Populationssynthese
Populationssynthese
Populationssynthese
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<strong>Populationssynthese</strong><br />
Modellierung von Galaxie-Spektren<br />
• Initial Mass Function (IMF)<br />
• Singuläre Sternbildung<br />
• Kontinuierliche Sternbildung<br />
• Farbentwicklung<br />
• Sternbildungsgeschichte und Galaxienfarben<br />
• Einfluss von Metallizität, Staub und HII Gebieten<br />
Einführung in die extragalaktische Astronomie<br />
Prof. Peter Schneider & Dr. Patrick Simon
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Spektren ganzer Galaxien<br />
In fast allen Fällen ist nur integriertes Spektrum von Galaxien beobachtbar;<br />
Komponenten können nicht aufgelöst werden.<br />
Beobachtung: Galaxien haben verschiedene Spektren.<br />
Insbesondere im UV-<br />
Bereich sind Unterschiede<br />
frappierend.<br />
UV optisch NIR<br />
Wir betrachten hier<br />
“normale” Galaxien; aktive<br />
Galaxien werden später<br />
intensiver behandelt.<br />
100 nm 320 nm 1μm 3.2μm<br />
Quelle: Micol Bolzonella (HyperZ Simulation)
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Spektren ganzer Galaxien<br />
Licht normaler Galaxien stammt hauptsächlich von Sternen.<br />
➠ Spektrum einer Galaxie ist Summe von Sternspektren gewichtet mit<br />
Häufigkeit von Sterntypen.<br />
Da sich Sterne entwickeln (altern), entwickelt sich auch ein kombiniertes<br />
Galaxiespektrum;<br />
Entwicklungsstand einer Galaxie kann aus dem Spektrum abgelesen werden.<br />
Insbesondere kann auf die Sternentstehungsgeschichte einer Galaxie<br />
geschlossen werden.
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Initial Mass Function<br />
Anfangszustand: Initial Mass Function (IMF)<br />
Sternentstehung ist nicht gut verstanden; offensichtlich entstehen<br />
massereiche und massearme Sterne gemeinsam als junge (offene)<br />
Sternhaufen.<br />
Modell startet bei anfänglicher Massenverteilung<br />
der Sterne, der IMF Φ(m).<br />
Φ(m)dm:<br />
Anzahl Sterne zwischen m und m+dm.<br />
IMF wird typischerweise normiert auf eine<br />
Sonnenmasse, d.h.<br />
∫ mU<br />
m L<br />
dmmΦ(m) = 1 M ⊙<br />
mU und mL: Sternmassenobergrenze und -untergrenze.<br />
Sternentstehungsgebiet M17;<br />
ISAAC/VLT/ESO
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Initial Mass Function<br />
Grenzen der IMF sind nicht gut definiert.<br />
IMF bei kleinen Sternmassen<br />
mL ~ 0.1 Msun: massenärmere Sterne<br />
können kein Wasserstoffbrennen zünden;<br />
mU ~ 100 Msun: schwerere Sterne werden<br />
nicht beobachtet (wäre auch schwierig<br />
wegen sehr kurzer Lebensdauer);<br />
Form der IMF ebenfalls unsicher;<br />
meistens wird Salpeter IMF verwendet:<br />
Φ(m) ∝ m −2.35<br />
M/Msun<br />
van Dokkum, P.G. & Conroy, C., (2010),<br />
Nature, 468, 940<br />
Universelle IMF oder von Galaxie abhängig<br />
(Masse, Metallizität etc.)?<br />
Anscheinend gut für M > 1Msun, für kleiner M flacher.<br />
Edwin E. Salpeter
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Entwicklung nach Sternentstehung<br />
Nach Sternentstehung entwickeln sich Sterne unterschiedlich schnell von<br />
der Hauptreihe weg; Zusammensetzung verändert sich im Vgl. zur IMF.<br />
