<strong>in</strong>variante<br />

Kodes gibt; wie das Verhältnis<br />

von Multimedialität und Mehrkanaligkeit zu<br />

bestimmen wäre (vgl. Art. 12); ob und <strong>in</strong>wieweit<br />

multimediale Semiosen klassifizierbar<br />

und typologisierbar s<strong>in</strong>d; wie sie von ‘unimedialen’<br />

Semiosen abzugrenzen s<strong>in</strong>d, sofern es<br />

solche im strengen S<strong>in</strong>ne überhaupt gibt. <br />

Es gehören dazu die methodischen Fragen<br />

der Analyse multimedialer Kommunikation,<br />

also ihrer empirischen Beobachtung und Aufzeichnung,<br />

ihrer Notation und Rezeption<br />

(vgl. Art. 29); die Fragen, wie man Handlungsmittel<br />

<strong>in</strong> solchen Prozessen identifiziert<br />

und segmentiert, wie man Notationspartituren<br />

paralleler Handlungssequenzen erstellt;

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