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REPORT<br />

Ein Hauch Art Deco – die mittig montierten<br />

Instrumente<br />

Modern – nicht nur selbsttragend,<br />

sonder auch aerodynamisch<br />

Bewährt – der kleine Seitenventiler<br />

stammt aus dem P4, und er geht mit<br />

mehr Temperament ans Werk als die<br />

Papierwerte vermuten lassen<br />

schen Formen sowie Stilrichtung<br />

seiner Zeit erkennen. Mit dieser Form<br />

genießt er auch heute noch unter den<br />

„Älteren“ einen hohen Bekanntheitsgrad.<br />

Heute ist dieser Kadett wieder ein<br />

neuwertiges Auto, technisch wie<br />

optisch, der auch wie sein Vorgänger,<br />

sich großer Beliebtheit auf Treffen<br />

erfreut.<br />

Eine Besonderheit noch:<br />

1. Die Zubehörteile, wie beispielsweise<br />

Zusatzscheinwerfer, Reserveradabdeckung<br />

und die hintere Stoßstange,<br />

sind Originalteile und bereits 1938<br />

bei Markowski angebaut worden.<br />

2. Ein Original-Kaufvertrag von 1938<br />

sowie der Kfz-Brief und das Kundendienst-Scheckheft<br />

mit Eintrag bis<br />

Kilometerstand 17.500 liegen noch<br />

vor und bestätigen die lückenlose,<br />

nachweisbare Historie.<br />

Manfred Finger *2097<br />

Erinnerungen an einen Kadett ´38<br />

Die Geschichte, warum gerade<br />

dieses Automobil in meinem<br />

Stall steht, erzähle ich Ihnen gerne:<br />

Zu meinem 21.Geburtstag, im Jahr<br />

1949, hat mir mein Großvater eine<br />

stark gebrauchte „DKW-Schwebeklasse“<br />

geschenkt. Ein interessantes<br />

Automobil, dem ich jetzt nachtrauere.<br />

Damals habe ich den Wagen relativ<br />

bald abgegeben – der Treibstoffverbrauch<br />

lag in der Größenordnung von<br />

16 Litern auf 100 Kilometer. Allerdings<br />

konnte man mit purem Benzol<br />

fahren, das seinerzeit – im Gegensatz<br />

zu normalem Kraftfahrzeugtreibstoff<br />

– als „Reinigungsmittel“ frei erhältlich<br />

war.<br />

Der Nachfolger für wenige Wochen<br />

war ein Fiat Topolino, den ich gegen<br />

einen Opel Kadett eintauschte.<br />

Der Kadett hatte einen großen Riss in<br />

der Windschutzscheibe und einen<br />

Federbruch vorne rechts.<br />

Die Lackierung war dunkelblau, und<br />

an manchen Stellen schimmerte die<br />

Farbe der US-Army durch, die offenbar<br />

das Fahrzeug auch benutzt hatte,<br />

darunter fand sich die Wehrmachtsfarbe,<br />

und ganz darunter hellblau.<br />

Seinerzeit war Benzin noch bewirtschaftet,<br />

seinerzeit war es extrem<br />

schwer, Reifen oder Ersatzteile zu<br />

bekommen. So fuhr ich beispielsweise<br />

monatelang mit einem Reifen<br />

herum, der auf der Lauffläche einen<br />

großen Riss hatte – dieser Riss wurde<br />

unterlegt und das Ganze mit Draht<br />

umwickelt. Man konnte damit durchaus<br />

fahren, den Draht musste man<br />

aber etwa alle 120 Kilometer erneuern,<br />

weil er sich „abwetzte“.<br />

Das war zwar unsicher, aber besser<br />

als mit dem Fahrrad oder zu Fuß<br />

