Richtlinie Strafunmündige - Landeskriminalamt Niedersachsen
Richtlinie Strafunmündige - Landeskriminalamt Niedersachsen
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<strong>Landeskriminalamt</strong><br />
<strong>Niedersachsen</strong><br />
32.4 - 51603<br />
Stand: 01.02.2008<br />
<strong>Richtlinie</strong> für Verfahren mit Kindern als Tatverdächtige<br />
(strafunmündige Kinder)<br />
1. Allgemeines<br />
2. Begriff<br />
3. Ziel<br />
4. Rechtslage<br />
5. Verfahren<br />
1. Allgemeines<br />
Die <strong>Richtlinie</strong> regelt in Ausführung des Niedersächsischen Gesetzes über die<br />
öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds.SOG), des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes<br />
(NDSG), des Strafgesetzbuches (StGB), der Strafprozessordnung<br />
(StPO), des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) und des Bürgerlichen Gesetzbuches<br />
(BGB) in der jeweils gültigen Fassung die Bearbeitung von Verfahren<br />
mit Kindern als Tatverdächtige (strafunmündige Kinder).<br />
Ergänzend gelten die PDV 382 „Bearbeitung von Jugendsachen“, die Leitlinien<br />
für die polizeiliche Bearbeitung von Jugendsachen, die <strong>Richtlinie</strong>n für das<br />
Führen von Kriminalakten und den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in der<br />
jeweils gültigen Fassung.<br />
2. Begriff<br />
Kinder sind Personen, welche bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt<br />
sind.<br />
Kinderdelinquenz ist jedes tatbestandsmäßige und rechtswidrige Verhalten<br />
zur Verwirklichung eines Straftatbestandes.<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Landeskriminalamt</strong> <strong>Niedersachsen</strong><br />
Dez. 32 Prävention und Jugendsachen<br />
Schützenstr. 25<br />
30161 Hannover<br />
Erreichbarkeit:<br />
0511/26262-3241-3243<br />
EPHK Winfried Bodenburg<br />
E-Mail:jugendsachen@lka.polizei.niedersachsen.de
<strong>Richtlinie</strong> für Verfahren mit Kindern als Tatverdächtige (strafunmündige Kinder)<br />
3. Ziel<br />
Da strafrechtliche Konsequenzen bei Kindern nicht eintreten können, soll das<br />
polizeiliche Handeln kindgerecht und zielorientiert (Gefahrenabwehr, Kriminalprävention,<br />
Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche, Strafbegehren) ausgerichtet<br />
sein. Dabei ist zu beachten, dass das polizeiliche Handeln das zukünftige Verhalten<br />
des betroffenen Kindes mit bestimmen kann.<br />
Daneben wird durch den Verfahrensablauf sichergestellt, dass<br />
- polizeilich bedeutsame Umstände und Tatsachen, deren Kenntnis zur<br />
Durchführung präventiver oder repressiver Aufgaben erforderlich sind,<br />
zielgerichtet festgestellt,<br />
- Wiederholungs- und Intensivtäter frühzeitig erkannt werden und<br />
- eine Konzentration auf Wiederholungs- und Intensivtäter möglich ist, sowie<br />
- zwingend notwendige Zusammenarbeit mit allen zu beteiligenden Institutionen<br />
stattfindet.<br />
4. Rechtslage<br />
4.1 Allgemeines<br />
Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 19<br />
StGB).<br />
Die Schuldunfähigkeit wird bei einem Kind unwiderlegbar vermutet.<br />
Im formellen Sinne stellt dies ein Prozesshindernis dar. Es besteht von vornherein<br />
keine Strafmündigkeit.<br />
Die Staatsanwaltschaft ist demzufolge verpflichtet, das Verfahren ohne weitere<br />
Prüfung unverzüglich einzustellen.<br />
Für polizeiliches und staatsanwaltschaftliches Handeln bedarf es einer Aufgabenzuweisung.<br />
Im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten wurde in<br />
den §§ 152 Abs. 2, 163 StPO für die Polizei/Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsauftrag<br />
formuliert. Er ist darauf gerichtet, zu ermitteln, ob gegen eine bestimmte<br />
