Die Entstehung der deutschen Sprache - Rhetorik
Die Entstehung der deutschen Sprache - Rhetorik
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Holger Münzer<br />
<strong>Die</strong> <strong>Entstehung</strong> <strong>der</strong> Deutschen <strong>Sprache</strong><br />
Aus dem Handbuch <strong>der</strong> <strong>Rhetorik</strong> von Holger Münzer<br />
Begleitmaterialzum Seminar / Übungsreihe:<br />
“Präsentation: <strong>Rhetorik</strong> - Mo<strong>der</strong>ation“<br />
Fakultät 02<br />
Institut für Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation GWK<br />
an <strong>der</strong> Universität <strong>der</strong> Künste Berlin (UdK)<br />
Seminare an <strong>der</strong> <strong>Rhetorik</strong>akademie Berlin<br />
Internetz:<br />
Methodisches Verzeichnis: www.rhetorik-netz.de<br />
Stichwortverzeichnis: www.rhetorik-netz.de/rhetorik/stichwort<br />
Benutzung nur zum persönlichen Gebrauch gestattet.<br />
Druck, Weiterverbreitung und Kopieren nur mit Genehmigung des<br />
Autors bzw. Verlages<br />
Copyright © Holger Münzer Berlin<br />
Redaktion und Layout: Holger Münzer
2<br />
<strong>Die</strong> deutsche <strong>Sprache</strong><br />
<strong>Die</strong> deutsche <strong>Sprache</strong> ist eine <strong>der</strong> wichtigsten Kultur-, Wissenschafts- und<br />
Verkehrssprachen. Rund 100 Millionen Europäer sprechen Deutsch. Nicht<br />
nur in Deutschland, son<strong>der</strong>n auch in Österreich, in weiten Teilen <strong>der</strong><br />
Schweiz, in Liechtenstein, Luxemburg sowie Teilen Norditaliens, Ostbelgiens<br />
und Ost- und Westfrankreichs wird Deutsch gesprochen. Sie ist<br />
(neben Russisch) die am meisten gesprochene Muttersprache in Europa<br />
und gehört zu den zehn am häufigsten gesprochenen <strong>Sprache</strong>n <strong>der</strong> Welt.<br />
Dazu kommen viele Millionen Deutsche, die außerhalb Europas leben o<strong>der</strong><br />
ausgewan<strong>der</strong>t sind o<strong>der</strong> z.B. Amerikaner in Pennsylvania (Pennsylvaniadeutsch).<br />
In den slawischen Län<strong>der</strong>n wird Deutsch als Fremdsprache meist<br />
mehr gesprochen als englisch, sodaß bis zu 140 Millionen Menschen<br />
weltweit (Schätzung) auf <strong>der</strong> ganzen Welt Deutsch als Muttersprache<br />
sprechen, viele sprechen deutsch als erste Fremdsprache. Es ist deshalb<br />
nicht nachvollziehbar, warum Deutsch in <strong>der</strong> EU nicht anerkannt wird.<br />
Der Baum <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong><br />
<strong>Die</strong> folgende Grafik zeigt deutlich, daß die Sprachgeschichte des Deutschen<br />
ziemlich verwickelt ist. Außerdem ist das nur eine Möglichkeit, es gibt<br />
durchaus an<strong>der</strong>e Darstellungen, aber das zu erklären, würde zu weit führen.<br />
<strong>Die</strong> Grafik braucht noch ein kleines Glossar:<br />
Kentum/Satem-<strong>Sprache</strong>n - Das bezieht sich auf die Art wie das Wort<br />
Hun<strong>der</strong>t gebildet wird.<br />
Ae. - Altenglisch<br />
Me. - Mittelenglisch<br />
Ne. - Neuenglisch<br />
Fries. - Friesisch<br />
Nfries. - Neufriesisch<br />
As. - Altsächsisch<br />
Mnd. - Mittelnie<strong>der</strong>deutsch<br />
Nnd. - Neunie<strong>der</strong>deutsch<br />
Anfr. - Altnie<strong>der</strong>fränkisch<br />
Mnfr. - Mittelnie<strong>der</strong>fränkisch<br />
Rhfr. - Rheinfränkisch<br />
Ostfr. - Ostfränkisch<br />
Ostmd. - Ostmitteldeutsch<br />
Obd. - Oberdeutsch<br />
Ahd. - Althochdeutsch<br />
Mhd. - Mittelhochdeutsch<br />
frühnhd. - Frühneuhochdeutsch (=> Goethes <strong>Sprache</strong>)<br />
Nhd. - Neuhochdeutsch<br />
Das Bilde (nächste Seite) stammt aus: Heinz Mettke. Mittelhochdeutsche<br />
Grammatik. Leipzig 1989.
Der Baum <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong><br />
f<br />
a<br />
r<br />
G<br />
(<br />
3
4<br />
<strong>Die</strong> <strong>Entstehung</strong> <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong><br />
Der Baum <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> zeigt drei Hauptgebiete im Süd- o<strong>der</strong><br />
Westgermanischen von Ost nach West geglie<strong>der</strong>t: Elbgermanen (Ermionen:<br />
Sueben): Elbegebiet bis Ostsee Rhein-Wesergermanen (Istwäonen:<br />
Franken): Rhein bis zur Weser (Bremen), im Norden etwa bis zur Nordsee<br />
und Nie<strong>der</strong>lande Nordseegermanen (Ingwäonen: Angelsachsen, Friesen,<br />
Chauken): ein Streifen von südlich von Dänemark, Nordseeküste und<br />
Nordseeinseln bis Friesland<br />
Als Streifen von Ost nach West liegt im Norden darüber das Nordgermanische:<br />
Schweden, Dänemark, Norwegen, Island<br />
Das Englische (angelsächsische) ist laut Elisabeth Fraser also das Bindeglied<br />
zwischen Nie<strong>der</strong>deutsch (Platt) und englisch. Daher rührt die heutige<br />
übergangslose krasse Trennung zwischen Nie<strong>der</strong>deutsch Schleswig-Holstein)<br />
und Dänisch.<br />
<strong>Die</strong> germanischen Stämme kamen ursprünglich aus dem Ural. <strong>Die</strong> Sueben<br />
siedelten zu Cäsars Zeiten rund um die Ostsee („mare suebicum“ = das<br />
„Schwäbische Meer“) und das Elbegebiet, auch Dänemark, Norwegen und<br />
Schweden, die Alamanni dagegen siedelten um 100 n.Chr. etwa in <strong>der</strong> Höhe<br />
des Mains (genau: Fulda) und begannen von dort aus in den Süden<br />
vorzudringen. Sie überstiegen den Limes, wurden aber von den Römern<br />
verjagt. Sie überstiegen den Limes jedoch ein zweites Mal und verdrängten<br />
die Römer (213 - 260 n.Chr.). Bereits anno 280 n.Chr. drangen sie bis an den<br />
Rhein vor. Der erste Nachweis <strong>der</strong> Alamanni findet sich in den römischen<br />
Annalen im Jahr 213 n.Chr. Ausführlicheres dazu finden Sie im Kapitel <strong>der</strong><br />
Geschichte <strong>der</strong> Alemannen und Schwaben - „Aus <strong>der</strong> Geschichte des<br />
südwest<strong>deutschen</strong> Sprachgebiets“. Da das Alemannische einen - wie im<br />
Folgenden ersichtlich wird - großen Einfluß auf die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong><br />
<strong>Sprache</strong> hatte, wird hier diesem Volk beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit<br />
zuteil (außerdem ist nebenbei <strong>der</strong> Autor Alemanne, besser: „Allemane“).<br />
Wie aus dem Baum <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> weiter ersichtlich wird hat sich<br />
das Oberdeutsch aus den Ermionen (Elbgermanen / Sueben) entwickelt,<br />
dabei vorwiegend durch die Alemannen und Baiern. <strong>Die</strong> Alemannen überstiegen<br />
den Limes, sie sind in den römischen Annalen erstmals im Jahr 213<br />
n.Chr. erwähnt. Sie waren über den Limes, <strong>der</strong> ungefähr am Ostrand des<br />
Schwarzwalds über Donaueschingen zur Donau entlanglief, in die römisch<br />
beherrschten Gebiete Süddeutschlands eingedrungen (Näheres siehe Abschnitt<br />
„Aus <strong>der</strong> Geschichte des südwest<strong>deutschen</strong> Sprachgebiets“).<br />
Im Zeitraum bis zum Jahr 750 n.Chr. wurden jahrhun<strong>der</strong>telang nur lateinische<br />
Texte abgefaßt o<strong>der</strong> abgeschrieben. <strong>Die</strong> Germanen sprachen eben ihr<br />
Urgermanisch, vermutlich auf sehr unterschiedliche Weise, jedoch übernahmen<br />
sie zunehmend lateinische Wörter. Über diesen ersten Abschnitt
<strong>der</strong> Entwicklung gibt es also keine Urkunden und Texte, jedoch hilft uns die<br />
Linguistik ein bißchen weiter. Deutsch entstand - vereinfacht ausgedrückt -<br />
aus germanischen Wörtern und Silben (Siluben), an welche lateinische<br />
Endungen gehängt wurden, dazu wurde lateinische Grammatik eingesetzt,<br />
wurden lateinische Wörter (Lehnwörter) für alles, wofür es keine germanischen<br />
Wörter gab, übernommen (Fenster, Keller, Kaiser usw.). Das zeigt<br />
ein schönes Beispiel, das „Vater unser“ aus <strong>der</strong> Zeit bis zu Karl <strong>der</strong> Große:<br />
„Ata unsa es in himinam...“ <strong>Die</strong> germanischen Kerne sind: „Ata“, „uns“ und<br />
„Himi“, <strong>der</strong> Rest sind lateinische Anfügungen. <strong>Die</strong> Zeit vor 750 n.Chr. kann<br />
man sprachlich noch nicht als irgendwie „deutsch“ bezeichnen, es war<br />
Germanisch, jedoch entstand Deutsch quasi „fragmentarisch“ (nebenbei: in<br />
<strong>der</strong>selben Zeit entstand das Altfranzösische in Gallien aus dem Soldatenlatein).<br />
Es ist auffallend, daß „Cäsar“ im Italienischen zu „Cesare“ (phon:<br />
„Dschesare“), im französischen zu „César“ (phon: „Ssesaar“) und im<br />
russischen zu „Zar“ wurde, im <strong>deutschen</strong> dagegen nicht zu „Zaisar“ son<strong>der</strong>n<br />
zu „Kaisar“. Linguistisch läßt sich aber daraus ablesen, daß die romanischen<br />
Län<strong>der</strong>, die von römischen Truppen besiedelt wurden, sprachlich<br />
eher vom „Soldatenlatein“ o<strong>der</strong> „Vulgärlatein“ geprägt wurden, welche für<br />
„Ce...“ eben „Dsche...“ und nicht „Ke...“ sagten. Dagegen sprach man in<br />
Germanien nicht die „Lingua romana“, die Behörden sprachen aber lateinisch,<br />
auch die Urkunden und Erlasse Karls des Großen waren in Latein<br />
geschrieben, so mußten sich die Germanen also nach <strong>der</strong> Aussprache des<br />
„Behördenlateins“ richten. In Rom war es schick gewesen, „Käsar“ und<br />
„Kikero“ (kiker=lächeln, kichern, Kikero=<strong>der</strong> Lächelnde) zu sagen, die<br />
Aussprache im Behördenlatein war also „Kaesar“. So entstand eben nicht<br />
„Zaisar“ son<strong>der</strong>n „Kaisar“. Geradezu witzig mutet an, wie „cellar“ (lat. für<br />
Keller, Zelle) zweimal in die deutsche <strong>Sprache</strong> Einzug hielt: erstens als<br />
„Keller“ (die Behörde bezeichnet den Ort, wo böse Soldaten eingesperrt<br />
werden, als „Kellar“) und zweitens als „Zelle“ (<strong>der</strong> Soldat sitzt im Keller, sagt<br />
aber „Zellar“ und leidet sehr).<br />
<strong>Die</strong> Perioden <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Sprachgeschichte<br />
Um das Nacheinan<strong>der</strong> <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen richtig einordnen zu können,<br />
teilen wir die Geschichte <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> in 3 Perioden ein:<br />
Das Althochdeutsche (etwa 750 bis 1100)<br />
Das Mittelhochdeutsche (etwa 1100 bis 1500) mit dem Frühneuhoch<strong>deutschen</strong><br />
(seit etwa 1350 bis 1650)<br />
Das Neuhochdeutsche (etwa seit 1650)<br />
In all diesen Epochen beachte man ...hoch...: Hochdeutsch kommt aus<br />
den hohen Landen (Südschwarzwald, Nordschweiz, <strong>der</strong> Bodensee ist<br />
600 m über dem Meeresspiegel), Nie<strong>der</strong>deutsch aus den nie<strong>der</strong>en<br />
Landen (Hamburg, Hannover usw. bis 100 m über dem Meeresspiegel).<br />
5
In ihren Grundzügen geht diese Einteilung auf Jacob Grimm (1785-1863)<br />
zurück, den älteren <strong>der</strong> beiden Brü<strong>der</strong>, denen wir die Sammlung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>und<br />
Hausmärchen verdanken. Er war ein bedeuten<strong>der</strong> Gelehrter und <strong>der</strong><br />
Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Sprachwissenschaft. Allerdings hielt er Martin<br />
Luther (1483-1546) für den eigentlichen Schöpfer des Neuhoch<strong>deutschen</strong>.<br />
Darum setzte er die Grenze zwischen Mittel- und Neuhochdeutsch um das<br />
Jahr 1500 an. Viel später erst wurde erkannt, daß Luther eine Entwicklung<br />
auf die Höhe führte, die schon viel früher begonnen hatte. Deshalb wird<br />
heute die Periode „Frühneuhochdeutsch“ oft als eine eigene, selbständige<br />
Sprachperiode in das anfangs nur dreiteilige Schema eingeschoben. Verbissen<br />
hält sich beson<strong>der</strong>s bei „nord<strong>deutschen</strong>“ Vertretern <strong>der</strong> Irrglaube,<br />
Hochdeutsch käme aus Hannover (im „hohen Norden). Das ist falsch:<br />
erstens weil Hannover zu den nie<strong>der</strong>en Landen gehört und die erste und<br />
zweite Lautumwandlung nie stattgefunden hat, zweitens weil in Hannover<br />
anno 1500 nur Platt gesprochen wurde, drittens weil die Hannoveraner sich<br />
im 20. Jh. aus unerfindlichen Gründen plötzlich ihres wun<strong>der</strong>schönen<br />
Platt<strong>deutschen</strong> geschämt haben und das spätere Neuhochdeutsch („Goethedeutsch“)<br />
übernommen haben, viertens weil alle Deutschen außer den<br />
Hannoveranern <strong>der</strong>en Sprachmelodie / Melos (Singsang) hören (Näheres<br />
siehe „Das heutige Deutsch“). Neuhochdeutsch kommt aus dem Mittelhoch<strong>deutschen</strong><br />
(Walter von <strong>der</strong> Vogelweide, Meister Eckhardt, Wolfram<br />
von Eschenbach und „Das Nibelungenlied“, alle in Donaueschingen bzw.<br />
Südschwarzwald) und <strong>der</strong> Weiterentwicklung zum „Meißner Amtsdeutsch“,<br />
<strong>der</strong> <strong>Sprache</strong> Luthers. Neuhochdeutsch konnte anno 1500 in Hannover nicht<br />
gesprochen werden, weil das Schriftdeutsch (und die Lutherbibel) Hannover<br />
noch gar nicht erreicht hatte. Luther hat damals nachweislich nicht das<br />
Hannoveraner Deutsch übernommen son<strong>der</strong>n das sächsische „Meißner<br />
Amtsdeutsch“. Das ist wissenschaftlich belegbar, alles an<strong>der</strong>e ist dummes<br />
Gerede. Zu den <strong>Sprache</strong>pochen:<br />
Althochdeutsch (750-1100)<br />
Vor etwa dem Jahr 750 n.Chr. wurden jahrhun<strong>der</strong>telang nur lateinische<br />
Texte abgefaßt o<strong>der</strong> abgeschrieben. Danach fingen Gelehrte an, Texte in<br />