Entwicklungsweg im HRD<br />
Momentaufnahme der<br />
Sternverteilung im HRD für<br />
verschiedene Zeiten (Isochrone)<br />
1 Myr<br />
10 Myr<br />
NIR<br />
UV<br />
0.1 Gyr<br />
0.4 Gyr<br />
1 Gyr<br />
4 Gyr<br />
NIR<br />
13 Gyr<br />
Masse<br />
in Sonnenmassen<br />
Charlot (2000)
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Entwicklung nach Sternentstehung<br />
➠ Integriertes Sternspektrum verändert sich mit der Zeit, insbesondere in<br />
den ersten 10 Myr durch Entwicklung im UV-Bereich.<br />
➠ Ausbildung der 4000 Å Kante nach ~ 10 Myr (Ca/Balmerserie).<br />
➠ NIR nimmt zu durch rote Überriesen.<br />
UV<br />
1 Myr<br />
NIR<br />
10 Myr<br />
0.1 Gyr<br />
0.4 Gyr<br />
1 Gyr<br />
4 Gyr<br />
13 Gyr<br />
1μm<br />
Laird Close; Univ. of Arizona Charlot (2000)<br />
4000 Å Kante
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Entwicklung nach Sternentstehung<br />
IMF<br />
0 yr<br />
10 Myr<br />
Spektrum und Leuchtkraft dominiert von massivsten Sternen<br />
starke UV-Strahlung.<br />
Fluss unterhalb 1000 Å stark vermindert.<br />
4000 Å Kante<br />
Fluss im NIR steigt (massive Sterne sind Überriesen).<br />
0.1 Gyr<br />
Fluss unter 1000 Å kaum mehr vorhanden.<br />
NIR bleibt hoch; UV immer mehr abgeschnitten.<br />
1 Gyr<br />
4 Gyr<br />
13 Gyr<br />
RGB-Sterne übernehmen NIR Produktion.<br />
UV-Strahlung nimmt wieder zu (junge WDs, Horizontalast).<br />
kaum weitere Entwicklung von hier an.
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Singuläre Sternenstehung<br />
Einfaches Modell beschreibt Entwicklung des integrierten Sternspektrums<br />
ausgehend von einer singulären Sternentstehung (mit IMF).<br />
Verlauf wird zusammengefasst durch Funktion Sλ,Z(t):<br />
Sλ,Z(t): zum Zeitpunkt t abgestrahlte Energie pro Wellenlängenintervall dλ<br />
und Zeitintervall dt einer Gruppe von Sternen, normiert auf anfängliche<br />
Sonnenmasse 1 Msun.<br />
t=0: Zeitpunkt der Sternentstehung;<br />
Z: Metallizität der Sterne;<br />
Strahlungsfluss und der Entwicklungsweg eines Sterns im HRD hängt auch<br />
von der chemischen Zusammensetzung des Sterns ab.
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Kontinuierliche Sternentstehung<br />
Soweit nur für singuläre Sternentstehung.<br />
Wir müssen berücksichtigen, dass Sternentstehung zu verschiedenen<br />
Zeitpunkten und verschieden stark stattfinden kann.<br />
Hierzu verwendet man Sternbildungsrate, die angibt, wie viel Gas pro<br />
Zeiteinheit dt in Sterne mit IMF Φ(m) zum Zeitpunkt t umgewandelt wird:<br />
ψ(t) =− dM gas(t)<br />
dt<br />
Jede neue Sternentstehung setzt Kette von Sternentwicklungen in<br />
Gang, die eben diskutiert wurden.
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Kontinuierliche Sternentstehung<br />
Also ist integriertes Sternspektrum aller Sternentstehungsereignisse zum<br />
Zeitpunkt t (Spektrale Gesamtleuchtkraft):<br />
F λ (t) =<br />
∫ t<br />
0<br />
dt ′ ψ(t ′ )S λ,Z(t ′ )(t − t ′ )<br />
} {{ }<br />
Beitrag durch Sternbildung bei t ′<br />
Da Sternentwicklung Gas teilweise in das ISM zurückführt (SN, PN, Winde)<br />
und das ISM dadurch mit Metallen anreichert, muss die Modellierung von<br />
Mgas(t) und Z(t) selbstkonsistent in das Modell eingebaut werden.
