PaperOut Artikel - MBA, Supply Chain Management, SCM, ETH Zurich
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Neue Z}rcher Zeitung FOKUS DER WIRTSCHAFT Samstag, 04.12.2004 Nr.284 29<br />
Das Aussitzen der Probleme ist keine Überlebensstrategie<br />
Von André Graber und Karl Vogler*<br />
Es gehört zur menschlichen Natur, dass lang<br />
anhaltender Erfolg zu Trägheit, Überheblichkeit<br />
und Selbstzufriedenheit führt. Die Geschichte der<br />
Völker ist reich an Beispielen, wo mächtige, erfolgreiche<br />
Reiche plötzlich in eine Krise gerieten<br />
und von neu aufstrebenden Mächten überrannt<br />
wurden. Auch in der Unternehmenswelt kennt<br />
man das Phänomen, dass eine erfolgreiche Firma<br />
von Konkurrenten verdrängt wird. Die Erfolgsstory<br />
der Schweiz hat sich von ausserordentlicher<br />
Dauerhaftigkeit erwiesen, umso schwieriger fällt<br />
die Erkenntnis, dass heute eine reine Fortsetzung<br />
des Bisherigen nicht mehr ausreicht.<br />
Traditionelle Beweglichkeit<br />
Der Erfolg der Schweizer Unternehmen in der<br />
Welt ist der traditionellen Beweglichkeit der Eidgenossen<br />
zuzuschreiben. Als Angehörige eines<br />
Kleinstaats haben die Schweizer, wenn sie sich<br />
zur Akquisition von Kunden und Eroberung von<br />
Märkten im Ausland aufmachten, stets gewusst,<br />
dass der Erfolg nur zu haben war, wenn man sich<br />
den fremden Umständen und Gewohnheiten anpasste.<br />
Es war diese Haltung übrigens auch ausschlaggebend<br />
dafür, dass die Schweiz zu einem<br />
Mekka des internationalen Tourismus werden<br />
konnte. Diese traditionelle Beweglichkeit ist heute<br />
mehr gefordert denn je, nicht nur weil die Welt<br />
viel komplexer geworden ist, sondern auch weil<br />
die Konkurrenten besser geworden sind. Vor drei<br />
Jahrzehnten war China ein Land, das sich gegenüber<br />
der Aussenwelt völlig abgeschlossen hatte<br />
und ausser der «MaoBibel» kaum etwas exportierte.<br />
Wer nun über die präzedenzlosen Fortschritte<br />
Chinas berichtet, bekommt häufig das<br />
Argument zu hören, dass «auch die Chinesen nur<br />
mit Wasser kochen».<br />
Zweifellos gilt es, zwischen einem blinden<br />
ChinaEnthusiasmus und einer sachlichen Bewertung<br />
der chinesischen Erfolgsstory zu differenzieren.<br />
Die Zuversicht, dass auch in China die<br />
Bäume nicht in den Himmel wachsen, ist insofern<br />
deplaciert, als sie einer passiven Haltung entspringt.<br />
In der Vergangenheit konnte die qualitätsbewusste<br />
Schweizer Industrie damit rechnen,<br />
dass im fernen China nur zweitrangige Massengüter<br />
hergestellt wurden, dass aber für Erstklassiges<br />
an Spezialisierung und Leistungskraft der<br />
Werkplatz Schweiz sich weiterhin werde halten<br />
können.<br />
Von der Arbeitsteilung profitieren<br />
In Tat und Wahrheit ist die Herausforderung<br />
noch grösser. In manchen Bereichen ist die<br />
Schweiz während der letzten Jahre nicht nur stehen<br />
geblieben, sondern gegenüber der neuen<br />
Konkurrenz gar zurückgefallen. Ein schlagendes<br />
Beispiel dafür ist die nationale Fluggesellschaft,<br />
die einst in Asien ein hohes Prestige genoss;<br />
deren Nachfolgerin Swiss figuriert heute unter<br />
«ferner liefen». Die Verlagerung von Produktionsstätten<br />