<strong>der</strong> <strong>Sprache</strong> des eigenen Volkes zu schreiben. So gibt es seit etwa zwölf<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ten schriftliche und seit dem 15. Jahrhun<strong>der</strong>t (Gutenberg) auch<br />
gedruckte Überlieferungen in deutscher <strong>Sprache</strong>. Das bedeutet etwa zwölf<br />
Jahrhun<strong>der</strong>te deutscher Sprachgeschichte.<br />
Wurde aber wirklich um 750 schon „deutsch“ geschrieben, und hat Karl <strong>der</strong><br />
Große, als er im Jahre 768 zum König <strong>der</strong> Franken gekrönt wurde, sein Heer<br />
schon „auf deutsch“ begrüßt?<br />
Karl wurde auf einer <strong>der</strong> reichen Besitzungen seiner Familie im oberen<br />
Moseltal, in <strong>der</strong> Gegend um Metz, geboren, und er selbst nannte seine<br />
6
Muttersprache „fränkisch“. Er beherrschte ein gewaltiges Reich, fast ganz<br />
Frankreich, das schon seine Vorfahren den Römern abgewonnen hatten,<br />
Oberitalien und das germanische Land bis an die Elbe und die Saale. Der<br />
germanische Frankenstamm hatte die an<strong>der</strong>en Germanenstämme, die<br />
Alemannen und Bayern, und Karl selbst dazu noch die Sachsen unterworfen.<br />
Sie gehörten seither zum Frankenreich, aber ihr Streben nach Selbständigkeit<br />
war ungebrochen, und ihre <strong>Sprache</strong>n nannten sie „fränkisch“,<br />
„alemannisch“, „bayerisch“ und „sächsisch“, genauer aber: „thüringisch“<br />
(dieses sind auch die Kernwurzeln <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> - siehe Grafik).<br />
Als zweiter Zweig kamen nun also die fränkischen Einflüsse hinzu (Istwäonen:<br />
Rhein-Weser-Gebiet, das Frankenreich umfaßte aber auch das heutige<br />
Nordfrankreich), die weiteren Seiteneinflüsse sind grafisch gut erkennbar,<br />
woraus dann das Althochdeutsch entstand:<br />
Im Westen und Süden des Reiches (heutiges Frankreich) sprachen die<br />
Einheimischen wie schon vor <strong>der</strong> fränkischen Eroberung immer noch die<br />
„Lingua Romana“, die <strong>Sprache</strong> Roms (genauer gesagt aber in <strong>der</strong> Aussprache<br />
<strong>der</strong> Soldaten, also „Soldatenlatein“ / „Vulgärlatein“). <strong>Die</strong> Westgermanen<br />
konnten diese fremde <strong>Sprache</strong> nicht verstehen. Wohl aber verstanden sich<br />
die Germanen trotz ihrer verschiedenen Mundarten untereinan<strong>der</strong>. Darum<br />
nannte Karl in seinen (lateinisch geschriebenen) Urkunden und Erlassen<br />
diese <strong>Sprache</strong>n die „Lingua theudisca“. Das war ein künstlich gebildetes<br />
Wort, abgeleitet von germanisch „the-uda“ = „<strong>der</strong> Stamm“ o<strong>der</strong> „das Volk“<br />
(„theu-disca“, die einigen Stämme), bedeutet also „die <strong>Sprache</strong> des eigenen<br />
Volkes“ im Gegensatz zu <strong>der</strong> <strong>Sprache</strong> <strong>der</strong> Romanen. Daher erklärt sich<br />
auch <strong>der</strong> Unterschied, daß die italienische Bezeichnung für deutsch „tedesco“<br />
ist, jedoch in den an<strong>der</strong>en romanischen <strong>Sprache</strong>n (span., portug. und franz.)<br />
„aleman“, weil die Alemannen eben die nächstliegenden Nachbarn in den<br />
<strong>deutschen</strong> Landen waren. Aus „the-u-disca“ wurde „diutiscun“, —> „theutsch“<br />
—> „theutsch“ —> „deutsch“, „diuts“ o<strong>der</strong> „duits“ (holl.), „tuisk“<br />
(schwed.).<br />
Jacob und Wilhelm Grimm waren überzeugt, daß man die Sprachperioden<br />
allein nach den äußerlichen Merkmalen <strong>der</strong> Lautentwicklung einteilen<br />
könne. Das reicht zwar, wie wir heute wissen, bei weitem nicht aus. Doch<br />
liegen darin Möglichkeiten, einen unbekannten Text zeitlich und oft auch<br />
räumlich wenigstens vorläufig einzuordnen.<br />
Vor allem lassen sich die drei hoch<strong>deutschen</strong> Stammesmundarten auf<br />
Grund des Lautbestandes von den nie<strong>der</strong><strong>deutschen</strong> (dem „Altsächsischen“)<br />
unterscheiden. <strong>Die</strong> Gebetszeilen lauten z.B. im altsächsischen „Heliand“,<br />
<strong>der</strong> um 840 entstand, wie folgt: Gewihid si thin namo. Cuma thin craftag riki.<br />
Werda thin willeo so sama an erdo, so thar uppe ist an them hohon<br />
himilrikea.<br />
7
8<br />
Im Vergleich mit dem althoch<strong>deutschen</strong> Text nimmt man mancherlei Unterschiede<br />
wahr, auch in <strong>der</strong> Wortwahl (giheilagot: gewihid = „geweiht“) und in<br />
den Endungen (queme, willo, erdu: cuma, willeo, erdo). Aber wichtiger sind<br />
die Lautunterschiede, die besser im Vergleich mit dem Text von 1200 zu<br />
erkennen sind. Statt „rich“ und „uf“ hat <strong>der</strong> Heliand „riki, uppe“. Und<br />
gegenüber dem „zuchome“ (heutiges alemannisch: „zuechome“) steht in<br />
einem altenglischen Text „tobecume“. Aus den germanischen Lauten „p, t,<br />
k“, die das Altenglische und das Altsächsische behalten haben, sind im<br />
Fränkischen, Alemannischen und Bayerischen nach bestimmten Regeln<br />
an<strong>der</strong>e entstanden: „f“ (ship —>Schiff) bzw. „pf“ (pipe —>Pfeife), „s“ (out —<br />
>aus) bzw. „z“ (tongue —>:Zunge) entstanden, und auch Vokale haben sich<br />
geän<strong>der</strong>t. Man nennt diesen Vorgang die „althochdeutsche Lautverschiebung“<br />
(o<strong>der</strong> die von den Alemannen ausgehende 2. Lautverschiebung<br />
gegenüber <strong>der</strong> nicht datierbaren ersten o<strong>der</strong> germanischen, die die germanischen<br />
<strong>Sprache</strong>n von allen an<strong>der</strong>en indogermanischen <strong>Sprache</strong>n unterscheidet)<br />
und nennt die drei Mundarten, in denen diese Verän<strong>der</strong>ungen<br />
vorkommen, die „hoch<strong>deutschen</strong>“ Mundarten. Daß wir heute hochdeutsch<br />
„Wasser, schlafen, Küche“ sagen, wo es nie<strong>der</strong>deutsch „Water, slapen,<br />
Köke“ heißt, ist eine Folge <strong>der</strong> 2. Lautverschiebung (etwa 7. Jh.). Das<br />
Nie<strong>der</strong>deutsche hat die alten „p, t, k“ bis heute zäh festgehalten. Deshalb ist<br />
es, obwohl es an <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Verkehrsgemeinschaft seinen Anteil hat,<br />
niemals „hochdeutsch“ geworden, und auch die hoch<strong>deutschen</strong> Sprachperioden<br />
lassen sich nicht auf das Nie<strong>der</strong>deutsche anwenden. Entgegen<br />
<strong>der</strong> weitverbreiteten falschen Annahme, Hochdeutsch käme auch dem<br />
hohen Norden kommt es vielmehr aus dem Hochland, also den eher<br />
südlichen <strong>Sprache</strong>n, das Nie<strong>der</strong>deutsch dagegen aus dem Norden, das<br />
heißt dem Tiefland (den nie<strong>der</strong>en Landen), den tief gelegenen Län<strong>der</strong>n im<br />
Norden.<br />
Erstmals um das Jahr 1000 tauchte die Bezeichnung „in diutiscun“, d.h. „auf<br />
deutsch“ auf. Der gelehrte Alemanne, <strong>der</strong> so schreibt, hat also begriffen, daß<br />
fränkisch, bayerisch, alemannisch und sächsisch nur beson<strong>der</strong>e Formen<br />
einer gemeinsamen <strong>Sprache</strong> sind. Gleichzeitig wird erkennbar, daß das<br />
Alemannische bestimmend wurde - eigentlich besser: „alle-manisch“, denn<br />
die „Manen“ sind „Menschen“ (engl. „men“ = alle Menschen) des eigenen<br />
Volkes. Manen können auch Frauen sein (das holländische alman wird<br />
übersetzt mit je<strong>der</strong>mann). Im „Allemanischen“ gibt es heute noch ein<br />
Kin<strong>der</strong>lied, das ich als Kind in Meßkirch gelernt habe: „Alle Mane sind halt<br />
Pu-eschde...“ (Pueschde = Helden, Sieger).<br />
Zurück zur <strong>Sprache</strong>ntwicklung: Deutlich erkennt man im Wort „diutiscum“<br />
die Wirkung <strong>der</strong> Verkehrsgemeinschaft in einem politischen Großraum.<br />
Denn nachdem das weite Frankenreich unter den Nachfolgern Karls des<br />
Großen mehrmals aufgeteilt wurde, entstand in seinem Ostteil (rechtsrhei-
nisch) die große politische Einheit, aus <strong>der</strong> später das Reich <strong>der</strong> Deutschen<br />
hervorgehen sollte. <strong>Die</strong> politische Verbundenheit führt zu einem Gefühl <strong>der</strong><br />
Einheit. <strong>Die</strong> einzelnen Stämme erkennen, daß sie zwar etwas Eigenes<br />
darstellen, daß sie aber alle einer Kultur, einem Reich angehören und<br />
deshalb auch nach außen hin gemeinsame Interessen zu wahren haben.<br />
Dabei ist die <strong>Entstehung</strong> <strong>der</strong> gemeinsamen <strong>Sprache</strong> innerhalb des politischen<br />
Großraums vor allem auf den kulturpolitischen Willen Karls des<br />
Großen zurückzuführen. Immer wie<strong>der</strong> schärfte er den hohen Geistlichen<br />
ein, sie sollten für die Ausbreitung und Vertiefung des Christentums sorgen,<br />
und sie sollten die christliche Lehre in den Landessprachen verkünden. Das<br />
war im Westreich nicht allzu schwierig, wo ja die <strong>Sprache</strong> Roms, wenn auch<br />
in gewandelter Form, noch weiterlebte.<br />
Im germanischen Osten (rechtsrheinisch) war dazu aber eine gründliche<br />
Neugestaltung <strong>der</strong> <strong>Sprache</strong> nötig. Denn die vor kurzem noch heidnischen<br />
Stämme kannten die christlichen Glaubensvorstellungen und die Lehre<br />
noch kaum. Tausende von neuen Wörtern mußten gefunden werden, um<br />
die lateinischen Texte <strong>der</strong> Bibel und <strong>der</strong> Kirchenlehrer in die Volkssprache<br />
zu übertragen, und diese äußerst schwierige Aufgabe hatten die vier<br />
Stämme gemeinsam zu lösen. So entstand aus den vier noch heidnisch<br />
geprägten Stammessprachen die christliche deutsche Kultursprache und<br />
gleichzeitig auch das Bewußtsein <strong>der</strong> Gemeinsamkeit, das mit dem Wort<br />
„deutsch“ ausgedrückt wird.<br />
Wollten wir sehr genau sein, so dürften wir für die ersten drei Jahrhun<strong>der</strong>te<br />
unserer Sprachgeschichte noch nicht von einer <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> reden.<br />
Aber Karl <strong>der</strong> Große hat den politischen Raum geschaffen, <strong>der</strong> zum<br />
Sprachraum wurde, und er hat die große kulturelle Aufgabe gestellt, die die<br />
vier Stämme gemeinsam bewältigten. So rechnen wir auch für diese Zeit<br />
bereits mit einer <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong>, denn es ist die Zeit des „werdenden<br />
Deutsch“.<br />
Zwölf Jahrhun<strong>der</strong>te sind eine lange Zeit, in <strong>der</strong> mancherlei Verän<strong>der</strong>ungen<br />
in <strong>der</strong> <strong>Sprache</strong> vorgehen. Schon wenige Zeilen aus dem Vaterunser können<br />
das zeigen.<br />
Um 825 schreibt ein Mönch im Kloster Fulda: si giheilagot thin namo, queme<br />
thin rihhi, si thin willo, so her in himile ist, so si her in erdu.<br />
Mittelhochdeutsch (1100-1500)<br />
Im Kloster Milstatt in Kärnten lautet <strong>der</strong>selbe Text um 1200: geheiliget werde<br />
din name. zuchom uns din rich. din wille werde hie uf <strong>der</strong> erde als da ze<br />
himele.<br />
Wurde das Althochdeutsch noch vorwiegend vom Alemannischen, Fränkischen,<br />
Bayerischen und Thüringischen geprägt, so wurde das Mittelhochdeutsch<br />
prior allein vom Alemannischen geprägt.<br />
9
10<br />
Walter von <strong>der</strong> Vogelweide (1170-1230) schrieb:<br />
Ich sass uf eime steine<br />
und dachte bein mit beine.<br />
daruff satzt ich den ellenbogen<br />
- ich hetes in min hand gesmogen<br />
das Kinn und ein min wange.<br />
do dacht ich mir viel lange<br />
wie man zur werlte sullte leben.<br />
Deheinen rat kunnt ich gegeben<br />
wie man drü ding erwurbe<br />
des keines nicht verdurbe...<br />
Als ich dieses Gedicht zum erstenmal in <strong>der</strong> Schule hörte wurde es<br />
fatalerweise in plattdeutscher Aussprache vorgetragen mit „spitzem Sstain“.<br />
Völlig falsch!<br />
Man muß diesen Text alemannisch vortragen (das heißt im Norden:<br />
„schwizerdüütsch“: das ist Südschwarzwald und Nordschweiz) um einen<br />
Annäherungswert zu erzeugen. Dort gibt es heute noch die Wörter in dieser<br />
Phonetik: „min“ (mit langem „i“) für „mein“, „eime“ (phon: „ë-ime“ mit „ë“ -<br />
nicht „aime“ mit „a“ ausgesprochen) für „einem“, „Schtë-in“ (und nicht „Stain“<br />
mit „sspitzem Sst...“) für „Stein“, „dehë-inen“ für „keinen an<strong>der</strong>n als“, „drüü“<br />
für „drei“, „Hus“ für „Haus“ usw., die „K“ und „CH“ als hartes „CH“ (kch) wie<br />
im Wort „Chaibe“ (die Schwaben werden von uns oft als „Chaibe“ beschimpft,<br />
„Chaibe“ meint ungezogene, freche Burschen), das „a“ sehr<br />
dunkel und mehr als „offenes „o“ gesprochen. Und plötzlich wird hörbar, daß<br />
dies mit dem heutigen Alemannisch fast identisch ist, hier <strong>der</strong> Versuch einer<br />
phonetischen Schreibweise:<br />
Ikch sass uff ëi-me Schtë-ine<br />
und dochte - Bë-in mit Bë-ine.<br />
(waischt scho: dos miint d’Fies überenon<strong>der</strong>gschlogge)<br />
doruff sotzt ikch den Ellenboggen (nicht -boogen)<br />
- ikch hätt es (also nicht „heetes“ son<strong>der</strong>n „hatte es“ , nämlich das<br />
Kinn) in miin Hand geschmoggen<br />
(d’Schwobe sägget „gschmiegt“)<br />
das Kchin und ë-in miin Wange.<br />
Do docht ikch mir viel longe<br />
wie man zur Werlte sullte läbben (nicht „leeben“).<br />
De-hëinen...<br />
(des chascht id übrsatze uffs düütsche, sell miint: „kchëin On<strong>der</strong>e als...“)<br />
Dehë-inen Rot kchunnt ikch gegebben<br />
wie mon drüü Dingkch erwurbe (waischt scho: „eis, zwei drüü...“)<br />
des kchëines niccht verdurbe...
