Lernen - Eltern sammeln Unterschriften gegen 6-stufige Realschule
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Rationalisierungsprojekte werden erfunden: TUVAS,<br />
PHOENIX, PROVI. "Persönlichkeitentwicklung" wird<br />
zur "Personalentwicklung", "Demokratisierung" zu "Kundenorientierung",<br />
"Mitbestimmung" zu "Mitarbeiterbeteiligung",<br />
"Wettbewerb und Konkurrenz" zu "Benchmarking",<br />
"Arbeitsvertrag" zu "Contract", "Wissen und Können"<br />
zu "Skill", "Schulabgänger" zu "Rohprodukten",<br />
"Unternehmer und Kapitalisten" zu "entrepreneurs". Der<br />
begriffliche Qalm und der gedankliche Nebel haben Methode,<br />
sind die andere Seite des TINA - Prinzips (s. o.).<br />
• Entsprechend der neuen "Konsenskultur" der "neuen<br />
Mitte" werden neuartige Bündnisse und Netzwerke geknüpft,<br />
wird der Bildungs- und Kulturbereich vielfältig<br />
durchdrungen, auch personell: Mittels der Stiftungen<br />
(Bertelsmann -, Böckler -, Böll -, Ebert -, Seidel -, Bosch -<br />
, VW - Stiftung), über Netzwerke (z. B. Netzwerk innovativer<br />
Schulen), Arbeitskreise (Schule - Wirtschaft, Hochschule<br />
- Wirtschaft), Ausbildungsrunden (Runde Tische<br />
Berufsbildung), "Bündnis für Arbeit, Ausbildung und<br />
Wettbewerb", Initiativkreis Bildung (Herzog), CHE<br />
(Zentrum für Hochschulentwicklung der Bertelsmann -<br />
Stiftung), Forum Bildung (Bulmahn), der Kommunalen<br />
Gemeinschaftsstelle (KGSt Köln) und zahlreichen Management<br />
- Beratungsfirmen (Kienbaum, Andersen Consulting<br />
u. a. m.). Schon wirken Industrie- und Handwerkskammern<br />
in Findungsausschüssen bei der Schulleiterbestellung<br />
selbst für Grundschulen mit (wie z. B. in Hamburg).<br />
Es ist ein wirksames und wuchtiges Geflecht entstanden.<br />
Das gilt auch für EU - Projekte und die OECD.<br />
Das läuft ohne jegliche demokratische Kontrolle und Legitimation<br />
nahezu lautlos - und dem Blick von PädagogInnen,<br />
SchülerInnen und <strong>Eltern</strong> entzogen.<br />
XIII.<br />
Diese Bildungspolitik der "neuen Mitte" hat aber nun strategische<br />
Schwachstellen. An ihnen kann die Realisierung scheitern,<br />
wird hier Gegendruck angesetzt.<br />
• Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit<br />
und das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes werden<br />
nicht erfüllt. Die haben aber in der Bevölkerung nach<br />
wie vor einen hohen politischen Wert. Da nicht mehr alle<br />
Kinder gleichermaßen gefördert werden sollen, sind unmittelbare<br />
Interessen von <strong>Eltern</strong> und Jugendlichen direkt<br />
verletzt. Hier räumt die "neue Mitte" ein bildungspolitisches<br />
Feld bei Akademikern und dem sogenannten Bildungsbürgertum.<br />
• Da die Halbwertszeit des Wissens (Schulwissen: 20 Jahre,<br />
Studium: Jahre, EDV/Technologie: 1 - 3 Jahre) und die<br />
Innovationszyklen immer kürzer werden, sind ein <strong>Lernen</strong><br />
auf Vorrat und eine Wissensakkumulation und -<br />
speicherung weniger denn je möglich. Das lebensbegleitende<br />
<strong>Lernen</strong> und die konstruktive Wissensverarbeitung<br />
und Kompetenzentwicklung zur Problemlösung muss heute<br />
ökonomische, gesellschaftliche und politische Fragen<br />
beinhalten. Es ist also mehr als fraglich, ob sich die aus<br />
Sicht der Herrschenden unerwünschten Nebenfolgen eliminieren<br />
lassen: Wunsch nach verstärkter Partizipation<br />
und Mitbestimmung. Lässt sich Wahrnehmung von Verantwortung<br />
begrenzen? Lassen sich verankerte humanistische<br />
und soziale Werte bruchlos umwerten? Lässt sich der<br />
"aktivierte subjektive Faktor" kanalisieren? Wird "Systemwissen"<br />
nicht auch zur Artikulation eigener Interessen<br />
eingesetzt?<br />
• Der "aktivierende Staat" der "neuen Mitte", das NStM<br />
und seine Elemente (von Schulprogrammerstellung bis<br />
Sponsoreneinwerbung und PISA (Evaluation und Controlling)<br />
setzen die Aktivierung des subjektiven Faktors voraus.<br />
Damit wird die Akzeptanz zur zentralen Kategorie.<br />
Genau darauf haben Bildungsreformer, Protestbewegungen<br />
und Linke auch seit eh und je gesetzt. "Sparen muss<br />
Volkssport werden", heißt es. Was aber, wenn es das nicht<br />
wird? Wenn jede DM Kürzung mit öffentlichem Protest<br />
begleitet wird? Wenn bei den notwendigerweise an die<br />