Person ein staatlicher Strafanspruch entstanden ist oder noch besteht.<br />
Das setzt eine verfolgbare Straftat voraus. Die Straftat ist eine tatbestandsmäßige,<br />
rechtswidrige und schuldhafte Handlung, da nur bei Vorliegen<br />
dieser Voraussetzungen ein staatlicher Strafanspruch entsteht bzw. entstanden<br />
ist. Kinder, denen strafrechtliche Konsequenzen nicht drohen, können<br />
diesen Strafanspruch des Staates nicht verwirklichen. Eine (verfolgbare) Straftat<br />
i.S.d. StPO ist als notwendige Voraussetzung nicht gegeben.<br />
Das Kind ist nicht „Beschuldigter“. Strafprozessuale Maßnahmen, die an die<br />
Qualifikation „Beschuldigter“ anknüpfen, sind damit ausgeschlossen.<br />
Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass die Polizei derartig gelagerte<br />
Vorgänge nicht bearbeiten kann. Polizei muss hier die ihr originär bzw.<br />
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<strong>Richtlinie</strong> für Verfahren mit Kindern als Tatverdächtige (strafunmündige Kinder)<br />
subsidiär zugewiesenen Aufgaben der Gefahrenabwehr, der Kriminalprävention<br />
und der Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche wahrnehmen (§ 1 Abs. 1-3<br />
Nds. SOG).<br />
Dies ist gerade auch deshalb möglich, weil eine Straftat i.S.d. Nds. SOG die<br />
tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung zur Verwirklichung eines<br />
Straftatbestandes, also ohne Schuldmerkmal, ist.<br />
Betrachtet man diese Aufgabenzuweisung, so muss differenziert werden.<br />
Maßgebend ist nicht, ob am Ende der polizeilichen Ermittlungen ein Kind als<br />
„Täter“ festgestellt wurde oder nicht. Die damit einhergehende Strafunmündigkeit<br />
macht das vorangegangene Verfahren schließlich nicht unwirksam.<br />
Entscheidend ist, dass bei Feststellung der Identität und Alleinbeteiligung des<br />
Kindes keine strafprozessualen Maßnahmen mehr vorzunehmen sind bzw.<br />
gar nicht erst eingeleitet werden dürfen. Der Rechtsweg StPO endet bzw.<br />
fängt erst gar nicht an. Alle erforderlichen Folgemaßnahmen sind auf das Nds.<br />
SOG zu stützen.<br />
Ergeben sich im Vorfeld bzw. im folgenden Verlauf tatsächliche Anhaltspunkte<br />
für Fürsorge- und Aufsichtspflichtverletzungen i.S.d. § 171 StGB oder die Beteiligung<br />
anderer strafmündiger Personen, (auch an dieser tatbestandsmäßigen<br />
rechtswidrigen Handlung kann man teilnehmen bzw. als Kind mittelbarer<br />
Täter sein), dann liegt ein strafprozessuales Ermittlungsverfahren vor, welches<br />
abschließend und ausschließlich durch die Staatsanwaltschaft zu bescheiden<br />
ist.<br />
4.2 Besondere Fallkonstellationen<br />
4.2.1 Feststellung: Täter ist Kind und es gibt keine tatsächlichen Anhaltspunkte für<br />
die Beteiligung strafmündiger Personen.<br />
Eine Aufgabenzuweisung durch die StPO liegt nicht vor, bereits geführte strafprozessuale<br />
Ermittlungen sind einzustellen. Es gibt demnach keine Befugnis,<br />
Straftaten im Interesse des Geschädigten oder im öffentlichen Interesse aufzuklären.<br />
Die Zuständigkeit der Polizei und die Rechtsgrundlage für Maßnahmen zur<br />
Gefahrenabwehr, Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche und Kriminalprävention<br />
ergeben sich ausschließlich aus dem Nds. SOG in der jeweils gültigen Fassung.<br />
4.2.2 Feststellung: Täter ist Kind und es bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für die<br />
Beteiligung strafmündiger Personen.<br />
Die Zuständigkeit der Polizei und die Rechtsgrundlage für Maßnahmen ergeben<br />
sich aus der StPO und dem Nds. SOG in der jeweils gültigen Fassung.<br />
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<strong>Richtlinie</strong> für Verfahren mit Kindern als Tatverdächtige (strafunmündige Kinder)<br />