Und plötzlich wird <strong>der</strong> priore Einfluß des Alemannischen auf die mittelhochdeutsche<br />
<strong>Sprache</strong> auch hörbar. Nebenbei wird sichtbar, daß alemannisch<br />
und schwäbisch zwei völlig verschiedene <strong>Sprache</strong>n sind.<br />
In den alemannischen Län<strong>der</strong>n (Schwarzwald/Baden, Elsaß und Schweiz)<br />
nennt man die übrigen Deutschen abwertend auch gerne „Schwaben“, was<br />
darin begründet liegt, daß die Sueben rund um die Ostsee (das „Mare<br />
Suebicum“), also im Norden siedelten. Das „schwäbische Meer“ wäre also<br />
gar nicht <strong>der</strong> Bodensee son<strong>der</strong>n die Ostsee. Dazu witzeln die Alemannen<br />
gerne, daß die Schwaben nur 7 km <strong>der</strong> Küste besiedeln (rund um Lindau),<br />
während die Alemannen (in Baden, <strong>der</strong> Schweiz und Österreich) 260 km<br />
besiedeln: Und wenn d' ebs gstohle hasch dann schicks glei hoim...<br />
Übrigens gebrauchen auch die Polen das Schimpfwort „Schwobe“ für die<br />
Deutschen. Es bringt einen Alemannen immer zum Lachen, wenn sich die<br />
Schwaben heute gerne mit „alemannischer Kultur“ schmücken, nur weil<br />
Baden und Württemberg inzwischen ein Bundesland ist, sie verkörpern aber<br />
eigentlich das An<strong>der</strong>e, d.h. das eben nicht Alemannische. <strong>Die</strong> Verwechslung<br />
von Alemannen und Schwaben hat aber eine lange Geschichte. In <strong>der</strong><br />
unterschiedlichen Entwicklung <strong>der</strong> Kulturen steckt eine historische Rivalität,<br />
die heutige Rivalität <strong>der</strong> beiden ist jedoch gar nicht bösartig son<strong>der</strong>n eher<br />
humorvoll zu nehmen, denn im Kern sind die beiden Geschwister (Ausführlicheres<br />
im Kapitel „Alemannen und Schwaben“).<br />
In den nord<strong>deutschen</strong> Län<strong>der</strong>n kennt man die Bezeichnung „alemannisch“<br />
kaum o<strong>der</strong> verwechselt sie gar mit schwäbisch (für einen echten Alemannen<br />
geradezu beleidigend), im Norden wird heutzutage "“Alemannisch“ einfach<br />
als „Schweizerdeutsch“ erkannt, dieses aber wird nicht nur in <strong>der</strong> Schweiz<br />
son<strong>der</strong>n auch im Südschwarzwald (beson<strong>der</strong>s südlich <strong>der</strong> Kinzig) und in<br />
den Vogesen (Elsaß) gesprochen, alemannisch geht etwa von Burgund<br />
Richtung Osten entlang <strong>der</strong> Alpen und Voralpen über: Schwarzwald, Baden<br />
und westliches Süd-Württemberg (mit Ausnahme des nördlichen fränkischen<br />
Teils), die deutschsprachige Schweiz, das österreichische Vorarlberg,<br />
das Fürstentum Liechtenstein, den westlichen Teil des Bundeslandes<br />
Bayern (Augsburg) bis etwa zum Lech und sogar bis Tirol, also nördlich <strong>der</strong><br />
Alpen entlang (teilweise auch südlich), erkennbar am harten "CH" anstelle<br />
von "K" und am „ë“. Ich selbst bin im Schwarzwald aufgewachsen und liebe<br />
die alemannische <strong>Sprache</strong>, die Familie kommt aus dem Südschwarzwald /<br />
Breisgau. Mein Onkel Erwin und meine Base Ursula brachten mir die Pflege<br />
<strong>der</strong> alemannischen <strong>Sprache</strong> bei. Ich habe alemannisch inzwischen zwar<br />
fast verlernt, denn wer bühnendeutsch spricht, muß sich den Dialekt (und<br />
beson<strong>der</strong>s einen in Aussprache und Sprachmelodie so völlig abweichenden<br />
Dialekt) völlig abgewöhnen: denn man kann nicht nur wenige Stunden am<br />
Tag bühnendeutsch sprechen, den Rest des Tages aber Dialekt, nein: man<br />
11
muß selbst bühnendeutsch träumen und die Selbstgespräche in Bühnendeutsch<br />
führen, sonst geht <strong>der</strong> Dialekt nicht völlig weg.<br />
Es gibt in Freiburg/Brsg. eine Muëttersproch-Gsellschaft (gesprochen nicht<br />
Mütter... son<strong>der</strong>n Mu-ëtter..., und die Elsässer, Schweizer und Schwarzwäl<strong>der</strong><br />
finden sich darin regelmäßig zusammen zur Pflege des Alemannischen.<br />
Es gibt vielerlei wun<strong>der</strong>bare alemannische Dichtung: Johann Peter Hebel,<br />
<strong>der</strong> badische Maler Hans Thoma (er hat die Bibel ins Alemannische<br />
übersetzt), <strong>der</strong> Lyriker Karl Kurrus. Es gibt sehr bekannte Volkslie<strong>der</strong> (wie<br />
„Chume chume Geselle min“ u.a.), Kunstlie<strong>der</strong> und Gedichte in großer Zahl,<br />
nicht zuletzt Walter von <strong>der</strong> Vogelweide. Viele Wörter <strong>der</strong> alemannischen<br />
<strong>Sprache</strong> gibt es im Nord<strong>deutschen</strong> gar nicht. Einige Beispiele:<br />
- „gambeln“ („Maidle gamble id esso, Hollaladio, Holladio, s’Gamble wird<br />
d’r scho vergoh...“ ein alemannischer Jodler) - Gamba (ital.) ist die<br />
„Kniegeige“ (wird mit den Knien gehalten, heutiger Nachfolger ist das<br />
Cello), „gambeln“ bedeutet, mit den Beinen zu baumeln, „esso“ für „so“<br />
(Betonung auf <strong>der</strong> ersten Silbe wie im spanischen): „...esso isch’s Leaba“<br />
( = so ist das Leben)<br />
- „abichaie“ heißt: „herunterfallen“ („abi“ = „abwärts“), „chaie“ (von lat.<br />
„ca<strong>der</strong>e“, span „caer“ ) = „fallen“<br />
- <strong>der</strong> „Anken“ (kommt aus dem Hunnischen / Mongolischen, die Hunnen<br />
siedelten in <strong>der</strong> Gegend von Lörrach bis Burgund) für die „Butter“ (auch<br />
daher sagt man im alemannischen zur Butter öfter „<strong>der</strong> Butter“)<br />
- „seller“ („selle“, „selles“) heißt : „<strong>der</strong>jenige“, „diejenige“, „dasjenige“ - vgl.<br />
frz. „celui“, „cela“, „celles“ - „sell“ heißt „das“<br />
- „jazze“ (“jazzen“ heißt: zwicken, herumtollen): „dr Schuh jazzt mi“ heißt:<br />
<strong>der</strong> Schuh drückt mich - o<strong>der</strong>: „muescht id so rumjazze“ heißt: du mußt<br />
nicht so wild herumtollen). <strong>Die</strong> Nord<strong>deutschen</strong> kennen „jazzen“ nur aus<br />
dem späteren amerikanischen „Jazz“ (wilde Musik).<br />
Es gibt unzählige weitere Beispiele. <strong>Die</strong> aus dem Lateinischen kommenden<br />
Wörter stammen aber vermutlich nicht aus dem „Behördenlatein“ son<strong>der</strong>n<br />
eher aus dem Soldatenlatein, denn die Alemannen im Süden hatten mehr<br />
Kontakt zur römischen Kultur, wo vermutlich mehr „Soldatenlatein“ gesprochen<br />
wurde, die größere Nähe zum Italienischen, Spanischen und Französischen<br />
deutet darauf hin (die romanischen <strong>Sprache</strong>n beruhen eher auf dem<br />
Soldatenlatein).<br />
Noch eine interessante linguistische Erforschung macht uns die Priorität<br />
des Alemannischen deutlich: in ganz Europa sagt man „Haus“ o<strong>der</strong> „house“<br />
usw. Dabei wird ein „s“ gesprochen. Englisch ist ja ursprünglich „angelsächsisch“<br />
und ein nie<strong>der</strong>deutscher Dialekt. Im Englischen hat aber die „althochdeutsche<br />
Lautverschiebung“ von „t“ nach „s“ bzw. „z“ und von „p“ nach „pf“<br />
bzw. „f“ usw. gar nicht stattgefunden. <strong>Die</strong> Englän<strong>der</strong> müßten also eigentlich<br />
12
sagen „hout“, sie sagen ja auch „tongue“ (Zunge) und nicht „zongue“. Woher<br />
kommt das?<br />
Es kommt aus dem Baustil <strong>der</strong> frühen Gotik (Hohenstaufen-Stil) und <strong>der</strong><br />
späten Gotik in <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Architektur und einer wachsenden Stadtgesellschaft.<br />
<strong>Die</strong> Häuser waren sehr stabil (z.B. als Fachwerk) gebaut und<br />
wurden Vorbild für ganz Europa. Das „Haus“ wurde alemannisch „Hus“<br />
genannt. <strong>Die</strong>ses Wort wurde in ganz Europa (nicht in Frankreich) einfach<br />
als Fremdwort übernommen. Daraus entwickelten sich also „Haus“ (dt.),<br />
„house“ (engl.), „huise“ (holl.) usw. (hingegen ist z.B. die „Maus“ - „mouse“<br />
ein lat. Fremd- o<strong>der</strong> Lehnwort: mus, muris). Es war also nicht nur die<br />
<strong>Sprache</strong> son<strong>der</strong>n die gesamte Kultur dieser Zeit, die eine bestimmende<br />
Ausstrahlung hatte. Im Französischen heißt das Haus übrigens „maison“,<br />
das heißt aber ebenso „Wohnung“. Ein „Haus“ ohne einen Bezug auf<br />
„Wohnung“ gibt es nicht. Dazu gibt es sicherlich noch viel mehr zu sagen,<br />
dieses überlasse ich an dieser Stelle aber den Linguisten.<br />
Neuhochdeutsch (etwa seit 1500/1600)<br />
In Luthers Bibeldruck von 1544 heißt es: Dein Name werde geheiliget. Dein<br />
Reich kome. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himel, und so steht es<br />
auch heute noch, mit geän<strong>der</strong>ter Rechtschreibung, in den Ausgaben <strong>der</strong><br />
Luther-Bibel.<br />
Man erkennt sofort, daß die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Sprache</strong> in Stufen vor sich geht.<br />
<strong>Die</strong> vollen Endvokale des Textes von 825 (namo, willo, erdu, rihhi, giheilagot)<br />
sind um 1200 zu „e“ geworden o<strong>der</strong> verschwunden (name, wille, erde, rich,<br />
geheiliget). Der Umlaut „e-i“ mit „e“ gesprochen wurde nun als „ai“ mit „a“<br />
gesprochen (phon: „e-in wird „ain“, „Stein“ wird „Stain“ usw.) Aber das lange<br />
„i“ <strong>der</strong> betonten Silbe (din, rihhi) zeigt sich erst bei Luther als „ei“ (dein,<br />
Reich), wie wir es heute noch sprechen. Auch Wortlaut und Wortfolge <strong>der</strong><br />
drei Texte sind verschieden; aber darauf wollen wir hier nicht eingehen.<br />
Dagegen kommen wir auf einen Begriff, den nur die deutsche <strong>Sprache</strong><br />
kennt: Schriftdeutsch. Es gibt we<strong>der</strong> Schriftenglisch noch Schriftfranzösisch<br />
noch Schriftspanisch. Das liegt daran, daß diese <strong>Sprache</strong>n meist durch den<br />
Dialekt <strong>der</strong> Hauptstädte (in England durch Kulturzentren wie Oxford /<br />
Cambridge) bestimmt wurden (nicht zuletzt rührt daher <strong>der</strong> <strong>Sprache</strong>nstreit<br />
<strong>der</strong> spanischen Catalanen, denn Hochspanisch ist nichts an<strong>der</strong>es als<br />
kastilianisch, und das ist <strong>der</strong> Dialekt aus Madrid / Kastilien). <strong>Die</strong>ses kommt<br />
daher, daß die erste neudeutsche Veröffentlichung Luthers Bibel war, und<br />
diese war nicht nur das erste in neuhochdeutsch verfaßte Werk und <strong>der</strong><br />
erste Bestseller, son<strong>der</strong>n es wurde nur schriftlich verbreitet, nicht mündlich.<br />
Je<strong>der</strong> sprach dieses neue Deutsch also unterschiedlich aus. Darüber sind<br />
wir übrigen Deutschen heute sehr glücklich, denn wäre die <strong>Sprache</strong> mündlich<br />
verbreitet worden, wäre Hochdeutsch heute <strong>der</strong> sächsische Dialekt.<br />
13
14<br />