unterwegs zu sein.<br />

Einen „TÜV“ hat es nicht gegeben<br />

und die Polizei sah über solche<br />

Provisorien großzügig hinweg – die<br />

hatten ja selbst auch keine ordentlichen<br />

Reifen.<br />

Erst nach etwa einem Jahr war das<br />

Automobil ordnungsgemäß bereift –<br />

allerdings mit vulkanisierten Reifen,<br />

die aber weitaus besser waren als die<br />

provisorischen Lösungen. .<br />

Es gab weitere Komplikationen, die<br />

in einer Art beseitigt wurden, wie sie<br />

heute eigentlich undenkbar wäre. Die<br />

Wasserpumpe war ausgeleiert, ein<br />

Ersatzteil gab es nicht. Deswegen<br />

wurde ein Öler, wie man ihn seinerzeit<br />

hei Nähmaschinen fand, in die<br />

Schmieröffnung der Wasserpumpe<br />

gesteckt – das „Schnäuzchen“ des<br />

Olers wurde entsprechend bearbeitet,<br />

so dass es in die Öffnung passte. In<br />

dem Öler war Altöl, das man natürlich<br />

laufend ersetzen musste. Durch<br />

dieses Provisorium war die Wasserpumpe<br />

plötzlich dicht, und dass man<br />

laufend das Altöl nachfüllen musste,<br />

war ja kein Problem.<br />

Wenn Sie die Motorhaube des Kadett<br />

öffnen, dann finden Sie links und<br />

rechts vom Motor, von der Spritzwand<br />

ausgehend, zwei schräge Traversen,<br />

gewissermaßen eine Art<br />

Hilfsrahmen. Eine der beiden war<br />

gebrochen – schweißen nützte nichts,<br />

das ganze brach immer wieder auf.<br />

Wir haben deswegen diese Traverse<br />

verstärkt und nicht mehr an dir<br />

Spritzwand angeschweißt, sondern<br />

geschraubt, und zwar etwas locker,<br />

dadurch konnte die Traverse arbeiten<br />

Clubmagazin Nr. 205 17


REPORT<br />

und ging nicht mehr kaputt. Lediglich<br />

die Schrauben musste man gelegentlich<br />

ersetzen, weil sie abgenutzt<br />

wurden.<br />

Das ist in gewissem Sinne genau das<br />

gleiche, warum Flugzeuge früher<br />

genietet waren, weil nämlich die<br />

genieteten – und nicht geschweißten<br />

und auch nicht geklebten – Bleche<br />

„arbeiten“ konnten.<br />

Die Polsterung zu ersetzen war mir<br />

zu teuer, deswegen bekam das Automobil<br />

wunderschöne Schonbezüge<br />

von der Firma Hundt. „Einen Schonbezug<br />

von Hundt, fährt man nicht<br />

ohne Grund.“<br />

Zusätzlich eingebaut wurde eine<br />

Kühler-Rolljalousie“ damit der Motor<br />

auch im Winter warm wurde.<br />

Und weil wir schon beim Winter<br />

sind, damals gab es eine Heizung, die<br />

nachträglich eingebaut werden konnte,<br />

ich weiß aber nicht mehr, welches<br />

Fabrikat. Im vorderen Fußraum<br />

befanden sich links und rechts auf<br />

dem Boden kleine Heizkörper (ähnlich<br />

denen, wie man sie heute noch in<br />

den Wohnungen findet), durch die<br />

f1oss warmes Kühlwasser. Und weil<br />

der Mensch sich warm fühlt, wenn er<br />

Der Wagen mit der Zulassungs-Nummer "AW 32-3839" ist mein "alter Kadett", den<br />

ich als junger Mensch geraume Zeit und über eine respektable Anzahl von Kilometern<br />

