Die didaktisch-methodischen Möglichkeiten der Juniorenfirma - BiBB
Die didaktisch-methodischen Möglichkeiten der Juniorenfirma - BiBB
Die didaktisch-methodischen Möglichkeiten der Juniorenfirma - BiBB
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Konrad Kutt<br />
<strong>Die</strong> <strong>didaktisch</strong>-<strong>methodischen</strong> <strong>Möglichkeiten</strong> <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong><br />
Idee und Ziele<br />
<strong>Die</strong> Auszubildenden sollen reale, marktfähige Produkte erstellen o<strong>der</strong><br />
<strong>Die</strong>nstleistungen „wie in einer richtigen Firma“ erbringen. Sie arbeiten<br />
hierbei selbständig und eigenverantwortlich mit einem<br />
unternehmerischen Ziel, erleben und gestalten die kaufmännischen<br />
Funktionen von <strong>der</strong> Beschaffung, <strong>der</strong> Produktion und Logistik bis hin<br />
zu Kostenrechung und Marketing. Sie lernen und leisten einen<br />
zielgerichteten Beitrag zur Wertschöpfung in ihrem Betrieb o<strong>der</strong> ihrer<br />
Schule. Sie gründen und führen eine eigene Firma. <strong>Die</strong> <strong>Juniorenfirma</strong>.<br />
<strong>Die</strong> Meinungen <strong>der</strong> Praktiker in den Betrieben sind durchweg positiv:<br />
Das Kennenlernen betrieblicher Zusammenhänge in <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong><br />
legt einen Grundstock für das bessere Verständnis zu späterem<br />
unternehmerischem Denken und Handeln. <strong>Die</strong> Mitarbeit in <strong>der</strong><br />
<strong>Juniorenfirma</strong> wird im betrieblichen Ausbildungszeugnis extra<br />
ausgewiesen, sicherlich ein Plus für spätere Bewerbungen.<br />
Zielgruppen und<br />
Berufsbereiche<br />
Das wichtigste Anwendungsgebiet <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> ist die<br />
kaufmännische Berufsausbildung. Industrie, Handel, Banken, Verlage,<br />
Verkehrsbetriebe und sonstige <strong>Die</strong>nstleistungsberufe geben Beispiele<br />
für das große Spektrum <strong>der</strong> Anwendung. Hinzu kommen aber auch die<br />
Bereiche Verwaltung, Hotel- und Gaststättengewerbe, Tourismus und<br />
auch gewerblich-technische Berufe.<br />
Wo immer dies möglich ist, sollen mehrere, bislang häufig getrennte<br />
Berufe in <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> zusammenarbeiten, indem z. B.<br />
kaufmännische und gewerblich-technische Auszubildende gemeinsam<br />
Problemlösungen und Produktideen entwickeln.
2<br />
Lernorte<br />
<strong>Die</strong> Gründung von Juniorenfirmen setzt eine gewisse Infrastruktur des<br />
Ausbildungswesens bzw. Größenordnung des Betriebes voraus. Sie<br />
eignet sich in mittleren und großen Betrieben ab etwa 10-20<br />
Auszubildende. In Kleinbetrieben, wo die Geschäftsabläufe ohnehin<br />
übersichtlich erscheinen, ist sie weniger geeignet. In den letzten Jahren<br />
ist die <strong>Juniorenfirma</strong> zudem stark in Schulen und außerschulischen<br />
Bildungseinrichtungen zur Anwendung gekommen.<br />
In Einzelfällen kann die <strong>Juniorenfirma</strong> auch als ein „Lernort beson<strong>der</strong>er<br />
Art“ angesehen werden, wenn sie z. B. im Rahmen eines<br />
Ausbildungsverbundes offen für Auszubildende einer Region als<br />
Einsatzort angeboten wird.<br />
Universelle Anwendung Ursprünglich in Deutschland als „Ergänzungsmethode zur<br />
kaufmännischen betrieblichen Berufsausbildung“ entwickelt, zeigt sich<br />
heute, dass die Idee <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> universell anwendbar ist. Sie<br />
wird in <strong>der</strong> vorberuflichen Kin<strong>der</strong>- und Jugendbildung eingesetzt mit<br />
dem Ziel einer sinnvollen Betätigung, <strong>der</strong> Selbstmotivation und zum<br />
Erwerb wirtschaftskundlicher Grundlagen.<br />
Mit höherer ökonomischer Durchdringung und Komplexität spielt sie<br />
auch eine Rolle als För<strong>der</strong>instrument für Nachwuchsmanager und zur<br />
Schulung unternehmerischen Handelns <strong>der</strong> „high potentials“.<br />
Entstehung und Einordnung<br />
Ein <strong>didaktisch</strong>es<br />
Prinzip <strong>der</strong> Urzeit<br />
<strong>Die</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> geht auf ein altes <strong>didaktisch</strong>es Prinzip zurück,<br />
wonach <strong>der</strong> Lernerfolg insbeson<strong>der</strong>e dann gesteigert werden kann,<br />
wenn sich die Schüler die Bildungsinhalte aktiv in Projekten, in <strong>der</strong><br />
Arbeit, an realen Geschehnissen erarbeiten. Schon früher hatten<br />
Pädagogen, wie z. B. Rousseau, Pestalozzi, Dewey und<br />
Kerschensteiner, das Erfahrungslernen, den bildenden Wert <strong>der</strong> Arbeit<br />
und die „Selbstfindung <strong>der</strong> Erkenntnisse“ betont. Bereits 1796 war in<br />
einer Leipziger Bildungsanstalt von einem selbstverwalteten Schüler-<br />
Laden die Rede. Heute spricht man von selbstgesteuertem Lernen.<br />
<strong>Die</strong> Arbeitsschule <strong>der</strong> 20er Jahre und die in <strong>der</strong> Folge entstandenen<br />
Produktionsschulen wollten die als lebensfern, verstandesorientiert und<br />
rezeptiv angesehene „Buch-Schule“ durch manuelles Tun,<br />
Eigenständigkeit und Eigen-Arbeit ersetzen. Gerade diese Tradition<br />
setzt die <strong>Juniorenfirma</strong> mit ihren <strong>Möglichkeiten</strong> fort.
