Leseprobe - Delius Klasing

OZEANIEN
Osterinsel
zu Schlägereien, ausgesetzt. Wahrscheinlich hätten wir sein Schicksal
längst vergessen, wäre der Held nicht als Romanvorlage für Daniel
Defoes Robinson Crusoe berühmt geworden. Die chilenische Insel
erhielt aber erst 1966 im Gedanken an diese stürmischen Tage
und den Welterfolg des Romans ihren heutigen Namen. Wir liegen
auf Reede, und die Zodiacs kommen erstmals zum Einsatz, damit
wir anschließend vom Strand aus einen Teil vom Inneren der Insel
erkunden können. Über 100 endemische Pflanzenarten wachsen in
diesem UNESCO-Biosphärenreservat, und zumindest einen Teil von
ihnen können wir selbst in Augenschein nehmen. Vier Jahre und vier
Monate musste es Selkirk hier aushalten, bis er von einem englischen
Segelschiff gerettet wurde. Ganz so lange wollten wir aber doch nicht
bleiben, und nach einem Tag nehmen wir Kurs auf die Osterinseln
und den dortigen Rapa-Nui-Nationalpark. Auch sie gehören noch zu
Chile. Die hanseatic liegt wieder auf Reede, und die Zodiacs bringen
uns bei strahlendem Sonnenschein und milden Temperaturen
zu den über tausend Jahre alten Moai als steinernen Zeugen der polynesischen
Kultur am Fuße des Rano-Raraku-Vulkans. Die riesenhaften
Steinfiguren wirken in ihrer mystischen Formation und Aura
ebenso beklemmend wie faszinierend. Es scheint, als stehe ein jeder
unserer Abenteurerschritte auf der Osterinsel unter Beobachtung
dieser stummen Zeugen einer längst vergangenen Zeit. Als erprobte
Expeditionshasen in allen Teilen des Globus weiß ein Großteil der
Gäste, dass auf Expeditionen generell nichts anzufassen, geschweige
denn mitzunehmen ist. Fotomotive gibt es aber gratis, und so bleiben
die digital verewigten Momente die einzige Erinnerung an diese
sagenumwobene Insel.
Mit einer Mischung aus Sage und Tatsachen begleiten uns die Lektoren
am darauffolgenden Seetag in der Einstimmung auf die Ankunft auf
Pitcairn Island. Doch bevor wir die Insel der Überlebenden der bounty
erreichen, erlaubt uns eine Zodiac-Tour entlang der paradiesischen
Küste des unberührten Ducie-Island-Atolls einen atemberaubenden
Blick auf die Schönheit der Natur. Pitcairn ist die einzige bewohnte
Insel des Atolls und seit 1838 bis heute die letzte britische Kolonie im
Pazifik. Bereits 1767 wurde die Insel durch ein britisches Schiff angelaufen,
berühmt wurde sie aber erst durch Flechter Christian, der sie
am 15. Januar 1790 sichtete und sie mit seinen Meuterern der bounty
als Zufluchtsort vor der englischen Admiralität nutzte. Die Inseleinwohner
sind heute direkte Nachfahren der englischen Meuterer und
deren polynesischen Frauen. Die Bibel und der Anker des berühmten
Segelschiffes sind heute noch erhalten. Wir besichtigen Adamstown,
die kleine Hauptstadt der Insel; diese kleine Gemeinde ist oberhalb
der Bounty Bay gelegen und mit der Zeit aus der ehemaligen Ansiedlung
der Meuterer hervorgegangen. Herrscht auf Pitcairn das
Paradies? Die Lektoren geben zusammen mit den Einwohnern eine
spannende Einführung in die Geschichte der Insel, die nicht immer
frei von Konflikten war. Schon kurz nach der Ankunft der Meuterer
herrschten Mord und Totschlag unter ihnen, und auch heute ist die
Durchsetzung des Rechtsstaats auf britischem Hoheitsgebiet ein Thema.
Erst vor wenigen Jahren wurde ein Gefängnis geschaffen, und
so manche sich eingebürgerte und als Gewohnheitsrecht empfun-
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