Das Kind ist nicht Beschuldigter. Strafprozessuale Maßnahmen, die an die<br />
Qualifikation „Beschuldigter“ und/ oder „Verdächtiger“ anknüpfen, sind gegenüber<br />
dem Kind nicht zulässig.<br />
Maßnahmen, die sich unmittelbar gegen das Kind richten, sind auf der Grundlage<br />
des Nds. SOG (Gefahrenabwehr, Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche<br />
und Kriminalprävention) in der jeweils gültigen Fassung zu treffen.<br />
Kommt als Täter erkennbar ein Kind in Betracht, kommt demnach nur das<br />
Nds. SOG zur Anwendung. Ansonsten kann auch die StPO zur Anwendung<br />
kommen, d.h. bestehen Zweifel an der Strafmündigkeit des Täters, können<br />
diese Zweifel nach StPO behoben werden.<br />
Maßnahmen gegen Strafmündige sind auf die StPO zu stützen.<br />
4.2.3 Feststellung: Täter ist unbekannt<br />
Ist die Täterschaft noch nicht bekannt, liegt ein strafprozessuales Ermittlungsverfahren<br />
vor.<br />
Sowie die Täterschaft eines Kindes ermittelt wird, ergeben sich die Zuständigkeit<br />
und die zu treffenden Maßnahmen der Polizei je nach Fallkonstellation<br />
gem. Ziff. 4.2.1 oder 4.2.2.<br />
Das vorangegangene Ermittlungsverfahren gegen ursprünglich „Unbekannt“<br />
wird durch spätere Identifizierung des Täters als Kind nicht unwirksam und ist<br />
durch die Staatsanwaltschaft zu bescheiden.<br />
4.3 Übersendung an die Staatsanwaltschaft<br />
Alle unter 4.2 genannten Fallkonstellationen erfordern die Einbeziehung der<br />
Staatsanwaltschaft. Dieses geschieht durch aktenförmige Übermittlung der im<br />
Falle strafunmündiger Kinder geführten Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft.<br />
Einen staatsanwaltfreien Raum sieht die StPO selbst bei offenkundigen Verfahrenshindernissen<br />
nicht vor. So sind beispielsweise auch Verfahren gegen<br />
erkennbar schuldunfähige Personen (§ 20 StGB) von der Polizei an die<br />
Staatsanwaltschaft abzugeben.<br />
Die Übermittlungspflicht ist dem Umstand geschuldet, dass es allein der<br />
Staatsanwaltschaft als zuständige Strafverfolgungsbehörde obliegt, die Prüfungen<br />
hinsichtlich eventuell vorliegender Schuldausschließungsgründe (u. a.<br />
Strafunmündigkeit) abschließend durchzuführen und das Verfahren sodann<br />
entsprechend nach § 170 II StPO einzustellen. Für den Strafanzeigen- oder<br />
Strafantragsteller ergibt sich ferner aus § 171 StPO grundsätzlich das Recht<br />
auf Bescheidung durch die Staatsanwaltschaft. Der Staatsanwaltschaft obliegt<br />
ferner die Pflicht, eventuelle Benachrichtigungen an die Jugendgerichtshilfe,<br />
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<strong>Richtlinie</strong> für Verfahren mit Kindern als Tatverdächtige (strafunmündige Kinder)<br />
das Familiengericht oder die Schule zu fertigen (<strong>Richtlinie</strong> zum Jugendgerichtsgesetz,<br />
zu § 1 JGG).<br />
Die sich aus der Strafprozessordnung ergebende, seit Jahrzehnten geübte<br />
Praxis einer abschließenden Aktenvorlage, ist auch zweckmäßig.<br />
Zwar kann die Polizei zunächst von weiteren umfangreichen Ermittlungen absehen,<br />
wenn offensichtlich nur die Täterschaft eines schuldunfähigen Kindes<br />
in Betracht kommt, der Vorgang muss jedoch der Staatsanwaltschaft zur weiteren<br />
Entscheidung vorgelegt werden. Dabei ist jede Ermittlungssache vorzulegen,<br />
unabhängig davon, ob sie auf Strafanzeige oder Strafantrag (§ 158<br />
StPO) begonnen worden ist. Dies gilt auch, wenn nach der Einleitung eines<br />
Ermittlungsverfahrens der Verdacht schlechthin entfällt, der Verdächtige nicht<br />
ermittelt wird oder aber schuldunfähig ist. Erklärung findet dieses darin, dass<br />
gem. § 163 II StPO die abschließende Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft<br />