nach China und anderen asiatischen<br />
Billiglohnländern ist Ausdruck einer Intensivierung<br />
der globalen Arbeitsteilung. Diese Entwicklung<br />
darf nicht von vornherein als Bedrohung gesehen<br />
werden. Sie kann sehr wohl im Interesse<br />
eines traditionell weltoffenen und durch seine<br />
Wirtschaft weltverbundenen Kleinstaates wie der<br />
Schweiz liegen. Wo Arbeitsteilung erfolgt, da gibt<br />
es auch grosse Chancen, insofern man Standortvorteile<br />
und Fähigkeiten mit Blick auf das, was<br />
die Welt wünscht, zu mobilisieren vermag.<br />
Die Modernisierung Chinas hat einen wahren<br />
Schub im Dienstleistungssektor ausgelöst. Jeder,<br />
der das Reich der Mitte während der letzten zwei<br />
Jahrzehnte regelmässig besucht hat, hat die gewaltigen<br />
Verbesserungen verfolgen können. Nicht<br />
nur in den grossen Metropolen, auch in den Provinzstädten<br />
hat sich die Zahl der Hotels mit internationalem<br />
Standard, tollen Restaurants und<br />
modernen Einkaufszentren vervielfacht. Die an<br />
den Sowjetblock erinnernde Attitüde, die den<br />
Kunden auf einen unliebsamen Bittsteller reduzierte,<br />
ist verschwunden und hat einer Mentalität<br />
des Dienens Platz gemacht, die sich die Schweiz<br />
zum Vorbild nehmen könnte. Will die Schweiz als<br />
internationales Dienstleistungszentrum, vom<br />
Tourismus zum Finanzsektor, vom Bildungsplatz<br />
zum industriellen Service, auch in der Zukunft im<br />
globalen Wettbewerb Trumpfkarten ausspielen,<br />
sind zusätzliche Anstrengungen nötig.<br />
Es winken neue Chancen<br />
Weltwirtschaftliche Veränderungen, die kaum<br />
beeinflusst werden können, lösen zunächst einmal<br />
Angst und Verzagtheit aus. Danach aber sollten<br />
sich die Schweizer rasch wieder auf ihre Qualitäten<br />
besinnen. Es gibt zwei Faktoren, die eine<br />
© 19932004 Neue Zürcher Zeitung AG Blatt 1
Neue Z}rcher Zeitung FOKUS DER WIRTSCHAFT Samstag, 04.12.2004 Nr.284 29<br />
positive Beurteilung der Zukunft des Werkplatzes<br />
Schweiz nahe legen. Zum einen ergeben sich<br />
Chancen dank dem Wohlstand, der in Asien und<br />
vor allem in China in den letzten Jahren für Dutzende<br />
von Millionen Menschen erreichbar geworden<br />
ist. Es ist naheliegend, dass der Schweizer<br />
Tourismus von der steigenden Reiselust der Chinesen<br />
profitieren kann. Darüber hinaus ist an die<br />
Schweiz als Ausbildungsstätte von Prestige und<br />
als verlässlicher Finanzplatz, sowohl bei Banken<br />
als auch Versicherungen, zu denken. Allerdings<br />
stellt sich die Klientel nicht automatisch ein. Was<br />
die Schweiz zur erfolgreichen Destination für<br />
Japaner gemacht hat, ist nicht unbedingt auch für<br />
die Chinesen attraktiv. Doch über die Verbesserung<br />
der Dienstleistungen hinaus sollten die traditionellen<br />
Werte mobilisiert werden. Chinas Erfolg<br />
ist nichts Gottgegebenes. Er erwächst vielmehr<br />
aus der Anwendung von Prinzipien wie<br />
Disziplin, Lern und Leistungsbereitschaft.<br />
* André Graber ist Geschäftsführer des Forum <strong>Supply</strong> <strong>Chain</strong><br />
<strong>Management</strong> an der <strong>ETH</strong> Zürich; Karl Vogler ist Partner der<br />
Firma «Score, the supply chain architects».<br />
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