3<br />
Neue Methoden<br />
In den 70er und 80er Jahren wurde die Methodendiskussion von <strong>der</strong><br />
projektorientierten Ausbildung und vom Leitbild <strong>der</strong><br />
Handlungsorientierung bestimmt, da sich die lehrgangs- und<br />
kursförmige Ausbildung inzwischen als nicht mehr zeitgemäß<br />
herausstellte.<br />
Analog zur Projekt-Methode im gewerblich-technischen Bereich hat<br />
sich für die kaufmännische Berufsbildung Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre die<br />
Methode <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> entwickelt.<br />
Es begann mit einem<br />
Modellversuch<br />
Der Begriff <strong>Juniorenfirma</strong> wurde im Rahmen eines Modellversuchs .in<br />
den Jahren von 1983 bis 1986 eingeführt. An diesem wissenschaftlich<br />
begleiteten, vom Bundesinstitut für Berufsbildung geför<strong>der</strong>ten<br />
Modellversuch beteiligten sind acht Betriebe unter <strong>der</strong> Trägerschaft <strong>der</strong><br />
Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben. <strong>Die</strong><br />
Erfahrungen waren außerordentlich positiv. Alle führen ihre damals<br />
gegründeten Juniorenfirmen bis heute weiter. Inzwischen hat sich die<br />
Zahl <strong>der</strong> Juniorenfirmen Ende <strong>der</strong> 90er Jahre auf ca. 60-80 erhöht.<br />
Gleichwohl ist ein Transfer schwierig, denn er erfor<strong>der</strong>t jeweils<br />
individuelle Anpassungskonzepte –und strategien. Rechnet man die<br />
schulischen Junioren- bzw. Schülerfirmen hinzu kommt man jetzt auf<br />
eine Zahl von etwa 360 Miniaturfirmen.<br />
Arbeitsgemeinschaft <strong>Die</strong> Juniorenfirmen haben sich nach Abschluß des Modellversuchs zu<br />
einer „Arbeitsgemeinschaft <strong>der</strong> Juniorenfirmen“ zusammengeschlossen.<br />
Ziele <strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft sind ein regelmäßiger<br />
Erfahrungsaustausch <strong>der</strong> Ausbildungsleiter, die Beratung von Betrieben<br />
und Bildungseinrichtungen, die Juniorenfirmen gründen möchten,<br />
sowie die Organisation einer jährlichen Juniorenfirmen-Messe.
4<br />
Das Projekt JUNIOR Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre wurde unter Fe<strong>der</strong>führung des Instituts <strong>der</strong><br />
deutschen Wirtschaft eine größere Aktion gestartet, um Juniorenfirmen<br />
im schulischen Sektor einzuführen und stärker zu verbreiten. Bei diesen<br />
Projekten steht das praktische Kennenlernen von wirtschaftlichen und<br />
geschäftsmäßigen Abläufen und Zusammenhängen mit dem Ziel <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ung von Kooperations- und Entscheidungsfähigkeit sowie<br />
Verantwortungs- und Führungsbereitschaft im Vor<strong>der</strong>grund.<br />
<strong>Die</strong> unter dem Begriff JUNIOR (Junge Unternehmer initiieren –<br />
organisieren – realisieren) zusammengefaßte Bewegung zielt damit<br />
insgesamt ebenfalls auf die För<strong>der</strong>ung unternehmerischen Denkens und<br />
Handelns, nicht zuletzt vor dem Hintergrund <strong>der</strong> in den letzten Jahren<br />
geführten Diskussion <strong>der</strong> neuen Selbständigkeit und Existenzgründung<br />
und <strong>der</strong> generell als gering eingestuften Befassung mit „Wirtschaft“ im<br />
Unterricht.<br />
Sicherlich hat es schon früher reale Verkaufs-Projekte <strong>der</strong> Schüler<br />
gegeben, z. B. Schülerzeitung, Verkauf an Kiosken, Weihnachtsbasare<br />
usw. Hier hat es aber häufig an einer konsequenten ökonomischen<br />
Durchdringung <strong>der</strong> mit diesen Tätigkeiten verbundenen<br />
kaufmännischen Funktionen, wie Beschaffung, Kalkulation,<br />
Buchhaltung, Erstellung einer Bilanz o<strong>der</strong> Marketing, gemangelt.<br />
Junior achievement-<br />
Companies<br />
<strong>Die</strong> schulischen Juniorenfirmen in Deutschland lassen sich in Idee,<br />
Konzept und Organisation gut vergleichen mit den amerikanischen<br />
Junior achievement companies, die inzwischen eine Tradition von mehr<br />
als 70 Jahren haben und die mit mehr als 8000 Firmen und über<br />
200 000 Schülern zu einem festen, überwiegend freiwilligen Bestandteil<br />
<strong>der</strong> high-schools geworden sind.<br />
<strong>Die</strong> Schüler sollen Gelegenheit bekommen, das amerikanische<br />
Wirtschaftssystem zu verstehen, indem sie eigene, kleine Firmen<br />
gründen, betreiben und nach einem Schuljahr wie<strong>der</strong> auflösen. Sie<br />
stellen selbst Produkte her o<strong>der</strong> bieten <strong>Die</strong>nstleistungen an, führen Buch<br />
über Einnahmen und Ausgaben, werden von Paten-Betrieben beraten<br />
und beziehen in <strong>der</strong> Regel ihr unmittelbares privates Umfeld als<br />
Kunden, Auftraggeber o<strong>der</strong> „Aktionäre“ in das Business ein.