geführt wird. Die Polizei selbst hat keine Einstellungsbefugnis.<br />
Durch die Vorlage der Ermittlungsakte bei der Staatsanwaltschaft wird auch<br />
gewährleistet, dass Fragen der Zulässigkeit strafprozessualer Maßnahmen<br />
eindeutig geklärt werden. Rechtliche Zweifelsfragen können beispielsweise die<br />
Zulässigkeit einer Durchsuchung bei Kindern gem. § 103 StPO oder die<br />
Durchführung einer Altersbestimmung durch Sachverständige zur Feststellung<br />
der Strafmündigkeit gem. § 81a StPO sein.<br />
5. Verfahren<br />
5.1 Der Sachverhalt ist grundsätzlich vor Ort aufzunehmen.<br />
Nur so kann<br />
- das Ausmaß der rechtswidrigen Tat bestimmt,<br />
- die Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche gewährleistet,<br />
- die Eigengefährdung des Kindes erkannt,<br />
- die Fremdgefährdung des Kindes durch Dritte verhindert,<br />
- das Sorge- und/oder Aufenthaltsbestimmungsrecht des Erziehungsberechtigten/Personensorgeberechtigten<br />
sichergestellt,<br />
- das Strafbegehren des Geschädigten festgestellt werden.<br />
Dabei ist zu beachten, dass Verfahren gegen strafunmündige Kinder von den<br />
Jugendsachbearbeiterinnen und Jugendsachbearbeitern am Wohnort des Täters<br />
durchzuführen sind (Wohnortprinzip). So kann ein eventueller Informationsverlust<br />
so gering wie möglich gehalten werden.<br />
5.2 Vor Ort sind festzustellen<br />
- die Identität des Kindes,<br />
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- die Identität der Erziehungs/- und Personensorgeberechtigten<br />
- die telefonische Erreichbarkeit<br />
- der Wohnort<br />
- der Sachverhalt (tatsächlicher Geschehensablauf)<br />
- Beteiligungssituation des Kindes<br />
- Spuren<br />
Darüber hinaus sind möglichst erste Informationen zur familiären, persönlichen<br />
und schulischen Situation zu erfragen.<br />
5.3 Folgende Maßnahmen können nach den Vorschriften des Nds. SOG in der<br />
jeweils gültigen Fassung getroffen werden:<br />
- Befragung und Auskunftspflicht § 12<br />
- Identitätsfeststellung, Prüfung von Berechtigungsscheinen § 13<br />
- Erkennungsdienstliche Maßnahmen § 15<br />
- Vorladung § 16<br />
- Platzverweisung/Aufenthaltsverbot § 17<br />
- Gewahrsam § 18<br />
- Durchsuchung von Person § 22<br />
- Durchsuchung von Sachen § 23<br />
- Betreten und Durchsuchung von Wohnungen § 24<br />
- Sicherstellung § 26<br />
Zur Durchsetzung vorstehender Maßnahmen stehen gem. §§ 64, 66 die Ersatzvornahme<br />
und gem. § 69 die Anwendung von unmittelbarem Zwang zur<br />
Verfügung.<br />
Alle getroffenen Maßnahmen sind unter Angabe der jeweiligen Rechtsgrundlage<br />
zu dokumentieren.<br />
5.4 Der Vorgang ist grundsätzlich in Form einer Strafanzeige (PolN 039/NIV 8) zu<br />
erstellen, unabhängig davon, ob ein Strafantrag vorliegt und/oder ein strafprozessuales<br />
Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.<br />
Ein strafprozessuales Ermittlungsverfahren wurde bereits eingeleitet bzw. ist<br />
einzuleiten bei<br />
- tatsächlichen Anhaltspunkten für<br />
- Beteiligung strafmündiger Personen,<br />
- Verletzung der Fürsorge- und Aufsichtspflicht (§ 171 StGB)<br />
- ursprünglichen Ermittlungen gegen „Unbekannt“<br />
Das Kind ist zeitnah durch die JugendsachbearbeiterInnen vorzuladen und zu<br />
befragen. Vorladungen der Kinder sind an die Erziehungs-/ Sorgeberechtigten<br />
zu richten.<br />
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<strong>Richtlinie</strong> für Verfahren mit Kindern als Tatverdächtige (strafunmündige Kinder)<br />
Das Kind ist in der Anhörung darauf hinzuweisen, dass es einen Anspruch auf<br />
rechtliches Gehör hat (Art. 20 III GG, § 28 VwVfG). Dieses muss vor allem vor<br />
dem Hintergrund gewährleistet werden, dass z. B. eine Falschverdächtigung<br />