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Farbentwicklung<br />
Beobachtung von Spektren ist “teuer” (viel Belichtungszeit).<br />
➠ Oftmals sind keine detaillierten Spektren vorhanden, sondern<br />
photometrische Aufnahmen in verschiedenen Breitband-Filtern.<br />
Photometrie kann aus Modellspektren<br />
durch Faltung des Spektrums mit der<br />
Filtertransmissionskurve berechnet<br />
werden.<br />
Matthews, T.A. & Sandage, A.R., (1963), ApJ, 138, 30
Nach singulärer Sternentstehung<br />
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Farbentwicklung<br />
wenig Farbentwicklung<br />
B-V<br />
V-K<br />
M/L optisch<br />
M/L NIR<br />
Population wird roter mit der Zeit;<br />
schnelle Entwicklung am Anfang;<br />
B-V schneller als V-K;<br />
mittleres M/L Verhältnis nimmt zu;<br />
➠ da M praktisch konstant, muss L abnehmen;<br />
Population wird dunkler;<br />
➠ NIR guter Indikator für gesamte<br />
Sternmasse, weil weniger abhängig<br />
vom Alter als blaues Licht.<br />
M/L inkl. Gas, das an ISM abgegeben wird<br />
M/L nur Sterne
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Farbentwicklung<br />
Leuchtkraft in Filtern<br />
Blaues Licht wird stets von Hauptreihensternen<br />
dominiert (MS);<br />
NIR wird von Riesen dominiert:<br />
NIR Dominanz zuerst von Überriesen<br />
(zentrales He-Brennen massiver Sterne);<br />
dann von AGB Sternen<br />
(Riesen mit He-Schalenbrennen);<br />
schliesslich von Roten Riesen, RGB<br />
(Riesen mit H-Schalenbrennen);
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Sternbildungsgeschichte und Galaxienfarben<br />
Farbentwicklung bisher benutzte ein singuläre (instantane) Sternbildung.<br />
Für realistischere Sternentstehungsraten nimmt man ein Modell mit<br />
kontinuierlicher Sternbildung, die exponenziell abnimmt (Standardmodell):<br />
Ψ(t) =τ −1 exp (−t/τ)<br />
(für t>0, =0 sonst)<br />
τ: charakteristische Zeitskala der Dauer der Sternbildung<br />
τ sehr klein: de facto instantane Sternbildung<br />
τ groß: praktisch konstante Sternbildungsrate
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Sternbildungsgeschichte und Galaxienfarben<br />
Entwicklung von Sternpopulationen<br />
im ZFD mit verschiedenen<br />
Zeitskalen τ.<br />
Effekt von Staubrötung<br />
oder höherem Z (2x)<br />
Entwicklungsweg ist über<br />
Zeitraum von 17 Gyr, d.h. länger<br />
als die Hubble-Zeit;<br />
Entwicklung beginnt unten links;<br />
Punkte sind Beobachtungen<br />
verschiedener Galaxientypen;<br />
bei konstanter SFR kann die<br />
Population nicht roter werden als<br />
Irr’s;<br />
Entwicklungsendpunkte<br />
nach t=10 Gyr<br />
Annahme:<br />
Salpeter IMF und solares Z.
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Sternbildungsgeschichte und Galaxienfarben<br />
Wir schließen daraus:<br />
1. Farben der Population hängen stark von τ ab;<br />
2. für große τ (konstante SFR) werden Galaxien nicht besonders rot;<br />
3. Farbe von Sc Spiralen oder früher ist nicht verträglich mit einer konstanten<br />
SFR<br />
(es sei denn, dass blaue Licht junger Sterne wird durch Staub stark gerötet);<br />
4. Um Farben früher Typen zu erklären, muss τ ~ τ.<br />
Erfolg des SFR-Standardmodells:<br />
Farben der heutigen Galaxien mit Alter >~ 10 Gyr können erklärt werden!<br />
Allerdings ist Modell nicht eindeutig:<br />
andere SFRs ψ(t) können auch Farben der Galaxien fitten.