5<br />
Didaktische Leitziele <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong><br />
Eine Beson<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> Juniorenfirmen-Arbeit besteht darin, dass sie drei<br />
Ziel-Ebenen in sich vereint:<br />
<strong>didaktisch</strong>e Ziele<br />
⇒ betonen den Ausbildungswert<br />
ökonomische Ziele ⇒ betonen den Geschäftswert bzw. die<br />
Gewinnerzielung<br />
innovative Ziele<br />
Fluktuation<br />
⇒ betonen die Verän<strong>der</strong>ung, den Prozess und die<br />
Ähnlich dem <strong>didaktisch</strong>en Dreieck können diese Ziele miteinan<strong>der</strong><br />
konkurrieren. <strong>Die</strong> überstarke Betonung des einen, kann zur Min<strong>der</strong>ung<br />
eines an<strong>der</strong>en Zieles führen.<br />
Im folgenden werden die <strong>didaktisch</strong>en Ziele <strong>der</strong> Juniorenfirmen-Arbeit<br />
benannt. Sie liegen innerhalb <strong>der</strong> sich überschneidenden Grenzen von<br />
Fachkompetenz, Sozialkompetenz, Methodenkompetenz und personaler<br />
Kompetenz:<br />
Zur Fachkompetenz<br />
zählen insbeson<strong>der</strong>e:<br />
Kaufmännisches Zusammenhangwissen<br />
Fähigkeit zur flexiblen und individuellen Kundenorientierung<br />
differenzierte Rollenwahrnehmung unterschiedlicher Akteure<br />
Organisationskompetenz<br />
Unternehmerisches Handeln<br />
Zur Sozialkompetenz<br />
zählen insbeson<strong>der</strong>e:<br />
Selbständigkeit<br />
Kooperations- und Teamfähigkeit<br />
Kommunikationsfähigkeit<br />
Konfliktfähigkeit<br />
Kreativität<br />
Entscheidungsfähigkeit<br />
Übernahme von Verantwortung
6<br />
Zur Methodenkompetenz<br />
zählen insbeson<strong>der</strong>e:<br />
Befähigung zur selbständigen und kooperativen Bearbeitung komplexer<br />
Sachverhalte und Handlungen. Dazu gehören Tätigkeiten, wie:<br />
Informieren, Planen, Entscheiden, Ausführen, Kontrollieren und<br />
Auswerten<br />
Problemlösungskompetenz<br />
Führung und Organisation sowie Steuerung von Prozessen<br />
Vermittlungskompetenz und<br />
Präsentationstechniken<br />
Zur Personalkompetenz<br />
zählen insbeson<strong>der</strong>e:<br />
Steigerung <strong>der</strong> Selbstmotivation, Lern und Leistungsmotivation<br />
Steigerung des Selbstvertrauens und des Selbstbewußtseins<br />
Aushalten von Kritik, Unsicherheit und Wi<strong>der</strong>sprüchen<br />
Zusammengehörigkeitsgefühl und Sinnvermittlung
7<br />
Umsetzung <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> in <strong>der</strong> betrieblichen Ausbildung<br />
Bei <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> handelt es sich um eine Methode, die folgende<br />
strukturelle Merkmale aufweist:<br />
Sie ist ein „Realprojekt“<br />
Sie ist auf Dauer angelegt<br />
Sie wird unter dem Schirm des Ausbildungsbetriebes gegründet<br />
Sie ist in <strong>der</strong> Regel rechtlich gesehen nicht selbständig<br />
Sie wird selbständig und in eigener Verantwortung <strong>der</strong> Auszubildenden<br />
geführt<br />
Sie ermöglicht eine flexible zeitlich-organisatorische Realisierung<br />
Sie ist auf Gewinn angelegt bzw. will Ausbildungskosten senken<br />
Sie ist innovativ für den Betrieb und ermöglicht einen Zusatznutzen<br />
Sie verbindet ökonomisches Controlling mit <strong>didaktisch</strong>er Reflexion<br />
Sie verbindet Arbeiten und Lernen<br />
Sie verbindet mehrere Berufe und för<strong>der</strong>t somit das berufsübergreifende<br />
Lernen<br />
Sie erfor<strong>der</strong>t eine Auswahl <strong>der</strong> Teilnehmenden und einen sukzessiven<br />
Persnalwechsel<br />
Für die Gründung einer <strong>Juniorenfirma</strong> gibt es keine Standardlösung<br />
<strong>Die</strong> Gründung erfor<strong>der</strong>t innovative Aufgeschlossenheit des<br />
Ausbildungspersonals<br />
<strong>Die</strong> Gründung ist ein Prozess mit den Merkmalen einer<br />
„Organisationsentwicklung“
8<br />
Ausgewählte Aspekte <strong>der</strong> Umsetzung betrieblicher Juniorenfirmen-Arbeit<br />
Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Methode <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> prinzipiell<br />
erreichbaren Ziele und struktureller Merkmale werden im folgenden die<br />
Aspekte beschrieben, die für die praktische Realisierung von<br />
Juniorenfirmen bedeutsam erscheinen:<br />
Aller Anfang ist schwer Für die Einrichtung einer <strong>Juniorenfirma</strong> gibt es keine<br />
