Magazin der Österreichischen Nationalbibliothek
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Das beson<strong>der</strong>e Objekt<br />
Versunkene Welt<br />
Ein Kin<strong>der</strong>foto aus <strong>der</strong> berühmten Sammlung Korty<br />
Das herzige Bild <strong>der</strong> kleinen Edith<br />
Löwy im typischen Atelierstil <strong>der</strong><br />
1920er-Jahre verbirgt ein trauriges<br />
Schicksal. Es ist eines von ehemals<br />
rund 250.000 Fotografien, die <strong>der</strong> 1889<br />
geborene jüdische Journalist Raoul Korty<br />
im Laufe seines Lebens zusammengetragen<br />
hatte. Kortys Sammlung war damit eine<br />
<strong>der</strong> größten in Europa und ein gefragtes<br />
Bildarchiv <strong>der</strong> damaligen Printmedien.<br />
Die Fotos stehen für die versunkene<br />
Welt ihres Sammlers. Korty, ein unerschütterlicher<br />
Monarchist und Bohemien,<br />
sammelte vorzugsweise Porträtaufnahmen<br />
von prominenten Persönlichkeiten des<br />
19. und beginnenden 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts:<br />
SchauspielerInnen, KünstlerInnen, österreichisches<br />
Kaiserhaus und europäischer<br />
Adel, aber auch die gutbürgerliche Wiener<br />
Gesellschaft.<br />
Einen großen Teil <strong>der</strong> Sammlung verkaufte<br />
er in den 1920er-Jahren, dieser ist<br />
heute nicht mehr nachweisbar. Der verbleibende<br />
Rest von rund 30.000 wertvollen<br />
Fotografien wurde im Jahr 1939 unter<br />
tatkräftiger Mitwirkung <strong>der</strong> <strong>Nationalbibliothek</strong><br />
von <strong>der</strong> Gestapo beschlagnahmt<br />
und ins Bildarchiv <strong>der</strong> <strong>Nationalbibliothek</strong><br />
übernommen. Korty wurde 1944 verhaftet,<br />
nach Theresienstadt deportiert und noch<br />
im gleichen Jahr im KZ Auschwitz ermordet.<br />
Erst 2003, im Zuge <strong>der</strong> von <strong>der</strong> <strong>Österreichischen</strong><br />
<strong>Nationalbibliothek</strong> angestrengten<br />
Provenienzforschung, kam seine fast<br />
in Vergessenheit geratene Sammlung wie<strong>der</strong><br />
zum Vorschein. Die bis dahin originalverpackt<br />
in Holzkisten lagernden Fotos<br />
wurden auf Wunsch <strong>der</strong> hoch betagten<br />
Tochter Raoul Kortys nach <strong>der</strong>en Restitution<br />
im Jahr 2005 von <strong>der</strong> <strong>Österreichischen</strong><br />
<strong>Nationalbibliothek</strong> rechtmäßig angekauft.<br />
Der Lebensweg <strong>der</strong> kleinen Edith Löwy<br />
ist übrigens nicht mehr rekonstruierbar:<br />
Der Name „Löwy“ und die professionelle<br />
Atelierfotografie lassen vermuten, dass sie<br />
aus bürgerlichem jüdischen Elternhaus<br />
stammte.<br />
ÖNB magazin AUSSTELLUNG<br />
7