Luther griff auf die Meißner Amtsdeutsch zurück. Zum zweitenmal begegnet<br />
uns hier die Behördensprache, die für das Deutsche ausschlaggebend<br />
wurde. Wir Deutschen (und schon die Germanen) haben’s halt mit <strong>der</strong><br />
Behörde...<br />
Luther fand in <strong>der</strong> <strong>Sprache</strong> <strong>der</strong> Meißener Kanzlei bereits Schreibformen vor,<br />
die weithin bekannt waren. Seine und seiner Parteigänger Schriften wurden<br />
überall gelesen. Bald wurde das „Meißnische Deutsch“ im ganzen Sprachgebiet<br />
verstanden, allerdings nicht überall angenommen. Im katholischen<br />
Süden wurde ihm noch lange die „Reichssprache“ <strong>der</strong> Wiener Kanzlei<br />
entgegengesetzt, und Köln blieb bei seinem mittelfränkischen Dialekt.<br />
Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) bedeutete auch kulturell einen tiefen<br />
Einschnitt. Danach lebte - im Zeitalter des Absolutismus - die Fürstenherrlichkeit<br />
noch einmal auf. Aber die <strong>Sprache</strong> <strong>der</strong> Höfe ist französisch. Das<br />
Meißnische Deutsch wird vornehmlich von protestantischen Geistlichen,<br />
Gelehrten und Dichtern gepflegt. Als dann die „Grundlegung einer <strong>deutschen</strong><br />
Sprachkunst“ des Leipziger Professors Gottsched auch in Österreich<br />
als Lehrbuch <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> anerkannt wird, ist <strong>der</strong> Weg zu einer<br />
einheitlichen <strong>deutschen</strong> Schriftsprache geebnet. Zu ihrer vollen Ausbildung<br />
tragen dann die Dichter und Denker von Lessing bis Goethe das meiste bei.<br />
Sie und ihre Zeitgenossen legten den Grund zu <strong>der</strong> allgemeinen Schriftsprache<br />
des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Um die Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts begann in Deutschland die Industrialisierung.<br />
Mit den Arbeitermassen, die die Industrie aus den damals übervölkerten<br />
Landgebieten anzog, entstanden mit unvorstellbarer Geschwindigkeit<br />
die neuen Großstädte. Im Jahre 1870 gab es im Reichsgebiet nur acht<br />
Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern, bis 1910 war ihre Zahl auf 48<br />
angewachsen. <strong>Die</strong> Neubürger, mittellos zugewan<strong>der</strong>t, hatten in bitterer Not<br />
um ihren Lebensunterhalt zu ringen. <strong>Die</strong> sozialen Spannungen, die sich<br />
daraus ergaben, brauchen hier nur angedeutet zu werden. Schritt für Schritt<br />
erkämpften sie sich ihre Rechte in <strong>der</strong> Industriegesellschaft, erstritten sich<br />
ihren Anteil am öffentlichen Leben und an den allgemeinen Bildungsmöglichkeiten.<br />
Auch die rasch wachsende Teilnahme <strong>der</strong> Frauen am Berufsleben<br />
und ihr Einbruch in die „Arbeitswelt <strong>der</strong> Männer“ ist eine späte Folge <strong>der</strong><br />
sozialen Umwälzungen.<br />
Bis zum Ende des Kaiserreichs im Jahr 1918 herrschten im politischen und<br />
kulturellen Leben und auch im Gebrauch <strong>der</strong> Schriftsprache die bürgerlichen<br />
Traditionen vor. Seitdem ist nach dem Zusammenbruch <strong>der</strong> Monarchie<br />
und <strong>der</strong> Revolution von 1918 eine neu strukturierte Gesellschaft<br />
erstanden, in <strong>der</strong> die alten Standesunterschiede keine Rolle mehr spielten.<br />
Nach einigen Jahrzehnten des Überganges leben wir seit dem Neubeginn<br />
im Jahre 1945 in einer Gesamtgesellschaft, die man nicht mehr im traditionellen<br />
Sinne „bürgerlich“ nennen kann. Noch hat diese neue Gesellschaft
ihre eigene, endgültige Form nicht gefunden. <strong>Die</strong> Suche danach zeigt sich<br />
jedoch in <strong>der</strong> oft krassen Abkehr <strong>der</strong> Jugend vom Hergebrachten, an dessen<br />
Stelle sie einstweilen das Experiment mit neuen Möglichkeiten setzt (heute<br />
z.B. „Denglisch“).<br />
Auf diese Entwicklung antwortet, wie zu je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Zeit, auch unsere<br />
<strong>Sprache</strong>. Schiller und Goethe, Sprachmuster für die Schulerziehung <strong>der</strong><br />
bürgerlichen Zeit, sind für unsere heutige Sprachgestaltung keine Vorbil<strong>der</strong><br />
mehr. <strong>Die</strong> <strong>Sprache</strong> unserer Gegenwart ist direkter und <strong>der</strong>ber geworden.<br />
<strong>Die</strong> Schriftsteller „nennen die Dinge beim Namen“, sie verhüllen nichts, und<br />
die Schriftsprache von heute nähert sich <strong>der</strong> <strong>Sprache</strong> des Alltags, von <strong>der</strong><br />
sie im bürgerlichen 19. Jahrhun<strong>der</strong>t weit entfernt war.<br />
Den Fachmann erinnert das Sprachgeschehen unserer Tage an die Anfänge<br />
<strong>der</strong> frühneuhoch<strong>deutschen</strong> Zeit. Damals for<strong>der</strong>te im sozialen Umbruch<br />
die junge Gesellschaftsschicht <strong>der</strong> Stadtbürger ihr Recht. Auch sie fand<br />
nicht sogleich die ihr angemessenen Lebensformen, und in ihrer einfachen,<br />
anfangs oft groben und unflätigen <strong>Sprache</strong> meint man den Protest gegen<br />
das überfeinerte Deutsch <strong>der</strong> Adelsgesellschaft zu spüren. Derber Spott<br />
und bissige Satire, mit denen die hergebrachten Lebensformen gegeißelt<br />
werden, lassen erkennen, daß auch damals an <strong>der</strong> „heilen Welt“ <strong>der</strong> alten<br />
Gesellschaft heftig Kritik geübt wurde.<br />
Viele <strong>der</strong> sprachlichen Neuerungen machen auch an <strong>der</strong> kulturellen Grenze<br />
zwischen den alten Bundeslän<strong>der</strong>n und den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n nicht<br />
halt. Was hüben und drüben voneinan<strong>der</strong> abweicht, sind jedoch geringfügige<br />
Unterschiede, wie sie auch gegenüber <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> in<br />
Österreich, in <strong>der</strong> Schweiz und in Luxemburg und sogar zwischen Nord- und<br />
Süddeutschland bestehen. Das tut <strong>der</strong> übernationalen Einheit <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong><br />
<strong>Sprache</strong> keinen Abbruch.<br />
Jedoch: wir täten gut daran, die <strong>Sprache</strong> <strong>der</strong> heutigen Schriftsteller,<br />
Satiriker und Kabarettisten ernstzunehmen und aufzuwerten, denn sie<br />
geißeln zwar, aber sie wollen mit <strong>Sprache</strong> umgehen und sie gestalten, sie<br />
haben ja auch vorwiegend nur die <strong>Sprache</strong> als Ausdrucksmittel. Sie fühlen<br />
sich aber verantwortlich für die erheblichen Folgen des Sprachgebrauchs.<br />
<strong>Sprache</strong> wächst und kann nicht von oben verordnet werden. Deswegen sind<br />
die zerstörerischen Folgen <strong>der</strong> sogen. Rechtsschreibreform (besser: Falschschreibreform)<br />
verehrend, da es sich de facto um eine Sprachreform<br />
handelt, in <strong>der</strong> die Regularien (Regelmäßigkeiten und Grammatik) durch<br />
mehrheitlich falschen Gebrauch in den unteren Bildungsschichten außer<br />
Kraft gesetzt werden:<br />
Statt „winken, winkte, gewinkt“ - jetzt „winken, winkte gewunken“. Wenn<br />
stark, dann müßte es sein: „winken, wank, gewunken“. Zur Unterscheidung<br />
von <strong>Sprache</strong> und Aussprache lesen Sie bitte den nun folgenden Abschnitt.<br />
15
16<br />
Das heutige Deutsch<br />
<strong>Die</strong> heutige hochdeutsche Aussprache ist immer noch im Wandel. Erst seit<br />
es die Massenmedien (Rundfunk und Fernsehen) gibt, haben wir einheitliche<br />
Hörbeispiele <strong>der</strong> Aussprache. Beson<strong>der</strong>s gute Aussprache des Hoch<strong>deutschen</strong><br />
finden wir im Synchron. Großartige Schauspieler wie Manfred<br />
Lehmann, Peer Schmid, Thomas Braut, Christian Brückner, Matthias Habicht,<br />
Peter Schiff, Arnold Marquis und an<strong>der</strong>e, <strong>der</strong>en Namen das Publikum<br />
kaum registriert, sprechen vorbildliches Bühnendeutsch, besser:<br />
Mikrophondeutsch / Synchrondeutsch, von dem <strong>der</strong> Nachwuchs lernen<br />
sollte.<br />
Wir alle lernen sprechen durch Hör-Vorbil<strong>der</strong>. In Ermangelung einer Deutschen<br />
Akademie benutzen wir seit Lessing, Her<strong>der</strong>, Schiller, Goethe die<br />
Aussprache auf den deutschsprachigen Bühnen, daher in <strong>der</strong> Sprechtecknik<br />
die Bezeichnung „Bühnendeutsch“. Erst durch Rundfunk und Fernsehen<br />
haben wir plötzlich Hör-Vorbil<strong>der</strong>, weniger bei den Mo<strong>der</strong>atoren und Reportern<br />
als bei den Nachrichtensprechern (ARD und ZDF), die beste Aussprache<br />
als Klangvorbild finden wir jedoch heutzutage bei den Synchronsprechern.<br />
<strong>Die</strong> beson<strong>der</strong>s durch Hannoveraner und an<strong>der</strong>e nie<strong>der</strong>deutsche Zeitgenossen<br />
verbissen vertretene Behauptung, die beste Aussprache käme aus<br />
Hannover ist grottenfalsch, wir sprechen „Bühnendeutsch“. Hannover zählt<br />
nicht zu den bekanntesten Bühnen, eher Bochum, Berlin, München, Stuttgart<br />
usw. Nachweislich gibt es keine Hannoveraner Nachrichtensprecher.<br />
Das hat seinen guten Grund: die Sprachmelodie. Alle Deutschen hören den<br />
eigentümlichen Hannoveraner Singsang außer die Hannoveraner selbst.<br />
Beson<strong>der</strong>s die Sprachmelodie ist jedoch entscheidend für die Aussprache.<br />
So sind beson<strong>der</strong>s diejenigen die besten Sprechen, die aus den „übelsten“<br />
Dialekten stammen (Schweiz, Schwaben, Sachsen, Pfalz, Rheinland, Saarland<br />
usw.)<br />
Es gibt keine deutsche Instanz, die diese Aussprache überwacht wie etwa<br />
die „Académie française“. Der Verein <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> setzt sich<br />
allerdings für eine Deutsche Akademie in diesem Sinne ein. Gutes Hochdeutsch<br />
hören wir bei den Nachrichtensprechern, bei den Privatsen<strong>der</strong>n<br />
wird lei<strong>der</strong> oft furchtbares Deutsch gesprochen, es wird genäselt und<br />
künstlich betont und gesungen („FilmFilm“ - in „Saddaaaaains“), ganz zu<br />
schweigen von Berlin-TV (Herr Gaffron). Lei<strong>der</strong> hat auch die Werbung<br />
vorwiegend singenden und näselnden Charakter und bedient sich oft eines<br />
„Schimpansendeutschs“, die einem um die deutsche <strong>Sprache</strong> bemühten<br />
Zuhörer das Grauen lehrt. Lei<strong>der</strong> hat diese Werbung auch eine Vorbildfunktion,<br />
<strong>der</strong>en sie nicht wert ist. Umsomehr wäre eine Deutsche Akademie<br />
(vergleichbar <strong>der</strong> „Académie française“) vonnöten, wie sie z.B. auch Rolf<br />
Hochhut einfor<strong>der</strong>t.