Standardlösung son<strong>der</strong>n nur allgemeine Organisationshinweise. Es<br />
empfiehlt sich, die Erfahrungen an<strong>der</strong>er, insbeson<strong>der</strong>e durch den<br />
Besuch einer Juniorenfirmenmesse o<strong>der</strong> das originale Kennenlernen<br />
bestehen<strong>der</strong> Juniorenfirmen zu nutzen.<br />
Keine <strong>Juniorenfirma</strong> gleicht <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en. Jede neue <strong>Juniorenfirma</strong> muß<br />
deshalb im Rahmen eines situativen Entwicklungsprozesses gleichsam<br />
selbst von den Beteiligten erarbeitet werden. <strong>Die</strong> Gründung ist mithin<br />
ein Prozeß, <strong>der</strong> die Berücksichtigung von Kriterien einer <strong>didaktisch</strong>methodisch<br />
reflektierten Organisationsentwicklung nahelegt.<br />
Dabei kann die Initiative sowohl vom Ausbil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Ausbildungsleiter<br />
ausgehen als auch von den Auszubildenden o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Jugend- und<br />
Auszubildendenvertretung<br />
Startworkshop<br />
Für die Selbstfindung eines Konzepts <strong>der</strong> eigenen <strong>Juniorenfirma</strong> kann<br />
es hilfreich sein, einen Startworkshop mit interessierten<br />
Auszubildenden, den Ausbil<strong>der</strong>n und ggf. externen Experten<br />
durchzuführen. Voraussetzung für das Gelingen ist natürlich eine<br />
innovative und aufgeschlossene Grundhaltung des<br />
Ausbildungspersonals.<br />
Neben einer generellen Reflexion über Stärken und Schwächen <strong>der</strong><br />
bisherigen Ausbildungsorganisation, können erste Weichenstellungen<br />
für die Entwicklung einer <strong>Juniorenfirma</strong> und <strong>der</strong>en Organisation<br />
erfolgen. Hierbei wird man sich auch über die Rahmenbedingungen<br />
verständigen und ein innerbetriebliches Umsetzungsverfahren festlegen,<br />
in dem etwa folgende Fragen gestellt und in einem ersten<br />
Brainstorming konkretisiert werden sollten:<br />
Was ist Gegenstand <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong>?<br />
Auf welchen Märkten könnte die <strong>Juniorenfirma</strong> tätig werden?<br />
Welche Auszubildenden sollen wielange eingebunden werden?<br />
Welche Räume, Organisationsmittel und Ausstattungen werden<br />
benötigt?<br />
Wer muß zustimmen bzw.-beteiligt werden?<br />
Woher erhält man weitere Informationen, z. B. von an<strong>der</strong>en
9<br />
Juniorenfirmen?<br />
Welches sind die nächsten Verfahrensschritte?<br />
Erste Präsentation<br />
Ein Realprojekt<br />
Der mit Hilfe des Startworkshops initiierte Findungsprozeß kann darin<br />
münden, daß die Auszubildenden ihre Ergebnisse, Vorstellungen und<br />
Wünsche zur Einrichtung einer <strong>Juniorenfirma</strong> <strong>der</strong> Geschäftsleitung o<strong>der</strong><br />
dem Vorstand gegenüber präsentieren. Eine gut vorbereitete, lebendige<br />
Präsentation ist ein idealer Türöffner für eine positive Entscheidung.<br />
Im Gegensatz zu Übungsfirmen o<strong>der</strong> Lernfirmen ist die <strong>Juniorenfirma</strong><br />
in ihrer gesamten Anlage „real“. Es gibt verkaufsfähige Produkte,<br />
Märkte, Kosten und Ausgaben, Geld und Konten, Kunden,<br />
Verhandlungen und mitunter auch Risiken, Konflikte und<br />
Reklamationen.<br />
Trotz Betonung von Realität darf nicht außer acht gelassen werden,<br />
dass manches doch nicht ganz real sein wird, so z. B. die juristische<br />
Selbständigkeit, Teile des Rechnungswesens und des Personalwesens.<br />
Schließlich bleibt die <strong>Juniorenfirma</strong> ein Ausbildungsprojekt. Durch die<br />
im Modellversuch Jeenet erstmals erprobte virtuelle <strong>Juniorenfirma</strong> wird<br />
die bisherige face-to-face-Realität weitgehend in eine virtuelle Realität<br />
überführt.<br />
Schirm ist <strong>der</strong><br />
Ausbildungsbetrieb<br />
Juniorenfirmen haben i. d. R. keine rechtliche Selbständigkeit. Sie<br />
werden unter dem Schirm des Mutterbetriebes gegründet, bei dem auch<br />
die Verantwortung gegenüber den peripheren Einrichtung, wie z. B. <strong>der</strong><br />
Steuer und <strong>der</strong> Sozialversicherung verbleibt.<br />
Auch kann sich die Namensgebung in geeigneter Weise am<br />
Mutterbetrieb orientieren: z. B. „Zeiss reflex“ o<strong>der</strong> „Himmel, Erde,<br />
Wasser“ für HEW. <strong>Die</strong> in <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> erstellten und vertriebenen<br />
