Buch Magazin August 2013
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INTERVIEW<br />
Ich bin manchmal selber überrascht,<br />
wer da noch alles auftaucht.<br />
Was mir erst hinterher klar<br />
wurde: Mein Lektorin hat Kinder<br />
genau in dem Alter wie Charlotta<br />
und der kleine Bruder. Es tut mir<br />
jetzt noch Leid, was ich ihr mit<br />
dem Lektorat für üble Momente<br />
beschert haben muss.<br />
Wie leicht fällt es Ihnen, sich in<br />
so ein junges Mädchen hereinzuversetzen?<br />
Es fällt mir erschreckend leicht.<br />
Und die Resonanz auf die Bücher<br />
und bei Schreibworkshops zeigt<br />
mir, dass ich wirklich wohl den<br />
Ton treffe. Als ich seinerzeit vom<br />
Verlag gefragt wurde, ob ich nicht<br />
mal ein Jugendbuch schreiben<br />
wollte, habe ich spontan abgelehnt.<br />
Und dann hatte ich doch<br />
sofort eine Story, eine Figur im<br />
Kopf. Ich habe am nächsten Tag<br />
beim Verlag angerufen und doch<br />
zugesagt. Natürlich erinnere ich<br />
mich an eigene Gefühlsgewitter<br />
von früher. An die Ängste, die<br />
Launen. Ich gucke mir jetzt aber<br />
auch, egal wo ich bin, gerne<br />
Jugendliche an. Wie sie miteinander<br />
umgehen, wie sie reden. Ich<br />
finde es extrem spannend.<br />
Manchmal scheint es mir, als gebe<br />
es eine eigene Choreografie, einen<br />
geheimen Code.<br />
Was ist der Reiz für Sie, Jugendromane<br />
zu schreiben?<br />
Die Jugend ist so eine extreme<br />
Zeit. Was für ein Chaos in einem,<br />
um einen herum. So viele erste<br />
Male. So viele unbeschriebene<br />
Blätter. Immer nur wissen, was<br />
man nicht will. Da steckt so viel<br />
Die Jugend ist so eine<br />
extreme Zeit. Was für ein<br />
Chaos in einem, um<br />
einen herum.<br />
drin. Die Gefühle sind immer 100<br />
Prozent, nicht so verwässert wie<br />
später vielleicht. Man darf so<br />
herrlich verständnislos sein. Und<br />
es geht schnell. Das liebe ich. Das<br />
entspricht auch meinem Schreibstil.<br />
Keine langen Beschreibungen,<br />
keine ausufernden Dialoge. Kurze<br />
Sätze, hohes Tempo. Und:<br />
Jugendliche Zuhörer in einer<br />
Lesung sind nicht höflich. Das ist<br />
auch eine Herausforderung.<br />
Wie fingen Sie an zu schreiben?<br />
Mit Gedichten. Mit gereimten<br />
Gedichten. Wenn meine Kinder<br />
die mal finden, muss ich wohl<br />
eine Menge an Schweigegeld zahlen.<br />
Aber irgendwie finde ich<br />
Jugendliche Zuhörer in<br />
einer Lesung sind nicht<br />
höflich. Das ist auch eine<br />
Herausforderung.<br />
diese Herzschmerz-Zeilen auch<br />
noch anrührend. Mit moderneren<br />
Gedichten habe ich dann bei<br />
einem Wettbewerb gewonnen<br />
und durfte nach Berlin. Ich war<br />
14! Ich habe jeden Moment aufgesogen.<br />
Ich habe mich ernst genommen<br />
gefühlt. Es gab Workshops<br />
mit „echten“ Autoren, und<br />
es wurde eine Anthologie gedruckt.<br />
Meine Gedichte in einem<br />
<strong>Buch</strong>! Das hat die Lust so richtig<br />
geweckt. Als freie Mitarbeiterin<br />
bei einer Zeitung habe ich später<br />
entdeckt, dass man mit Schreiben<br />
auch noch Geld verdienen kann.<br />
Sie haben zwei Kinder, wie<br />
findet man da noch Zeit zum<br />
Schreiben?<br />
Ich bin ein Nachtmensch. Wenn<br />
die Kinder ins Bett gehen, fahre<br />
ich den PC hoch. Natürlich wird<br />
es dann immer viel zu spät und<br />
ich bin am nächsten Morgen nur<br />
im Stand-by-Modus. Aber auch<br />
mit halber Kraft kann ich Pausenbrote<br />
schmieren, Verkäuferin,<br />
Tierärztin oder Märchenfee spielen.<br />
Wenn die Schlussmelodie des<br />
Sandmännchens dann läuft,<br />
werde ich schon wieder ganz<br />
ungeduldig, weil ich endlich wieder<br />
an die Tasten will.<br />
Welche ist Ihre größte Angst,<br />
was Ihre Kinder betrifft?<br />
Entführung?<br />
Seit ich Kinder habe, bin ich ein<br />
absoluter Schisshase. Wenn am<br />
Horizont ein Auto auftaucht,<br />
würde ich mich am liebsten schon<br />
quer auf die Straße werfen.<br />
Klettern die Kids in einen Baum,<br />
möchte ich sofort das Krankenhaus<br />
anrufen und schon ein<br />
Zimmer reservieren. Wichtig ist<br />
nur: Die Kinder dürfen das niemals<br />
merken. Vor einer Entführung<br />
habe ich keine Angst. Die<br />
Verkaufszahlen wiegen mich<br />
(noch) in Sicherheit.<br />
Lesen Sie selbst auch am<br />
liebsten Jugendromane?<br />
Ich vermeide es eigentlich,<br />
Jugendromane zu lesen, weil ich<br />
mich nicht beeinflussen lassen<br />
möchte. Neulich allerdings habe<br />
ich „Tschick“ gelesen und war so<br />
begeistert, so gefesselt und so neidisch.<br />
Ansonsten lese ich mich<br />
quer durch unsere Gemeindebibliothek.<br />
Und ich habe sogar an<br />
manchem Kinderbuch, das ich<br />
abends vorlese, selber Spaß – ich<br />
empfehle da übrigens zurzeit<br />
„Die Olchis“. Köstlich.<br />
Vielen Dank für das Interview.<br />
Interview: Sandra Kielmann<br />
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BUCH-MAGAZIN | 59