Aus <strong>der</strong> Geschichte des südwest<strong>deutschen</strong> Sprachgebiets<br />
Alemannen und Schwaben<br />
Das südwestdeutsche Sprachgebiet o<strong>der</strong> <strong>der</strong> südwestliche Teil des gesamten<br />
<strong>deutschen</strong> Sprachraumes ist nicht identisch mit Südwestdeutschland,<br />
das lediglich einen Teil dieses Sprachgebiets darstellt. <strong>Die</strong> deutsche <strong>Sprache</strong><br />
zusammen mit ihren Mundarten geht ja zum Teil ganz erheblich über die<br />
<strong>deutschen</strong> Staatsgrenzen hinaus, im Bereich des südwest<strong>deutschen</strong> Sprachgebiets<br />
in das Elsaß, in die gesamte deutschsprachige Schweiz und in das<br />
„Land vor dem Arlberg“, das österreichische Bundesland Vorarlberg, Tirol<br />
und das Fürstentum Liechtenstein. In dieser Größe und Verteilung des<br />
Sprachraumes ist das - oft vergessene - Faktum begründet, daß das<br />
Deutsche, gemessen an <strong>der</strong> Zahl seiner Sprecher, in Europa die größte<br />
<strong>Sprache</strong> ist, gefolgt von Russisch, Italienisch, Englisch, Französisch und<br />
den übrigen europäischen <strong>Sprache</strong>n.<br />
<strong>Die</strong> Schreibweise „Alemannen“ ist im Kern falsch, das kommt jedoch aus<br />
dem Lateinischen „Alamanni“. Es müßte jedoch geschrieben werden: „Alle<br />
Manen“ (mit langem „a“). Als Kind habe ich ein Lied auf <strong>der</strong> Straße gelernt:<br />
„Alle Mane sind halt Pueschte“ (Pueschte sind Helden), Manen sind einfach<br />
Menschen (vgl. „man“ und „je<strong>der</strong>man“). Manen sind Männer und Frauen.<br />
Wo nun in diesem <strong>deutschen</strong> Sprachraum die Alemannen und wo die<br />
Schwaben zu lokalisieren sind, scheint hierzulande keine beson<strong>der</strong>s schwierige<br />
Frage zu sein: <strong>Die</strong> Alemannen sind „hier“ - z.B. in Bad Krozingen - und<br />
die Schwaben sind „drüben“ hinter dem Schwarzwald. So jedenfalls lautet<br />
eine oft erteilte Antwort, wenn nach dem Gebiet des Alemannischen gefragt<br />
wurde.<br />
Im Großen und Ganzen entspricht diese Antwort auch dem, was Johann<br />
Peter Hebel zur Lokalisation des Alemannischen ausgeführt hat.<br />
Der Dichter schreibt in <strong>der</strong> Vorrede zur ersten Auflage seiner 1803 erschienenen<br />
Allemannischen Gedichte: „Der Dialekt, in welchem diese Gedichte<br />
verfaßt sind, mag ihre Benennung rechtfertigen. Er herrscht in dem Winkel<br />
des Rheins zwischen Frickthal und ehemaligem Sundgau, und weiterhin in<br />
mancherlei Abwandlungen bis an die Vogesen und Alpen und über den<br />
Schwarzwald hin in einem großen Teil von Schwaben.“<br />
Der Bereich des Alemannischen wäre demnach also - grob gesagt - das<br />
Oberrheingebiet samt Schwarzwald im Norden und Elsaß im Westen, die<br />
deutschsprachige Schweiz im Süden. Linguistisch etwas strenger betrachtet<br />
kommt dazu noch Vorarlberg und Tirol, salopp gesagt das „Bergvolk“:<br />
Schwarzwalt, Vogesen, Schweiz und die nördlichen Alpengebiete bis Tirol.<br />
17
18<br />
Zwischen diesem Bereich<br />
und dem Lande <strong>der</strong> Bayern<br />
wäre folglich das Schwäbische<br />
anzusiedeln und somit<br />
das hier in Rede stehende<br />
südwestdeutsche Sprachgebiet<br />
komplett.<br />
Was nun das Land <strong>der</strong> Bayern<br />
betrifft, so ist es offenbar<br />
nicht immer rein und ausschließlich<br />
bayerisch, nennt<br />
sich doch die gesamte<br />
Südwestecke dieses Landes<br />
nach den Schwaben, nämlich<br />
Bayerisch-Schwaben.<br />
Und die traditionelle Mundart<br />
von Augsburg z.B. ist<br />
eben nicht bayerisch, son<strong>der</strong>n<br />
schwäbisch. Unter den<br />
Bewohnern Bayerisch -<br />
Schwabens wird gelegentlich<br />
sogar die Meinung zu<br />
hören sein, daß man bei ihnen<br />
die eigentlichen und Ur-<br />
Schwaben finde, im Unterschied<br />
zu den min<strong>der</strong> schwäbischen<br />
württembergischen<br />
Schwaben.<br />
Drüben hinter dem<br />
Schwarzwald<br />
De Allemane-Marsch<br />
Vor fascht zweimol töisich Johr<br />
Üs-em hinterschte Ural<br />
Herner am Hirn un Pech in de Hoor<br />
Sinn se gchumme, d’Allemane.<br />
Durich Sumpf, Muer, Wald un Wies,<br />
Nüsgepoltert iwweral<br />
lwwer de Rhin, wie d’Ratte scharewis,<br />
Sinn si gchumme, d’Allemane.<br />
D’Alewiwer, d’ ganz Bagasch<br />
Hintenooch sitter-em Ural,<br />
Herner am Hirn un kchen Hemd am A ...<br />
Sin se gchumme, d’Allemane.<br />
Holteri-Polteri, rnummlichi Munni,<br />
Hungri, lüsi, arm wie Kchilchemiis<br />
Haawi Schlüri, rüdigi Trueli,<br />
Klotzigi Gselle, growi Tapp-ins-Mues.<br />
Un vun so ebbs stamme mer ab,<br />
Un m’r sieht’s uns schins noch an;<br />
Herner am Hirn, armseli Lumpepack,<br />
Unsre Ahne, d’Allemane.<br />
Gschafft ihr Läwe n’och kchen Streich,<br />
Füli Hüt wie Bärefell.<br />
Awwer e Herz wie<br />
Händschiled<strong>der</strong> weich<br />
Unsri Ahne, d’Allemane.<br />
Ohne auf den Wahrheitsgehalt dieser Meinungsäußerung näher einzugehen<br />
kann man immerhin bereits bemerken, daß seit dem Anfang dieser<br />
Ausführungen die Räume des Schwäbischen und Alemannischen offenbar<br />
stetig größer werden, beson<strong>der</strong>s wenn man bedenkt, wie bescheiden es mit<br />
hier und drüben hinter dem Schwarzwald soeben noch geklungen hat.<br />
„Schwaben“ sind nicht nur die Schwaben<br />
<strong>Die</strong>se friedliche Expansion ist im Falle des Schwäbischen jedoch nicht auf<br />
Bayern beschränkt; meinen doch unsere schweizerischen Nachbarn, wenn<br />
sie von Schwaben reden, nicht immer nur die württembergischen o<strong>der</strong> die<br />
bayerischen Schwaben, son<strong>der</strong>n die Deutschen und früher die Reichs-
<strong>deutschen</strong> überhaupt, also auch die Königsberger, Berliner und Ostfriesen.<br />
Ganz Deutschland - ein einziges Schwabenland also.<br />
<strong>Die</strong> Karte soll zeigen, wie die Alemannen um das Jahr 100 n.Chr. beginnen, in<br />
den Süden vorzudringen.<br />
Um sich auf dieser Karte zurechtzufinden empfiehlt es sich, zunächst den<br />
Bodensee, das „Alemannische Meer“ (hellblau) zu suchen (links unten)<br />
Für einen Ausgleich zugunsten des Alemannischen sorgen bekanntlich<br />
unsere romanischen Nachbarn, so z.B. in Frankreich o<strong>der</strong> in Spanien, wenn<br />
sie mit Allemagne o<strong>der</strong> Alemanes nicht nur Baden, son<strong>der</strong>n Deutschland<br />
und die Deutschen insgesamt bezeichnen.<br />
Solch eine Ausweitung einer Benennung ist übrigens eine häufige Erscheinung<br />
in <strong>der</strong> Namengebung, die oft pars pro toto verfährt und den Teil für das<br />
Ganze einsetzt, in diesem Falle den nächsten Nachbarn für die ganze<br />
Nation. Ähnlich verfahren wir beispielsweise hier in Deutschland, wenn wir<br />
von Englän<strong>der</strong>n reden und selbstverständlich - manchmal zu <strong>der</strong>en Leidwesen<br />
- auch die Walliser und Schotten mit einschließen. <strong>Die</strong>ser Typus <strong>der</strong><br />
Namengebung ist also we<strong>der</strong> den Englän<strong>der</strong>n, noch den Schwaben o<strong>der</strong><br />
Alemannen anzulasten.<br />
Aber auch wenn für letztere vornehmlich wie<strong>der</strong> nur das südwestdeutsche<br />
Sprachgebiet reklamiert und in genannter Weise unter ihnen aufgeteilt wird,<br />
- also etwa Alemannen im Westen, Schwaben im Osten - geht das nicht ganz<br />
19
ohne Schwierigkeiten ab. <strong>Die</strong> meisten Sprachwissenschaftler fassen nämlich<br />
die gesamten südwest<strong>deutschen</strong> Mundarten bis in das Gebiet um<br />
Augsburg unter dem Leitnamen des Alemannischen zusammen, dem sich<br />
dann das Bayerische im Osten und das Fränkische im Norden anschließen.<br />
20<br />
Um 260 n.Chr. sind die Alemannen bereits weit in den Süden vorgedrungen,<br />
aus dem sie die Römer verdrängt haben.<br />
<strong>Die</strong> Ostsee - das „schwäbische Meer“<br />
Alemannien lautete auch <strong>der</strong> überlieferte politische Name des gesamten<br />
südwest<strong>deutschen</strong> Sprachgebiets im frühen Mittelalter; und so weisen es<br />
auch die entsprechenden Karten in Putzgers historischem Weltatlas aus.<br />
Danach lägen also Stuttgart o<strong>der</strong> Augsburg in Ostalemannien. Im Hochmittelalter<br />
wie<strong>der</strong>um ist von Alemannien kaum die Rede; dafür heißt nun das<br />
gesamte Gebiet Schwaben; somit wären also Freiburg, Colmar o<strong>der</strong> Bad<br />
Krozingen in Westschwaben gelegen.<br />
Um dieses Hin und Her <strong>der</strong> Namenverschiebung und Namenwan<strong>der</strong>ung<br />
noch etwas zu vervollständigen, sei daran erinnert, daß in <strong>der</strong> römischen<br />
Kaiserzeit das Schwäbische Meer, das mare suebicum, nicht etwa <strong>der</strong><br />
Bodensee gewesen ist, son<strong>der</strong>n die Ostsee.
Im 5. und 6. Jh. sind Sueben und zeitweise sogar ein Reich <strong>der</strong> Sueben im<br />
Gebiet des heutigen Nordportugal und Nordwestspanien bezeugt.<br />
Wenn man den großflächigen Bedeutungsumfang von Alemannien und<br />
Schwaben für Deutschland insgesamt einmal beiseite läßt, da als Typus <strong>der</strong><br />
‘pars-pro-toto-Namengebungen’ ohne weiteres erklärbar, dann bleibt also<br />
zunächst für die Schwaben und Alemannen im engeren Sinne immer noch<br />
genügend Fragwürdigkeit übrig.<br />
Um es noch einmal zusammenzufassen: Einmal nennt sich das südwestdeutsche<br />
Sprachgebiet Alemannien, dann Schwaben, dann wie<strong>der</strong> ist es<br />
geteilt in einen schwäbischen und einen alemannischen Bereich und<br />
schließlich soll sogar die Ostsee ein schwäbisches Meer gewesen sein.<br />
<strong>Die</strong>se merkwürdige Konfusion hat ihre Geschichte; und diese Geschichte ist<br />
zu befragen, wenn man diese scheinbare Unordnung verstehen will.<br />
20 Jahre später um 280 n.Chr. haben sie auch das Rheinknie besetzt. Der<br />
Rhein ist zunächst eine natürliche Grenze.<br />
Von den Sueben<br />
Von <strong>der</strong> Wissenschaft her ist diese ganze Geschichte <strong>der</strong> schwäbischalemannischen<br />
Namenskonfusion in ihren Grundzügen längst geklärt. <strong>Die</strong><br />
Ostsee als mare suebicum <strong>der</strong> römischen Kaiserzeit verdankt diesen<br />
Namen jenem Stamm <strong>der</strong> bereits mehrfach genannten Sueben, dessen<br />
Wohnsitze damals etwa im Gebiet zwischen mittlerer Elbe und <strong>der</strong> Meeres-<br />
21
küste lagen. Im Namen Sueben/Schwaben steckt das germanische Wort<br />
sueba, was soviel bedeutet wie ‘frei, selbständig, eigenen Rechts’; damit<br />
verbunden ist noch unser heutiges Wort schweben im Sinne von flügge sein.<br />
Das Wort sweba ist zudem noch verwandt mit dem germanischen Wort<br />
swear, und hat etwa die Bedeutung von ‘die Selbständigen’; die Wurzel<br />
swear aber steckt auch in dem Namen des heutigen Schweden.<br />
Stammes- o<strong>der</strong> Volksnamen wie Schweden o<strong>der</strong> Schwaben stellen von<br />
ihrer Herkunft her einen Typus dar, in dem eine bestimmte Qualität o<strong>der</strong> ein<br />
Ideal namenbestimmend wird, in diesen Fällen das Ideal <strong>der</strong> Selbständigkeit<br />
und Freiheit. Der gleiche Typus mit sogar gleicher Bedeutungsrichtung liegt<br />
vor im Namen <strong>der</strong> Franken, <strong>der</strong> uns als Adjektiv heute nur noch in <strong>der</strong><br />
Redewendung frank und freigeläufig ist.<br />
22<br />
Um 450 n.Chr. dehnen sich die alemannischen Gruppen entlang <strong>der</strong> Donau<br />
aus. Noch ist <strong>der</strong> Rhein nicht überschritten.<br />
Von den Alemannen<br />
Ganz an<strong>der</strong>s verhält es sich mit dem Namen <strong>der</strong> Alemannen, <strong>der</strong> im<br />
Unterschied zum Franken- o<strong>der</strong> Schwabennamen nicht mit einem<br />
Bedeutungsideal verbunden ist. Alemannen bedeutet lediglich soviel wie<br />
‘Menschen (Manen) o<strong>der</strong> Männer, im Gesamten genommen’. Das holländische<br />
alman wird übersetzt mit je<strong>der</strong>mann. Antike Geschichtsschreiber<br />
haben folglich den Namen Alamanni o<strong>der</strong> alamannoi erklärt als zusammengelaufenen<br />
und gemischten Haufen von Leuten.