Produkte können einen Bezug zum Geschäftsfeld des<br />
Ausbildungsbetriebes haben.<br />
Eine informationstechnische „Schirm-Funktion“ ergibt sich daraus, dass<br />
sich die Auszubildenden in allen Fragen, die mit <strong>der</strong> Gründung und<br />
dem laufenden Betrieb <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> zu tun haben, an die<br />
Fachabteilungen ihres Betriebes wenden können. Selbständiges<br />
Informieren gewinnt hier eine eigene sinnstiftende Qualität.<br />
Auf Dauer<br />
Während die schulischen Juniorenfirmen nur ein Schuljahr lang<br />
existieren und von <strong>der</strong> nächsten Generation neu gegründet werden<br />
müssen, sind die betrieblichen Juniorenfirmen auf Dauer angelegt. Sie<br />
werden über die jeweiligen Auszubildendengenerationen hinweg<br />
fortgeführt.<br />
<strong>Die</strong>se Kontinuität im Firmengeschehen hat zugleich zwei<br />
„Problembereiche“, die zu positiven Handlungsfel<strong>der</strong>n mit
10<br />
Ausbildungsabsicht umfunktioniert werden können, nämlich die<br />
Übergabe <strong>der</strong> Geschäfte und die Verän<strong>der</strong>ungs- bzw.<br />
Innovationsbereitschaft bei aufkommen<strong>der</strong> Routine.<br />
Produktfindung<br />
Normalerweise entwickelt sich die Arbeitsaufgabe aus dem eigenen<br />
Selbstverständnis <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong>, denn sie ist i. d. R. nicht<br />
systematisch in den betrieblichen Prozess <strong>der</strong> Güter- und<br />
<strong>Die</strong>nstleistungserstellung eingebunden, es sei denn, die <strong>Juniorenfirma</strong><br />
übernimmt ganze, Abteilungen, Filialen, Bahnhöfe, Kantinen usw.,<br />
wofür es auch etliche Beispiele und gute Gründe gibt.<br />
Eng mit <strong>der</strong> Produktfindung hängt auch die Frage zusammen, für<br />
welchen Markt die <strong>Juniorenfirma</strong> arbeitet. Bei Gebrauchsgütern und<br />
Geschenkartikeln des „täglichen Bedarfs“ hat sich die Belegschaft als<br />
Marktsegment angeboten. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite erhalten<br />
Juniorenfirmen in Verbindung mit <strong>der</strong> Ausbildungswerkstatt Aufträge<br />
für innerbetriebliche produktive Aufträge, <strong>der</strong>en geschäftliche<br />
Abwicklung und Verrechnung über die <strong>Juniorenfirma</strong> erfolgt.<br />
Zur Selbständigkeit <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> gehört, dass sie sich eigenständig<br />
um Aufträge und Problemlösungen bemüht und intelligente<br />
Produktideen entwickelt. Im Angebot <strong>der</strong> Juniorenfirmen findet man<br />
sowohl „einfache“ Handelswaren, Holzspielzeug, Plüschtiere und<br />
Büromaterial, bedruckte T-shirts, als auch Werkzeuge, Maschinen und<br />
komplexe <strong>Die</strong>nstleistungen, wie z.B. Markt-Analysen, Web-Seiten-<br />
Erstellung, Soft-ware-Entwicklung.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e wenn Juniorenfirmen von freien Trägern, gemeinnützigen<br />
Einrichtungen und Schulen auf normalen externen Märkten agieren,<br />
müssen sie sich Gedanken machen, wie sie etwaigen Problemen des<br />
Wettbewerbs, <strong>der</strong> Steuer bzw. Gemeinnützigkeit begegnen können.<br />
Wohin mit dem<br />
Gewinn?<br />
<strong>Die</strong> Realität von <strong>Juniorenfirma</strong> beinhaltet, dass sie gewinnorientiert<br />
arbeiten soll. Ein Beleg dafür ist, dass neue, interessante Methoden<br />
keineswegs mit zusätzlichen Kosten verbunden sein müssen. Im<br />
Gegenteil. <strong>Die</strong> Auszubildenden erwirtschaften sogar einen Teil ihrer<br />
Ausbildungskosten. Allerdings sind die Kalkulationsunterlagen sehr<br />
verschieden, kaum vergleichbar und mitunter doch fiktiv.<br />
Überschüsse sind natürlich etwas Positives, vor allem dann, wenn<br />
darüber investiv, in sozialer Absicht o<strong>der</strong> zur Finanzierung zusätzlicher<br />
Aktivitäten, wie z. B. von Reisen o<strong>der</strong> Festen verfügt werden kann.<br />
Zusatznutzen für den<br />
Betrieb<br />
Neben einer generellen Verbesserung <strong>der</strong> Ausbildung, <strong>der</strong> Senkung von<br />
Ausbildungskosten, einer Erhöhung <strong>der</strong> Motivation und<br />
Arbeitszufriedenheit und einem Imagegewinn in <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
kann die <strong>Juniorenfirma</strong> auch Vorreiter für innovative Prozesse,<br />
Produkte und Marktstrategien des Ausbildungsbetriebes sein.