bzgl. des Kindes auszuschließen ist. Das Kind darf in der Anhörung nicht zur<br />
Wahrheit ermahnt werden. Für das Kind besteht aufgrund fehlender gesetzlicher<br />
Regelungen und mangels Strafmündigkeit keinerlei Verpflichtung zur<br />
Wahrheit. Ferner ist das Kind darauf hinzuweisen, dass es sich durch seine<br />
Einlassung nicht selbst belasten muss (nemo tenetur se ipsum accusare; Art.<br />
20 III GG).<br />
Sinn und Zweck der umfassenden Befragung sind:<br />
- Sachverhalt, außerhalb des Eindruckes des Ereignisses, gemeinsam mit<br />
Erziehungs-/ Sorgeberechtigten zu erörtern<br />
- Gefahren, Störungen und deren Ursachen für das Verhalten des Kindes zu<br />
ermitteln<br />
- Folgen aufzuzeigen (Unrecht der Tat vor Augen führen, Folgen für das Opfer)<br />
- Hilfebedarf zu ermitteln<br />
- Hilfsmaßnahmen einzuleiten<br />
Nur so kann eine nachhaltige Wirkung bei dem Kind und den Erziehungs-/<br />
Personensorgeberechtigten erzielt werden.<br />
Die Befragung ist unter den in der Anlage –1- benannten Punkten (mit Vordruck<br />
Anlage –2-) durchzuführen.<br />
Beachte:<br />
Ergeben sich während der Befragung tatsächliche Anhaltspunkte für die<br />
- Beteiligung strafmündiger Personen,<br />
- Verletzung der Fürsorge- und Aufsichtspflicht (§ 171 StGB)<br />
sind entsprechende strafprozessuale Maßnahmen zu ergreifen.<br />
5.5 Personen, die zum Sachverhalt und der Verantwortlichkeit strafunmündiger<br />
Kinder Aussagen treffen können, sind vorzuladen und zu befragen.<br />
5.6 Besteht ein Ermittlungsverfahren, ist das Kind als Zeuge vorzuladen und zu<br />
vernehmen (Anlage –3-).<br />
Beachte: Belehrungspflichten<br />
5.7 Das Jugendamt ist unverzüglich zu unterrichten, wenn schon während der<br />
polizeilichen Ermittlungen erkennbar wird, dass Leistungen der Jugendhilfe<br />
(z.B. § 27 SGB VIII -Hilfe zur Erziehung-) in Frage kommen.<br />
In allen anderen Fällen ist das Jugendamt nach Abschluss der polizeilichen<br />
Ermittlungen zu unterrichten (sog. Jugendamtsbericht ).<br />
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Neben dem Jugendamt kann auch das Familiengericht unterrichtet werden,<br />
wenn sich aufgrund der polizeilichen Ermittlungen Anhaltspunkte dafür ergeben,<br />
dass eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegen könnte, die familiengerichtliche<br />
Maßnahmen erforderlich machen würden (§ 1666 BGB).<br />
Das Familiengericht wird zwar regelmäßig zunächst das Jugendamt um Stellungnahme<br />
bitten. Durch eine frühzeitige Befassung des Familiengerichtes<br />
kann aber im Einzelfall das Verfahren beschleunigt werden, wenn Eilbedürftigkeit<br />
besteht.<br />
5.8 Das Ausländeramt ist anlassbezogen zu informieren (§ 87 Abs. 4 Satz 1 AufenthG),<br />
wenn<br />
- das Jugendamt informiert wurde (siehe unter 5.7),<br />
- eine Abgabe an die StA erfolgt oder<br />
- eine Ausweisung der Erziehungs-/ und Personensorgeberechtigten nach §<br />
87 Abs.2 AufenthG i.V.m. §§ 54 ff AufenthG nicht auszuschließen ist.<br />
5.9 Die Schule ist anlassbezogen zu informieren, z. B. bei<br />
- Vorliegen von Anhaltspunkten, dass andere Schülerinnen und Schüler zu<br />
schützen sind (z.B. BtM-Verstöße, besonders hohe Gewaltbereitschaft,<br />
hohes Aggressionspotential, Raub, räuberische Erpressung) und<br />
- Schulpflichtverletzungen.<br />
Die Regelungen des Gem. RdErl. des MK, MI und MJ v. 30.09.2003 „Gewalt<br />
an Schulen; Zusammenarbeit von Schule, Polizei und Staatsanwaltschaft“<br />
sind besonders zu beachten.<br />
5.10 Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen ist der Vorgang zur abschließenden<br />
Bescheidung an die Staatsanwaltschaft abzugeben.<br />
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