Basis verlagerten Kompetenzen (Dezentralisierung) aktiv<br />
eingestiegen wird und von unten ein radikaldemokratisches<br />
Schulprogramm entsteht, das die Ressourcen einfordert?<br />
Wenn das zentrale Controlling gesprengt wird,<br />
PISA von etlichen Schulen boykottiert werden würde?<br />
Wenn sich die Kids nicht auskühlen lassen? Wenn alle<br />
Methoden - von der Verweigerung bis zum zivilen Ungehorsam,<br />
vom subversiven bis zum alternativen <strong>Lernen</strong> und<br />
zur Schulbesetzung, vom demonstrativen Widerstand bis<br />
hin zum alternativen Gesetzentwurf, vom außerparlamentarischen<br />
Demonstrieren bis zur parlamentarischen Anfrage<br />
breiter entwickelt und mehr praktiziert werden?<br />
XIV.<br />
Im Kern widerspricht die "Politik der neuen Mitte" natürlich<br />
linken und sozialistischen Prinzipien und Konzepten, auch in<br />
der Bildungs-, Kultur- und Jugendpolitik. Linken geht es in<br />
der Bildungspolitik um "individuelle und kollektive Mündigkeit"<br />
(H. J. Heydorn) - das ist etwas anderes als bewusstes,<br />
informiertes Konsumentenverhalten. Es geht uns um breite<br />
Allgemeinbildung für alle (G. Neuner), nicht nur um elementare<br />
Grundbildung plus Cumputer - User - Wissen für die<br />
breite Masse und Elitebildung für wenige. Es geht uns darum,<br />
den "Bürger zu unterstützen, eine kritische Mündigkeit zu<br />
finden "(H. J. Gamm), die "Aufklärung weiterzutreiben" (P.<br />
Bourdieu) - denn wir halten die Auflärung weder für vollendet<br />
noch für erschöpft, und zwar mit den Kategorien "Verantwortung,<br />
Autonomie und Rationalität" (H. J. Gamm). Wir<br />
wollen Evaluation als lernfördende und nicht selektive Prozesse<br />
gestalten (H. Schwarz). Letztendlich kann Bildungsreform<br />
nur in staatlicher Verantwortung erfolgen (H. G. Hofmann),<br />
wenn sie multikulturell sein und Chancengleichheit<br />
für alle bringen soll. Denn warum sollten Private an einer<br />
solchen Bildungsreform interessiert sein? Nötig wäre die<br />
"Bearbeitung der globalen Schlüsselprobleme" im öffentlichen<br />
Bildungswesen (W. Klafki), denn Bearbeitung ist etwas<br />
anderes als affirmatives Sich - Abfinden und Sich - darauf -<br />
Einstellen. Der Bildungsbereich müsste der Ort werden, der<br />
Ruhe, Verlässlichkeit und Zeit bietet, widerstehende "Menschen<br />
zu stärken und Sachen zu klären"(von Hentig) und<br />
nicht zuletzt, wo Widerständigkeit eingeübt wird - um die<br />
"Drift" der Menschen zu beenden, zu erschweren. Die Demokratisierung<br />
in Struktur (eine Schule für alle Kinder = Gesamtschule),<br />
Inhalten und Methoden steht an, die Entwicklung<br />
historischen und politischen Bewusstseins (Emanzipation),<br />
die Befähigung zum Frieden und zur Realisierung der<br />
Menschenrechte. Das dies alles in ein Konzept zum Ausbau<br />
des Wohlfahrtsstaates eingebunden ist, versteht sich aus dem<br />
vorher Gesagten. Beschäftigung muss stärker staatlich<br />
beeinflußt werden (öffentlich geförderter Beschäftigungssektor),<br />
die Bereiche Bildung, Kultur, Gesundheit, Jugendarbeit,<br />
Infrastruktur, Wissenschaft müssen personell aufgestockt -<br />
und das heißt: ausgebaut - werden, um die in der Produktion<br />
wegfallenden Arbeitsplätze hier zu ersetzen. Das heißt, hier<br />
müsste mehr Personal auf humanisierten Arbeitsplätzen eingestellt<br />
werden, denn die Arbeit mit und am Menschen nimmt<br />
an Bedeutung und Umfang zu (längere Lebenserwartung,<br />
Defizite in der familären Sozialisation, Umwelt-, Verbraucher-,<br />
Gesundheitsberatung usw.); der Gesellschaft geht die<br />
Arbeit keineswegs aus. Dabei wäre der Impetus der gleichzeitigen<br />
Demokratisierung des staatlichen Bereichs in der<br />
öffentlichen Diskussion stärker herauszuarbeiten und mit den<br />
Betroffenen direkt vor Ort zu konkretisieren (Dezentralisierung,<br />
Anti- Bürokratismus).Das setzt eine offensive Politisierung<br />
der Basis, sowohl vor Ort wie in den einzelnen Einrichtungen<br />
(Schulen, Kitas, Lehrwerkstätten, Unis) voraus und<br />
eine neuartige Bündnispolitik mit den Betroffenen bis hin<br />
zum Bildungsbürgertum ("Bündnis für Bildung" wie in Hamburg).<br />
XV.<br />
Damit aus linken Prinzipien und Konzepten eine mobilisierende<br />
alternative Politik wird, müssen demokratische und