11<br />
So kann beispielsweise <strong>der</strong> nicht selten vorhandene<br />
Kompetenzvorsprung junger Leute im Bereich <strong>der</strong> Informationstechnik,<br />
die Unbefangenheit im Bereich Mode und Design, die unkonventionelle<br />
Herangehensweise an Problemlösungen sowie die neue „Jugendkultur“<br />
für betriebliche Zwecke genutzt werden. Beispiel: Auszubildende <strong>der</strong><br />
„Junior-Bank“ mit einem eigenen Schalter sprechen auf ihre Art die für<br />
die Bank interessante Zielgruppe <strong>der</strong> Schüler und jungen Erwachsenen<br />
an. O<strong>der</strong>: Auszubildende <strong>der</strong> „Jugend-Boutique“ eines Kaufhauses sind<br />
vielleicht dichter am Puls einer ausgefallenen „jungen Mode“, die sie<br />
auch glaubhaft vertreten können.<br />
Lernen von<br />
Auszubildenden<br />
Der betriebliche Nutzen muss sich nicht darin erschöpfen, dass<br />
nützliche Produkte für den Betrieb geschaffen werden. In dem<br />
Modellversuch Jeenet wird erstmals das traditionelle Lehr-<br />
/Lernverhältnis zwischen Ausbil<strong>der</strong>n und Auszubildenden, zwischen<br />
Lehrern und Schülern, zwischen alt und jung zumindest parziell „auf<br />
den Kopf gestellt“, indem nun auch Auszubildende<br />
Mitarbeiterschulungen und Lehrerweiterbildung im Informatik- und<br />
Internetbereich übernehmen<br />
Innovation und<br />
Verän<strong>der</strong>ung<br />
Eingerichtete Juniorenfirmen sind kein Ruhekissen. Im Gegenteil: sie<br />
drängen auf Verän<strong>der</strong>ung. Sie werden geleitet vom sogenannten 3-I-<br />
Prinzip: Intrapreneurship, Initiative, Innovation. Wie richtige Betriebe,<br />
müssen sich auch Juniorenfirmen neuen ökonomischen und<br />
gesellschaftlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen stellen.<br />
Eine „unternehmenspolitische Neuorientierung“ kam vor einigen Jahren<br />
mit dem Anspruch einer systematischen Integration von Umweltschutz<br />
auf die Juniorenfirmen zu. Einige hatten daraufhin sich stärker auf<br />
ökologische Produkte und Verfahren ausgerichtet und versuchten dem<br />
Anspruch eines offensiven Umweltmanagements gerecht zu werden.<br />
In eine ähnliche Richtung gehen auch Versuche, das Leitbild <strong>der</strong><br />
Nachhaltigkeit in den Firmen zur Geltung zu bringen.<br />
Eine weitere Innovation kommt mit zunehmen<strong>der</strong> Geschwindigkeit auf<br />
die Juniorenfirmen zu: die Elektronifizierung <strong>der</strong> Geschäftsabläufe, die<br />
unter dem Schlagwort <strong>der</strong> E-commerce-competences gefaßt werden<br />
können. Der Modellversuch Jeenet, <strong>der</strong> vom Otto-Versand in Hamburg<br />
in Kooperation mit Berufsschulen durchgeführt wird, will die virtuelle<br />
Geschäftstätigkeit <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> erstmals erproben.<br />
Zeitmodelle<br />
<strong>Die</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> kann je nach Bedarf zeitlich flexibel organisiert<br />
werden. In <strong>der</strong> Regel wird nicht mehr als 10 % <strong>der</strong> gesamten<br />
Ausbildungszeit veranschlagt. Möglich ist, dass die <strong>Juniorenfirma</strong> als<br />
Durchlaufstation z. B. drei Monate hintereinan<strong>der</strong> zum Einsatz kommt<br />
o<strong>der</strong> als Teilzeitmodell ½Tag pro Woche über ein - bis 1 ½Jahre.