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Sternbildungsgeschichte und Galaxienfarben<br />
Quintessenz:<br />
Die spektrale Verteilung (und damit die Farbe) von Galaxien ist<br />
hauptsächlich durch das Verhältnis der heutigen zur mittleren<br />
Sternentstehungsrate in der Vergangenheit bestimmt, d.h. von<br />
ψ(heute)/〈ψ〉<br />
rot<br />
wie E<br />
klein<br />
groß<br />
blau<br />
wie Sd/Irr
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Einfluss von Metallizität, Staub und HII Gebieten<br />
518 R. Jimenez, C. Flynn and E. Kotoneva<br />
dunkler<br />
-0.6
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Einfluss von Metallizität, Staub und HII Gebieten<br />
Einfluss der Metallizität<br />
Kleines Z führt zu blaueren Farben und einem kleineren M/L-Verhältnis<br />
(Sterne sind heller; Opazität der Sternatmosphären ist kleiner).<br />
Alter und Metallizität sind entartet:<br />
Rötung durch Erhöhung des Alters um Faktor X ist (beinahe) äquivalent zu<br />
einer Rötung durch Erhöhung der Metallizität um Faktor 0.65 X.<br />
➠ Abschätzungen des Alters einer Population stark von Z beeinflußt.<br />
Entartung kann durch mehrere Farben bzw. Spektroskopie gebrochen<br />
werden.
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Einfluss von Metallizität, Staub und HII Gebieten<br />
Galaxienspektrum wird auch von<br />
Staub und Emission von Gasnebeln<br />
beeinflusst.<br />
HII Gebiet<br />
röntgen<br />
optisch<br />
M51; HST/NASA<br />
Staubscheibe<br />
IR<br />
M104 Komposit von Chandra/HST/Spitzer; NASA
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Einfluss von Metallizität, Staub und HII Gebieten<br />
Einfluss von Staub und HII-Gebieten<br />
Verfärbung durch Staub ist nicht gut verstanden; hängt auch von der<br />
geometrischen Verteilung des Staubs ab.<br />
Galaxien mit aktiver Sternbildung (insb. Starburst) haben starke Extinktion<br />
(Rötung der UV-Strahlung).<br />
Vermutlich sind normale Galaxien nicht zu stark von Staub beeinflusst, am<br />
wenigsten frühe Typen (E/S0).<br />
Neben Sternlicht auch Emissionen von primär HII-Gebieten;<br />
sind aber vernachlässigbar nach ~ 10 Myr.<br />
➠ Emissionslinien sind Diagnostik für Sternbildung und Metallizität einer<br />
Sternpopulation.
<strong>Populationssynthese</strong><br />
Ausblick<br />
Ergebnisse der <strong>Populationssynthese</strong> werden uns noch viel beschäftigen:<br />
• Interpretation von Farben von Galaxien bei verschiedenen<br />
Rotverschiebungen (zeitliche Entwicklung der Farben).<br />
• Interpretation der unterschiedlichen räumlichen Verteilungen von frühen<br />
und späten Galaxientypen (Selektion von Typen mittels Farben).<br />
• Abschätzung der Rotverschiebung von Galaxien mittels Farben<br />
(“photometrische Rotverschiebung”; Abhängigkeit der Farben von z und Typ)<br />
• Spezialfall: effiziente Selektion von Galaxien bei sehr hoher Rotverschiebung<br />
(Lyman-break Galaxien).<br />
• Unterscheidung eines passiven Alterungsprozesses (Änderung von Farben<br />
und Leuchtkraft) einer Galaxie ohne Sternentstehung von Phasen mit<br />
Sternentstehung (Identifizierung besonderer Sternentstehungsphasen).