In dieser Bedeutung ist <strong>der</strong> Sammelname Alemannen als Typus etwa dem<br />
Namen Deutsch vergleichbar, <strong>der</strong> auch keine beson<strong>der</strong>e Qualität meint,<br />
son<strong>der</strong>n schlicht und einfach das Volk heißt. Der Alemannen-Name ist<br />
insofern nicht nur weniger ‘bedeutungsschwer’, er ist auch eindeutig jünger<br />
als <strong>der</strong> Schwaben- o<strong>der</strong> Sueben-Name, <strong>der</strong> beispielsweise bereits in den<br />
Schriften Cäsars belegt ist, während A l a m a n n i zum ersten Male für das<br />
Jahr 213 n. Chr. genannt werden.<br />
Unbekannt aber wirkungsvoll<br />
Unter diesem Namen erschien damals an <strong>der</strong> römischen Reichsgrenze im<br />
heutigen Südwestdeutschland eine Art Stammes- o<strong>der</strong> Heeresverband,<br />
von dem bis dahin noch niemand etwas gehört hatte. Ungeachtet ihres<br />
absolut mangelhaften Bekanntheitsgrades haben es diese Alemannen<br />
dann fertig gebracht, in wenigen Jahrzehnten das damalige römische<br />
Gebiet im heutigen Südwestdeutschland zu erobern. Sie waren damit <strong>der</strong><br />
erste germanische Verband überhaupt, <strong>der</strong> römisches Reichsgebiet auf<br />
Dauer und für Rom unwie<strong>der</strong>bringlich in seinen Besitz nehmen konnte.<br />
Durch die Franken im Norden wird <strong>der</strong> Expansionsdrang <strong>der</strong> Alemannen<br />
gebremst, die sich dafür über den Rhein ausbreiten und dort Fuß fassen.<br />
<strong>Die</strong> Karten entnahmen wir mit freundlicher Genehmigung dem Ernst Klett Verlag<br />
Stuttgart, Sprachbuch A/B 10<br />
23
Suebischer Kern<br />
Was hatten aber diese Alemannen mit den Schwaben o<strong>der</strong> Sueben zu tun?<br />
<strong>Die</strong> Forschung ist sich ziemlich sicher, daß diese alemannischen Verbände,<br />
die, von Norden kommend, gegen das römische Gebiet vorrückten, zu<br />
einem großen Teil o<strong>der</strong> zumindest in ihrem Kern aus Sueben bestanden,<br />
denen sich auf <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>ung nach Süden Teile an<strong>der</strong>er germanischer<br />
Stämme zugesellt haben.<br />
In ähnlicher Weise sind wohl an<strong>der</strong>e Sueben-Verbände mit den Zügen <strong>der</strong><br />
Westgoten nach Spanien gekommen. <strong>Die</strong>se Sammlung unterschiedlicher<br />
Stammeszugehörigkeiten würde den Sammelnamen <strong>der</strong> Alemannen erklären;<br />
die Annahme eines Verbandskernes vorwiegend suebischer Provenienz<br />
würde dagegen erklären, warum sich <strong>der</strong> Schwabenname neben<br />
seinem alemannischen Konkurrenten gehalten hat. <strong>Die</strong> auch für die Römer<br />
höchst beeindruckende Eroberungstat wäre somit <strong>der</strong> erste historische<br />
Beweis für die gemeinsame alemannisch-schwäbische Tüchtigkeit. (...)<br />
Sueben - Alemannen<br />
(...) Der gegenüber Sueben jüngere Name Alamanni hat sich bis zum 6./ 7.<br />
Jh. durchgesetzt, danach aber taucht in den Schriftquellen <strong>der</strong> Schwaben-<br />
Name wie<strong>der</strong> auf. Beispiele: Gregor von Tours schreibt im 6.Jh.: „Suevi, id<br />
est Alamanni“, Wahlafried, <strong>der</strong> Mönch von <strong>der</strong> Reichenau, nennt im 9.Jh. die<br />
Provinz <strong>der</strong> Alemannen o<strong>der</strong> Schwaben: „provincia Alamannorum vel<br />
Suaborum, Alamannia vel Suevia“, eine Mitteilung Einhart’s aus dem 9.Jh.<br />
bezeichnet den Lech als Grenze zwischen Baiern und Alemannen, und<br />
umgekehrt zählt im Jahre 1018 Kaiser Heinrich den Breisgau zu Schwaben.<br />
24<br />
Quellen:<br />
Holger Münzer: „Handbuch <strong>der</strong> <strong>Rhetorik</strong>“ (Edition Aetas 2001)<br />
Konrad Sonntag: „Alemannen und Schwaben“ in „Alemannisch dunkt üs<br />
guet “,Heft III/IV 1984 (MUETTERSPROCH-Gsellschaft Freiburg)<br />
www.lateinforum.de/limes.htm, Sprachbuch A/B 10, Ernst Klett Verlag<br />
Redaktion und Layout:Holger Münzer
24<br />
<strong>Die</strong> Eigenart <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong><br />
Beim Wortschatz heben sich vor allem Anschaulichkeit und Wurzelgebundenheit<br />
heraus. So geht die dt. Wortprägung häufig auf das Anschaulich-Beson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> Gegenstände ein, wo das Französische sich mit einem<br />
allgemeinen Hinweis begnügt (Kesselschmied: chaudronnier, Schlafzimmer:<br />
dortoir; Aschenbecher: cendrier usw.); hier spielt die dt. Vorliebe für<br />
Zusammensetzungen gegenüber <strong>der</strong> frz. Ausnutzung <strong>der</strong> Wortableitung<br />
mit. Aber entsprechend ist dem Dt. die Mannigfaltigkeit etwa von hineingehen,<br />
-fahren, -ru<strong>der</strong>n, -fliegen usw. unentbehrlich, wo im Frz. einfaches<br />
entrer ausreicht; und in <strong>der</strong> Abwandlung <strong>der</strong> Kennzeichnung <strong>der</strong> Vorgänge<br />
(bei einem Verb wie fallen: hin-, nie<strong>der</strong>-, ab-, aus-, herab-, um-, zusammen-<br />
, herunter-, hinunter-, heraus-, hinaus-) ist das Dt. von keiner Nachbarsprache<br />
erreicht. - <strong>Die</strong> Wurzelgebundenheit des Dt. läßt die Sinnentfaltung<br />
stärker in Wortfamilien verlaufen gegenüber den durch wie<strong>der</strong>holte Renaissancen<br />
lat. Wortgutes gesprengten franz. o<strong>der</strong> den durch die Vereinigung<br />
germ. und roman. Wortgutes vermannigfachten englischen Wortgruppen<br />
(z.B. dt. blind: Blindheit gegen frz. aveugle: cécité o<strong>der</strong> engl. blind: blindness,<br />
cecity).<br />
Beim Satzbau fällt eine fast übertrieben erscheinende Kennzeichnung <strong>der</strong><br />
Beugungsformen auf. Trotz <strong>der</strong> Ausbildung des Artikels sind im Dt. die<br />
Kasusendungen nicht verlorengegangen (wie im Engl. o<strong>der</strong> Frz.), selbst die<br />
längst unwichtig gewordene Unterscheidung <strong>der</strong> Genera und Stammklassen<br />
ist beibehalten. Doch ist diese Bewahrung des Formenreichtums in<br />
Verbindung mit <strong>der</strong> Freiheit <strong>der</strong> Wortstellung im dt. Satz zu sehen, für die<br />
eine leichte Erkennbarkeit von Satzfunktion und Wortzusammengehörigkeit<br />
unentbehrlich ist. Am charakteristischsten ist die Rolle, die im Aufbau <strong>der</strong> dt.<br />
Satzbaupläne die Umklammerung spielt. Während im Franz. die einen<br />
Gehalt näher bestimmenden Züge in lockerer Folge aneinan<strong>der</strong>gereiht<br />
werden, führt das Dt. durch Umklammerung zu immer ausgedehnteren<br />
Ganzheiten: das Brot: das Weißbrot le pain - le pain blanc usw. Das geht<br />
weiter bis zu den bekannten Schachtelungen des dt. Satzbaus, die immer<br />
von neuem Klammern auftun bis hin zu den vor allem durch klammerfähige<br />
Verbformen ermöglichten Gebilden, <strong>der</strong>en Eigenart man sich am besten<br />
bildlich veranschaulicht:<br />
er wollte<br />
weiterziehen<br />
mit seinen ^ Begleitern<br />
dem ^ Tode entronnenen<br />
überall ^ drohenden<br />
den ^ Flüchtlingen<br />
gehetzten
Mit solchen Satzbauplänen weicht das Dt. stark von dem Verfahren des<br />
Franz. o<strong>der</strong> Engl. ab. Man kann darin gewiß eine Erschwerung sehen, doch<br />
steckt in solchen Umklammerungen dafür auch eine starke geistige<br />
Formungskraft, die ein geschlossenes, folgerichtig fortschreitendes, allerdings<br />
auch an die eingeschlagene Richtung gebundenes und schwer<br />
abwandelbares gedankl. Verfahren erzwingt. Insgesamt ist für das Weltbild<br />
<strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> ein stark dynamischer Zug kennzeichnend. Viele<br />
Einzelheiten weisen daraufhin, so die Möglichkeit, Tun und Wirkung in ein<br />
einziges Wort zusammenzudrängen (etwas wegdenken, jemanden loskaufen),<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> ausgedehnte Gebrauch des substantivierten Infinitivs (das<br />
Wan<strong>der</strong>n, das Besteigen), selbst für ganze Wendungen (das Weintrinken,<br />
das Alleinsein). Aus dem Vergleich mit dem Franz. bestätigt Ch. Bally ein<br />
Wort von Hugo von Hofmannsthal: »Daß wir Deutschen das uns Umgebende<br />
als ein Wirkendes, die Wirklichkeit, bezeichnen, die latein. Europäer als<br />
die Dinglichkeit, la réalité, das zeigt die fundamentale Verschiedenheit des<br />
Geistes, und daß jene und wir in ganz verschiedener Weise auf dieser Welt<br />
zu Hause sind.«<br />
<strong>Die</strong> inhaltl. Eigenart <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> weist jedenfalls beson<strong>der</strong>s auf<br />
das Werden <strong>der</strong> Erscheinungen, das Ausstrahlen ihrer Wirkungen, das<br />
Hervortreten ihrer Leistungen hin, und diesen Hinweisen folgen ganz<br />
selbstverständlich alle, die das Dt. als Muttersprache erlernt haben.<br />
25
<strong>Die</strong> Entwicklung des <strong>deutschen</strong> Wortschatzes<br />
<strong>Die</strong> Wörter <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> kann man einteilen in Stammwörter, die<br />
ihr seit uralter Zeit angehören, ja zum großen Teil in die indogermanische<br />
Ursprache zurückverfolgt werden können: Adel, Arbeit, fahren, klingen,<br />
Knochen, Mutter, Vater, Zwerg; Ableitungen aus Stammwörtern, die aus<br />
den verschiedensten Zeiten stammen: Gefolgschaft, Gemahlin, glimpflich,<br />
Herzogtum, Offenheit; Lehnwörter aus an<strong>der</strong>en <strong>Sprache</strong>n: Almosen, Kellner,<br />
kochen, Mauer, Platz, schreiben, Schürze, Teufel; und Fremdwörter,<br />
d.h. entlehnte Wörter, denen man ihre fremde Herkunft noch deutlich<br />
anmerkt: Advokat, Alphabet, Despot, Gage, isolieren, Lunch, primitiv,<br />
Rowdy; Kunstwörter <strong>der</strong> Wissenschaft, <strong>der</strong> Technik und des Handels:<br />
Automobil, Bakelit, Buna, Din, Indanthren. Viele Wörter sind unsicherer<br />
Herkunft.<br />
An die <strong>Entstehung</strong> <strong>der</strong> Wörter kommen wir nur in einigen Ausnahmefällen<br />
heran. Von manchen Kunstwörtern wissen wir sogar den Schöpfer, von<br />
an<strong>der</strong>en Wörtern können wir uns denken, daß sie als Nachahmung eines<br />
Schalles <strong>der</strong> Natur abgelauscht sind (Schallwörter: bimbam, bums, jodeln,<br />
knarren, Wauwau). Im allgemeinen müssen wir uns damit begnügen anzugeben,<br />
ob ein Wort zu den Stammwörtern gehört o<strong>der</strong> wann es in <strong>der</strong> dt.<br />
<strong>Sprache</strong> gebräuchlich wird.<br />
In <strong>der</strong> althoch<strong>deutschen</strong> Zeit (von etwa 750 bis etwa 1100) und in <strong>der</strong><br />
folgenden mittelhoch<strong>deutschen</strong> Zeit (beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> höfisch-ritterlichen<br />
Zeit um 1200) tauchen in großer Zahl Wörter auf, die vorher nicht belegt sind;<br />
zuerst wirkten gelehrte Mönche; auf sie gehen Lehnwörter wie Kirche,<br />
Kanzel, Kloster, Kreuz, Mönch, Pein, predigen, Schule zurück, dann lieferten<br />
die höfische Bildung und die Kreuzzüge neue Ausdrücke: Abenteuer,<br />
blond, Bluse, Fabel, hübsch, klar, Schärpe, Wams, Wappen, im späten<br />
Mittelalter die Volkspredigt und die Mystik, man denke an barmherzig,<br />
Beichte, Buße, Gnade, Mitleid, Reue. Als neue Erscheinung trat eine<br />
ausgeprägte Rechts- und Kanzleisprache hervor sowie die <strong>Sprache</strong> <strong>der</strong><br />
Gewerke, des Handels und Gewerbes: Anwalt, Bank, Galgen, Innung,<br />
Kasse, Meister, Schultheiß, Sorte, Vogt, Zunft. <strong>Die</strong> Schöpfungen <strong>der</strong><br />
Lutherzeit (seit 1517-46) spiegeln die Kämpfe <strong>der</strong> Reformation und die<br />
wie<strong>der</strong>erwachte Kenntnis des Altertums; daneben spürt man die kräftige<br />
Entwicklung von Heer, Staat und Rechtspflege. Soldaten- und Fremdwörter,<br />
ein buntes Sprachgemisch bezeichnen die Zeit des Dreißigjährigen<br />
Krieges (1618-48). Einflußreich ist das Sprachleben <strong>der</strong> Barockzeit, die<br />
nach dem Dreißigjährigen Krieg einsetzt und bis ins 18. Jh. dauert: neben<br />