12<br />
Sinnvoll ist es, mit <strong>der</strong> Juniorenfirmenausbildung ab dem zweiten<br />
Ausbildungsjahr zu beginnen.<br />
Personalwechsel<br />
<strong>Die</strong> Kontinuität <strong>der</strong> Geschäfte macht einen fließenden Personalwechsel<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Dabei können bestimmte Funktionen in <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong><br />
in Einzelfällen auch länger besetzt sein, so dass eine sinnvolle<br />
Abwicklung <strong>der</strong> Geschäfte und eine kompetente Einarbeitung <strong>der</strong><br />
„Neuen“ erfolgen kann. Anleitung und Vermittlungsfähigkeit ist ein<br />
wichtiger Nebeneffekt dieser Organisationsform.<br />
D<br />
Chancengleichheit o<strong>der</strong><br />
Auswahl <strong>der</strong> Besten Wenn mehr Auszubildende im Betrieb vorhanden sind als Plätze in <strong>der</strong><br />
<strong>Juniorenfirma</strong> zur Verfügung stehen, stellt sich das Problem <strong>der</strong><br />
gerechten Auswahl, zumal in den meisten Fällen die Teilnahme an <strong>der</strong><br />
<strong>Juniorenfirma</strong> ohnedies freiwillig ist .<br />
In manchen Firmen können sich die Auszubildenden regelrecht<br />
bewerben und sich einem Auswahlverfahren durch die<br />
„Personalabteilung <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong>“ unterziehen. Nach welchen<br />
Kriterien die Auswahl tatsächlich erfolgt, muß auch unter<br />
ausbildungspolitischen Gesichtspunkten entschieden werden. Eine<br />
Bestenauswahl – günstig vielleicht für den Geschäftswert <strong>der</strong><br />
<strong>Juniorenfirma</strong> - kann beispielsweise aus sozialen Gründen auf<br />
Ablehnung stoßen, während ein Losgefahren als zu beliebig angesehen<br />
werden könnte.<br />
Berufsübergreifendes<br />
Lernen<br />
Wie in einer richtigen Firma sind die Lerngruppen in <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong><br />
eher heterogen und berufsübergreifend. Ziel ist es, dass z. B.<br />
kaufmännische mit gewerblich-technischen Auszubildenden in <strong>der</strong><br />
<strong>Juniorenfirma</strong> zusammenarbeiten. <strong>Die</strong> Einsicht in das jeweils an<strong>der</strong>e<br />
Berufsverständnis und die interdisziplinäre Problemlösungsfähigkeit<br />
sind heute wichtiger denn je.<br />
Gewerblich-technische o<strong>der</strong> handwerkliche Auszubildende benötigen<br />
kaufmännisches Grundwissen und müssen sich insgesamt<br />
kundenorientiert, d. h. auch kommunikativ aufgeschlossen verhalten.<br />
Umgekehrt müssen kaufmännische Auszubildende zunehmend<br />
technische Herstellungs- und Produktkompetenz erwerben. In<br />
gemeinsamen Qualitäts- und Terminkontrollen sowie Produkt- und<br />
Fertigungsplanungen können diese Fähigkeiten in <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong><br />
erworben werden und ein Beitrag zum Abbau von Vorurteilen geleistet<br />
werden.<br />
Durch die Übernahme verschiedener Rollen und Funktionen innerhalb<br />
<strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> können z. B. auch Erfahrungen im Bereich <strong>der</strong><br />
Führung und Organisation auf unterschiedlichen Ebenen o<strong>der</strong> auch in<br />
eher netzwerkbezogenen, projektorientierten Arbeitsorganisationen<br />
gesammelt werden.
13<br />
Selbstorganisation und<br />
Eigene Verantwortung Selbständigkeit als pädagogisches Ziel läßt sich vor allem durch<br />
selbstorganisiertes Arbeiten und Lernen erreichen. In <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong><br />
besteht diese Möglichkeit innerhalb <strong>der</strong> von den Auszubildenden selbst<br />
verantworteten Rahmenbedingungen. Selbständiges Handeln in den<br />
Ausbildung ist gut und wichtig, ist aber auch nicht ganz frei von<br />
Problemen:<br />
Eine Schwierigkeit besteht darin, daß <strong>der</strong> Ausbil<strong>der</strong> das beanspruchte<br />
hohe Maß an Selbständigkeit zulassen können muß, selbst auf die<br />
Gefahr hin, dass „Fehler“ gemacht werden o<strong>der</strong> bestimmte betriebliche<br />
Regeln verletzt werden. Da hilft nur die Erkenntnis, dass Fehler dazu da<br />
sind, aus ihnen zu lernen. Für den Ausbil<strong>der</strong> ergibt sich aus dieser<br />
Gratwan<strong>der</strong>ung einer distanziert mo<strong>der</strong>ierenden Begleitung <strong>der</strong><br />
<strong>Juniorenfirma</strong> die größte Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />
Eine an<strong>der</strong>e Schwierigkeit kann dann entstehen, wenn die selbständiges<br />
Arbeiten gewohnten Auszubildenden im Rahmen ihrer Ausbildung o<strong>der</strong><br />
später in Fachabteilungen tätig sind, in denen diese Selbständigkeit in<br />
<strong>der</strong> Arbeitsorganisation (noch) nicht gegeben ist. <strong>Die</strong> Folge ist<br />
Unterfor<strong>der</strong>ung und Frustration.<br />
Controlling und<br />
Didaktische Reflexion <strong>Die</strong> experimentelle Ernsthaftigkeit <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> und das<br />
ernsthafte Experimentieren verweisen auf eine gleichsam ideale<br />
Kongruenz von Arbeiten und Lernen. Nicht wenige Firmen veranstalten<br />
