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SCHWERPUNKT: BILDUNG _BIOGRAFIEN<br />
sie zu hören: Kommen Sie wieder, wenn Sie uns eine Kita zeigen<br />
können. Die Gelegenheit bekamen die Gründer 2003 von dem<br />
IT-Unternehmen Lion Bioscience in Heidelberg, wohin die beiden<br />
Kontakte hatten. Mit diesem Betriebskindergarten (den es<br />
nicht mehr gibt, weil die <strong>eins</strong>tige Neue-Markt-Firma extrem geschrumpft<br />
ist) konnten sie zeigen, dass ihr Konzept funktioniert.<br />
Es ist sehr detailliert und beschreibt von der „herzlichen und<br />
authentischen Begrüßung der Kinder und Eltern“ bis zu ihrer Verabschiedung<br />
unzählige „Prozesse“. Der Kern der Bildungskindertagesstätten<br />
ist ein System zur akribischen Beobachtung und<br />
Dokumentation der Entwicklung jedes Kindes – dem man die<br />
Herkunft der Gründer aus der IT-Industrie anmerkt. Damit die<br />
Erzieher so kompetent Auskunft geben können, wie Thelen es in<br />
Brasilien erlebt hat. Viel Mühe wird auf die Auswahl und Fortbildung<br />
des Personals verwandt, das laut Educcare-Konzept mit<br />
„authentischer Begeisterung“ an die Arbeit gehen soll.<br />
Nach der Referenz-Kita kamen weitere in familienfreundlichen<br />
Kommunen hinzu, die Plätze in dem von Educcare für nötig<br />
gehaltenen Maße bezuschussen, sodass die Elternbeiträge niedrig<br />
gehalten werden können; die Subventionen schwanken von Gemeinde<br />
zu Gemeinde stark. Zur Etablierung des Unternehmens<br />
trug auch die „Offensive Bildung“ bei, eine unter anderem von<br />
der BASF 2005 in Ludwigshafen ins Leben gerufene bundesweit<br />
einmalige Initiative zur Förderung der frühkindlichen Bildung.<br />
Educcare ist für das Gesamtmanagement zuständig – und hat so<br />
Gelegenheit, ihre Ideen weiter bekannt zu machen.<br />
Axel Thelen hat es wieder geschafft und eine neue, selbst gesuchte<br />
Aufgabe gemeistert. Nach langen dürren Jahren, in denen<br />
die Gründer viel Geld und Zeit in ihr Projekt gesteckt haben,<br />
zahlen sie sich mittlerweile auch Gehälter aus. Thelen peilt für<br />
Educcare eine maximale Größe von 50 bis 60 Einrichtungen an.<br />
Klein genug, um beweglich zu bleiben, und groß genug, um die<br />
Branche zu verändern. Denn: „Man muss sich was zutrauen.“<br />
Die Zielstrebige<br />
Manchmal entscheidet eine einzige Weiche über<br />
die Zukunft. Bei Carla Köhler (rechts)<br />
hat sie ein medienbegeisterter Lehrer gestellt.<br />
Text: Roman Pletter Foto: Michael Hudler<br />
All den Stationen im Leben dieser jungen Frau zu folgen ist<br />
nicht einfach. Im Mai schließt Carla Köhler das Zweite Juristische<br />
Staatsexamen ab. Sie arbeitet seit acht Jahren als Radioreporterin,<br />
wovon sie auch ein Semester in London nicht abgehalten hat.<br />
Momentan bereitet sie eine Dissertation vor und verbringt ihre<br />
letzte Referendariatsstation in der Redaktion Recht und Justiz<br />
des ZDF. Vor Kurzem war sie für drei Monate im deutschen<br />
Generalkonsulat in Atlanta. Verantwortlich für ihren Weg ist ein<br />
Lehrer, der seinen Schülern außerhalb des regulären Stundenplans<br />
etwas anbot, auf das Carla Köhler sich einließ.<br />
„Ohne die Medien-AG wäre ich nicht dort, wo ich jetzt bin.<br />
Ich hatte davor gar kein Medieninteresse“, sagt die 26-Jährige, zehn<br />
Jahre nachdem sie ihr Lehrer Gerhard Laubscher am Wilhelmvon-Humboldt-Gymnasium<br />
in ihrer Heimatstadt Ludwigshafen<br />
fragte, ob sie nicht Moderatorin werden wolle. Laubscher hatte<br />
zusammen mit seinem umtriebigen Kollegen Karl Ludwig Kemen<br />
eine Schülergruppe aufgebaut, die in einem eigens eingerichteten<br />
Fernsehstudio Sendungen produzierte.<br />
Drei Jahre lang hat Köhler „Humboldt-TV“, eine Sendung<br />
von Schülern für Schüler, im Offenen Kanal Ludwigshafen moderiert.<br />
Sie lernte, vor der Kamera zu sprechen und auf schwierige<br />
Situationen zu reagieren. Die wenigsten Jugendlichen müssen damit<br />
fertig werden, dass sich während der von ihnen moderierten<br />
Live-Sendung bärtige Männer ungefragt neben sie setzen, weil sie<br />
zufällig gerade vorbeikommen. Ihr Lehrer Kemen war sehr froh,<br />
als Carla den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck<br />
(„Huch, was machen Sie denn hier?“) gleich erkannte.<br />
Diese Erfahrung war nützlich für das Praktikum beim regionalen<br />
Radio Regenbogen und die sich daraus ergebende freie<br />
Mitarbeit. Carla Köhler betreute Gewinnspiele für Hörer, machte<br />
Beiträge zu Kinofilmen und führte Interviews als freie Reporterin<br />
mit Musikern und Politikern, um Routine und Arbeitsproben zu<br />
sammeln. Denn das Ziel war seit der Medien-AG klar: „Dass ich<br />
zum Fernsehen will, vor die Kamera, am liebsten im Nachrichtenbereich,<br />
um eine Sendung so sympathisch zu moderieren, dass<br />
viele Menschen sie sehen wollen.“<br />
Die Idee, dem Ziel mit einem Volontariat näher zu kommen,<br />
verwarf sie nach dem Praktikum. „Ich wollte nicht aufhören zu<br />
lernen. Die Kollegen beim Radio meinten, Jura zu studieren sei<br />
gut, weil man sich dann auch in einem wichtigen Gebiet auskennt<br />
und weil das Fach ein breites Allgemeinwissen vermittelt. Und<br />
man legt sich damit nicht so früh fest, falls man noch etwas anderes<br />
machen möchte.“<br />
Während die meisten Juristen lange über die Qualen des<br />
Repetitoriums berichten, ist Carla Köhler diese Zeit der juristischen<br />
Vorbereitungs-Galeere auf das Staatsexamen kaum einen<br />
Satz wert. Nur so viel, dass sie im Studium einiges gelernt habe,<br />
um einzuordnen, was in der Welt so passiere, im Europarecht<br />
beispielsweise, und dass sie nach dem vierten Semester beinahe<br />
hingeworfen hätte, als sich ihr das Spannende an Bau- und Verwaltungsrecht<br />
nicht erschloss.<br />
Im anschließenden Referendariat lernte sie unter anderem<br />
einen künstlerisch ambitionierten Staatsanwalt (Spezialgebiet Aktmalerei)<br />
in Lederhose, T-Shirt und mit Rockmusik im Hintergrund<br />
kennen, der sie fachlich wie menschlich sehr beeindruckt<br />
habe und bei dem sie gesehen habe, dass die reale Welt der Straf-<br />
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