gefahren habe und über den ich in meinem Brief vom 29.November ausführlich<br />

schrieb<br />

nur warme Füße bekommt, hat das<br />

herrlich funktioniert.<br />

Dass dabei oft die Scheiben beschlugen,<br />

war manchmal sogar eine angenehme<br />

Zugabe, nämlich dann, wenn<br />

man nicht allein unterwegs war.<br />

Ersatzkanister waren immer dabei,<br />

weil die Benzinzuteilung auch nicht<br />

annähernd ausreichte. Das „schwarze<br />

Benzin“ kam von der US-Army und<br />

üblicherweise war. wenn man 20<br />

Liter kaufte, ein Kanister mit dabei.<br />

Trotzdem wir im Auto rauchten, ist es<br />

nie explodiert – die Kanister befanden<br />

sich entweder im Kofferraum<br />

oder in dem Zwischenraum zwischen<br />

der vorderen und der hinteren Sitzbank.<br />

Man konnte übrigens ein „Mini-<br />

Wohnmobil“ aus dem Kadett machen,<br />

wenn man die vordere Sitzbank<br />

verkehrt herum einbaute, den Zwischenraum<br />

durch die Benzinkanister<br />

füllte und über das Ganze Teppiche<br />

legte. (Die gab es aus Wehrmachtsbeständen<br />

günstig zu kaufen).<br />

Der Wagen wurde neu lackiert, alle<br />

Karosserieschäden ausgebessert, und<br />

zwar bei einer ganz kleinen örtlichen<br />

Werkstätte, die halte nur eine einzige<br />

Farbe aus der Vorkriegszeit, nämlich<br />

ein helles Blau, das ich übrigens<br />

damals sehr originell fand.<br />

Den Kadett bin ich bis 1952 gefahren.<br />

In dieser Zeit wurden mehr als<br />

100.000 Kilometer zurückgelegt (mit<br />

einer kleinen Motorüberholung, sonst<br />

ohne Probleme).<br />

Dann erwarb ich einen gebrauchten<br />

Opel Olympia, Baujahr 1951 (Reserverad<br />

außen), der 112.000 Kilometer<br />

auf dem Buckel hatte.<br />

Der Kadett wurde an einen Fleischer<br />

(bei uns heißt das Metzger) verkauft,<br />

der sogar eine Anhängerkupplung<br />

anbringen ließ und das Auto mit<br />

einem Viehanhänger benutzte.<br />

Dieser Mann hatte mit dem Fahrzeug<br />

einen Unfall, er fuhr nämlich in der<br />

Nacht auf einen Langholzwagen auf,<br />

ein Stamm bohrte sich durch die<br />

Windschutzscheibe lind zerstörte die<br />

Stütze zwischen linker Türe und<br />

linkem Seitenfenster.<br />

Dem Fahrer ist nichts passiert, es war<br />

ein „glückhaftes Auto“. Allerdings<br />

18 Clubmagazin Nr. 205


REPORT<br />

Der Wagen in gleicher Farbe (im Hintergrund an der Wand ein Bild von Marilyn Monroe) ist der "neue" Kadett – ein exaktes<br />

Duplikat meines seinerzeitigen Fahrzeuges, fertig restauriert und fahrbereit. Mit "roter Nummer" verwendbar, wird aber in<br />

absehbarer Zeit auf eine schwarze Oldtimer-Nummer umgestellt<br />

war die Karosserie durch den Unfall<br />

so verschoben, dass der Kadett verschrottet<br />

werden musste.<br />

Das einzige was ich von diesem Auto<br />

noch habe, ist ein Radzierdeckel. Der<br />

ist jetzt an dem Kadett, der sich in<br />

meinem „Stall“ befindet. Dieser sicht<br />

exakt so aus wie mein damaliges<br />

Fahrzeug, hat also die gleiche ausgefallene<br />

blaue Farbe. Allerdings war es<br />

nicht möglich, eine solche Heizung<br />

zu finden, wie sie damals eingebaut<br />

wurde.<br />

Meine verstorbene Frau hat den<br />

Kadett gelegentlich ab „normales“<br />

Auto gefahren – damals war er auf<br />

schwarze Nummer zugelassen.<br />

Jetzt wird er nur noch gelegentlich<br />

benützt, aber wer weiß, vielleicht<br />

wird eines schönen Tages einer<br />

meiner Enkel damit herumfahren.<br />

Übrigens gab es hernach noch einige<br />

Opel-Fahrzeuge, nämlich zwei vom<br />

Typ Diplomat (mit V8; Chevrolet-<br />

Motor); von denen einer heute noch<br />

hei einem Sammler existiert, sowie<br />

für die Firma mehrfach hintereinander<br />

einen Kombi lind auch einmal<br />

einen Blitz.<br />

Was ich noch zu erzählen vergaß:<br />

Der Himmel im Kadett - fest aufs<br />

Blech geklebt - hatte gewaltige<br />

Rostflecken, und ich habe manchmal<br />

Beifahrerinnen damit erschreckt, es<br />

wären Blutflecken, die aus der Zeit<br />

stammen würden, als der Wagen bei<br />

der Wehrmacht eingesetzt war. Erfreulicherweise<br />

fand sich dann ein<br />

Handwerker, der das in Ordnung<br />

brachte – die Rostflecken verschwanden<br />

und das Auto war auch innen<br />

wieder „schön“.<br />

Wie Sie wissen ist die Straßenlage<br />

des Kadett etwas gewöhnungsbedürftig<br />

– zumindest für heutige Ansprüche.<br />

Mehrmals ist es mir passiert,<br />

dass ich auf zwei Rädern um eine<br />

Kurve fuhr. Weil es aller ein „liebes“<br />

Auto gewesen ist, hatte er nie mit mir<br />

einen Unfall.<br />

Sie wissen doch, richtig gute Automobile<br />

haben eine Seele.<br />

Gerne erinnere ich mich immer noch<br />

an den Kadett, er war damals, in<br />

jenen jungen Jahren, ein wichtiger<br />

Teil meines Lebens.<br />

Ich hoffe, dass es Ihnen etwas Spaß<br />

gemacht hat, all diese Geschichte zu<br />

lesen.<br />

Hermann Walter Sieger *6<br />

Mit einem Dankeschön an Matthias<br />

Lohscheidt, der uns diesen Beitrag<br />

vermittelt hat, und mit einem Dankeschön<br />

an den Verfasser, dem mit<br />

seinen 82 Jahren das Schreiben von<br />

Geschichten nicht mehr ganz leicht<br />

fällt und der sich dennoch sofort<br />

bereit erklärt hat, aus einem privaten<br />

Briefwechsel mit Matthias Lohscheidt<br />

eine Story für unseren Zuverlässigen<br />

zu machen.<br />

Nachtrag: Der Diplomat A V8 steht<br />

heute ebenfalls wieder im „Stall“<br />

seines Erstbesitzers Konsul Hermann<br />

Walter Sieger.<br />

Clubmagazin Nr. 205 19

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