einmal im Jahr eine Bilanzpressekonferenz, auf <strong>der</strong> über den<br />
wirtschaftlichen Erfolg und den Lerneffekt berichtet wird.<br />
Ökonomisches Controlling und <strong>didaktisch</strong>e Überprüfung <strong>der</strong><br />
Lernprozesse und –ergebnisse werden verzahnt. <strong>Die</strong> Arbeitsmittel<br />
stellen zugleich die Lerninfrastruktur dar und heben in ihrem doppelten<br />
Gebrauch zugleich den in den Köpfen latent vorhandenen Gegensatz<br />
zwischen Arbeiten und Lernen auf.<br />
Bei gemeinsamen Entscheidungsprozessen innerhalb <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong><br />
sollte stets die Frage mit bedacht werden: was haben wir davon, was<br />
lernen wir daraus? Und dieselben Fragen werden im Rahmen <strong>der</strong><br />
Manöverkritik am Ende durchgeführter Aktionen o<strong>der</strong> Projekte gestellt.<br />
Schwierigkeiten in <strong>der</strong> Aufgabendurchführung o<strong>der</strong> gar Fehler und<br />
Konflikte kommen zur Sprache und werden bearbeitet.<br />
<strong>Die</strong> neue Rolle und das<br />
Selbstverständnis <strong>der</strong><br />
Ausbil<strong>der</strong> <strong>Die</strong> Einführung <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> als Methode, ihre laufende<br />
<strong>didaktisch</strong>e, geschäftsbezogene und innovativ-verän<strong>der</strong>ungsorientierte<br />
Betreuung ist in je<strong>der</strong> Hinsicht mit höheren Anfor<strong>der</strong>ungen an
14<br />
Ausbil<strong>der</strong> verbunden.<br />
<strong>Die</strong> vielfach auch in an<strong>der</strong>en Zusammenhängen dargestellte<br />
Mo<strong>der</strong>atoren-Funktion , die Ausbil<strong>der</strong>n heutzutage überwiegend<br />
zugewiesen wird, wird in <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> zu einem konstitutiven<br />
Element. <strong>Die</strong> Mo<strong>der</strong>ation verbindet sich aber mit<br />
Innovationsbereitschaft und Prozesskompetenz. Es könnte so aussehen,<br />
als reduzierten sich die zeitlichen und fachlichen Anteile <strong>der</strong> Betreuung.<br />
Alle Erfahrung zeigt, dass das Gegenteil richtig ist. Insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Gründung aber auch die laufende Verän<strong>der</strong>ungen und Erneuerung, die<br />
ständige Fluktuation erfor<strong>der</strong>n vom Ausbil<strong>der</strong> ein hohes Maß<br />
innovativen Engagements<br />
Der Ausbil<strong>der</strong> bleibt verantwortlich zumindest für den<br />
Ausbildungsaspekt <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong>. Neu ist dabei für ihn häufig <strong>der</strong><br />
Umgang mit offen Situationen und dem scheinbar eingriffslosen<br />
Gewährenlassen innerhalb <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong>. Dabei entstehen Fehler<br />
o<strong>der</strong> Regelverletzungen, gruppendynamische Prozesse und soziale<br />
Konflikte, die als reale, lernproduktive Situationen genutzt werden<br />
können.<br />
Durch die notwendige Anbindung <strong>der</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> an die<br />
Ausbildungsorganisation wird vom Ausbil<strong>der</strong> eine reflexive Vor- und<br />
Nachbereitung erwartet, in einzelnen Fällen auch Interventionen des<br />
laufenden Prozesses.<br />
In <strong>der</strong> Regel ist die <strong>Juniorenfirma</strong> mit Öffentlichkeitsarbeit verbunden,<br />
die die innovative Ausbildung des Betriebes bekannt macht, zur<br />
Imagepflege beiträgt und Anfragen von außen aufwirft: Berichte,<br />
Interviews, Einladungen zu Vorträgen, Besuche und Besichtigungen<br />
sind die Folge.<br />
Literatur<br />
EBNER, H.G./CZYCHOLL, R.: Handlungsorientierung und <strong>Juniorenfirma</strong>. In: SOMMER,<br />
K.-H. (Hrsg.): Betriebspädagogik in Theorie und Praxis. Festschrift - Wolfgang Fix<br />
zum 70. Geburtstag. Esslingen 1990 (Stuttgarter Beiträge zur Berufs- und<br />
Wirtschaftspädagogik; Son<strong>der</strong>band 1) S. 265 - 278<br />
FIX, W.: Juniorenfirmen: Ein innovatives Konzept zur För<strong>der</strong>ung von<br />
Schlüsselqualifikationen. Berlin 1989<br />
KUTT, K. (Hrsg.): Juniorenfirmen und Umweltschutz. Eine aktualisierte Dokumentation von<br />
Materialien, Aufsätzen und weiterführenden Hinweisen zu einer ökologischen<br />
Orientierung <strong>der</strong> Juniorenfirmen. Bielefeld 1996 (Informationen und Materialien aus<br />
Modellversuchen zum Umweltschutz in <strong>der</strong> beruflichen Bildung, Heft 50, hrsg. vom<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung, Der Generalsekretär)
15<br />
MILLER, S.: <strong>Die</strong> <strong>Juniorenfirma</strong> - Ein handlungsorientiertes Konzept auch für die Schule? In:<br />
Erziehungswissenschaft und Beruf (1990), 3, S. 246-252<br />
SÖLTENFUSS, G./HALFPAP, K. (Hrsg.): Handlungsorientierte Ausbildung im<br />
kaufmännischen Bereich. Ergebnisse <strong>der</strong> Hochschultage Berufliche Bildung ‘86 in<br />
Essen. Sankt Augustin 1987<br />
EBNER H.G./VOLL, M.: Juniorenfirmen in Deutschland. Eine Synopse über<br />
Realisationsformen. Mannheim 2000 (Selbstverlag Universität Mannheim)