einem Gewirr von Fremdwörtern und gekünstelten Bildungen überraschen<br />
die vielen guten <strong>deutschen</strong> Wortprägungen für allgemeine Begriffe. Aus<br />
dieser Zeit stammt auch die <strong>Sprache</strong> <strong>der</strong> Musik und des Kaufmanns. Zum<br />
26
Mit solchen Satzbauplänen weicht das Dt. stark von dem Verfahren des<br />
Franz. o<strong>der</strong> Engl. ab. Man kann darin gewiß eine Erschwerung sehen, doch<br />
steckt in solchen Umklammerungen dafür auch eine starke geistige<br />
Formungskraft, die ein geschlossenes, folgerichtig fortschreitendes, allerdings<br />
auch an die eingeschlagene Richtung gebundenes und schwer<br />
abwandelbares gedankl. Verfahren erzwingt. Insgesamt ist für das Weltbild<br />
<strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> ein stark dynamischer Zug kennzeichnend. Viele<br />
Einzelheiten weisen daraufhin, so die Möglichkeit, Tun und Wirkung in ein<br />
einziges Wort zusammenzudrängen (etwas wegdenken, jemanden loskaufen),<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> ausgedehnte Gebrauch des substantivierten Infinitivs (das<br />
Wan<strong>der</strong>n, das Besteigen), selbst für ganze Wendungen (das Weintrinken,<br />
das Alleinsein). Aus dem Vergleich mit dem Franz. bestätigt Ch. Bally ein<br />
Wort von Hugo von Hofmannsthal: »Daß wir Deutschen das uns Umgebende<br />
als ein Wirkendes, die Wirklichkeit, bezeichnen, die latein. Europäer als<br />
die Dinglichkeit, la réalité, das zeigt die fundamentale Verschiedenheit des<br />
Geistes, und daß jene und wir in ganz verschiedener Weise auf dieser Welt<br />
zu Hause sind.«<br />
<strong>Die</strong> inhaltl. Eigenart <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> weist jedenfalls beson<strong>der</strong>s auf<br />
das Werden <strong>der</strong> Erscheinungen, das Ausstrahlen ihrer Wirkungen, das<br />
Hervortreten ihrer Leistungen hin, und diesen Hinweisen folgen ganz<br />
selbstverständlich alle, die das Dt. als Muttersprache erlernt haben.<br />
In <strong>der</strong> Zeit Gottscheds (etwa 1720-60) wird vor allem eine das Lateinische<br />
ablösende Wissenschaftssprache ausgebildet. Daneben entwickelt <strong>der</strong><br />
Pietismus, wie vorher schon die katholische und naturphilosophische Mystik,<br />
einen Wortvorrat zum Ausdruck innerer Bewegung, <strong>der</strong> dann in <strong>der</strong> Zeit<br />
<strong>der</strong> Empfindsamkeit noch erweitert wird. In <strong>der</strong> »klassischen« Zeit, <strong>der</strong><br />
Goethezeit (um 1772-1832), gelangt das deutsche Geistesleben zu höchster<br />
Sprachkultur. Während die Klassik alles Mundartliche vermeidet, wird<br />
die <strong>Sprache</strong> in <strong>der</strong> Romantik durch volkstümliche und altertümliche Redewendungen<br />
bereichert.<br />
<strong>Die</strong> Bismarckzeit (um 1860-90) ist gekennzeichnet durch die Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Naturwissenschaften und Technik. Der überwiegende Teil <strong>der</strong> Kunstwörter<br />
gehört ihr an.<br />
In diese Zeiten reihen sich auch die Lehnwörter ein, die die Entwicklung <strong>der</strong><br />
<strong>deutschen</strong> Kultur getreulich spiegeln. <strong>Die</strong> Wortentlehnung beginnt in ältester<br />
Zeit, bekommt in <strong>der</strong> Bekehrungszeit <strong>der</strong> Germanen ihre feste Gestalt<br />
und findet beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> lateinischen Gelehrsamkeit ihre erste Hauptquelle:<br />
den griechisch-lateinischen Wortschatz, aus dem auch heute noch<br />
geschöpft wird. Später kommt als zweite Hauptquelle das Französische<br />
dazu, dem das Deutsche noch jahrhun<strong>der</strong>telang Wörter in großer Zahl<br />
entlehnte, und endlich das Englische. Dahinter treten alle weiteren Entleh-<br />
27
Ein Teil dieser Wörter kann in eine Son<strong>der</strong>gruppe gebracht werden als<br />
Kulturwörter. Viele Ausdrücke nämlich sind mit den damit bezeichneten<br />
Sachen von <strong>Sprache</strong> zu <strong>Sprache</strong> oft aus fernsten Weltteilen gewan<strong>der</strong>t und<br />
kommen bei den meisten europäischen Völkern vor. Unter Nordseewörtern<br />
sollen die Wörter verstanden werden, die sich bei allen Völkern rings um die<br />
Nordsee finden, da sie offenbar im Sprachtausch auf diesem Meer gewan<strong>der</strong>t<br />
sind.<br />
Auch die Kunstwörter fallen auf. <strong>Die</strong> neuere Wissenschaft und die Technik<br />
benötigten sehr viele neue Wörter. Meist nahm man griechische o<strong>der</strong><br />
lateinische Wörter zu teilweise recht gewagten Wortbildungen, teils die<br />
Namen bekannter Forscher, neuerdings auch nur Anfangsbuchstaben.<br />
Nicht alles läßt sich in die Gruppen pressen, die hier gebildet wurden. Der<br />
Wortschatz ist von unbegrenzter Mannigfaltigkeit. <strong>Die</strong> Zahl <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong><br />
Wörter wird heute meist in <strong>der</strong> Größenordnung um 300.000 bis 440.000<br />
angegeben, Deutsch steht an vierter Stelle <strong>der</strong> <strong>Sprache</strong>n mit den meisten<br />
Wörtern. Der deutsche Wortschatz ist damit größer als <strong>der</strong> <strong>der</strong> romanischen<br />
<strong>Sprache</strong>n und geringer als <strong>der</strong> <strong>der</strong> heutigen amerikanischen <strong>Sprache</strong> (die<br />
Wortsammlung Websters kommt auf etwa 600.000 Wörter).<br />
28
Rechtschreibung<br />
Ein Wort, das falsch geschrieben wird, wurde nicht richtig durchdacht.<br />
<strong>Die</strong> „Rechtschreibreform“ wurde z.B. nicht richtig durchdacht, es ist eine<br />
„Falschschreibreform“ geworden. Einige Bemerkungen zur sogenannten<br />
„Rechtschreibreform“:<br />
Rechtschreibreform<br />
Zunächst: ich halte eine Rechtschreibreform für dringend notwendig, weil<br />
die letzte Rechtschreibreform von 1901 nach 100 Jahren endgültig konsequent<br />
zu Ende geführt werden sollte und weil sich die <strong>Sprache</strong> weiterentwikkelt<br />
hat. Ich halte aber die jetzige Rechtschreibreform für miserabel und<br />
dilettantisch, weil sie ihr Vorhaben, die Rechtschreibung zu vereinfachen<br />
eben gerade nicht erreicht hat. <strong>Die</strong> Schwierigkeit <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong><br />
liegt ja auch nicht in <strong>der</strong> bisherigen Rechtschreibung son<strong>der</strong>n eher in <strong>der</strong><br />
Grammatik. <strong>Die</strong> Schreibweise wurde durch die neue Regellosigkeit und<br />
Willkür komplizierter, weil sie inkonsequent ist, weniger logisch und somit<br />
schlechter erfaßbar. <strong>Die</strong> Sprachlogik, die linguistische Historik und die<br />
Semantik wurden völlig mißachtet, diese Rechtschreibreform wurde eher<br />
eine Falschschreibreform und zudem eine Sprachreform, einige Begriffe<br />
sind nämlich aus <strong>der</strong> <strong>Sprache</strong> gestrichen worden, vieles ist nicht mehr<br />
differenzierbar, die <strong>Sprache</strong> verarmt. Eine <strong>Sprache</strong> muß aber wachsen und<br />
kann nicht verordnet werden.<br />
<strong>Die</strong> neue Schreibweise ist unschön, und man muß genau mitzählen, um<br />
nicht aus Versehen 4 o<strong>der</strong> mal 5 „s“ o<strong>der</strong> „f“ hintereinan<strong>der</strong> zu schreiben,<br />
zudem für Nichtdeutsche viel schwieriger zu lernen als vorher:<br />
Flussschifffahrt - Missstand - Schlussszene - Imbissstube - Nachlasssache<br />
<strong>Die</strong> Rechtschreibreform sollte es den Schülern erleichtern, damit sie weniger<br />
Fehler machen (Lernen sollte man aber tunlichst keinem ersparen). Das<br />
Gegenteil wurde erreicht. Durch weniger Rechtschreibregeln wurde die<br />
Rechtschreibung nicht leichter son<strong>der</strong>n schwieriger. <strong>Die</strong> Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten<br />
<strong>der</strong> neuen Rechtschreibregeln haben dazu geführt, daß die Fehlerzahl<br />
in Schülerarbeiten nachweislich gestiegen ist. Es kommen neue, bisher<br />
nicht gekannte Fehler hinzu. Um bei rechtschreibunkundigen Kin<strong>der</strong>n<br />
bessere Noten zu erzielen bräuchte man auch keine Rechtschreibreform.<br />
Dazu hätte eine einfache Verordnung <strong>der</strong> Kultusminister genügt, etwa:<br />
Schreibfehler mit dem scharfen „ß“ werden nicht bewertet... o<strong>der</strong> so ähnlich.<br />
29
Nur einige Punkte herausgegriffen:<br />
Das scharfe „ß“<br />
1. Wenn das „ß“ (“sz“) in Zukunft wie<strong>der</strong> durch „ss“ ersetzt werden soll, wie<br />
das bis zur Rechtschreibreform 1901 geschrieben wurde, wie soll ich dann<br />
die zwei folgenden, sich wi<strong>der</strong>sprechenden Aussagen voneinan<strong>der</strong><br />
unterscheiden:<br />
Sie kamen in „Massen“... (sehr große Anzahl)<br />
Sie kamen in „Maßen“... (geringere Anzahl)<br />
Und wenn das „ß“ nicht durchgängig ersetzt werden soll, warum dann nur<br />
bei einigen wenigen Wörtern und mit welchem Grund gerade bei diesen<br />
Wörtern? Um bei rechtschreibunkundigen Kin<strong>der</strong>n bessere Noten zu erzielen?<br />
Dazu bräuchte man keine Rechtschreibreform, die in diesem Fall ja<br />
auch eine Sprachreform ist. Dazu hätte eine einfache Verordnung <strong>der</strong><br />
Kultusminister genügt, etwa: Schreibfehler mit dem scharfen „ß“ werden<br />
nicht bewertet...“ o<strong>der</strong> so ähnlich. Das alles ergibt also keinerlei Sinn.<br />
Außerdem müßte das „ß“ dann ja nicht durch „ss“ ersetzt werden, son<strong>der</strong>n<br />
durch „sz“, also Schreibweise: „dasz...“ (wie zu Mozarts Zeiten). Das „ß“ ist<br />
ja letztendlich ein „s“ und ein „z“, welches 1901 zu einem neuen Buchstaben<br />
zusammengesetzt wurde. International hat sich das „ß“ längst durchgesetzt:<br />
in <strong>der</strong> internationalen HTML-<strong>Sprache</strong> heißt das ß: „ß“, <strong>der</strong> Kern<br />
ist also s+z. <strong>Die</strong> Begründung für die Än<strong>der</strong>ung von „daß“ auf „dass“ war, daß<br />
nach einem kurzen Vokal ein verdoppelter Konsonant folgen müsse. <strong>Die</strong>s<br />
ist aber eine unreale Sicht <strong>der</strong> vorhandenen <strong>Sprache</strong>. Erstens wird in den<br />
unterschiedlichen Bundeslän<strong>der</strong>n unterschiedlich ausgesprochen, zweitens<br />
müßte dann das einfache „s“ völlig wegfallen: „Graß“, „Glaß“, „und waß<br />
sonst auch immer noch...“.<br />
Algorithmus<br />
<strong>Die</strong> möglichen Fehlerquellen liegen nicht in <strong>der</strong> Schreibweise son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong><br />
Grammatik. Der Algorithmus <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Grammatik ließ sich bisher in<br />
kein automatisches Grammatik-Korrekturprogramm im Computer fassen,<br />
genausowenig <strong>der</strong> französische, spanische, italienische, russische,<br />
tschechische, japanische usw. son<strong>der</strong>n nur <strong>der</strong> englische, weil die englische<br />
<strong>Sprache</strong> eben kaum Grammatik hat. Sie kommt aus dem nord<strong>deutschen</strong><br />
(Alt-) Angelsächsischen, welches nur eine recht verstümmelte Grammatik<br />
besitzt. Dazu kam eine weitere Verstümmelung durch das Hinzukommen<br />
<strong>der</strong> Dänen, die noch weniger Grammatik hatten. Lesen Sie dazu die<br />
Ausführungen <strong>der</strong> englischen Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Fraser<br />
(Handbuch <strong>der</strong> <strong>Rhetorik</strong> Seite 265).<br />
30
Sinnverän<strong>der</strong>ung<br />
Durch die verän<strong>der</strong>te Schreibweise wandelt sich die Bedeutung <strong>der</strong><br />
Wörter und Sätze. Viele Begriffe werden aus <strong>der</strong> Schriftsprache entfernt:<br />
bisher<br />
Neuschrieb<br />
alles beim alten lassen alles beim Alten lassen<br />
(beibehalten)<br />
(beim alten Herrn lassen)<br />
er tut mir leid<br />
er tut mir Leid<br />
(ich bedaure ihn)<br />
(er fügt mir Leid zu)<br />
das Schwarze Brett<br />
das schwarze Brett<br />
(Anschlagtafel)<br />
(Brett von schwarzer Farbe)<br />
das Hohe Haus<br />
das hohe Haus<br />
(Eigenname für Parlament) (das nicht niedrige Haus /Gebäude)<br />
schiefgehen<br />
schief gehen<br />
(mißlingen)<br />
(schräg gehen)<br />
wohlgetan<br />
wohl getan<br />
(gut getan)<br />
(vermutlich getan)<br />
schlechtmachen<br />
schlecht machen<br />
(schlecht kritisieren)<br />
(pfuschen)<br />
dazwischenkommen<br />
dazwischen kommen<br />
(einmischen, einschreiten) (Orgasmus zwischendurch?)<br />
Der Vater empfahl, dem Lehrer Der Vater empfahl dem Lehrer<br />
nicht zu wi<strong>der</strong>sprechen. nicht zu wi<strong>der</strong>sprechen.<br />
(Der Vater empfahl - vermutlich (Der Vater empfahl vermutlich dem<br />
dem Sohn...)<br />
Lehrer / Objekt und Subjekt werden nicht<br />
unterschieden, unklar, wer gemeint ist)<br />
Der Vater empfahl dem Lehrer, Der Vater empfahl dem Lehrer nicht zu<br />
nicht zu wi<strong>der</strong>sprechen. wi<strong>der</strong>sprechen. (Inhalt unklar)<br />
(Der Vater empfahl dem Lehrer)<br />
Der Vater empfahl dem Lehrer Der Vater empfahl dem Lehrer<br />
nicht, zu wi<strong>der</strong>sprechen. nicht zu wi<strong>der</strong>sprechen. (Inhalt unklar)<br />
(Der Vater wi<strong>der</strong>spricht, dem<br />
Lehrer etwas empfohlen zu haben)<br />
Zum Fest schlachteten sie eine Zum Fest schlachteten sie<br />
fette Gans, und den kleinen eine fette Gans und den kleinen Peter<br />
Peter luden sie zum Essen ein. luden sie zum Essen ein.<br />
(<strong>Die</strong> fette Gans wird<br />
(Peter und die Gans werden beide<br />
geschlachtet, Peter wird geschlachtet und beide eingeladen)<br />
eingeladen.)<br />
31
Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten<br />
<strong>Die</strong> folgenden Beispiele belegen die Inkonsequenzen und Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten<br />
und pure Willkür <strong>der</strong> Reform. Außerdem än<strong>der</strong>t sich durch die neue<br />
Schreibweise die festgelegte Betonung <strong>der</strong> Wörter (unterstrichen) und<br />
somit <strong>der</strong> Sinn:<br />
bisher<br />
Neuschrieb<br />
eislaufen (Kunstlauf)<br />
Eis laufen (das Speiseeis läuft)<br />
seiltanzen<br />
seiltanzen<br />
bewußtmachen (es wird bewußt) bewußt machen (es wird „gemacht“<br />
aber nicht bewußtgemacht)<br />
klarmachen<br />
klarmachen<br />
musikliebend (Eigenschaft) Musik liebend (nicht hassend)<br />
tierliebend<br />
tierliebend<br />
blutsaugend<br />
Blut saugend (es wird nur gesaugt)<br />
blutstillend<br />
blutstillend<br />
unheilbringend<br />
heilbringend<br />
platzsparend<br />
zeitsparend<br />
arbeitsuchend<br />
wohnungsuchend<br />
warmlaufen<br />
(man läuft bis man warm ist)<br />
heißlaufen<br />
Unheil bringend (es wird gebracht)<br />
heilbringend<br />
Platz sparend (es wird gespart)<br />
zeitsparend<br />
Arbeit suchend (es wird alles gesucht,<br />
unter an<strong>der</strong>em auch Arbeit)<br />
wohnungsuchend<br />
warm laufen (es wird erst gelaufen wenn<br />
man warm ist)<br />
heißlaufen<br />
hochbegabt<br />
hoch begabt (längst begabt)<br />
hochgebildet<br />
hochgebildet<br />
<strong>Die</strong> neue Schreibweise verän<strong>der</strong>t die festgelegte Betonung <strong>der</strong> Wörter und<br />
damit den Sinn.<br />
<strong>Die</strong> Begründung für die neue Schreibweise „Eis laufen“ anstatt „eislaufen“<br />
war die Sucht zur „Vereinheitlichung“ (ein schreckliches deutsches Wort).<br />
Man schrieb „Rad fahren“ aber „eislaufen“. „Rad fahren“ wurde zum<br />
Vorbild. Jedoch es läuft ja nicht das Eis (außer das Speiseeis), es fährt ja<br />
nicht das Rad von alleine. Mit <strong>der</strong> Schreibweise „Eis laufen“ wurde die<br />
Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Sprache</strong> zurückgedreht und das Speiseeis angesprochen.<br />
32
Hätten wir zwanzig Jahre gewartet hätte sich „radfahren“ durchgesetzt, ein<br />
Duden im Sinne seines Grün<strong>der</strong>s hätte dies bestimmt aufgenommen..<br />
Beispiele für Willkürlichkeit<br />
§ 112: Wörter, die sprachhistorisch o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Herkunftssprache her<br />
gesehen Zusammensetzungen sind, aber oft nicht mehr als solche empfunden<br />
o<strong>der</strong> erkannt werden, kann man entwe<strong>der</strong> nach § 108 bis § 110 o<strong>der</strong><br />
nach § 111 trennen.<br />
Der Lehrer empfindet und erkennt sprachhistorisch, <strong>der</strong> Volksschüler aber<br />
nicht. Deswegen darf je<strong>der</strong> so trennen wie er gerade empfindet und nach<br />
seinem jeweils momentanen Bildungsgrad, daraus entsteht ein Chaos:<br />
Lehrer: Beispiele: Schüler:<br />
hin-auf<br />
hi-nauf<br />
her-an<br />
he-ran (ran an den Mann)<br />
dar-um da-rum (rechts- o<strong>der</strong> linksrum?)<br />
war-um<br />
wa-rum (wer lief um was rum?)<br />
ein-an-<strong>der</strong><br />
ei-nan-<strong>der</strong> (mit Eiern?)<br />
voll-en-den<br />
vol-len-den (mit vollen Lenden?)<br />
Klein-od<br />
Klei-nod (mit Kleie?)<br />
Lie-ben-au<br />
Lie-be-nau (Liebe now?)<br />
Chrys-an-the-me<br />
Chry-san-the-me (keine Chrys-Pflanze)<br />
Hekt-ar<br />
Hek-tar (ohne einen einzigen Ar?)<br />
He-li-kop-ter<br />
He-li-kopt-er (o<strong>der</strong> helikopt „er“ nicht?)<br />
Li-no-le-um<br />
Lin-ole-um (um was olt wer um?)<br />
grau-silbern<br />
graus-ilbern (ein Graus)<br />
„silbern“ mit stimmhaftem „s“ „graus“ mit stimmlosem „s“<br />
(da am Beginn einer Silbe) (da amEnde einer Silbe)<br />
Wenn bei <strong>der</strong> Trennung die Rechtschreibregeln nicht mehr so streng<br />
angewandt werden sollen, wie soll ich dann unterscheiden:<br />
„Sprech-er-war-tung“ (ich erwarte ein Sprechen) und<br />
„Spre-cher-war-tung“ (<strong>der</strong> Sprecher wird gewartet)<br />
„Teen-ager“ (zwischen 10 und 20 Jahre alt)<br />
„Tee-nager“ (nagt am Tee)<br />
„Hö-rer-fah-rung“ (<strong>der</strong> Hörer wird gefahren)<br />
„Hör-er-fah-rung“ (die Erfahrung des Hörens)<br />
<strong>Die</strong>se Liste ließe sich fast endlos fortsetzen. Es wurde nie auf die Aussprache,<br />
den Sinn und die Historie eines Wortes geachtet son<strong>der</strong>n nur auf den<br />
momentanen Gebrauch, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Mehrheit ja falsch ist. Schauspieler,<br />
Schriftsteller, Akademiker und an<strong>der</strong>e Menschen, die die deutsche <strong>Sprache</strong><br />
besser beherrschen, sind ja lei<strong>der</strong> nicht in <strong>der</strong> Mehrheit... (Pisa läßt grüßen)<br />
33
Falschschreibreform<br />
<strong>Die</strong> sogen. „Rechtschreibreform“ ist also eine „Falschschreibreform“. Sie ist<br />
dilettantisch und zeugt von wenig Sprachkenntnis <strong>der</strong> Reformer. Sie ist auch<br />
keine Reform des Schreibens son<strong>der</strong>n eine Reform <strong>der</strong> <strong>Sprache</strong>. <strong>Sprache</strong><br />
aber wächst und muß wachsen, sie kann nicht verordnet werden, schon gar<br />
nicht von Politikern. Ohne Grund wurden bisher klare Schreibweisen teils<br />
willkürlich geän<strong>der</strong>t, teils aber auch nicht, alles ohne jegliche Regel. Es<br />
scheint darin <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> geradezu geplant,<br />
vermutlich nicht wissend son<strong>der</strong>n eben unwissend, was die ganze Tragik<br />
zeigt.<br />
Es sollte die häufiger gebrauchte Falschschreibung erlaubt werden. Der<br />
Duden forscht ja nicht nach <strong>der</strong> <strong>Sprache</strong> son<strong>der</strong>n nur nach <strong>der</strong>en Gebrauch,<br />
also auch nach <strong>der</strong>en falschem Gebrauch. Der jetzt verordnete falsche<br />
Gebrauch ist aber schwerer zu erlernen als <strong>der</strong> richtige Gebrauch.<br />
Nun haben wir eine dilettantische „Verschlimmbesserung“, die <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong><br />
<strong>Sprache</strong> Schaden zufügt. Aus <strong>der</strong> reichen <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> wird<br />
reduziertes Volksschuldeutsch. Was wir dringend bräuchten, wäre eine<br />
sinnvolle Reform und eine „Deutsche Akademie“ (Akademie <strong>der</strong> Deutschen<br />
<strong>Sprache</strong> wie sie z.B. auch <strong>der</strong> Verein <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong> und Rolf<br />
Hochhut for<strong>der</strong>n), die dieses tut.<br />
Kein größerer Schaden kann einer Nation zugefügt werden, als wenn<br />
man ihr den Nationalcharakter, die Eigenheit ihres Geistes und ihrer<br />
<strong>Sprache</strong> nimmt. (Immanuel Kant)<br />
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Inhaltsverzeichnis<br />
1 .............................................................................. <strong>Die</strong> Deutsche <strong>Sprache</strong><br />
2 ............................................................................ <strong>Die</strong> deutsche <strong>Sprache</strong><br />
3 ......................................................... Der Baum <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong><br />
4 ................................................. <strong>Die</strong> <strong>Entstehung</strong> <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong><br />
5 ...................................... <strong>Die</strong> Perioden <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Sprachgeschichte<br />
6 .................................................................... Althochdeutsch (750-1100)<br />
9 .............................................................. Mittelhochdeutsch (1100-1500)<br />
13 ............................................... Neuhochdeutsch (etwa seit 1500/1600)<br />
16 ............................................................................ Das heutige Deutsch<br />
17 ............... Aus <strong>der</strong> Geschichte des südwest<strong>deutschen</strong> Sprachgebiets<br />
18 .......................................................... Drüben hinter dem Schwarzwald<br />
18 ............................................. „Schwaben“ sind nicht nur die Schwaben<br />
20 .................................................. <strong>Die</strong> Ostsee - das „schwäbische Meer“<br />
21 ................................................................................... Von den Sueben<br />
22 ............................................................................. Von den Alemannen<br />
23 ................................................................Unbekannt aber wirkungsvoll<br />
24 ......................................................................................Suebischer Kern<br />
24 ............................................................................ Sueben - Alemannen<br />
24 .................................................... <strong>Die</strong> Eigenart <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Sprache</strong><br />
26 ..................................... <strong>Die</strong> Entwicklung des <strong>deutschen</strong> Wortschatzes<br />
29 .................................................................................. Rechtschreibung<br />
29 ...................................................................................Rechtschreibreform<br />
30 ......................................................................................... Das scharfe „ß“<br />
30 ............................................................................................... Algorithmus<br />
31 ....................................................................................... Sinnverän<strong>der</strong>ung<br />
32 ............................................................................... Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten<br />
33 ........................................................................ Beispiele für Willkürlichkeit<br />
34 .................................................................................. Falschschreibreform